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Dresdner Nachrichten« orr. SIS. Seite s. M» Montag, IS. Stovember IS o«» ! Geldstrafe oder 10 Tagen Gesängnitz vcmrtheilt. M. war an einer am 10. August aus dem Alaunplatz sich abspielenden Schlägerei keiheiligt. — Der dem Trünke ergebene verheirathete Klempner geselle Georg Oswald Schmidt in Pieschen warf nach seiner taub- »ummen Schwiegermutter am 27. August mit einem Emailletopf und verletzte sie. Das Urtheil lautet aus 4 Wochen Gefängnis! und t Tag Haft filr gleichseitig mit in Frage kommende Ver übung ruhestSrcnde» Lärms. — Der 2t> Jahre alte Stelnbruchs- arbeiter Johann Friedrich Carl Orsin hat die Entwendung eines 'einem ArbcitSoenossen gehörigen Paares Strümpfe mit 2 Tagen (hesängniß zu sühnen. — Offene Stellen für Militär-Anwärter (Inhaber des eivilvermrnuiiasschciin'SZ. Beim Amtsgericht zu Markranstädt iosort Dicner- nebiiie, >2n<,Rk. viclial,, MMk. ttekleidunasgeld. 'daN steigt bis ir-aa Ml.: — beim Ministerium dcS .lnncrn b Ervedienteustelien, Besetzung bleibt vor- bcltnlten, Anfangggckalt liao Mk., wabrend der Pwbeeeit monatlich na Mk.: — beim deinem vergib -u Paunodorf l. Januar Lclmbinaim. inaa Mt.: — beim Rar» m Dresden 1. De,, evcnt. t. Januar Ltadtbetirk» - Ausseber, tvabrend der Bwberen 1200 Mk. einschließlich r»> Mi. .Bekleidungsgeld, »öchsigciialt 2IN0 Mt.: — bei der Obelpoudirctiwti übemiiiv t. Januar bei. t. Februar 7 Boinrt»offner be;. Briefträger, I lbO Mt. bez. IWo Mt.; — beim Niuvcnüats Rentamt Leipzig Alaschinisien und tdeizerstcUe 2. Januar, laaa Mk. »nd freie Wolnuing, .se innig und BeiellchUtng oder Iiaa Mk. i^etd- eniiclbrügtung i — beit» «Ncineindevoritand zu Rgdebcul t. Januar Schutz mann, laaa Mk. Gebälk und 7.7 Mt. Bellcidnngsgeid: — bei der Ober- noilbirektion Leipzig I. Januar Postichassuer, litt Mk., Laudbriesträger, Mk.: — bcnu Raib zu Dresden sofort Lolmschreiber, 750 Iwo M!., desgleichen 1. In,mar 15 Lobnichreiber- bez. ztanzleibilfsarbeiterslelleii: — beim Amtsgericht Dresden iniclt und nach >> Lobnschrcibei', bi» :>Ml. Tage» tob»i — beim Amtsgericht Sckgiidau ,5. Dez. Tienergehilfe, 1200 Mk. jährlich, 60 MI. BekleidMigSgeld, iüebglt steigt bis i »nO-MI. TageSgeschichte. Deutsches Reich. Der Gedanke, Walderscc zum Höchstbefehlenden zu ernennen, ist nach dem sranzösischci, Gclbbnch »ripriinglich vam Kaiser Wilhelm ansgegangen. Der Botschafter ONontebello telegraphirte nämlich am Angnst ans Petersburg an Minister Deloassö, der Deutsche Kaiser hat den Clären wissen lassen, daß er die Absicht hätte, den Oberbefehl über die deutschen Truppen in China dem Feldmarichall Grafen Walderscc zu übertrage», und er hat gefragt, ob ma» in Rußland einen Eiinvnnd dagegen erheben wurde, daß der Oberbefehl über die Verbündeten Streit lräste ihm anvertraut werde. Kaiser Nikolaus bat erwidert, das; er in Anbetracht der schweren Beleidigung, die Deutschland durch die Ermordung seines Gesandten in China zugesügt wurde, und des hohen militärischen Ranges des Grafen Walderscc in dieser Cr nenming für seine Person keine linzuträglichkeit erkenne. Die Enthüllungen im S ter» b erg - P r o ; e s; ba Interesse hrrvvraernsen. ii Reichskanzler Vortrag haben auch beim Kaiser das größte Interesse bervoraerusen. Der Kaiser bat sich über den Prozeß vom Reichskanzler Vortrag >,alten lassen, wobei der Monarch sich dahin geäußert hat, daß Maßnahmen zu ergreifen seien, weiche eine Wiederholung derartiger Dinge zur linmöglichkeit machen: denn die Krimimilpolizci der Reichshanpt- stadt müsse eine Clitetruppe im deutschen Kriminalwesen sei». Der Monarch erwartet »ingebend Vorschläge zu diesen Maßnahmen und Neuerungen. Tie Veröffentlichung eines neuen ministeriellen Erlasses steht bevor, der den letzten derartigen Erlaß vom Dezember vorigen Jahres ganz erheblich ergänzt. Trotz aller offiziöser Dementis bleibt die „Rh. - Weslf. Ztg." dabei, daß lm vorigen Jahre eine dem Auswärtigen Amt nahe stehende Persönlichkeit und vor Kurzem ein in afrikanischen Fragen sehr einflußreicher Beamter des Auswärtige» Amtes unsere süd afrikanischen Kolonien als nur noch Taus ch objckte bezeichnet hat. Dafür, bemerkt das Blatt, liegen uns die schrift lichen, bezüglich Zeit, Ort und Person genau delaillirten Angaben der Augen- und Ohrenzeugen bekannter Ehrenmänner vor. An dieser Thatsachc würde sogar eine Erklärung des Grafen Bülow im Reichstage gar nichts ändern, geschweige denn eine Note der .Norddeutschen Allgeni. Ztg.'. Wie man der Tägt. Rdsch. wenpreugncyen coeryniinine verncyern, nach wie vor ganz gei Zur Osscnbacher E i s e n b a h n k a t a st r v p l> e >er einzige gerettete Insasse des letzten Wagens des V-Zugcs A. M. Marctt, der Besitzer einer Frankfurter Großweinhan gaben, um daS auS meinen, wie sich später herausstellte, glücklicher weise nicht bedeutenden Kopfwunden herauslaufende Blut einiger maßen zu stillen. Niemand vom Zugspersonol, daS sonst doch Keinem zu Helsen hatte, kümmerte sich um mich, erst Andere, in zwischen herbeigeeilte Personen nahmen sich meiner an und brachten mich in den Gepäckwagen. Die ausaesimdenen Sporen sind mein Eigenthum (die Annahme, sie rührten von einem bei dem Brand umaekommenen Offizier her, wird damit widerlegt), ich batte sie für Reittonren in Schwede» benützt.- — Ein anderer Augenzeuge des Eisenbahn-Unglücks erzählt: Kaum hielt der Zug, als auch schon ein anderer Zug mit furchtbarer Gewalt gegen ihn fuhr. Infolge einer dadurch hervorgernfenen Explosion der Gas behälter gcriethen die zwei Wagen unseres Zuges in Brand. DaS Feuer griff so rasend um sich, daß wir mir mit großer Mühe und knapper Roth unser Leben retten konnten. Durch die Thüren war dies nicht mehr möglich und die Fenster blieben unser einziger Ausweg. Gräßliche Scenen mußten ivir erleben, nachdem wir uns in's Freie gcrettel hatten. Herr Höhl-Geisenheim versuchte noch einen, anderen Passagier behilflich zu sein, durch'S Fenster aus dem brennenden Wagen zu kommen, und hatte schon die Füße des Mannes erfaßt und n»i seinen Leib geschlungen, als die Flammen den noch im Wagen befindlichen Oberkörper des Unglücklichen faßten »nd Herrn Höhl zwangen, den Mann wieder los zu lassen. Der Unglückliche verbrannte elendiglich. Eine bcdauernswerthe Dame saß schon auf einem.Fenster und schrie zum Herzcrbarmc» mn Rettung, aber ehe diese rhr zu Theil werden konnte, ergriffen die Flammen ihre Haare, und die Anne fiel zurück in die Glnth dcS brennenden Wagens. — In .Homburg wird der Besitzer des Albivii House, Doktor Willy Jnchs und Iran Ella vermißt, die ihre Ankunft vvn Leipzig meldeten, jedoch nicht cinirafen. DaS Datum der Hochzeit stmiiiit mit den gesnndcncn Trauringen. In Tübingen wurde der Luslinörder Steinacher, der zwei kleine Mädchen vergewaltigt und getödtct hatte, im Hofe des AnatoiiiiegebälideS vom Scharfrichter Siller hingcrichtet. Frankreich. Gerüchtweise verlautet, die Regierung unter bandle mit Belgien übce die Rückgängigmachung der Auslieferung csipido s (der das Attentat ans den Prinzen Wales versucht hat), weil Zweifel an der Gesetzlichkeit der AnSliescrmig obwalten. K«i»ist «nd Wissenschaft. mittheilt, hat sich Reichskanzler Gras Bülow gegen das System eines Maximal- und Minimaltarifs als Grundlage für die Neugestaltung unserer Handelsverträge erklärt, da der Doppeltarif dem Zustandekommen von Handelsverträgen aiißerordentliche Schwierigkeiten zu machen geeignet sei und es dem Grasen Bülow in erster Linie dämm zu thun ist, zu einem positiven Ergebnis; zu gelangen. Gras Posci- dowslii, der, wie schon mirgetheitt. für de» Doppeltarif Stellung genonrmcn hatte, soll aus seinem frühere» Standpnnttc nicht be harren, sondern sich den Wünschen des Reichskanzlers Grasen Bülow untcrmdnen. Bestätigung bleibt abznwnrten. lieber die Ausnahme des Urtheils des Konitzcr Meineid- Prozesses im Gerichtssaal imo in der Stadl Könitz wird be richtet: Das Ende des Maslofs-Prozcsscs rief hei dem im Gerichtsfaalc anwesenden Publikum große Bewegung hervvr. Den Wahrspruch der Geschworenen nahm man noch mit verhältnip mäßiger Ruhe entgegen, wenn auch bereits in dieiem Augenblick zu erkennen war, daß ein großer Theil des Publikums trotz des parken Belastungsmaterials, das namentlich gegen Maslvfs und gegen Frau Roß vorlag, aus einen Freispruch gerechnet hatte. Als aber der Staatsanwalt das Wort ergriff, als ec in Rücksicht auf die Bedeutung der Angelegenheit, in der die Angeklagten die Behörden hinter's Licht zu führen versucht hätten, schwere Zucht hausstrafen von 5 und l» Jahren gegen die schuldig Gesprochenen mit energischen Worten beantragt hatte, erging eine tiefe Beweg ung durch den Saal. „Um Gottes Willen!" ries eine Dame mit halblauter und doch im ganzen Saale vernehmbarer Stimme. Eine der Roß nahestehende Frauensperson im Zuhörerraum, sowie ihre beiden Töchter in der Anklagebank weinten laut aus. „Giebt cs denn leinen Gott im Himmel!" schrie die Roß auf. „Benehmen Sie sich angemessen"! ries ihr der Norsitzendc zu, »nd gegen das Publikum gewendet, drohte er, den Saal räume» zn lassen. Als daS Urtheil des Gerichtshofes weiter bekannt wurde, bildeten sich überall in der Stadt wie namcnllich vor dem Gerichtsgebäude Gruppen, in denen das Ereignis; des Tages lebhaft diskntirt wurde. Die Anwesenheit des Militärs hält die Neigung zu x »mutten im Zaun, andererseits ist an Stelle der lauten Aufreg ung eine Stille, aber darum nicht weniger intensive Erbitterung getreten: namentlich auf dem Lande gährt eS. wie alle Kenner der ivesiprcußischcn Verhältnisse versichern, nach wie vor ganz gewaltig. . -- theilt Herr , . vweinhandlrmg, der „Frankfurter Zeitung" Folgendes mit: Durch die lange Repe ruhelos geworden, verließ ich meinen Platz und ging, die Reise tasche in der Hand, in den Korridor, gleichzeitig in der Absicht, bei der baldigen Ankunft in Frankfurt so schnell wie möglich aus dem Wage» heranszukomincn, um meine aus dem Bahnhof mich erwartende Frau möglichst rasch begrüßen zu können. Mit mir hielt sich ein Schaffner in dem Korridor ans. Wir gingen eben ans die Glasthüre zn, die den Abschluß des U-Wagcrw am Hinteren Ausgang bildet, als plötzlich der vor mir gehende Schaffner sich lodtenblcich umwnndte -- ich werde das Gesicht in meinem Leben nicht vergessen — und mir znries: „Uni GotteSwillen, der Zug säbrl ans »ns!" Ich sah noch die beiden hellleiichrenden Laternen des hcranbranscnden Zuges — der Nebel wnr also doch nicht so sehr d cht - im nächsten Augenblick schon erfolgte ei» donnerndes Krachen, unser Wagen war in zwei Thcile gcthcilt, die Maschine laß zwilchen ilmei, fest. Mein Glück wnr mein Aufenthalt ini Korridor, die Maschine hatte ihn abgespliltcrt. Ich stürzte zuerst Himmler unter die. Trümmer, neben mir die Räder der fauchenden Maschine, ans mir der Schaffner, der sich nicht rührte. Im Augenblick, als cs himmterging, sagte ich mir: '„Du siehst Deine Fron nie wieder!" Als ich aber bei den Versuchen, mich zn be wegen. die Bemerkung machte, daß ich wohl das eine Bein ge brächen hatte, sonst aber nicht behindert wnr, außer durch den noch immer sich nicht regenden Schaffner, erwachte sofort die Thatkraft wieder in mir. Ich hob den Schaffner mit in die Höhe, um mich zn befreien, was mir endlich gelang. Inzwischen war die Explosion erfolgt, mit Blitzesschnelle standen die beiden letzten Wägen in Flammen und nun galt es nochmals um daS Leben. Als guter Turner hatte ich vielmals das Ziehklimmen geübt, es half mir, trotz des verletzten Beines. Ich schwang mich aus den noch Ziehenden Theil des Wagens und sprang zum Fenster hinaus, fiel saus die Böschung und kletterte über den einsachen Stachelzaun, in» mich vor den immer mehr überhand nehmenden Flammen zu retten. Tort blieb ich im nassen Felde liegen. Ein Herr, den ich »m Hilfe bat, leistete mir diese nicht, er war wohl durch den Schreck so bestürzt, daß er gänzlich geistesabwesend mich gar nicht j ansah, sondern sich nur damit beschäftigte, seinen Plaid wiederholt' 'zusammen- und ansznlegen. Bon den schrecklichen Scenen, die sich aus der anderen Seite des Wagens abspiclten, habe ich nichts ge sehen. ich Hörle nur das Jammergeschrei der dem Tode verfallenen -Passagiere. Endlich, nach einer halben Stunde, kamen aus mein Hilferufen zwei Schweden, Vater und Sohn, die mir Tücher 4 Die K önigl. HosoPcr bleibt beute wegen der Vor bereftnilgcn zu der Erstausführung von Saint-SnSns „Samson und Dalila" geschlossen. Im K önigi. HofschansPrcl geht Paillewn's Lustspiel: „Die Welt, in der mon sich langweilt" in Scene. 4 Tie vom König!. Hofs ch auspicl zur Feier von Schiller'S Geburtstag borgciehene Aufführung deS diamntischen Fragments „Demetrius" wäre durch die Absage des Herrn Wiecke unmöglich geworden, wenn die Generaldireltion in Herrn Hvf- schainpiclcr Mon nard von München nicht Ersatz geschasst hätte. Ter Münchner Künstler spielte den Demetrius ganz trefflich, in der Erscheinung und Darstellung dem Wiecke'schcn Demetrius oft so äbnelnd, daß man im Zweifel sein konnte, ob man Herrn Wiecke, oder Herrn Monnard vor sich habe — eine ganz mcrtwürdinc Verwandtschaft der künstlerischen Begabung und der Aeußerlich- keite», die gewiß nicht zu Ungiinsten des Münchner Gastes sprechen. Im Uebrigen verlief die Vorstellung in der üblichen Be setzung. Dem Demetrius-Fragment schloß sich die scciiischc Dar stellung der „Glocke" an. mir dem Epilog Vvn Goethe. Die Vor stellnng war sehr gut besucht, die oberen Galerien voll besetzt mit GMimasialschülecii. 4 Für die dreiaktige Oper „Samson und Da lila" von Saint-SaenS. die mit Frl. v. Chavanne und den Herren Anthcs und Perron in den Hauvtrollen morgen tm König!. Op er» ha »sc zum ersten Male in Scene geht, ist von den Herren Hoslheatermaler Rieck, Maschinenmeister Fischer und Garderobe-Inspektor Metzger eine völlig neue Ausstattung geschaffen worden. — Das von Herrn Balletmeister Berger arrangirte Ballet erscheint in einer Erweiterung, die bisher noch aus keiner Buhne, auch nicht an der Pariser Großen Oper zur Ausführung gelangre. Tie hierzu gehörige Musik, die in den veröffentlichten Partituren und Klavier-Auszügen nicht enthalten ist. ist der Königl. Gcncraldircttion von den Pariser Verlegern der Saiin ScnmS'schen Oper für die Dresdner Ausführung zur Ver fügung gestellt worden. 4 ES ist ein eigen Ding um Wildcnbruch's jüngstes Bichiienwerf, in» sein vieratliges Schnnstffet „Die T o ch l cr d es E ra S m n S". das vorgestern Abend vor ausvcrkaustem Haine und geräumtem O rchester mit bedeutendem Erfolge seine Erstaufführung erlebte, ge tragen von der Ciegerkrast all' der gewaltigen Ideen einer historisch unvergleichlichen Epoche, die der Dichter in der ihm eigenen und bewiidcren Weise in seinem Stücke anklingen laßt. Es ist ein „echter Wildenbriich", dieses neue Drama, ein Wilden- brnch mit all' den Vorzügen und Schwächen, wie sic w oft schon gepriesen, so oft schon verdammt sind. In der intimen Motivir- iliia und der psychologischen Korrektheit läßt das Werk viel, iehr viel zu wünschen übrig, auch technisch ist cs keinesfalls einwand frei, schon darum nicht, weil der Dichter mit aller Macht eine Episode zur Hauptsabcl machen und in den Vordergrund des Interesses drängen will, so daß man nothgedrungen zwischen der Thcilncihme an dem Geschick der Titelheldin und der Thcilnahme au den großen Schicksalen der Zeit immer hin- und hcrschwanki. Aber diele» gewiß nicht zu unterschätzenden Mängeln stehen wie immer glänzende Vorzüge gegenüber, vor Allem ein hinreißender dramatischer Schwung, der wenigstens in den enteil drei Akten die Theatralik mit vollendeter Sicherheit meistert und i» einer Reihe packender Bühnenbilder den Geist des Reformations-Zeitalters, in dem sieh die Handlung des Dramas abspielk, mit seinen leitenden Ideen in großen Zügen fcstzuhallen weiß. Vielleicht noch höher ciiizuschätzeil ist diesmal die Gabe Wildeiibruch's, diese Ideen in über zeugend wirkenden Contrasten zu verkörpern und historischen Schemen heiß vnlsirendes Leben zu geben, wie ihm das iir der Gegenüber- stclllnig von ErasmuS und Hutten überraschend geglückt ist. Hätte sich der O.uitzvw-Dichter daran genügen lassen, ln seinem wuchtigen Freskvstileden Kampf des Erasmus, dieses müden, aristokratischen Ge lehrten, gegen die mächtig daher brausende Reformation, sencs frische, demvkratlichc Zeitalter, in seinem „Erasmrrs" zu schildern, so wäre in dem neuen Werke ein prächtiges Rcformationsstück mit Luther als dem „heimlichen Helden" der protestantischen Welt geschenkt worden. Da er aber mit diesem historischen Drama eine intime .Herzensgeschichtc verknüpfte, welche die menschliche Anthciliiahmc snr die Träger der welterschütternden Gedanken erhöben soll, mußte der dramatischen Wirkling des Ganzen Abbruch geschehen auch dann, wenn cs ihm gelungen wäre, die Charaktere des Erasmus und seiner Tochter psychologisch zn erklären. In dem Drama sind schlechter dings Beide nnberständlich m ihrem Tbim lind Lassen der Frau gegen über, der sie daS Leben und er die Liebe verdankt: dieses Manko wiegt schwerer als die Rücksichtslosigkeit, mit welcher der Dichter in Haupt- »nd Nebenakttone» geschichtliche Vorgänge und Figuren nach seinem Gutdünken modelt. Leider rückt gerade gegen Schluß des Dramas hin EraSmuS auf Kosten dcS prächtigen Hutten mehr i» den Vordergrund, dieser ErasmuS, der die Mutter seines Kindes mißhandelt, um sich desto stärker der Liebe seiner Tochter zu ver sichern, die wiederum nichts Anderes zu ihn» weiß, als die Unglück liebe Frau, eine rührende Gestalt voll von schmerzlicher Resignation und stiller Wchinuth, in unverzeihlicher Härte von sich zn stoßen. Ein Glück, das; der Glanz, der von Hinten während der ersten drei Akte nnsgeht, hell und stark genug ist, um auch etwas von seinem Schimmer auf den letzten Akt fallen zu lassen. Das ist — gut deutsch gesagt — ein ganz prächtiger Kerl, dieser Hutten mit seiner trotzig germanischen Mannhaftigkeit, dieser herrliche Pro testant. hinter dem als der eigentliche Held kein Anderer als Martin Luther steht mit seinem Feuergcist, der eine neue Zeit herauibeschwört »nd eine Bewegung anbahnt, deren Seanlingeii wir noch heute genießen. Wenn Wildenbruch weiter nichts gelungen wäre, als die begeisternde und beaeistcrte Verkörperung deutschen Geistes, der in diesem Herold und Sturmvogel der neuen Zeit einen glänzenden Repräsentanten findet, so dürste er sich schon rühmen, mehr als die Dntzenddramatiker geleistet zn haben, die ihr Talent in allerhand theatralischen Modcnichtlgkeiten verzetteln. Aber er hat noch mehr aethan l Was ihm bei der führenden Partie nicht glücken wollte: die ideellen Leitmotive in seinen Gestalten restlos einfachen zn lassen, das hat er bei einigen Episoden des Dramas zu Wege gebracht, die in ihrer realistischen Zeichnung eine stattliche Zahl famoser Eharnkteiköpfc bedeuten. Von großer Lebendigkeit find auch die Volksicenen durchdrungen, welche die Stimmung der Massen ausgezeichnet widerspicgeln und namentlich die spanische Soldateska und die Landsknechte mit überzeugender Echtheit auf die Bretter stellen. Die Sprache des Werkes ist reich an mannigfacheu Schönheiten und zeigt nur selten jenes falsche Pathos, durch das Einem die bald scharf geprägten Sentenzen, bald dichterisch tiessinnigen Gedanken nur zu leicht verleldet w«d« können. Das scenifche Geschick Wildenbruch'S. die Höhepunkte der Haltung in effektvollen Bildern festzulegen, beweist sein sünastc- Schauspiel an ollen Ecken »nd Enden: besonders am Schlui; des dritten Aktes, wo der große Resormator aus der bischöf lichen Pfalz zu Worms tritt, die Bibel tu der Hand, das Haupt nmlruchtet wie von strahlender Glorie, von Fiirste» und Volk inndränat. das lebendig gewordene SiegeS- ilcd der neuen Lehre und der neuen Zeit „Ein' feste Burg ist unser Gott". — Die Aufführung des Schauspiels verlanal für die tragenden Rollen erstklassige Schauspieler, für die Jnsccnimng einen umfänglichen »nd komplizirten Apparat, wie er imr wenigen großen Bühnen zur Verfügung stehen dürste. Beiden Anforderungen suchte das Rcsidenztheater nach Möglichkeit gerecht zu werden, und es wäre daher unbillig, seiner Direktion zürnen zu «vollen, weil vorgestern in dem scenischen Arrangement und der Ausgestaltung einzelner wichtiger Partien hier und da noch Einiges zu wünschen übrig blieb. Im Ganzen und Großen halte Herr Notrer, soweit es ihm seine beschränkten Mittel gestatte ten, für ein lebendiges Umsetzen der Wildenbruch'schen Ideen Sorge getragen und namentlich die Volksscenen auf den rechten Ton gestimmt. Nnr das Ende des dritten Aktes mit seinem opern haste» Schlußbild. das geschickt beranSgearbeitet eine machtvolle Wirkling nie verfehlen wird, ließ sich durch Kleinigkeiten, wie da» Erhöhen der Treppe vor der bischöflichen Pfalz, eine melodrama tische Umrahmung w. leicht noch illilsivnSgerechtcr stellen; auch das Stildirziimiicr des Erasmus könnte liltimer gehalten sein. Sehr geschickt und von großem Vortheil für die Wirkling einzelner Scenen, besonders im letzten Akte, waren die Striche, die man i» den philosophischen Partien des Textes vorgenommen hatte. Bon de» Hauptdarstellern, deren Bemühen daS Gelingen des Abends zn danke» ist, fällt dem Vertreter des EraSmns die daiitbarstc, aber auch schwierigste schauspielerische Aufgabe zu. Denn der be rühmte Humanist ist, so wenig sympathisch er auch sein mag, der einzige konscanent dnrchgeführte Charakter unter den trewende» Kräften des DramaS, für den sich zn erwärmen die nothwendigstc Vvrbedliigiliig für die Aittheilnahme an der HerzenStragddic ist, im, die sich »ach der Meinung des Dichters die ganze Fabel drehe» soll. Herr Jan da gab sich alle Mühe, dieser prinzwiellc» Forderung gerecht zu werden, und hatte augenscheinlich die im Stück zahlreich vertretenen Bemerkungen über das Wesen und die Art des genialen, aber eilten Gelehrten beherzigt, sodaß sei» EraSmns i» der Anlage wie Durchführung nicht iwel war: um die geistige Hoheit und die Schärfe der Dialektik ließ der Künstler zu sehr vermissen, um allenthalben überzeugend zn wirken. Eine nicht minder schwere Aufgabe fällt der Darstcllcrtir der Maria zu. die glaubhaft zn verkörpern sich Frl. Rüg mar vergebens be mühte. Ob das überhaupt einer Schmispielcrin gelingen kann, ist eine andere Frage: jedenfalls müßte sie an das Wagniß mit andeien Mitteln und einem größeren Können gehen. Doch die Träger dieser führenden Rollen verschwinde» gegenüber einer Episode, gegenüber dem prächtigen Hutten, dessen Repräsentant fast immer das Stück tragen wird: um wie viel mehr, wenn er von Hm» M atkowSl» gcsviclt wird, der vorgestern, trefflich diSvonirt, eine vom echten Feuer einer großen Leidenschaft getragene Leistum, bol, welche die seines diesmaligen König Heinrich bei Weitem in den Schatten stell!. I» der Brust dieses Hutten glühte und brauste etwas, wie der Flcimmcngeist der neuen Zeit, tonte der ichtersubel über daS Finden der neuen Lehre nach, die der „Wetz daS Licht bringe» soll »ach so viel Finsternis;". Da ist nichts ini: kleinen und ilngcii Mitteln und Millclchen gethaii. nur wer au» dem Vollen schöpfen kann, wird diesen Hutten lebendig machen Daß Matkvwsk» Alles neben sich überragte, oft das Publikum, selbst bei offener Scene, zu frenetischem Applaus hinitß und eigentlich ihm der Erfolg des Werkes zu danken ist. wird darum Niemanden Wunder nehmen. Doch sollen über diese kraft strotzende und temperamentvolle Darbietung nicht die übrige» Milwirkenden vergessen werden, die sich nach Kräften bemühten, den gefeierten Gast in kleineren Rollen zu unterstützen. Hier sind die Damen Kronthal (Katharina) und Blanden (Constanzes, sowie die Herren Witt lPcntingcr), Reiter (Don Jgnario), DinghauS (Flilndsbercft, Koch lEapitos und Friese lNilvdem) an erster Stelle zu erwähnen, aiich den Eck des Herrn Bat,er, der nur etwas zu sehr als Karrikatnr gezeichnet war: mit einem Mann von diesen Planieren hätte sich der vornehme Erasmus kaum in einen Dispi» eingelassen. Alle Milwirkenden wurden mit gleich reichem Applaus ausgezeichnet, und nach jedem Aktschluß nuilste sich der Vorhang bis a» die 12 Mal heben. Nach dem letzte» Akt erschien Her, Rotier vor der Gardine, um für die glänzende Aufnahme de: Novität im Namen de-Z abwesenden Dichters zu danken. — Nach dem außerordentlichen Beifall, den das Schauspiel bei seine: Erstaufführung sand. und dem tiefen Eindruck, den cs an seinen Höhepunkten ans die Zuhörer machte, dürfte die „Tochter de: EraSmus" vorläufig das Reperioir des Rcsidenzthcatevs bis aus Weiteres beherrschen. P. A. Wolfs. 4 Wenn der Ruf der „Dresdner Musikschule" (Dir- R. L. Schneiders nicht schon seit Jahren als der einer ausgezcich iicten und ernst zn nehmenden musikalischen Bildilngsanstalt fest begründet wäre, — das vorgestern zum Besten ihres Freistellen fvnds abgehaltcne Eoncerk im Muscnhausc hätte diesen Ru- zeitigen müssen. Aus allen Vorträgen — so verschiedenartig auch ihr absoluter Kmiftwerth war — leuchtete so viel heiliger Kunst eifcr, solch' ernster Studienfleiß, sulch' solides, tüchtiges Können heraus, daß auch der kritische Hörer anftichtigste Freude über diese Schülerdarbictnngen — denn um solche handelte cs sich mit einer einzigen Ausnahme — empfinden mußte. Geradezu überrascht hm die Tüchtigkeit des SchülcrorchestcrL, daS in Herrn Johannes Reichert offenbar einen Leiter gefunden hat, der eisernen Fleiß mii ungewühnlichcr Lehrgeschicklichkeit und musikalischem Fcinsinn i» sich vereinigt. Nicht mir. daß der gesnmmte Orchesterkörpci in rhythmischer Hinsicht wie von einer einzigen Seele belebt und de ivcgt erschien, auch in Bezug auf dynamische Schattiiungen war von dem jugendlichen Dirigenten fast gllcnthglben jenes einheitliche Zllsammengehcn erzielt worden, von dem die Güte jedes Orchesters im Wesentlichen abhängt. Unter solchen günstigen Umställden, zu denen sich noch eine löbliche technische Fertigkeit der junge» Jiistrilmcntalistcn gesellte, hörte man von dem Orchester den ersten, zweiten und letzten Satz der U-äue Serenade Dir. 7 von Mvzarl iElijabeth Haffiicr gewiomet), scrner die Haydn'ichc L-elur-Sinfonie (Nr. 8 der Breitkopf n. Härtel'schcir Ausgabe) und die graziöse, leider viel zu selten gehörte Suite für Streichorchester und Solo flöte (ll-moll) von Bach. Das Flvtcnsolv der Bach'schen Suite und ein am Klavier (Frl. Ai. Schmidt) begleitetes „Arioso" (aus cinem Flötencvnecrk von Onaiitz, dem Musillchrcr Friedrichs des Großen, führte mit ausgezeichnetem Gelingen Herr KammcrmnsikuS Pcschek ans. Eine interessante Bereicherung fand das Programm, das ausschließlich Kompositionen auS dem 18. Jahrhundert auswies, durch das von Richard Buchmahcr hier bekannt gewordene pianistischc Kuriosum „Biblische Historie von dem Streik zwischen David und Goliath" von Jvh. Kulman. Obschon der Änsführcnden, Frl. Magdalena Schmidt, das gewagte Experiment, das schwer im Gedächtniß festzuhaltendc Stück ohne Noten zu spielen, wiederholt mißlang, so ist dieselbe doch wegen ihrer unverkennbaren Begabung und ihrer wohlgebildeten Technik zn beloben. Der Gesang war durch einen fortgeschrittenen Schüler des Herrn Tr. Müller. Herrn George Thomas, vertreten. Daß der angehende Künstler eine vor treffliche Schulung erfahre», bewies ec mit dem korrekte» und aus driickSvollcii Vortrag zweier Arien aus Händel'S „Deborah". Ob aber die stimmliche Kraft und Größe des in der Tiefe nur sehr matt erklingenden Organs sBaß-Bariton) aiiSrcicht, um des Sängers Absicht z» rechtfertigen, sich demnächst hier in einem eigenen Conccrt hören zi^ lassen, steht dahin. Als Begleiterin am Klavier unterstützte den länger Frl. Johanna Kunze; die Violen soll in der Hassner-Serenade und im Schlußsatz der Hatzdn'lchcn Sinfonie spielte gewandt und verständig, aber wenig unterstützt von seinem scharftöiiigcil Instrument Herr Ii. Erfurt, Schüler der Violinklassc des .Herrn Knnimcrimlsikus Braun. Das Coneert war gut besucht und sand in allen seinen Thcilen reiche Anerkennung. —eit. 4 Die A nSstellung von Drcsdncr Künstlern, die augenblicklich in Emil Richters Kunstsalon (Prngerstraße) den Oberlichtsaal vollständig füllt und deren Besuch auf das Wärmste empfohlen werden kann, ist neuerdings noch um eine Reihe größerer Arbeiten bereichert worden. Es sind nunmehr: Karl Banker mit lff, Georg Müller - Bresan mit 2."> resp. !17, Jos. Pepino mit 20, Will,. Ritter mit 21 und Peter Poeppelmann mit 4 Arbeiten vertreten. 4 Dlc vereinigten Gocthcbiinde, vertreten durch Delegirtc aus Berlin, München, Hamburg, Dresden, Stuttgart. Darm stadt. Kiel, Mainz, Bremen, Düsseldorf und Breslau, sind vor gestern in Wei in a r zum Zwecke des engeren Zusammenschlusses unter dem abwechselnden Vorsitze von Suderinaiin-Berlin und Hittb- Munchen zusammcngctreten. -»