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36. Jahrgang Leipzig, den 1. Dezember 1927 Mummer 12 oeir Organ für das gesamte Madfahrwesen, für Sport, Industrie und Handel Amtliche Zeitung des Sächsischen Radfahrer-Bundes Schristleitung und Anzeigen-Annahme: Erich Voigt, Leipzig, Reichelstraße 15. — Fernruf 27913. Vas §abrrad in seiner vedeutung für die Volksgesundheit. Von Gregers Das Fahrrad hat sich tatsächlich von Anfang an gegen Unverstand, Neid und Mißgunst durchkämpfen müssen. Es steht aber heute un bestritten fest, daß das Fahrrad für die körperliche Ertüchtigung des Volkes ein wirksames Hilfsmittel geworden ist. Es gab indessen eine Zeit, wo das Radfahren allen nur denkbaren Angriffen ausgesetzt war, und den Hauptstoß glaubte man führen zu können, indem man aus „gesundheitsschädliche Wirkungen des Radfahrens" hinwies. Das waren in allen Fällen für das Leben vorbrauchte Miesmacher, die alles bekämpfen müssen, was sie nicht verstehen, oder solche, die auch ein persönliches Interesse daran hatten, die fortschreitende Entwicklung eines so starken, . aber unwillkommenen Konkurrenten im deutschen Verbandsleben zu untergraben. Der Kampf ist ausgegangen mit einem Siegeszuge des Fahrrades ohnegleichen. Wertvolle Mitstreiter erhielt schließlich der Radsport in den maßgebenden Vertretern der medizini schen Wissenschaft, unter denen sich Namen von unvergänglichem Welt ruhm befinden. An ihren klaren und treffenden Ausführungen über den gesundheitlichen Wert des Radfahrens mußten alle Unkenrufe ab prallen. Und alles, was sie geschrieben und gesprochen haben, ist be stätigt worden durch alle jene Pioniere des deutschen Radsports, die heute alt geworden sind, aber bis ins hohe Alter hinein dem Fahr rade die Treue bewahrten, weil sie erkannten, welchen Wert die Aus übung des Radfahrens für ihr ganzes körperliches Befinden, für die Elastizität von Körper und Geist hat. Als Illustration hierfür mögen die vom Bund Deutscher Radfahrer seit Jahren ausgeführten soge nannten „Alte Herrenfahrten" erwähnt werden, die 50—80jährige Teil nehmer ausführten. Durch diese 12tügigen Wanderfahrten über 700 bis 800 Irna gab die stattliche Schar in allen Gegenden Deutschlands ein Beispiel, das mehr sagte, als alle Worte und allen die Augen öffnete über den gesundheitlichen Wert des Radfahrens. Man soll nicht etwa annehmen, daß jene Herren nur deshalb aufs Rad steigen, weil es ein billiges Verkehrsmittel ist und eine billige Reise ermöglicht; nein, damit rechnen sie nicht. Es sind darunter Kommerzienräte, Direktoren und Großkaufleute, Bürgermeister und Konsuls und andere prominente Personen, die daheim ihre Luxusautomobile haben. Das Fahrrad hat sich durchgesetzt. Bon der Schuljugend an durch alle Lebensalter, sowohl vom männlichen als auch vom weiblichen Geschlecht, wird es in Anspruch genommen. In welchem Maße die Jugend, ganz abgesehen vom täglichen Verkehr zwischen Haus, Schule und Arbeitsstätte, sich das Fahrrad nutzbar macht für größere Wander fahrten durch die schönen deutschen Landschaften, möge durch Beispiele näher erläutert werden. Deutschland hat 2300 Jugendherbergen. An gestellte Erhebungen in den besuchtesten Herbergen, wie Eisenach, Weimar, Heidelberg, Koblenz usw. ergeben, daß durchschnittlich 10"/s aller jugendlichen Besucher Radwanderer waren. Der Bund Deutscher Radfahrer führte 1926 über 600 deutsche Jungen aus allen Teilen des Reiches an den Rhein und 1927 über 200 durch Ostpreußen auf vierzehntägigen Wanderfahrten. Wettergebräunt, abgehärtet, mit ge ilt i s s e n - Altona. stähltem Körper kehrten sie heim. Und was sie von solchen Fahrten an ideellen Geisteswerten heimbrachten, an Lebenserfahrung, Lebens erinnerungen und Kenntnissen, das steht auf einer besonderen Seite geschrieben und wird unserer Jugend durch alle Lebensalter begleiten, Ivie es bei jenen alten Pionieren des Radsports der Fall ist. Bei allen diesen Betrachtungen scheiden wir die andere Seite des Radsports — den Rennsport auf Bahn und Straße — aus, obwohl auch hier, vom ärztlichen Standpunkt aus betrachtet, längst festgestellt ist, daß ein vernünftig betriebener Rennsport junger gesunder Leute durchaus nicht schädlich ist, sondern Körper und Willenskraft stählt. Wir lassen ihn, wie auch alle sonstigen Abarten des Radsports — das Fahrrad findet ja eine vielfache Verwendung — ganz aus dem Bereiche unserer Ausführungen, da nur die Verwendbarkeit des Fahr rades für die Allgemeinheit in Frage kommen kann. Den Vorkämpfern für den gesundheitlichen Wert des Radfahrens aus Kreisen der medizinischen Wissenschaft gebührt unauslöschlicher Dank. Es kann für alle nur von Wert sein, wenn wir die Kerusätze jener großen Männer für alle Zeiten festhalten. Der erste unermüdliche Vorkämpfer war der Kurarzt in Ems, Dr. Fressel, der in seinen Büchern das Wanderfahren vom gesundheitlichen Standpunkt aus am eingehend sten behandelt hat. Im Jahre 1889 fand er eine gewaltige Stütze in Geheimrat von Nußbaum, der in einem langen Artikel in der „Garten laube": „Ist das Radfahren gesund?" gründlich die Frage nach allen Richtungen hin beleuchtete. Die Kerusätze des Geheimrats von Nuß baum haben auch heute noch Gültigkeit und darum sollen sie auch hier voraugestellt werden. von Nußbaum: „Obenan möchte ich die Behauptung aus spreche», daß das Radfahren ganz zweifellos ein ausgezeichnetes Heil mittel ist, auf ganz richtigen Grundsätzen beruht und daß es durch Bewegung des Körpers und Geistes zustande bringt, was keine andere Kur leistet." „Das Radfahren hat feinest glänzenden Wirkungskreis als Stär kungsmittel für Schwächlinge. Es paßt namentlich für Menschen, die gesund geboren sind, aber versäumt haben, ihren Körper auszubilden und zu kräftigen." „Für die kleine Mühe beim Radfahren wird oft Gesundheit und Kraft in ungeahntem Grade als Lohn geerntet." „Eine schwache Brust, ein träger Unterleib, schlechtes Atmen, Neigung zur Fettbilduug und Blutarmut, das sind die Krankheits zustände, welche ganz vortrefflich auf das Fahrrad passen: Gehirn, Brust- und Untcrleibsorgane können beim Radfahren sehr viel ge Winnen und die geistigen Kräfte bleiben auch nicht unbedacht. Einen großen Vorzug des Radfahrens vor anderen mechanischen Heilmitteln erkenne ich darin, daß es nicht in engen Zimmern oder staubigen Turnsälen genossen wird, sondern draußen im Freien, aus lustigen Anhöhen, in balsamisch riechenden Wäldern, unter Gottes herrlichem Firmament." Z «Ni Mitgttedsbeitrag 1928 kmi; beträgt für Herren l^sicvsmark 7.50 für Damen, Familienmitglieder und jugendliche l^sicdsmark 4.— §ür Zusendung der Mitgliedskarte sind 20 Pfennigs beizufügen. Neueintretends Zerren Koben I SO Nm. Eintrittsgeld zu zaklen. Neueintretende Namen, Familien- und jugendlicke Mitglieder sind vom Eintrittsgeld befreit. H Vas IZundeszeicben bleibt vundeseigentum und ist beim Nustritt zurückzugeben, derselbe ist nur gültig durch eingeschriebene Abmeldung bis 30. September. Erfolgt keine recbtzeitige Nbmeldung, so ist der Veitrag kür das folgende Jakr zu zaklen. Einsendung erbeten durcb Postscheck 50224 Nmt Leipzig. — LZiro-f^onto 4644.