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70. Jahrgang. 440 Sormkag, IS. Seplember 1928 Gegründet 18SS Dradlanlckrillc »ackrichle« Dre,»,«. gerniprecher-Sammelnummer: 2S241 Nur lilr NochigelprAid«: 20 011. XFX/l0. Zcxoxo^oc u/urxx oncinlna flpm» gsgl». 1838. Schrllilelkun» und Kauplo»schäft»fl«0»l wart.oslratz» 3S/42. Verlag von Liepsch » «,Ich,r»> in Dresden. Poftlcheck-Konlo 1OSS Druden. KKoiiiascioXliXr b»p>kn>ber l»2k bei liigkch zweimaliger Zustellung lrel DI» Anzeigen werden nach «Soldm Äaus l.SU Marli. Polldezugbvrei« lilr ?»onal Seplember 3 Mark ohne <lNAölF6Uj)kelse» Familienanzeigen und Slellengeluche PostzustellungagebUdr. lllnzelnummer >S Psennl,. austerhald SOU Psg. 0sterlengedU»r I «oldmark berechne!; die einspallige 3V min dreile Zeile 30 Psg., silr auswilrls 3S Psg. '>e ohne Raball lO Psg., auherhalb 20 Psg., die AI mm dreile Reklaniezeile ISO Psg., 10 Psg. Auswiirlige Auslriige gegen Vorausbezahlung. Nachdruck nur m» deullicher Vuellenangabe «.Dresdner Nachr."> zuliisstg. Unverlangle Schrlslstücke werden nichi ausdewahrl. I-lolsI Vellevue sKSOtlmilksg-TsS Mil Kol12Srt. d/Iitlsg- ueict /^dscict-Tsksi im Tsrescsssri-Sss! sn ctsr Sids. Ssksnnts voensimis Tstslinusik. ksstslil« mul Xon»«rvn»immvr. ^666,1 k/üttwoek l^sumori Loskauf der Rljeinlande geplant. Erwerbslosigkeit als dringlichsles Kommunalproblem. — Franzosen gegen -ie Kriegsschul-liige. Tholry. Thoirn! Wer kannte bisher i» der großen Ocssentlich- kcit das kleine fron Mische Städlchen? Und lieule ist cs über Nacht uv» der Lonne des Liuhmes bestrahlt ivordcn, weil sich dort ein großes geschichtliches Ercigni,.' abgespielt hat. Das ist nickt zuviel gesagt, weil in der amtlichen Mitteilung ganz klar und ziveifelsostne sestgestellt wird, das? cs sich nicht uni einzelne Angelegenheiten, nicht um die Beseitigung ailgcn- blicklichcr Mißverständnisse, sondern um eine dauernde Lösung -cs gesamten zwischen Deutschland und Frankreich schweben den Fragenkomplexes handelt, sowohl ans politischem wie aus wirtschaftlichem Gebiete. Das allein genügt, um der Zu sammenkunft in Thoiry eine» bedeutsamen geschichtlichen Stempel auszudrückcn, mag auch sonst das Ergebnis der llntcrrednirg noch mit hundert Fragezeichen versehen werden müssen. Dast eine auswärtige Politik, die ernstlich die Be friedung unseres ganzen Kontinents im Auge hat, auch ans einen allgemeinen dentsch-sranzösiichcn Ausgleich bedacht sein must, weil darin der Ken? des Problems einhaltcn ist, ist nicht zu verkenne». Dabei ist aber der selbstverständliche Vorbehalt zu machen, dast der weitere Verlaus der Dinge sich so gestaltet, wie es den deutschen Interessen auf der ganzen Linie entspricht. Insofern nun das wirtschaftliche Gebiet in Frage louinit, will man wissen, das Lonchenr und andere her vorragende Persönlichkeiten der deutschen und französischen Industrie stark an dem Zustandekommen der Konferenz von Thoirn mitgewirkt hätten. Man munkelt bereits von einer umfassende» deutsch franzönsth-engli>ch-belglichen B irtschasls- verslündignng. Es ist unvermeidlich, dast ein derartig sen sationelles Ereignis, wie das in Thoirn. auch Ueberschwäng- lichkeilen in der Kvmbinativnspolilik mit sich bringt. Sich über solche mehr oder weniger weitgehenden Vermutungen den.klopf z» zerbrechen, hat im gegenwärtigen Augenblick gar leinen Zweck. Ata» must sich mit dein Bewnsttiein begnügen, dast Thoirn den Ausgangspunkt für die min cinsctzcnden weiteren Verhandlungen bildet, gewisscrmastcn die moralische Grundlage für das Werk des denlsch sranzösischen Ausgleichs, dem in'Berlin und Paris die praktische Form gegeben werden soll. Aus der Art, wie diese Verhandlungen gefördert werden, wird man erst ein Urteil darüber gewinnen können, ob die i» Thoirn zwilchen Strescmann und Briand vollzogene grund sätzliche Stellungnahme zu dem deutsch-französischen Problem wirklich verheißungsvolle Folgen zu zeitigen vermag. Auch das »inst einstweilen eine offene Frage bleiben, ob durch eine Entwicklung im Sinne der Kundgebung von Thoirn uns die Möglichkeit einer gleichzeitigen östlichen Orientierung nicht allzu sehr beschnitten werden könnte. Dast auch bas nicht direkt beteiligte Ausland sich an dem Ergebnis von Thoirn stark interessiert zeigt, ist begreiflich. Wenn es tatsächlich gelänge. Deutschland und Frankreich völlig zusammenzubringen, wäre das englische Hcrrschafts- priinip über den Kontinent, das darauf beruht, beide Staaten gegeneinander ansznspiclcn und keinen sür sich allein zu mächtig werde» z» lassen, endgültig erledigt. Auch Italien könnte nicht daran denken, seine Hand über den Streuner ansznstrccken, wenn Deutschland und Frankreich fest zu- sammcnsländen. Man wird daher mit allerlei Zctielungcn in London und Paris zu rechnen haben. So gehen wir einer Zeit der politischen Hochspannung sowohl in den Rcgic- rungskanzlcien wie in der öffentlichen Meinung der einzelnen Länder entgegen. Unsere Diplomalie wird dafür zu sorgen haben, dast das Endergebnis, das ans dem noch nngesormken Stoffe gestaltet wird, in allem das Beste für Deutschland -arstellt und unseren internationalen Beziehungen einen zu verlässigen, a»f absehbare Zeit vor Erschütterungen gesicherten Rückhalt verleiht. Für die Pariser Auffassung ist besonders eine Auslassung des ..Matin" bezeichnend, die ans den Dawcs- Plan Bezug nimmt und erklärt, dast weder London noch Paris nein sagen könnten, wenn Deutschland und Frankreich unter sich den Weltkrieg lignidierten und Frankreich sich bc- rcitsindcn liehe, die Dawcs-Lasten hcrabznsctzcn, gegen das Zugeständnis einer Stützung dcS Franken mit Hilfe der deutschen NcparationSschnld. Das? man ans diesen Gedanken zurückkommen würde, lieh sich erwarten. Auch hier kann eine Kritik vom deutschen Standpunkt erst einseben, wenn Ge naueres über die Einzelheiten einer solchen Regelung und über die notwendigen Garantien gegen eine deutsche Benach teiligung bet der Finanzoperation bekannt wird. Vor allem must gefordert werden, dast ein derartiges Abkommen nicht etwa als deutsche Gegenleistung sür die von Frankreich pslichlmcihig zu bewirkende Herabsetzung der rheinischen Be satzung und sür die Abkürzung der Räumungssristcn für die zweite und dritte Zone ausgewertct wird. Zunächst hat in Paris Poincars das Wort, der mit Briand selten an einem Strange zieht. Und von ihm wird cs letzten Endes abhängen. ob und inwieweit die kühnen Pläne von Lboirv einer annehmbaren Verwirklichung entgegenretfen. Mobilisierung der Dalves-Sbligatlonen? Zum Zwecke -er Frankensanierung. Berlin, 18. Scpt. Trotz der anfänglichen Ablcngnungs- vcrsuchc scheint cs nun doch außer Zweifel zu stehen, daß die Einigungsplänc, denen Strescmann und Briand eine siins- stündige Besprechung widmeten, . an finanzielle dcutschc Opfer geknüpft sink, die Frankreich in de« Stand setzen sollest, die Frankensanierung nachdrücklicher gestalte» z« können. Dentsch- iand soll fi^en . nickt »ncrhMichew Teil -er siinsprozentigen Eifeadahnöbltgaklosts«, die stuf Grnnd des Dawes- Plancs In einem Gesamtbetrag von 11 Milliarde» Goldmark ausgestellt wurden, mobilisieren. Wenn auch anznncbmen ist, daß die Meldungen französischer Blätter, die davon sprechen, daß eine Summe von 6 Milliarden Mark in Betracht käme, stark übertrieben sind, so wird doch damit zu rechnen sein, daß eine Summevon 2 bis» Milliarden Goldmark in Frage kommt, die auch ungefähr der Ansnahmcfähigkeit des internationalen Kapitalmarktes entsprechen würde. Bisher liegen auch in Berlin noch keine näheren Mit teilungen über den Inhalt der Unterhaltungen zwüchen Briand und Strescmann vor. Genaueres über das, was die beiden Minister unter sich abgemacht haben, und von dem sie hoffen, das? cs auch die Zu stimmung ihrer Kabinette finden wird, wird man wohl erst dann erfahren können, wenn Herr Streiemann nach Berlin zairückgekchrt ist und dem Neichskabinett Bericht erstattet hat. LUS dahin wird auch die Frage nnbcanwortct bleibe», wofür eigentlich Deutschland diese Opfer ans sich nehmen will. Noch vor kurzem war von den Berliner amtlichen Stellen erklärt worden, daß eine Loskanfung der Rheinlandc nicht in Betracht kommen könnte, da ja Deutschland ans deren Räumung unbestreitbare rechtliche Ansprüche habe. Nun scheint cs aber doch so, als ob inan bereit sei, diese recht lichen Ansprüche mit geschäftlichen Transaktionen zu ver quicken. Bestätigung -urch -ie Pariser Presse. Paris, 18. Sepl. Die französische Presse, die sich ein gehend mit der Zusammenkunft Briand—Strescmann in Thoirn besaßt, bestätigt allgemein die Vermutung, daß die Verhandlungen höchstwahrscheinlich in Paris zu Ende geführt werden. Das „Echo de Paris" schreibt. Strcsc- innnn werde bei seinen Landsleuten den Ruhm genießen, daß er der Mann der Näumungspolitik gewesen sei, und das? er sic gut durchgeführt habe. Gestern abend habe man erklärt, dast die deutsch-französischen Beziehungen unter dem Gesichtspunkt der industriellen Zusammen, arbeit stehen mllsttcn. Es würden Frankreich gegen die Räumung des Rhein- landes beträchtliche Vorteile angcbotcn werden. In Genf gehe das Gerücht, daß sich der deutsche Wirtschafts minister Dr. Eurtius zu einer Besprechung mit Loucheur nach Genf begeben werde. „Oeuvre" sagt, in der Frage der Verminderung der Befatzuugstruppcn könne Frankreich einem Deutschland größere Zugeständnisse machen, das sich zu einer wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit Frankreich zusammen- finde, als einem Deutschland, das cs lediglich darauf anstelle, einen sofortigen Vorteil ans den Locarno-Verträgen zu ziehen. Die „BolontS" ist der Ansicht, die Zurückhaltung, die sich Briand aufcrlcgc, lasse vermuten, daß gewisse Einflüsse, die nicht vom französischen Außenministerium ausgingeu, versuchten, der Locarno-Politik Zügel anzulcgcn. Eine solche Einschränkung könne nicht zugclasscn werden. Der „Matiu" schreibt, die deutschen Forderungen seien znm Teil verstäird- lich, zum Teil diskutabel. Es handle sich im Grunde nur darum, die Entscheidungen zn beschleunigen, die der Versailler Vertrag früher oder später, ans jeden Fall aber vor 1935, vorausgcsehcn habe. Die Politik der Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Frankreich sei nur dann nützlich, wenn sie in ihren logischen Konsequenzen fortgesetzt werde. An dem Tage, an dem deutsche »nd französische Bevollmächtigte in Amerika er klärten. die beiden Länder hätten unter sich die Frage des Weltkrieges liquidiert «nd Frankreich sei bereit, sich mit einer geringeren Summe zn begnügen als mit der, die der Dawcs- LiGn «-rsch». »nd Drntschkand sei dagegen bereit, seine Schnld zu kommerzialisieren, könnten weder Washington noch London diese Anregungen zurückwciscn. Das sei der Weg, den die beiden Länder cinschlagen könnten. Die erNen englische», Kommentare. London, 18. Scpt. Die Konferenz von Thoiry wird in der Presse viel besprochen. Die „W c st m i n st e r Gazette" bezeichnet in ihrem Genfer Bericht die Besprechung zwischen Strescmann und Briand als den wichtigsten Augenblick in ,er Genfer Zusammenkunft. Der Sonderberichterstatter deS „Daily News" in Genf schreibt, cS bestehe Grund zu der Annahme, dast Briand bereit sei, säst alles ans den Erfolg der neuen Vorschläge zu setzen. Auf dem Wege zur Verständigung. Die Zwiesprache in Thoiry. Paris, 18. Scpt. Der Vertreter des „P e t i t P a r i s I e n" erklärt, er sei der einzige Journalist gewesen, der Gelegenheit hatte, Strescmann und Briand nach Thoiry, dem Ort ihrer geheimnisvollen Zusammenkunft zu folgen. Den Zoll beamten der franzöfisch-schwcizerischen Grenze sei strikte Weisung gegeben worden, keine Journalisten über die Grenze zu lassen. Trotzdem sei es ihm gelungen, aus einem Motor rad dem Auto Briands zu folgen. Es sei in der Tat das erste Mal seit dem Kriege, dast sich ein deutscher Minister auf offi zielle Einladung eines französischen Staatsmannes hin aus sranzösischen Boden begeben habe. Die Unterredung, die in der ersten Etage des Hotels Leger stattfand, habe vier Stunden gedauert. Um 5 Uhr 20 seien Briand und Stresemann auf der Schwelle des kleinen Hotels erschienen, beide mit ernsten Gesichtern. Briand habe seinem deutschen Kollegen den Vortritt gelassen. Der Ver treter des sranzösischen Blattes will weiter wissen, dast zwischen beiden Ministern beschlossen morden sei, sich gelegentlich der nächsten Sitzung des BülkerbnndsratS im Dezember er» neut zu treffen. Beide hätten zu verstehen gegeben, bas? die nächste Zusammenkunft schon früher stattfindcn könnte, wenn ihre Projekte die Zustimmung ihrer Minlstcrkollcgcn fänden. Briand habe in seiner Erklärung an die Presse vor seiner Abreise aus Genf noch einmal aus die Korrektheit und Loyalität Strcsemanns hingewiesen, während Strescmann eine Lobrede ans den französischen Staatsmann gehalten habe, dessen aufrichtigen Friedenswunsch er bereits bet verschiedenen Gelegenheiten habe schätzen lernen. Die Unterredung von Thoiry bilde, so sagt der Korrespondent des Blattes, den Höhepunkt der politischen Grelgniffe tu Gens und kann al» Auftakt zu einer engeren Zusammenarbeit zwischen Deutsch« land und Frankreich gewertet werden. lT. U.) Unter secks Augen. Berlin, 18. Scpt. In den Berliner politischen Kreisen ist es ausgefallen, dast bei der Besprechung, die gestern in Thoirn zwischen Strescmann und Briand stattfand, zwnr der französische Anstcnministcr einen Ohren- und Augenzeugen sich mitbrachtc, der deutsche Austcnininistcr dagegen sich ganz allein zn der Unterredung begab. Man weist daraus hi», dast der von den Berliner amtlichen Stetten vertretene Standpunkt, der Begleiter Briands, Professor Hes- nard, sei zn der Unterredung hinzugczogcn ivordcn, weil er als Dolmetscher fungierte, doch wohl nickt darüber h!n- ivcgtäuschcn könne, dast Briand Professor Hcsnard haupt sächlich deshalb mitnahm, »m, wenn sich einmal Streitigkeiten ergeben sollte», sich ans sein Zeugnis berufen zu können, während Dr. Strcscmann sich dann auf keinerlei Zeuge» stützen könnte. Hn unsere poslberiekerl Bestellen Sie noch heule für Mona» Olliobrr die .Dresdner Nachrichten'. Für alle nach dem S». eines Monaks eingehenden Zeitung»» Bestellungen berechnet die Post eine Sondergebühr. Verlag -er „Dresdner Nachrichten".