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58. Jahrgang. ^ 345. Sonntag, 14. Dezember.1913. Ivk1«gs-«te»a»r AkrU>i»»rI, I»r Dr». »,n d.t iLgli» >»»>- maII,ttZu»a«ung<«n Sonn- und Plonlagrn nur «inma» 8,LS M., durch au.wLNla« L«m- mMionSr» dt.S.düM- Vrl «iirmall-tt 3u- Nellun, durch dl» Post dM.(»I>neV'I>«llgrw>. «u.lund: v»It»r- retch Ungam d,«ii Ük., Scho»«, d.w ssri».. Italien 7,17 Lire. — siachdruck nur mit deutlich« LneN.n- anaab« <,,Dr«»dn«r Nachi.">,uUlIl>z.-Un- oerlangll M-N«strlpt« werd.nlchloufde^N. Telegramm-Adresie: «achrichten Dresden. Sammelnummer für sämtl. Teiephonanfchlüsse: LS 241 Nachtanschluß: 11. 18SS Druck und Verlag von Liepsch Lc Reichardt in Dresden. >l!» lr vtdinixi. fonl/on7-ctioco/scko ttocolick« c/iocol»cie L-pso ->«5 />rr7s5eIS0L vor, 2.40 A. 2,3 U ^ Anzeigen-r«rif. Nnnahme von Nnlün- dl,ungen bi. nachm, S Uhr, Lonnlaa» nur Marlrnllmbr Si, von tl di.'/ I Udr, Die «injpottrge ,1.ii» <e,w, 8 Lildrn» »u Pi,, die ,n>e>ii>a»ige Zeile aus Lertieile 70 Pi,, di« zweilpuil, Sieklamerciie t,r>o M, Kamille», dlnchrichlcn au. Dre.. den die einiuail, Zeile Lk> Pi. — Zn Äum- mern nach San», und Zeiertogen erl,»»lei üaris, — Au.wiril,« illuslrS,« nur gegen >!I»rau»ded>dlung, — ZedttlSelegdlallloPs. Hauptgeschäftsstelle: Marienstraße 38 40. UMWlt^LmWN ln Kleinmöbeln, Klub8essel usu,. „LLLwINMSl", «« vstesoest /l.. Vllltorlastr. 5/7. 54ersinjlscker ttausral IL»er»»t»I»orL«N»n« Kd»r»»t-1'r»vbrr«:er» H»»rr«t-QlL»er stänigl. klokllekersnt /XnkAuser stönig-loksnn-Strsüe. Nl>Il>4l»l<ls>ti in sllvn psvislssvn. DM" jlintlidi'llcliis vlonluiisti'rlclil illutulm. Vkl N»>, SLL lÄMIMI AI«4MI f«tt»il urli Mttii'U ^lslog tllilsniar /Xciolk N31ei- iii'illlll!! ltkllei'^i'kii-XliörisIglücliS!! Aüv eitigo Lefei7 am Sonntag morgen. Mutmaßliche Witterung: Westwind, molkig, mild, zeitweise Niederschlag. Das Kaiscrpoar trifft morgen vormittag zum Be suche des bayrischen Königshauses in München ein. Dem BundeSrate liegt gegenwärtig eine Vorlage ans Aenderung der Grundsätze für die Anstellung von Mili tärs „Wärtern vor. Wegen des Streiks der Studenten der Zahn- Heilkunde findet morgen beim preußischen Kultus minister eine Besprechung der Vertreter aller preußischen Universitäten statt. Im Rocksch-Prozeß war der gestrige 20. Verhand- lungStag den Ptaidoyers des Staatsanwalts und der Ver teidiger gewidmet. Außer der Hamburg-Amcrika-Linic und dem Norddeut schen Lloyd haben auch sämtliche übrigen Poollinicn die Zm i s ch e n d c ck s r a t e n herabgesetzt. In der belgischen Kammer kam es bei der Be ratung des Schulgesetzes zu so lärmenden Kundgebungen, daß die Sitzung abgebrochen werden mußte. Aus Anlaß des Wechsels in der Leitung des fran zösischen Auswärtigen Amtes fand zwischen den Außenministern des Dreiverbandes ein Dcpeschrnwcchsel statt. Der rumänische Ministerpräsident demen- kicrt die Nachrichten über eine Mtlitürkonvention zwischen' Rumänien und Serbien. Präsident Wilso n wird dem Kongreß die Bewilligung von 50 000 Dollars für die Beteiligung an der Graphischen Ausstellung in Leipzig empfehlen. Die mexikanischen Bundeötrnppcn haben die Stadt Torreon, einen wichtigen Eisenbahnknotenpunkt, nach heftigem Kampfe zurückerobert. Bier Lage Statberatung im Reichstag. Der Reichstag hat stürmische Tage hinter sich. Müde und nüchtern begann die Session, und nichts, selbst nicht die kommende Debatte über die auswärtige Politik deutete auf Sturm. Tann aber fegte plötzlich die Entrüstung über die Zaberner Borgänge wie ein Orkan durch den RcichS- togSbau und drohte einen Augenblick selbst die Stellung des Reichskanzlers zu erschüttern. Indessen die Stürme, die unter dem Eindrücke der ersten Erregung allzu stark getobt hatten, haben /ich gelegt, die Wellen haben sich wieder geglättet, und der Reichskanzler steht am Schlüsse der ersten Lesung des Etats, der am Freitag erfolgt ist, in seiner Position fast so fest da wie zu Beginn der Etat- Beratung. Tie Audienz in Donaucschingen hat nicht die gefürchtete Demission gebracht, und mit neuem Mute, ge stärkt durch daS kaiserliche Vertrauen, ist der oberste Be amte des Reiches den Volksbotcn gegenübergetretcn. Trotz- alledem, die innerpolitische Situation ist nach wie vor unklar. Zwar kann der Kanzler, wenn man von einigen Außenseitern absieht, noch auf das unbedingte Vertrauen der rechtsstehenden Parteien zählen, die auch jetzt noch willen, was sie an diesem Kanzler haben, abel- unter den übrigen Parteien des Hauses ist die Stimmung, die aus dem Mißtrauensvotum resultierte, noch nicht ganz geschwunden. Die N a t i o n a l l ib e r a l e n haben wohl erklärt, daß sie dem Mißtrauensvotum keinerlei weitere Folge geben würden, sie haben aber auch durch den Mund des Abgeordneten Dr. Paasche den Kanzler darauf aufmerksam gemacht, daß er das Votum des Reichstages zu leicht nehme, und haben anderseits dem Willen Ausdruck ge geben, daß sie einer Erweiterung der Rechte des Reichs tages durchaus sich nicht ablehnend gegenüberstellen würden. BiS zu einem gewissen Grade begegnen sie sich hierin mit den Absichten der Fortschrittlichen Volkspa rtci. Schon jetzt wird in radikalen Blättern dafür Stimmung gemacht, den Reichskanzler nach Neujahr, nach Wieder beginn der parlamentarischen Verhandlungen in der Bud getkommission „mürbe zu machen". Man will die Art des Vorgehens von dem Ergebnis der kriegsgerichtlichen Unter suchung in ZabcrN und von dem wetteren Verhalten des Reichskanzlers abhängig machen. Es ist natürlich, daß die Fortschrittler sich hierbei von den Sozialdemokraten und demagogischen Absichten beeinflussen lassen. Man wird sich also aus eine parteipolitische Ausbeutung der letzten Vor gänge im Reichstage von radikaler Seite gefaßt machen müssen. Solchen Versuchen muß selbstverständlich von rechtsstehender Seite der äußerste Widerstand entgegengesetzt werben. Es ist zu wünschen, daß die Nationallibcralen sich diesem radikalen Beginnen versagen und auf eine sachliche Arbeit mehr Wert legen als auf eine zweifelhafte Aktion, deren Aus gang nicht ihnen, sondern nur den Sozialdemokraten zu gute kommen würde. Zudem würden sie bei weiterem Be harren in einer oppositionellen Stellung zum Kanzler nicht nur die Geschäfte der äußersten Linken, sondern auch des Zentrums besorgen, und daran kann ihnen beim besten Willen nicht gelegen sein. Das Zentrum arbeitet nämlich ganz offenkundig darauf hin, dem obersten Reichs- beamtcn Schwierigkeiten zu machen, um seine Abhängigkeit von der ReichstagSmchrheit in parteipolitischem Sinne auszubeuten und Vorteile für die eigene Partei heraus- zuschlagcn. Die Rede Erzbergers im Reichstage und ver schiedene Acusirxlingcii der maßgebenden Zentruinsvrgane lassen daran leinen Zweifel. Zunächst hat das Zentrum cs daraus abgesehen, den Kanzler und de» Kricgsminister zur Nachgiebigkeit in der Tucllfrage zu veranlassen, eine Frage, die völlig unmotiviert plötzlich in den Vorder grund gerückt wird, und ein prinzipielles Verbot des Duells durchzudrückcn. Aber cs lauert noch mehr hinter der Haltung des Zentrums. Der geheime, lange gehegte und bisher noch nicht erfüllte Wunsch der Zcntrumöpartci, die Aufhebung des Nicdcrlassungsvcrbotes für Jesuiten im Deutschen Reiche, soll bei dieser Gelegenheit zur Er füllung gebracht werden. Man glaube doch ja nicht, daß diese Partei von heißer Liebe sür Herrn v. Bcthmann- Hollweg ergriffen ist. Getraut hat sie ihm als dem ehe maligen „Blockministcr" nie, und sic wir- ihn auch jetzt nur so lange unterstützen, als er ihr gefällig zu sein ver mag und ihre Pläne fördert. Hier drohen noch Gewitter wolken, die man an leitender Stelle wohl beachten sollte, zugleich aber auch Fallstricke und Fußangel» für die ande ren Parteien, deren Gefährlichkeit nicht zu unterschätzen ist. Einstweilen haben die Reichsbotcn während der Wcih- nachtsfcricn Muße, über ihre weitere Haltung nachzn- denkcn. Die Ruhe wird ihnen hoffentlich auch die kühle Uebcrlrgung wiedcrbringen. Der Kanzler selbst hat manche Ungeschicklichkeiten, die er bei Besprechung der Zaberner Vorgänge begangen hat, im weiteren Verlause der Etatberatung wieder gutgeinacht. Seine Darlegungen über die auswärtige Politik des Deutschen Reiches besagten zwar nicht viel Neues, konnten es auch nicht, da die europäische Spannung nunmehr über wunden ist, und fanden insofern kein tiefes und lang- andauerndes Echo im Reichstage und tn Ser Oeffciitlichkeit, wohl aber berührten seine festen Versicherungen, daß bei den deutsch-englischen Verhandlungen über Afrika und Borderasien die deutschen Interessen gewahrt werden würden, und seine herzlichen Worte, die er England und den Bundesgenossen widmete, äußerst sympathisch. Im Auslande sind besonders die Stellen aus der Rede, die die Notwendigkeit einer aufrichtigen und ofscnen Politik betonten, angenehm ausgefallen. Wenn man auch gewünscht hätte, daß Herr v. Bethmann-Hvllmcg über die eine oder andere Frage der auswärtigen Politik mehr gesagt hätte, was auch im Laufe der Debatte betont wurde, so mutz man doch feststcllen, daß gerade auf diesem Gebiete, das ursprünglich nicht seine Domäne war, Ser Kanzler einen unleugbaren Erfolg errungen hat. Von der inneren Politik sind zwei wichtige Fragen in der Etat-Beratung besprochen worden, die Frage des Arbeite willigenschutzes und die braunschwei gische Thronangelegeuhett. Zu beiden machte Herr v. Bcthmann-Hollweg Ausführungen, die mit Be friedigung ausgenommen werden konnten. Das gilt vor allem von der Wclfcnfrage. Zwar vergriff er sich in den Worten, als er die Forderung derjenigen, die seinerzeit einen Verzicht des Cumberländers aus die hannoverschen Ansprüche als notwendig erklärten, einen „formalistischen" und „bnrcaukratischen" Stand punkt nannte. Wohl aber gab er einige geschickte und sachlich unangreisbarc staatsrechtliche Aufklärungen, die sein Verhalten und auch dasjenige des Bundesrats tn einem günstigeren Lichte erscheinen lassen. Seine Deduktionen über die Berichiedenartigkeit der Bundes- ratsbcschlüffe von 1883 und 1007 atmen eine richtige staatsmännische Auffassung, und man kann angesichts dieses Umstandes nur bedauern, daß diese Ausführungen nicht früher gemacht worden sind. Wenn der Kanzler sich mehr auf die Behandlung der öffentlichen Meinung verstände, hätte er diese Darlegungen bet Bekanntgabe des Bundcs- ratSbeschlusseS der Oeffentlichkeit nicht vorenthaltcn. Er hätte sich dadurch manche Unannehmlichkeiten erspart und eure bessere Presse geschaffen. Der Kanzler lobte die Loya lität, des Herzogs Ernst August, dazu hatte er zweifellos ein Recht, unü trat warm für die Rechte der Braunschweiger ein, was im alten Wclfcnstammlandc einen guten Eindruck gemacht hat. Die Erwartung des leitenden Staatsmannes, daß die hannoverschen Welsen als eine zum Absterben ver urteilte Partei nunmehr über kurz oder lang ihre Umtriebe einstclien werden, wird zwar nicht überall geteilt, dvch wird das Bekenntnis, daß die Prvvinz Hannover sür alle Zeiten unveräußerlicher preußischer Besitz sei, in allen national gesinnten Kreisen ungeteilte Zustimmung auslöscn. Dem Mißbrauch des Koalitionsrechtcs durch den Terrorismus der Gewertschasten und der Notwendigkeit des A r b c i t s w i l l i g e n s ch u tz c s sind einige Worte ge widmet worden, die wenigstens die eine Hoffnung geben, daß die Rcichsregicrung dieser Frage ihre fortgesetzte ernste Sorge nnö Aufmerksamkeit widmet und entschlossen ist, sobald die Umstände und das ciiigcsammeltc Material es erlauben, dem Reichstage eine entsprechende Aktion aus dem Boden des gemeinen Rechts vorzuschlagen. Nur weiß man nicht recht, ob die Rcichsregicrung damit bis zur all gemeinen Revision des Strafgesetzbuches warten oder ob sie eine selbständige Vorlage in Gestalt einer Novelle zum geltenden Strafgesetzbuch ausarbciten will. Es ist in der Debatte von rechtsstehender Seite mit Recht darauf hin- gewiesen worden, daß eine Vertagung der Aktion bis zu dem angegebenen Zeitpunkt die schwersten Nachteil« mit sich bringen wird. Fiasko machte der Versuch von Reichstagsabgeord- netcn der Linken und des Zentrums, Sie Summe von 2 Millionen Mark aus Reichsmitteln zur Unterstützung der B c t e i l i g u n g der deutschen Industrie an dcr Weltausstellung in St. Franzis ko zu erwirken, da die Rcichsregicrung schlagend nachwics, daß eine Be schickung dieser Ausstellung durch Deutschland untunlich sei und der größte Teil der deutschen Industrie eine Be teiligung auch abgelchnt habe. Tie Antragsteller mußten schließlich dem Uebcrgang zur Tagesordnung zustimmcn. Mit diesem Beschluß ist die Angelegenheit wahrscheinlich endgültig erledigt, und die wenigen interessierten Kreise, die noch eine Beteiligung an der Weltausstellung wün sche», werden nun auf eigene Faust ihr Heil versuchen müssen. Es ist erfreulich, daß die gesunde Einsicht der Reichsbotcn die durchaus richtigen Erwägungen der Reichs- regiernng schließlich noch anerkannt hat. Drahtmeldungen - vom 13. Dezember. Fürst Bismarcks angebliche Staatsstreichpläne. Berlin. iPriv.-Tel.j Professor Dr. Delbrück hat der „Deutsch. Tagesztg." einen an ihn gerichteten Brief des früheren konservativen Führers v. Helldorfs vom 0. Februar 1007 zur Frage über angebliche Staatsstreich plane des Fürsten Bismarck übersandt. Der Brief lautet: „EtwaS^erstaunt bin ich gewesen über Rottcnburgs Be hauptung, daß Fürst Bismarck niemals habe das all gemeine Wahlrecht beseitigen wollen. Daß es anders liegt, habe ich öfters und, ich glaube, auch einmal im Herrenhaus ausgesprochen. Nicht aus gelegentlichen Gesprächen oder dergleichen, sondern aus ernsten, unter vier Augen zwischen mir und dem Fürsten geführten Diskussionen weiß ich dies, namentlich in der Zeit vor Auslösung des Reichstags wegen ocs Septcnnats, die dann zu der Wahl des sogenannten Kartell-Reichstags führte. Er hat damals in hoher Er regung und höchstem Ernst mir einmal gesagt: „Ich will die letzten Jahre meines Lebens daran setzen, den schwersten Fehler wieder gut zu machen, den ich begangen.'", und das war eben die Einführung des allgemeinen Wahlrechts. Rottenburg war damals schon bei Bismarck, und die einzige Erklärung der Behauptung, die er jetzt aufstcllt, könnte nur die sein, daß Bismarck ihn in diese Pläne nicht eingemriht hat." — Tie „Deutsche Tagesztg." erklärt dazu, daß dadurch die Behauptung Delbrücks, Fürst Bismarck habe 1800 einen Staatsstreich geplant und den Plan schon in seinen Einzel heiten erwogen, in keiner Weise begründet wird. Wir sehen, schreibt das Blatt, davon ab, daß die Aeußcrung BismarckS- im Jahre 1887 gefalle» sein soll, daß sic also eigentlich nicht! für angebliche Pläne des Fürsten Bismarck im Fahre 1808 hcrangezvgen werden kann. Das ist aber Nebensache. Wir! wollen auch gern annchmen, daß Herr o. Helldorff den« Fürsten nicht mißverstanden, sondern sich seiner Worte nach, zehn Jahren noch genau erinnert hat. Wenn also Fürst Bismarck Wirklich gesagt hat, er wolle die letzten Jahre seines Lebens daran setzen, den schwersten Fehler wieder qnt zu machen, den er begangen habe, so wird dabei nichts Neues gesagt. Wir haben bereits selbst vor kurzem hcrvor- gchobcn, daß Fürst Bismarck in den letzten Jahren seiner Amtsführung niemals ein Hehl daraus gemacht hat, daß er die Einführung deö allgemeinen, gleichen, geheimen und direkten Wahlrechts als einen Fehler erkannt habe, der wieder gut gemacht werden müsse, wenn die Schäden diese» Wahlrechts den Bestand und die Ordnung des Reiches ge» 00'l susg pun ussmyz? usiibl sZ>88v)i *-S V ad» InnruM»