Volltext Seite (XML)
Nr. s. Der Radfahrer Seite 172. Auf meinem weiteren Wege durch die Stadt kam ich am iVluseum <ii sculptnru Lnliicu vorüber, in dem ausgegrabene alte Bildhauer- Kunstwerke, Sphinxköpfe u. dgl. ausgestellt waren. Vor den Kirchen liegen bettelnde und schlafende Leute herum; Stiefelputzer bieten an allen Ecken und Enden ihre Dienste an. Nun zum Kapitolsplatz. Line Monumental-Freitreppe, deren Fuß zwei auf Postamenten ruhende Löwen aus Basalt schmücken, führt hinauf; sie ist oben zu beiden Seiten mit den Kolossal- Standbildern Eastors und Pollux' gekrönt. An ihrer linken Seite unter Bäumen und Ziersträuchern befindet sich ein Käfig, in dem eine lebende Wölfin gehalten wird — zur Erinnerung an die Fabel, nach der die Gründer Roms, Romulus und Remus, von einer Wölfin gesäugt worden sein sollen. — Das Kapitol ist ein alter halb Palast-, halb burgartiger Bau. Zu ihm gehört auch der der Freitreppe gegenüberliegende sogenannte Senatoren-Palast. Seit wärts am Platz steht das Kapitolinische Museum, in dem sich alt ägyptische und griechische Skulpturen befinden, u. a. auch zwei riesige Hände und zwei ebensolche Füße sowie ein etwa 2 m hoher Marmor kopf irgendeines Gewaltigen aus alter Zeit. Den Hauptschmuck des Kapitolplahes jedoch bildet das bronzene Reiterstandbild des römi schen Kaisers Marc Aurel, der 161—180 n. Ehr. regierte. Hinter dem Kapitol dehnt sich das b'orum romnnum aus, der Marktplatz, des alten Roms, auf dem sich das öffentliche Leben jener Zeit, Ständcversammlungen, Zeremonien usw. abspielten. Rom, 733 v. Ehr. gegründet, wurde mehrfach von größeren Feuersbrünsten, Kriegszerstörungen und Plünderungen heimgesucht, so daß es am Ende des 14. Jahrhunderts nur noch eine Trümmerstätte war. Mitte des 15. Jahrhunderts wurde von den Päpsten viel für die Wicderaufrichtung Roms getan. Hier ist die Stätte, auf der sich die bedeutsamsten Bauwerke des alten Roms befinden. Es ist eine Schatzkammer antiker Kultur. Aus der Fülle der klassischen Bau- und Bildhauerkunst sei nur erwähnt der zu Ehren des römischen Kaisers Konstantin (regierte 306—337) im Jahre 311 erbaute mächtige dreiteilige Triumphbogen, der mit Säulen, Statuen und Reliefs aus den Siegeszügen Konstantins prächtig geschmückt ist. Gleich imposant sind die für die Kaiser Titus und Septimius Severus errichteten Siegesbogen. Hier befinden sich auch die aus einer größeren oder geringeren Anzahl hochragender Säulen mit kunst vollen Kapitälen bestehenden Loncordiatempel, Satunustempel, Tempel der Venus, der Castor und Pollux und viele andere. Weiterhin erhebt sich der riesenhafte Bau des Amphitheaters, des Kolosseums. Sein Grundriß ist länglichrund; es ist 183 in lang, 156 in breit und besteht aus vier Stockwerken von ungeheurer Größe und Wucht, deren jedes 80 Portale hat. Leider sind nur die beiden unteren Stockwerke vollständig erhalten, während von den beiden oberen nur noch ungefähr ein Drittel des Rundbaues steht. Es hat Plätze für 82 000 Personen. Im Innern befinden sich, fast die Hälfte des Platzes einnehmend, eine große Anzahl kellergcschoßartig eingebauter, burgverliesähnlicher fester Bauten, die zur Aufnahme der Gladiatoren, der wilden Tiere usw. — deren Kämpfe sich hier abspielten — dienten. Ich wendete mich wieder der inneren Stadt zu, um mir zunächst das Pantheon anzusehen. Ich erbat mir von einem jungen Mann Bescheid über den Weg dorthin (mit ein paar italienischen Worten). Er erbot sich in großer Bereitwilligkeit, was ich in der Hauptsache aus seinen Gebärden, weniger aus seinen Worten entnehmen konnte, daß er mich hinführen wolle. Unterwegs unterhielten wir uns recht angeregt miteinander: er erzählte mir verschiedenes auf Italienisch und ich antwortete ihm deutsch, und wir wußten eigentlich keiper vom anderen reicht, was er eigentlich wollte. Aber doch. Aus einigen von beiden Seiten mit Mühe und Not zusammengestoppelten Brocken auf Englisch, Französisch und — Lateinisch, vorwiegend aber wieder durch „beredte" Gebärden, hatte ich ihm nicht nur über meine Person Auskunft gegeben und auch von ihm erfahren, daß er tech nischer Student sei, sondern er machte mich auch auf alles auf unserem Wege liegende Interessante aufmerksam, nannte mir die Namen der Kipchen, Brunnen, Plätze usw., die wir passierten. Bei den in vielen Sprachen gleich- oder ähnlichklingenden Eigennamen ist ja ein Verständigen durchaus keine Kunst. Als» wir waren nun am Pantheon angelangt. Es ist ein wuchtiger runder Monumental bau, vor dem sich eine von vier Reihen hoher, schlanker korinthischer Säulen getragene Eingangshalle (?orlilcus) befindet. Das ganze Innere des Gotteshauses, das ursprünglich ein römischer Tempel war, ist völlig frei, also ohne Bänke usw. Der Fußboden besteht aus Marmor-Mosaiken. Ringsum an der Wand wechseln Säulenreihen mit Altären ab. Hier ist Raffael Santi, einer der größten Maler aller Zeiten, dessen Sixtinische Madonna sich in der Dresdner Bildergalerie befindet, beigesetzt; ebenso König Viktor Emanuel II. (1878 gestorben) und König Humbert I, der 1900 ermordet wurde. Die Kirche hat keine Fenster, das Licht fällt durch die große Kuppel, die das Dach bildet und die oben offen ist. Zwei große Gedenktafeln in Kranzform — an zwei sich gegenüber befindlichen Stellen der Kirche — sind dem Gedächtnis der eben erwähnten Herrscher ge weiht. — Ich drückte meinem Führer gegenüber, indem ich auf die große Kuppelöffnung verwies, die Frage aus: Wenn es nun regnet? worauf ich mir nach seiner Antwort, von der ich nur „nients" verstand, eben zu denken hatte, daß es in Rom sehr selten regnet, und wenn schon, daß sich dann eben die Leute nicht direkt unter die Himmelsöffnung stellen, sondern auf die Seite gehen werden. Mit meinem Führer, den ich zu einem Glas Wein eingeladen hatte, ging es nun auf die Wohnungssuche. Aber sei es, daß tat sächlich in den beiden vornehmen Hotels, wo wir zuerst vorsprachen, alles bereits besetzt war oder daß die Leute mich nicht für einen Fürsten, d. h. besonders Zahlungskräftigen hielten. Jedenfalls be, kamen wir, was mir mein Führer gar njcht erst zu übersetzen brauchte, den Bescheid, daß ich dort kein Unterkommen erhalten könne. Nach der späteren Verabschiedung von meinem italienischen Freund machte ich mich allein weiter nach allen Regeln der Kunst auf die Suche. Ich sagte mir: Das „beste" ist die Obrigkeit. .Also heran an einen Karabinieri. Ich brachte ihm bei, daß ich eine ,„4.IberAo per ckormire" suchte (in meinen Methula-Sprachführer guckte ich schon gar nicht mehr, es ging ohne ihn viel besser), hielt ihm Papier und Stift mit der ebenso höflichen als kategorischen Aufforderung „scridere" (also schreiben) hin, und schon notierte er mir ,,H.Iber§c> cii purncliso". Er schrieb mir dazu noch eine Kirche auf, zwar nicht als Uebernachtungsgelegenheit, sondern der Orien tierung halber, und ich kam dann auch mit Hilfe der Straßenbahn, deren Nummer mir der Schutzmann auch mit angegeben hatte, glücklich in das Paradies. Zunächst war das aber eine Restauration „trnttorin clel parnckiso", nicht aber der Nächtigungsort. Denn nach dem ich dem Wirt meinen Wuüsch vorgebracht hatte, erhob er sich, winkte mir, und flugs ging's zu meinem Bedauern wieder hinaus aus der gastlichen Stätte. Aber nicht weit, nur nm die Ecke, und schon führte er mich in die palmengescbmücktc Eingangspforte des erwähnten Schlafhotels der ^Iber§c> cki pnrnckiso. Ich wurde mit dem Inhaber oder Geschäftsführer schnell einig, erhielt für 11 Lira ein vorzügliches Zimmer (sogar mit eichenem Schreibtisch, dreiteiligen Toilettenspiegel usw.), legte hier ab und ging bald wieder nach dem ersten „Paradies" zum Essen. Ich mußte hier zu meiner Verwun derung die Wahrnehmung machen, daß in vielen Gaststätten Roms Essen und Schlafen für die Touristen zweierlei ist (bei anderen doch wohl auch!), ich meine nämlich, daß man dort, wo man schläft, nichts zu essen und wo man ißt, „nichts zum Schlafen" bekommen kann. Daran gewöhnt man sich aber, schon weil einem nichts weiter übrig bleibt, sehr schnell. Ich bin hier etwas ausführ lich geworden, aber mir war das alles sehr interessant und ich glaube, der Leser kann auf diese Weise meine Reise sozusagen mit erleben und nicht nur ihre Beschreibung lesen. Darum sei auch ein einzigesmal noch angefüHrt, wie und was ich mir zu. essen bestellte. Erst natürlich Wein, vino, das Wort wird einem schnell geläufig. Heikler war es in bezug auf das Essen. Zu Mittag hatte ich ein Restaurant gefunden, wo der Kellner, mit dem ich mich nicht genau verständigen konnte, seinen deutschsprechenden Chef heranholte, der mir nun die Herrlichkeiten der Speisekarte, u. a. auch Ziegenbraten, offerierte. Hier im Paradies machte ich es nun so: Ich zeigte dem Kellner irgendeine Portion, an der sich ein anderer gütlich tat, zeigte dabei auf mich, und schon war er Wort- und drahtlos ge nügend bcfunkt. Was ich bestellt hatte, hielt ich für Makkaroni; es waren auch solche, aber nicht so wcitröhrig, wie die bei uns in Sachsen verzapften, dafür aber einen halben Meter lang. Ohne von anderen abzugucken, wie die Sorte gegessen wird, hätte ich es kaum zuwegegcbracht. Man spießt nämlich so ein Röhrenbündel an und dreht und dreht die Gabel, bis sich ein ansehnlicher Knaul daran befindet, den man dann verzehrt. Na, jedenfalls schmeckte es ausgezeichnet. Mir schmeckte es selbst noch, als ich an den folgenden Tagen die Aufbewahrung dieser Götterspeise sah; weniger appetit lich — das erzähle ich später. Jedenfalls hatte ich hier gut und viel gegessen und getrunken, und nun machte ich mich auf den Bummel. An den auf den Trot toirs vor den Restaurationen und Cafes stehenden weißgedeckten Tischen lassen sich die zahlreichen Gäste wohl sein. Auf den Straßen bewegt sich ein Menschenstrom; so lebhaft schon am Tage der Ver kehr ist, um so vieles aber wird er des Abends übertroffen. Da und dort spielt ein Orchester. Die sich ergebende Menge, Männlein, Weiblein und Kinder, wogt durch die Straßen, schlier daß man denkt,