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37. Jahrgang Leipzig, den 1. Dezember 1928 Nummer 12 ocir Organ für das^gesamte Madfahrwesen, für Sport, Industrie und Handel Amtliche Zeitung des Sächsischen Radfahrer-Bundes Schriftleitung und Auzeigen-Anuahmc: Kurt Adler, Leipzig 0 1, Haiustraße 16, IV. — Fernruf 16889. Das abgekürzte polizeiliche Strafverfahren! Von Oberpolizeikommissar O. Hennig, Leipzig S 3. In einem sehr groben Teil der deutschen Grob- und Mittelstädte ist heute schon das abgekürzte Strafverfahren eingeführt, das un zweifelhaft als fortschrittliche Einrichtung zu begrüben ist und wert ist, noch weiter ausgebaut zu werden. Es kann bei diesem Verfahren derjenige, der sich einer Uebertre- tung der Vorschriften der Verkehrsordnung und mit ihr zusammen hängender Bestimmungen schuldig macht, ein polizeiliches Strafver fahren von sich abwenden, wenn er an den Vollzugsbeamten der be treffenden Behörde, von dem er bei der Uebertretung betroffen wird, und der sich durch seine Dienstkleidung oder auf andere Art ausweist, gegen eine ihm auszuhändigende, mit dem Dienststemvel der betreffen den Behörde versehenen Empfangsbescheinigung sofort eine Strafe in Höhe einer Reichsmark bezahlt. Voraussetzung hierbei ist jedoch, dab es sich nur um eine Uebertretung leichterer Art handelt und die Folgen der Tat unerheblich sind. Nur durch den Nachweis des Besitzes einer solchen Empfangsbescheinigung kann man ein weiteres polizeiliches Strafverfahren von sich abwenden. Ausgeschlossen ist die Anwendung der sofortigen Abstrafung, wenn die Zuwiderhandlung unter erschwerenden Umständen, z. B. im Wie derholungsfälle oder unter Verhöhnung des Beamten usw., begangen worden ist, oder wenn der Zuwiderhandelnde sich nach der Tat unge bührlich benimmt. Aeltere Verkehrsordnungen verschiedener Städte lassen leider auch heute noch die Anwendung des abgekürzten Straf verfahrens nur bei Zuwiderhandlungen gegen einzelne besonders be stimmte Vorschriften zu. Einsichtige und tolerante Behörden haben in dankenswerter Weise alle Vorkommnisse, die sich im Verkehr als Ueber- tretungen örtlicher Bestimmungen zeigen, dem abgekürzten Strafver fahren unterworfen, unterworfen zum Leidwesen manches eingefleisch ten Bürokraten, der durch diese weitsichtige Maßnahme um seine Exi stenz bangt. Ein erklecklicher Teil der Groß- und Kleinstädte ist mit der Neu fassung ihrer Verkehrsordnungen im Verzug. Die auf Grund der Reichsrichtlinien Ende 1927 bzw. Anfang 1928 gegebenen Landesver kehrsordnungen, die von den einzelnen Länderbehörden bearbeitet und den unterstehenden Behörden zur weiteren Durchführung der Bestim mungen zugegangen sind, ermöglichen, daß dort, wo die Verkehrsord nungen noch nicht nach den Reichsrichtlinien umgestellt sind, die ein zelnen an der Frage besonders interessierten Berufsorganisationen der Arbeitnehmer baldmöglichst einen dahingehenden Vorstoß unternehmen. Der Vorstoß, dessen Dringlichkeit nicht unterschätzt werden darf, muß gleichzeitig mit dahingehen, einen Schritt vorwärts zu kommen und muß man zu erreichen versuchen, daß auch Uebertretungen, die durch Kraftfahrzeugführer begangen werden und die im räumlichen und sachlichen Inhalt der Verkehrsordnungen einen Niederschlag für andere Fahrzeuge gefunden haben, mit unter das abgekürzte Strafverfahren zu bringen. Einige Polizeipräsidien verschiedener Großstädte (Leipzig und Dresden haben von sich aus, aus praktischer Erkenntnis unter dem Gedanken der Vereinfachung des Dienstbetriebes, das abgekürzte Strafverfahren schon aus Kraftfahrzeugführer, die gegen Verkehrs bestimmungen verstoßen, ausgedehnt. Die Möglichkeit ist auch ohne weiteres gegeben, besagt doch 8 2l des Gesetzes über den Verkehr mit Kraftfahrzeugen vom 3. 5. 09 RGBl. 437 in der Fassung der Novelle vom 21. 7. 23 (RGBl. 1923, S. 743 ff.): „Wer den zur Erhaltung der Ordnung und Sicherheit auf den öffentlichen Wegen oder Plätzen erlassenen polizeilichen Anordnun gen über den Verkehr mit Kraftfahrzeugen zuwiderhandelt, wird mit Geldstrafe bis zu 150 RM. oder mit Haft bestraft." Der 8 21 bildet eine Ergänzung der allgemeinen Vorschriften des 8 366, 10 des Reichsstrafgesetzbuchs. Gleich dieser Strafvorschrift ist er eine Blankettvorschrift, uns es liegt an dem Gesetzgeber < bzw. seiner ausführenden Aufsichtsorgane, die in den Verkehrsordnungen vorhan denen Uebertretungen von Kraftfahrzeugführern unter das abgekürzte Strafverfahren fallen zu lassen. Die Strafverfolgung der im 8 21 angedrohten Strafen verjährt, da es sich um Uebertretungen handelt, in drei Monaten vom Tage der Tat an gerechnet. (8 69 Abs. 3 u. 4 des StrGB.) Die Verjährung wird indessen unterbrochen: a) durch jede gegen den Täter gerichtete richterliche Handlung (8 68 Abs. 1 des StrEB.), d) durch den Erlaß einer polizeilichen Strafverfügung (8 453 der StrPO.). Richtig ist, daß, wenn eine Strafverfügung ins Haus geflattert kommt, der Betroffene sofort nach Erhalt seinen Weg zur Organisation nimmt und sich bei dem mit dem Rechtsschutz Beauftragten Rechtsaus kunft holt. Falsch und nachteilig ist, wenn der Weg erst kurz vor Ab lauf der Einspruchsfrist vorgenommen wird. Ist aber in irgendwelchen Orten das abgekürzte Strafverfahren eingeführt, so soll man als Fahrzeugführer (zu diesen gehört auch der Radfahrer) die eventuell angebotene Abstrafung nicht ablehnen. Es gibt selbstverständlich genügend Fälle, wo aus kleinlichsten Gründen heraus Abstrafungen vorgenommen werden, von denen man nicht er baut sein kann und gegen die man sich mit Recht auslehnt. Hier soll man aber nicht jedesmal den Beamten als Schuldigen hinstellen, sondern auch sein Augenmerk auf das an diesem Ort bei der in Frage kommenden Behörde bestehende System mit richten. Jedem Betrof fenen steht das Recht des Einspruchs auch bei sofortiger Abstrafung zu. Der Beamte hat trotz der Bezahlung die Pflicht, von dem erhalte nen Einspruch seiner vorgesetzten Behörde Kenntnis zu geben. Diese bat dann zu entscheiden, ob der Einspruch begründet war oder abzu lehnen ist. Nach Erledigung des Einspruches — wenn die Richtigkeit der Abstrafung anerkannt wird, erhöht sich die Strafe nicht, sondern bleibt bei einer Reichsmark bestehen. Jedenfalls muß jeder gerecht denkende Mensch für das abgekürzte Strafverfahren eintreten. Es ist ein unhaltbarer und nicht zu gerecht fertigender Zustand, daß für gleiche Arten der Uebertretungen zweier lei Strasdurchführungen zur Anwendung kommen. Ob ein im Trab befindliches Pferdegeschirr, ein schnell fahrender Radfahrer oder ein Kaftfahrzeug bei falschem Einfahren in eine andere Straße größeren Schaden verursachen kann, hängt von verschiedenen anderen Begleit umständen mit ab. Ist die Uebertretung als einfach zu bezeichnen, so soll zumindest gleiches Recht für alle gelten. halten. 6.V. Bundesgeschäftsführer. Plötzlich und unerwartet verschied am 29. Oktober 1928 unser ehemaliger Bundespräsident tterr Lanitstcrst 0r. meä. Hermann Kauer, Markneukirchen im «s. L-b-ich-chr-. pp. Viele Jahre hat er unserem Bunde angehört. Wir verlieren in ihm einen lieben Freund, Berater und vorbildlichen Förderer unseres Bundes. Sein Andenken werden wir allezeit in hohen Ehren Leipzig, den 29. Oktober 1928. Max Bergmann, I. Präsident. Kurt Adler,