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Anser Bund in jüngster Vergangenheit und in der Zukunft. Von Sludicurat G. Baumann. Es war im Jahre 1895, also vor beinahe 30 Jahren, als sich 16 Be zirksvertreter des Sachs. Radsahrerbundes unter Leitung des damaligen 1. Bundesschriftsührers, Felix Burkhardt, Leipzig, in der alten Bergstadt Freiberg zusammenfanden, um einander persönlich näher zu treten und sodann gemeinsame Beratungen zu pslegen über den zeitgemäßen Ausbau ihres Verbandes. Von ihnen allen ist es nur einem einzigen vergönnt geblieben, unentwegt für die Geschicke des Bundes zu arbeiten, es ist dies der Verfasser dieses Artikels. Die anderen treuen Mannen sind teils ge storben, verzogen oder nicht mehr im Amte, teils haben sie dem Verbände den Rücken gekehrt. Keiner von allen hatte Wohl die Ahnung, daß nach 30 Jahren unser Sächj. Radfahrerbund nach schweren Kämpfen und An feindungen sportlich und wirtschaftlich einen so gewaltigen Aufschwung nehmen und unter den deutschen Radsportverbänden sich größten Ansehens erfreuen würde. Bei gerechter Beurteilung seiner Leistungen werden ihm Freund und Feind das Zeugnis ausstellen, daß er Großes geschaffen hat. Das wird von vielen vielleicht als Eigenlob aufgefaßt werden, aber — es stinkt nicht. Wenn sich der S. R.-B. jetzt zum 33. Bundesfest wieder in Freibergs Mauern versammelt, so darf er mit Stolz sagen, daß er mächtig und stark nach innen und außen dasteht und sich fortgesetzt in aufsteigender Linie bewegt har. Freilich ohne Kampf und rastlose, schwere Arbeit ging es nicht ab, und die nachfolgenden Ausführungen sollen zeigen, was im Ver bände seit Ende des Weltkrieges, von 1918 ab, wichtiges geschehen ist. Unter Max Bergmanns rühriger uud zielbewusster Leitung trat man 1918 an den Wiederaufbau heran. Freilich eine Riesenarbeit unter den traurigsten wirtschaftlichen Verhältnissen war zu bewältigen, und es bedurfte der ganzen Einsicht und Tatkraft aller Bundesvorstandsmitglieder und der Bezirksvertreter, mit Bergmann und dem ncugewählten Geschäftsstellen leiter Richard Voigt, Leipzig, das Werk in Angriff zu nehmen und zu voll enden. Ende des Krieges zählten wir noch 1200 Mitglieder, die in 35 Be zirken, zum Teil dezimiert, verteilt waren; heute zum 33. Bundesfeste können wir in 40 Bezirken auf 14 20h Mitglieder, darunter 800 Jugend licht, blicken. Wenn Zahlen sprechen, so zeigen diese Angaben am besten das Aussüllen der Bezirke und damit das Wachstum und das Erstarken des Bundes. Den: Nachfolger Bergmanns, Arthur Klarner, blieb es vorbe halten, den Bund auf eine seltene sportliche Höhe zu bringen. Während seiner vierjährigen Amtsperiodc als 1. Präsident war es ihm Herzenssache, in großzügiger Weise die Einigungsbestrebungen unter den großen deutschen Radsportverbänden zu fördern. Die Gründung einer Arbeitsgemein schaft zwischen B. D. R., D. R.-U., S. R.-B., Verband der Fahrrad industriellen, Verband der Ncnnbahnbesitzer und der Berufsfahrer war sein Hauptwerk! Sein Streben ging dahin, unter Leitung vorgenannter Spitzenorganisationen einen Landesverband Sachsen zu gründen, der de» einzelnen Verbänden ihre volle Selbständigkeit ließ und eine restlose Er fassung der radsportlichen Tätigkeit herbeisührte. Leider bestand dieser ideale Zustand nur bis zum Januar 1924. Wir werden weiter unten noch daraus Hinweisen, Ivie es zu seiner bedauerlichen Auflösung kam. Pfingsten 1922 konnte in Zwickau der Landesverband Sachsen als gegründet erklärt werden. Er umfaßte die vier sächsischen Gaue des B. D. R., die D. R.-U., den S. R.-B. und den Oberlausitzer Radfahrerverbaud. Den Vorsitz erhielt Haufe, Dresden vom B. D. R. Bald aber stellt«? es sich heraus, daß die Gegensätze zwischen dem B. D. R. und dem S. R.-B., die schon, wie sporr- geschichtlich nachznweisen ist, bis zur Gründung des S. R.-B. im Jahre 1891 nach dem Bundestage des Deutschen Radsahrerbundes in Breslau zurückliegen, unüberbrückbare waren. Der B. D. R. verweigerte ein lveiteres Zusammenarbeiten, trat aus dem Landesverband aus, gründete aber gleichzeitig unter dem Zusammenschluß der vier sächsischen Gaue des B D. R. einen neuen Landesverband Sachsen. Tie Radwelt schrieb damals über dieses Kuriosum: „Der Landesverband Sachsen ist tot, es lebe der neue Landesverband!" Bei dieser Scparatgründung zeigte sich wieder einmal deutlich, daß der B.D. R. ofscnsichtlich bestrebt war, ihm nicht ge nehme Verbände rücksichtslos beiseite zu schieben, um sich überall die Hege monie und Diktatur im Radfahrsport zu sichern. Eine weitere Illustration hierzu bietet auch das berüchtigte Flugblatt des Gaues Leipzig vom B. D. R. vom April 1924. Schon der verstorbene Spvrtschriftsteller Wäntig-Haugk klagt in seiner Chronik der deutschen Radfahrervereiuigungen vom Jahre 1898 über das rücksichtslose Vorgehen des Deutschen Radsahrerbundes gegenüber den anderen Verbänden, und er fragt sehr richtig: „Warum marschieren die deutschen Sportleute nicht Hand in Hand? Wenn Ihr Euch nicht vereinigen könnt, seid doch wenigstens des Spruches des alten Fritz eingedenk: „Jeder werde nach seiner Fasson selig". Und >vem dies nicht paßt, der denke an das Prinzip der Gewissensfreiheit nnd Duldung." Man sieht aber, manche Leute haben nichts aus der Geschichte des Radsports gelernt und wollen auch nichts lernen; ihnen kann nicht geholfen werden. Anc 25. Fcbr. 24 fand dann die berühmte Sitzung in Berlin statt, in welcher die Deutsche Arbeitsgemeinschaft ihre Auflösung erlebte und der Neichsbund deutscher Werke h-rssportverbän de gegründet wurde, Vorsitzender Direktor Paul Schwarz, Berlin. Hier beschloß man, daß nur der jeweilige Spitzenverband einer Verkehrssportart als Mitglied im R D. V. zugelassen war. Für den Radsport maßgeblich wurde der B. D. R., somit hatte dieser unter Führung seines neuen Vorsitzenden Heinrich Stevens, Köln, der aus früheren Jahren zahlreichen Sachsen bündlern als Mitglied unseres Verbandes rühmlichst bekannt sein dürfte, das Heft in den Händen. Er hoffte damit seinen Plan erreicht zu haben, alle Radsportverbändc in einem, dem B. D. R., aufgehcn zu sehen. Das Zwangssyndikat war fertig. Ehre und Anerkennung solcher Arbeit! Damit dürften die Bestrebungen deutscher Radsportverbände, die sportliche Tätig keit aller Fahrer restlos zu erfassen- und für das ganze Volk nutzbar zu machen, auf lange Zeit hinaus zerschlagen worden sein. — Klarners Mühe und seiner rastlosen Tätigkeit gelang cs auch durch die Bodeuscefahrt unseres Bundes Pfingsten 23, ein gutes Einvernehmen mit den süddeutschen und bayerischen freien Radsportverbänden herbeizuführen. Diese Fahrt dürfte letzten Endes auch mit beigetragen haben zur Gründung einer „Ver einigung deutscher Radsportverbände" am 13. April 24 in Kassel, auf die wir später noch kurz zurückkommen werden. Zum Aufschwung der Sächs. Radfnhrerzeitung trug Klarner wesentlich bei, indem er die Industrie zur Aufgabe von Inseraten veranlaßte und sie auch sonst für unsere radsport liche Tätigkeit aus Straße nnd Saal zu interessieren wußte. Dem Ausbau der Jugendpflege im S. R.-B., unter Leitung von Baumann und Schöne als Lbmänncrn brachte er großes Verständnis entgegen nnd hatte für sie buudesseitig und persönlich stets eine offene Hand. In gemeinsamer Arbeit mir dem Mitbegründer unseres Bundes, Arthur Serbe, Leipzig, legte er die Grundlage für unsere einzig dastehende Slerbekasse. So manche Träne wurde bisher durch sic getrocknet und manche Not gelindert. In groß zügiger und selbstloser Art hat er es weiter verstanden, in Stadt und Land unseres Bundesgebietes die uns noch fernstehenden Kreise und Behörden durch lebhafte und geschickte Agitation für den Radsport und unseren Bund zu interessieren. Seinem rührigen Vorgänger und Nachfolger Max Berg mann, Ehrenvorsitzender des S. R.-B., war cs beschiedcu, nachdem Klarner sein Amt niedergclegi hatte, die Arbeit Klarners frnchtbringcnd sortzu setzen. Unter ihm kam die schon oben erwähnte Gründung der Vereinigung deutscher Radsportverbändc zustande, in die mau Bergmann zum stcllver tretenden Vorsitzenden wählte. Damit wurde gegen die krankhaften Hege moniebestrebungen des B. D. R. ein Gegenblock geschaffen, dem sowohl die Regierungen als auch die Industrie ihr Augenmerk zuwenden dürften. Gegen 150 000 Mitglieder stehen jetzt dem B. D. R. gegenüber, uud wenn nun noch der Arbeiterradfahrerbund „Solidarität" mit über 300 000 Mit gliedern aus seiner zu Unrecht gewahrten Reserve heraustrelen uud sich der neuen Vereinigung anschließen würde, so dürfte damit den Führern des Reichsbundes die Haltlosigkeit ihrer einseitigen Jnteresseupolitik Hand greislich zn Gcmütc geführt werden. Wir meinen, daß es noch nicht aller Tage Abend ist, so bedauerlich es erscheint, wenn sich deutsche Sportkame- raden, stqtt geeint im friedlichen Wettstreit ihre Kräfte zu messen, gegenseitig zum Gaudium des Auslandes bekämpfen. Und nun noch einen Blick aus die Zukunftsarbeit unseres Bundes: Eine Vereinfachung der Geschäfts führung ist herbeizuführen. Der Wciicrausbau unserer Jugcndabteiliiugcu ist ungesäumt nach den Beschlüssen des Jugcndtagcs in Planitz, Pfingsten 1924, vorzunehmcn. Tatkräftige Unterstützung des Jngendhcrbcrgcwesens, Gründung eines Landjngendheims im Erzgebirge oder Vogtland, weit gehende Förderung des Wandcrfahrens, Unterstützung der Anlage von Spiel nnd Sportplätzen im Sachsenland, Verbesserung und Slenanlagc von Radfahrwegen abseits der Landstraßen, Weiteransban unserer Haft Pflicht und Unfallversicherung ist anzustrcben. Eine Unlerstützungskasse für minderbemittelte und erkrankte Mitglieder möchte ins Leben gerufen werden, und nicht zuletzt ist die Neuauflage unseres unvergleichlich schönen Tonrcnbuchc-l zu veranlassen. Wahrlich große und wichtige Arbeit gilt es zu leisten, und wir hoffen zuversichtlich, daß alle treuen Bnndcskameradcn in geschlossener Einigkeit nnd bewährter Opferwilligkcit hierbei bereit willigst mithclfen werden. Auch die Bnndestagnng zn Freiberg möge Zeugnis davon oblegen, daß wir es verstehen, in großzügiger Weise den Radsport in unseren Reihen zn fördern zum Heile des SachsenbnndeS und zum Nutzen aller Volksgenossen.