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- ' Im Jahre 1927 wurden nachstehende Mitglieder unseres Bundes mit dem Sportabzeichen der VTRV. ausgezeichnet: Salomo Leitet, Glauchau, Alfred Schcibncr. Lichtentanne. Walter Haak, Zwenkau. . Erich Glodeck, Leipzig-Kleinzschocher. Lskar Poppe, Dresden, Willy Schott, Dresden, Willy Kriege!, Werdau. G. R. Pcschel, Leipzig-Lindcnau. Walter Niebel. Lbcrelsdors. Wir beglückwünschen diese Herren und hassen, daß ihr Beispiel eisrige Nachahmung finden möge. Sportausschuß des SRB. Iraimng und Autosuggestion beim Sport. Von Dr. R. Severin, Köln. Im Zeitalter des Sports wird eine Untersuchung darüber, inwieweit die Willenskraft auf der einen, die Autosuggestion auf der andern Seite die sportliche Höchstleistung beeinslnssen kann, von erheblicher Bedeutung sein. Die Gedanken eines Fachmannes, die wir hier zum Abdruck bringen, dürften daher für alle Sportler von Interesse sein. Durch Vernachlässigung unserer geistigen Kräfte läuft der Sport Gefahr, in falsche Bahnen gelenkt zu werden. Wenn für uns aus sport lichem Gebiet auch die alten Griechen und Römer vorbildlich sind, die dem Grundsatz huldigten: „iVlens sann in copora sano" (Ein gesunder Geist in einem gesunden Körper), so darf doch nicht übersehen werden, daß der Geist, in eine gewisse positive Richtung gelenkt, auch auf den Körper belebend, kräftigend und gesundend wirkt. Die Bewegungen unsers Körpers und seiner Organe sind großenteils willkürlicher Art: so gehorchen normalerweise die Muskeln meiner Beine, Arme und Hände meinem Willen. — Nur meinem Willen? — Darüber belehrt nnS folgender Vorgang: Ich wohne einem Boxkampf bei und sehe, wie viele Zuschauer mit deu Boxern typische Boxbewegungen ausführen. Ich merke plötzlich, daß ich meiner Nachbarin mit geballter Faust einen unsanften Rippenstoß versetzt habe. Das war gewiß nicht mein Wille; ich habe mir lediglich gedacht, nur vorgestellt, jetzt noch ein tüchtiger Kinnhaken, und damit landete ich auch schon den Treffer bei der "Nach barin. Wir sehen daraus, daß unsere äußerlichen Bewegungen auch von den unbewußten Kräften der Vorstellungen, von unfern Gedanken, Her vorgernfen und geleitet werden können. Für den Sportsmann ist diese Erkenntnis von größter Bedeutung; gibt sich der Gegner eine Blöße, z. B. beim Boxen, so müssen meine tresssicheren, kraftvollen Bewegungen wie eine Reflexwirknng auch sofort einsetzen, meine Hände, Arme, Beine, Füße müssen meinen Gedanken blitzartig folgen; ein Ucberlegen, ob ich mein Ziel erreichen werde, ob meine Kraft Erfolg haben wird, muß dabei völlig ansschciden. Der Sportsmann rechnet aber gewöhnlich zu den sogenannten Kraft- und Willcnsmenschen, die gegen alle Schwierigkeiten mit Energie und Willenskraft, vielleicht sogar aufbrausend und zornig, anlausen; ein Fehlschlag nimmt ihnen dann ost plötzlich das Selbstvertrauen, das sie bisher, ohne daß sie es wußten, sicher geführt hatte; ihre Be wegungen werden entsprechend unsicher und verfehlen das Ziel. So war z. B. Dcmpscy, der gewohnt war, mit roher Gewalt, mit Energie und Willenskraft zu boxen, nicht in der Lage, seine alte Größe wiederzugewinnen, nachdem er von Tunney einmal geschlagen war. Ist solchen Leuten bekannt, daß es auch noch eine für den Erfolg oft ausschlaggebende Gedankenarbeit gibt, dann werden sie über ein malige Mißerfolge mit der Uebcrzeugung, daß dieselben auf einer augenblicklichen Indisposition beruhten, leichter hinwcgkommen. Leider ist diese Erkenntnis aber nicht nur in Sportkrcisen, sondern auch allgemein sehr schwach. So lesen wir z. B. immer nur wieder: „Bon seinem Willen getrieben, vermochte A seinen Gegner zu über spurten. Er wollte siegen, und das ist ihm in großartiger Weise gelungen." „A hat gesiegt, aber er hat in dem Kampf alle seine Kräfte, alle seine Energie und seinen ganzen Willen einsetzen müssen, um mit einer fünftel Sekunde zu siegen." usw. Ter Arbeit unseres Geistes wird dabei säst nie Erwähnung ge tau; höchstens geschieht das einmal unbewußt, so wenn Schmeling sich äußert: „Ich bemerkte, wie Bonaglias Kinnpartie einen Moment freilag. Sofort, ohne zu überlegen oder zu zaudern, schlug ich meine Rechte mit aller Kraft auf die günstige Blöße . . Wie unsere Bewegungen, die dem Gegner den vernichtenden Schlag bringen sollen, von unserm Geist, dem sogenannten Nnterbewußtsein, geleitet werden müssen, so verhält es sich auch mit den unsern Körper schützenden Abwehrbewegungen. Wie unser Körper und seine Organe bei jeder Gefahr, welche ihnen droht, unbewußte Abwehr bewegungen vollführen, tvie wir z. B., wenn etwas sichtbar gegen unsern Kopf fliegt, sofort die Augen schließen, den Kops beiseite werfen und die Hände schützend ausstrecken, so setzt sich der überzeugte Ge- danke, die Vorstellung, daß wir bestiinmt mit Leichtigkeit unserm Körper vor dem Angriff des Gegners schnell die notwendige Deckung geben, daß uns^r Körper sofort blitzartig die erforderliche Abwchrbcwegung macht, unbedingt in die Wirklichkeit um. Wie unsere Be wegungen, so sind auch Ausdauer oder Müdigkeit oft von unserer unterbewußten geistigen Einstellung abhängig. Trete ich einen längeren Marsch schon mit dem Gedanken an die große Anstrengung an und sehe auf der weiten Ebene vielleicht noch ständig das ferne Ziel in Gestalt eines Kirchturmes vor Augen, be kommt also der Gedanke an die Anstrengung und die daraus resul tierende Müdigkeit fortwährend Nahrung, so werde ich tatsächlich bald von Mattigkeit ergriffen. Führt mich der Weg aber durch eine Stadt, ivv ich an den Schaufensterauslagen oder sonstwie stets Augenweide habe, wo meine Gedanken stets abgclenkt werden, so komme ich ans Ziel, ohne daß ich unterwegs eine Erschlaffung meiner Glieder verspürt habe. Der Gedanke an die Müdigkeit ruft also wirkliche Müdigkeit hervor. Hierbei wollen wir uns folgenden Vorgang vor Augen führen: Wenn ich laufe, schickt mein Gehirn mittels der gefätzbewegenden Nerven sofort mehr Blut in die Beine und beteiligten Muskeln; wenn ich mit ben Armen arbeite, pulsiert das Blut stärker nach den Armen. Das ist ein unbewußter Vorgang, bei dem mein Wille untätig ist. Würde Dr. Peltzer bei einem Wettkampf nur einmal denken: „Jetzt läßt mich mein Herz im Stich, die Beine versagen mir den Dienst", sofort würde bestimmt der unterbewußte Vorgang der Blutzufuhr ins besondere zu den Beinen und beteiligten Muskeln gestört, er würde vergebens Anstrengungen machen, das Ziel rechtzeitig zu erreichen. Ja im Gegenteil, die Willens- und Energieanspannungen würden erst recht eine ungünstige Wirkung haben. Erinnere man sich nur einmal der Zeit, wo wir das Radfahren erlernten. Wenn wir noch nicht ganz sicher waren, und wir wollten einen gerade vor uns mitten auf der Straße liegenden Stein umfahren, hatten aber einen leisen Zweifel, daß uns dies gelingen könnte, und machten daraufhin Anstrengungen, die Lenkstange krampf haft sesthaltcnd, den Stein zu umgehen, so fuhren wir e r st recht schnurstracks drauflos. Wären wir von dem Erfolg überzeugt gewesen, so hätten wir die Schwierigkeit sicher überwunden Wir müssen demnach auch beim Sport unsere Gedanken und Vor stellungen so erziehen, daß Willens- und Energieanspannungen möglichst ausgeschlossen sind, daß wir Ungeduld, Aerger, Zorn, die unsern Körper verzehren, von uns sernhalteu können. Dieses Ziel erreichen wir durch die bewußte systematische Autosuggestion, zu deren Erlernung weiter unten nähere Anweisung gegeben wird. Zuvor möchte ich der Kräf tigung und Gesunderhaltung der für den Svortsmann überaus wich tigeil Blutzirkulation und Nerven einige Worte widmen. Beide Organe werden normalerweise von unterbewußten Kräften geleitet, jedenfalls vermögen wir mit Willenskraft und Energie ihre Lebensfähigkeit und Tätigkeit merklich nicht zn beeinflussen. Anders ist es aber auch hier wieder mit meinen Gedanken, meiner Vorstellungs- und Einbildungskraft; mit diesen kann ich aus den Herz schlag sowie den Blutkreislaus im besonderen einwirken, das ersehen wir klar aus folgenden Experimenten: 1. Nimmt man eine llhr, legt sie vor sich aus den Tisch, fühlt den Puls ab, zählt beispielsweise in 10 Sekunden 13 Pulsschläge und stellt sich dann vor, den Gedanken bei geschlossenen Augen jo laut aussprechend, daß man es hören kann (der ausgesprochene Gedanke wirkt verstärkt auf unsern Organismus): „Jetzt schlägt mein Herz 16mal, Illmal, 16mal..., also wesentlich schneller", so schlägt das Herz tat sächlich alsbald 16mal. 2. Halte ich in jeder Hand ein Thermometer, die Hände nach unten richtend, und denke, stelle mir vor, dies hörbar aussprechend: „Das Blut pulsiert stärker nach der rechten Hand, rechten Hand, rechten Hand ...", so wird daS Thermometer in der rechten Hand alsbald eine höhere Temperatur lvou etwa I bis 4 Grad, wie ich bei meinen Patienten seststellen konnte) aufweisen. Mit der Beeinflussung unsers Herzens, der Seele unsers Körpers, und des Blutkreislaufs im bcsondern, können wir indirekt außerordent lich auf unsern gesamten Organismus einwirken. Das Blut enthält Bestandteile der lebendigen Körpersubstanz, es hat alle Körperorgane, insbesondere Nerven, Muskeln und Knochen zu ernähren und ferner auch die Abfallstoffe, die durch den Stoffwechsel im Blut entstanden sind, wieder sortzuschasfen und den Ausscheidungsorganen zu übergeben Wie aus die Bewegungen des Herzens und der Blutadern, so können wir auch auf die der übrigen Organe, z. B. Lunge, Magen und Darm, durch unsere Vorstellung erheblich cinwirken. Alles in allem muß also mit dem Training nnserS Körper? auch ein Training unserer Gedanken cinhergehen, wenn wir zur Größe cmporwachsen wollen. Selbstverständliche Voraussetzung dabei ist, daß der Körper gesund ist, daß die Muskeln durch andauernde Uebung ge stählt werden müssen, daß das Herz erhöhten Kraftanstrengungen ge wachsen ist.