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01-Frühausgabe Dresdner Nachrichten : 29.06.1905
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1905-06-29
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id501434038-19050629011
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id501434038-1905062901
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-501434038-1905062901
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Nachrichten
-
Jahr
1905
-
Monat
1905-06
- Tag 1905-06-29
-
Monat
1905-06
-
Jahr
1905
- Titel
- 01-Frühausgabe Dresdner Nachrichten : 29.06.1905
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^ Ivo nl»t ein bedeutender PreiSaustchlag statt« Dazu kommt noch die Nachnax« mit M Pfa. . . ag Mr jede» Rezept. Nun könnte man glauben, der Preis der Rohprodukte könnte den Aufschlag bedingen, aber die» sei nicht der Fall. Bet den Krankenkassen würde r» sich am Schlüsse de» Jahre» zeigen, welche Summen sie mehr bezahlt haben. WaS nütze da dir Sparsamkeit bet den Verwaltungen der Kasten und wa» nütze die Sparsamkeit der Aerzte bei de» Rezepturen und anderen Bedürfnissen, wenn diese Erspamtsse, sowie der Rabatt, den die Apotheken gewähren, durch diese erhöhte Taxe sofort doppelt und dreifach wieder aufgehoben werden. ES sei deshalb dringend notwendig, daß die Versammlung Stellung zu dieser Frage nehme und einen Weg finde, auf welchem eine Verbilligung der Medikamente herbetaeführt wird Vorsitzender Fräßdvrf tritt dann mit, daß in der Jahresversammlung deS Deutschen Zcntral- verband» der Ortskrankenkasse» die neue Arzneitare besprochen werde. Ein Apotheker habe für diesen Punkt daS Referat über nommen. ES wird darauf beschlossen, der Versammlung des ZtntralverbandeS folgenden Antrag zu unterbreiten: 1. Die baldige Revision der deutschen Arzneitaxe und 2. die Mitwirkung der Ortskrankenkasten bei dieser Revision zu erstreben. .Hammer- Reichendach empfahl den Antrag als eimiarn jetzt einzuschlagenden Weg, weil bi» jetzt das Beweismatenal aus den Kassen noch fehle. Die Annahme des Antrages erfolgte einstimmig. Zu Punkt t berichtete Vorsitzender Fräßdorf über eine an den Reichs kanzler zu richtende Petition aus Abändcrung und Verein fachung der Arbeiter-Vcrstcherungsgejetze, sowie über das Bestreben auf Beseitigung oder Einschränkung der Selbstverwaltung. Die Notwendigkeit der Zusammenlegung wird schon lange diskutiert und cs ist eine unbedingte Notwendigkeit, daß an Orten, wo mehrere Ortskrankenkassen bestehen, dieselben vereinigt werden. Auch die Betrlebskrankenkassen müssen auf gehoben werden, wenn sie nicht über 1000 Mitglieder haben, da es sonst von vornherein ausgeschlossen ist, daß sie eine genügende Unterstützung gewähren können. Ebenso seien die Jnnungskassen überflüssig, da die Arbeiter kein Interesse daran hätten. Fenier sei unbedingt darauf hinzustreben, daß alle drei Versicherungs zweige ^Krankenkassen, Bernfsgenostenschaften und Jnvaliden- kassen re.) zu einer gemeinsame» Versicherungsanstalt vereinst werden. Es wird dadurch das Verfahren, da es sich vielfach uni dieselben Personen bandelt, erleichtert und der Streit zwischen den einzelnen Organisationen bezüglich der Unterstützunaspslicht Hort auf Ebenso muß an eine Erweiterung der Versicherungsvsticht gedacht werden. Bei der Zusammenlegung muß eine Erhöhung de» Krankengeldes und der Unfall- und Jnvaliden-Rente ein- treten, ferner muß die Krankenversicherung auf die Familien angehörigen ausgedehnt werden. Auch die Witwen- nnd Waisen versorgung müsse eingeführt werden. Redner kam zum Schluß darauf zu sprechen, daß in den Krankenkassen keine Politik ge trieben werde. Die Bureankratic glaubt, die Verwaltung nur allein ausführen zu können und traut dies den Arbeitgebern und Arbeitnehmern nicht zu. An Stelle des erkrankten Vertreters Biehem-Markneukirchen referierte Stör-Schöncck über die Einfüh rung der Krankenversicherungsvslicht der Haus gewerbetreibenden. Vorsitzender Fräßdorf führte aus, daß der Versicherung der Heimarbeiter im Prinzip zuznstiinmen sei, leider sei dies aber, so lange keine Zusammenlegung aller Kassen erfolgt sei, nicht gut möglich, da die Heimarbeiter ein zu großes Risiko für die Krankenkassen bringen. Er stellt darauf den Antrag, die Bedürftigkeit der Hausgewerbetreibenden auf Einbeziehung m die Krankenversicherung ini Prinzip anzuerkennen, die Durchführ barkeit dieser Maßregel aber zu verneinen, so lange nicht für diese Versicherung ein breiterer Untergrund durch Zentralisation der Krankenkassen geschaffen ist. Der Vertreter Kleeeis-Wurzen wollte diesen Antrag abgelehnt wissen, da er jedes soziale Empfinden vermissen lasse. Redner betont: Wir dürfen den Fortschritt nicht abhängig machen von größeren Reformen, sonst können wir lange warten. Mit demselben Recht, wie die Ablehnung der Versiche rungspflicht der Hausgewerbetreibenden könnte nian auch die der Dienstboten ablehnen. Für die angestrebte Versicherung der Heimarbeiter müsse eingetreten und deshalb der gestellte Antrag abgelehnt werden. Vorsitzender Fräßdorf wies wiederholt daraus hin, daß der Fortbestand der Krankenkassen unter den jetzigen Ver hältnissen durch Einbeziehung der Heimarbeiter schwer gefährdet werde; man könne nicht für 10 Prozent einen Nutzen erringen, wenn die anderen 90 Prozent wesentlich geschädigt werden. Der Antrag wurde darauf gegen 4 Stimmen angenommen. Rülke - Schneeberg berichtete über den direkte» Bezug von Verbandsstoffen seitens der Kranken kasten. Durch die neue Arzneitaxc seien die Ausgaben in den Krankenkassen vermehrt worden und es sei deshalb Pflicht, Mittel und Wege zu finden, um der Ausbeutung durch die Apotheken entgegcnzutretcn. Bandagist Holzhausen warnte vor den Massenartikeln, da in solchen Dingen Vorsicht not wendig sei. Nachdem noch Püschel-Burgstädt und Thiele-Made- beul für den direkten Bezug gesprochen, wandten sich die Ver treter Lange-Falkenstein, Rmgei-Mcerane und Starke-Dresden gegen diese Maßnahme und betonten besonders, daß es Pflicht >edes Kassenvorstandes sei, für das heimische Gewerbe zu sorgen und den Bezug am Orte auszuführen. Auch Vertreter Harz- Reichenbach unterstützte diese Meinung. Vorsitzender Fräßdorf sagte ebenfalls, daß die Kassenvorstände Rücksicht auf die Ge werbetreibenden am Orte zu nehmen hätten und daß die Ver waltung der Dresdner Ortskrankenkaste darauf hatte, alles, was zu annchmbaren Preisen zu kaufen sei, am Orte zu kaufen; wenn man jedoch für den Gegenstand 100 Prozent mehr bezahlen müsse, dann ist «S wiederum Pflicht, das zu tun, was im Interesse der Kasse getan werden muß und durch direkten Bezug Erspar nisse zu machen. Redner empfahl aber den Bezug von Ban dagen in Masten nicht, da oft komplizierte Brüche vorkämen, wo es nur Sache eines geschickten Bandagisten oder Arztes sein Wime, dos Band anzumessen. Vorsitzender Fräßdorf dankte darauf für den zahlreichen Besuch, insbesondere auck für das von den Behörden gezeigte Interesse lStadtrat Niedner war bis znm Schlüsse der Versammlung anwesend), sowie den Meißner Kollegen für die Gastfreundschaft und ermahnte nochmals zum festen Zusammenhalt und einheitlichen Vorgehen in allen die Gesamtheit betreffenden Fragen, worauf die Versammlung ge- schlossen wurde. — In Nummer 173 unseres Blattes war ein Artikel^über die letzten Verhandlungen des Deutschen Vereins für Schul- gefunÄheitSpflege in Stuttgart aus der „Post" veröffentlicht worden. Um gewisse, in diesem Artikel zum Ausdruck gebrach ten Anschauungen über die Tätigkeit dieses Vereins, insbesondere über die „schulärztliche Ueberw a chun g" zu beleuch ten und teilweise zu berichtigen, sendet uns Herr Bürgerichul- lchrer Herm. Graupner. der Vorsitzende der Abteilung für Schulgesundheitspfleae des Dresdner Lehrcrvcreins, folgend« Z u- schrift: „1. Mitglied des Deutschen Vereins für Schulgesund beltspflege kann jeder werden, der 3 Mk. Jahresbeitrag an B. G. Teulbner-Leipzia sendet. Dafür erhält er alle Mrt- gliederrechte, u. a. auch die Vercinszeitschrist „Gesunde Jugend" unentgeltlich. Also alle Väter und Mutter sind herzlich will kommen! Aus dem 1. Internationalen Kongreß in Nürnberg winden die Reden verschiedener Mütter mit großem Beifall aus genommen. 2. Die schulärztlichen Untersuchungen sind für dl« Schüler allenthalben freiwillig. Die Fragebogen können auch von den Hausärzten ausgefüllt werden. Die Praxis aber zeigt, daß die Eltern von diesem Reckte überall hockst selten Ge brauch machen, nachdem sie gesehen haben, ivelch außerordent liches Taktgefühl, daS der Artikelschreiber in der „Post' ,a fordert, die untersuchenden Schulärzte an den Tag legen. Andererseits bat die Schule die Pflicht und somit auch das Recht, sich völlige Aufklärung über die körperliche und seelische Individualität des Schülers zu verschaffen, dessen Ausbildung von ihr verlangt wird. Die Schul? muß wissen, an welche Schüler sie unbedenklich mit ihren vollen Anforderungen heran treten darf und bei welchen Schillern evenntell Sonder-Maß- rogeln zu ergreifen find. So sind z. B. zwei Knaben grenzenlos zerstreut, der ein«, weil ihm die Arbeit keine Lustgefühle er zeugt, der andere, weil er infolge von Nasenrachenwucherungen seine Aufmerksamkeit nicht konzentrieren kann. Solche In der Natur würden beide Fälle denselben Erfolg eide u ' " fänden! haben, beide unaufmerksamen Individuen würden vielleicht zu gründe gehen, di« Pädagogik aber ist eine Kunst, sie sucht ihren Stolz darm, den Zögling noch dem heutigen Stande der Wissen schaft in seiner Individualität zu fassen und diese emporzubudcn dem «inen Ziele zu, der Vollkommenheit. Wie oft erweisen sich Kinder mit runden, blühenden Gesichtern bei der Untersuchung «ls körperlich schwächlich und umgekehrt! Der Lehrer ist dann bei fehlerer Unter»! chung in größt«, ««fahr, den häufig unterbrochenen BorstellunaSoerlaZ, die Geinütsdrpressionen und die daraus resultierend« WillenSlckiväche — ganz alltägliche Er- scheinungen im Seelenleben der Blutarmen — diesen Unglück lichen auf» ethische Konto zu setzen. Dadurch kann ein« nicht wieder auszutilgende Verbitterung beim Zögling geschaffen wer- den. Oder wie vorsichtig wird der Pädagog sein, einem an- scheineiü» ganz gesunden Schüler gegenüber, bei dem aber der Schularzt «inen bisher unbemerkt gebliebenen Herzfehler ent deckt hat, wenn «r weiß, daß sich gerade bei diesen Schülern häufig veitStanzähnliche Nervenzustände einftellen? Diese sind aewöhnlich leicht zu beseitigen, wem» bei den ersten Anzeichen sofort auf kurze Zeit Nerpenruhe eintritt. Sie können sich aber Zustände und deren seelische Aeußerungen zu erlangen, ist das engste Zusammenwirken von Arzt und Lchrer notwendig. Beide werden aber ihr herrliches Ziel nicht erreichen, lvenn nM auch das Elternhaus in dieser Hinsicht sein Drittel der Pflichten über- nimmt. Dieses ist doch eigentlich am meisten dabei interessiert; darum schließe ich mich auch dem „dringenden Wunsche" des Artikels aus der ,,Post" an. daß sich die Öffentlichkeit recht viel mit der Schulhygiene befasse." — In den, gestrigen Bericht über die Hauptversammlung des Luthervereiiis zur Erhaltung der deutschen evangelischen Schulen in Oesterreich vom 26. d. M. hat sich insofern ein Irrtum eingcschlichen, als sich in lener Versammlung nicht bloß ein provisori scher, sondern ein für drei Jahre definitiv gewählter Haupt- vorstand gebildet hat, der aber in Zukunft zur Erleichterung der Geschäfte noch erweitert werden soll. Diese Erweiterung kann jedoch erst erfolge», wenn ein Antrag auf Statutenänderung ge stellt und — wie voransznsehen — angenommen sein wird. — Dem Landesverein zur Unterstützung verwaister und unversorgter Predigerstöchter, der von einem Frl. Thieme m Oberlößnitz, der Tochter eines preußischen Superintendenten, zum Universalerben ernannt worden war, sind aus dieser Erbschaft nach Abzug verschiedener Vermächtnisse 14000 Mk. zngeffossen. — Die für morgen vormittag 11 Uhr anberaumtc Kreis- ausschußsl bring findet nicht statt. — Die NeustadterGruppe des Evangelischen Arbeitervereins veranstaltete am Sonntag im Lincke- schen Bad ein Sommerfest, das sehr zahlreich besucht war. Unter den Ehrengästen gewahrte man die Herren Pastor Kühn. Stadt- verordne«-» Max Haupt, sowie den Ehrenvorsitzenden des Vcr- eins, Herrn Oberlehrer Stöhrel. Die Kapelle des Schützen- regiments unter Direktion des Herrn A. Helbig bot ein vor zügliches Programm. Zum Besten der Unrerstützungskasse des Vereins fand eine Gabenlotterie statt. Tie Spielabteilung des Turnvereins sür Neu- und Antonstadt bot turnerische Vorfüh- rungen abends bei bengalischer Beleuchtung — Der Allgemeine Turnverein zu Dresden laegr. 1844) bietet auch in diesem Ja'bre jungen Leuten, die zum Militär ausqehoben sind und sich sür den Militärdienst vor bereiten wollen, Gelegenheit, sog. Rekrutenriegen bcizutrcten. Die Uebungen beginnen am 5. bezw. 6. Juli und finden Mittwochs und Sonnabends abends von 8 bis 10 Uhr statt in der Vereinsturnhalle an der Permoserstraße. Montaas und Donnerstags in der Schulturnhalle Sedanstraße 19. Anmel- düngen werden daselbst entgegengenommen. — Für die Bewohner der Vorstädte Neu-Gruna und Seidnitz bietet sich morgen Gelegenheit, in dem städtischen Hebestellengrundstück, Tolkewitzer Straße 16. die am 30. d, M. fällig werdende Landrente und Landeskultiirrente, sowie alle übrigen Steuern zu den üblichen Kasscnstnnden, vormittags 9 bis 1 und nachmittags >/,4 bis 5 Uhr abzuführen. - Ein schweres Unglück ans der Straßenbahn ereignete sich, wie bereits telegraphisch kurz gemeldet wurde, am Dienstag abend in der 10. Stunde in P l a » e n i. V. Infolge Versagens der Bremse fuhr ein zahlreich besetzter Wagen der elektrischen Straßenbahn die steile Bahnhosstraße hinab, entgleiste am „Tunnel", zerstörte einen Teil des Sydowschen Ladens und schlug dann an der Treppe am Eingang zur Schustergasse um. 16 Personen sind verletzt, drei davon schwer, eine t o t. Der „Vogtl. An-." berichtet über den Unfall des näheren: „Bei dem Straßenbahnwagen Nr. 11 zeigte sich, als er vom Bahnhof abwärts fuhr, daß die Bremsen versagten, und der Bahnschlosser Schröter wurde deshalb beauftragt, den Wagen nach dem Depot zurückzubringen. Nachdem die eine Bremse ans dem Albertplatz vorläufig von dem Schlosser mit Hilfe eines Strickes befestigt worden war, versuchte der Wagenführer wciter- zufahren. Bald hüllte sich dabei der Wagen in Rauch. Auf den warnenden Zuruf von einem Führer eines vorüberfahrenden elektrischen Wagens meinte der Schlosser: „Wir nehmen die elektrische Bremse da kommen wir schon rein." An der Halte stelle in der Nähe des Elaußschen Delikatessengeschäfts gelang es dem Führer noch, den Wagen zum Halten zu bringen. Dort stiegen noch einige Personen zu, sodaß insgesamt etwa 15 Per sonen sich in dem Wagen befanden. Als der Wagenführer weitcrfuhr, hüllte sich der Wagen wiederum plötzlich in dichten Rauch und sauste nun, da die Bremsen versagten, die steil ab fallende Bahnhofstraße in wuchtiger, sich immer schneller gestal tender Fahrt abwärts. „Wie der Blitz sauste der Wagen vorüber," so erzählen die Leute, an denen er vorbeifuhr. Glück licherweise war das Gleis frei. An der steilsten Stelle der Bahnbofstraße, wo der Fall 1 : 12.89 beträgt, sprangen eine An zahl Personen vom Wagen: sie haben fast sämtlich Verletzungen Vavongetragen. An der Kurve beim Tunnel sprang der Wagen aus dem Gleis, fuhr etwa 30 Meter über das Straßenpflastcr, riß am Tunnel einen Teil des Sydowschen Ladens, sowie die ganze linke untere Ecke des Tunnel-Vorbaues fort und schlug am Eingang der Treppe zum Schustergäßchen mit donnerndem Krach um. In viele tausend Teile wurde der Wagen zertrüm mert. Alle Insassen wurden verletzt, besonders erheblich der Wagenführer und der Schlosser, die auf dem Vordcr-Austritt standen. Leider wurde auch ein Arbeiter, der vor der Treppe zum Schustergäßchen stand, überfahren und schwer verletzt. Die im Innern des Wagens befindlichen Personen trugen gleich falls erhebliche Verletzungen davon, am besten kamen noch einige junge Leute davon, die auf dem Hinteren Austritt standen und lediglich bei der Zersplitterung des Wagens Abschürfungen usw. erlitten. Hilfe war sofort zur Stelle. Die schwer Verwundeten wurden in na'hegelegene Gebäude oder zu nahcwohnenden Aerzten und dann ins Krankenhaus gebracht, den leichter Verletzten wurde auf dem Platze selbst von einigen Aerzten nnd Saniiätspersonen Beistand geleistet. Da man fürchtete, daß sich noch Personen unter den Wagentrümmcrn befanden, wurde das Wagengestell in die Höhe gewuchtet und der Trümmerhaufen genau durchsucht. Glücklicherweise erwies sich die Befürchtung als nicht gerecht fertigt. Kurz nach seiner Einlieserung ins Krankenhaus starb leider der Stratzenbahnschlosser Schröter." — Von einer Anzahl Bauunternehmer in Zwickau hatte der Dezernent der dortigen Baupolizei, Bürgermeister Ni ü n ch, in einem Rundschreiben nochmalige Zahlung der im vorigen Jahre vom Aktuar Lorenz unterschlagenen Baugcnchmi- guiigsgeldcr verlangt. Eine auf vorgestern einbernsene Versammlung der Interessenten beschloß einstimmig, den Bürgermeister Münch regreßpflichtig zu machen. Bezüglich oer formellen Abfassung des Rundschreibens behielt sich die Versammlung vor, gegen Münch Strafantrag wegen Beleidigung ru stellen. Die Beleidigung wird erblickt in dem Vorwurf der „Gntinütigleit, Bequemlichkeit und Unselbständigkeit". Es soll ferner festgestellt werden, ob Münch auf Grund eines Ratsbeschlustes oder selbständig vorgegangen ist. Eine fünfgliedrige Kommission soll die Schritte tun. weiteren erforderlichen Marokko. Noch ehe die deutsche Antwortnote in Paris überreicht worden ist, hat der französrsche Mini st er rat .wie der Pariser Korrespondent der „Franks. Ztg." meldet, den Minister- Präsidenten und Minister deS Aeußern ermächtigl, die vom Sultan vorgeschlagene Konferenzanzunehmen. Gleich zeitig ist dem genannten Blatte von seinem Berliner Korrespon denten der Inhalt der deutschenAntwortnote über mittelt worden. Man darf annehmen, daß auch die französische Regierung Kenntnis vom Inhalt der Note erhielt, bevor diese überreicht wurde, so daß sie sofort Stellung nehmen konnte. WaS die Note selbst betrifft, so anerkennt sie, daß Frankreich auf Grund seiner algerischen Grenznackbarschast gewisse Vorrechte in Anspruch nehmen könne, ober sie gibt nicht zu, daß diese Rechte sich auf ganz Marokko erstrecken. Eine solche Sonder- stelluna Frankreichs widerspreche den Abmachungen der Madrider Konferenz von 1880 und könne Frankreich nur von den Mächte», die jene Konferenz bildeten, -»gesprochen werden. So ergebe sich also von selbst die Notwendigkeit einer Konferenz. Auch die vorherige Vereinbarung eines Programms zwischen Deutschland und Frankreich hält die Note für unzulässig, da dies der Entscheidung der Mächte vorgreifc; die Ausstellung eines solchen Programms sei vielmehr Sache des Sultans als des- »eiligen, der zur Konserenz eingeladen habe. Hier scheint nun ein Widerspruch vorzulicgen, da einerseits die Note es ablehnt, vor der Konferenz mit Frankreich Vereinbarungen zu treffen, wäh- rend andererseits die Pariser Meldung der „Franks. Zta." be sagt, die französische Negierung werde, nachdem sie die Einladung zur Konferenz angenommen habe, auf dieser Grundlage fort- fahren, sich mit Deutschland über die Aufgaben dieser Konserenz zu verständigen. Vielleicht löst sich der Widerspruch in der Weise, die der „Petit Parisien" über die Konserenz, ihre Auf gabe und ihre Vorbereitungen angedeutet hat. Darnach würden -wischen Deutschland und Frankreich allerdings keine bestimmten Abmachungen vor der Konferenz getrosfen werden, wohl aber könnten sich beide Mächte in freier Weise, ohne geschriebenen Pakt, über einzelne Vorschläge verständigen, die sie der Kon ferenz unterbreiten wollen. So haben es beide Mächte bekannt lich auch vor und während der Madrider Konserenz gehalten: ihre beiden Vertreter waren angewiesen worden, mit einander Hand in Hand zu gehen. Der „Petit Parisien" hat recht, wenn er meint, eine solche Verständigung tue der Würde der Kon ferenz keinen Eintrag, trage aber -um Erfolge der Konserenz wesentlich bei Ta das genannte Blatt in engen Verbindungen mit den Regicrungskreisen steht, so darf man annehmen, daß seine Anregung die Stellung der Regierung kennzeichnet. Hoffentlich verhält sich die deutsche Regierung dazu nicht ab lehnend. Daß die französische Regierung die Konferenz ange nommen hat, noch che ihr die deutsche Note amtlich überreicht wurde, ist sehr erfreulich und besonders dankenswert. Sie hat dadurch gezeigt, daß es ihr darum zu tun ist, rasch zu arbeiten, um so jeder weiteren Beunruhigung vorzubeugen. Ta nunmehr die vielumstrittene Konferenz gesichert ist, darf man hoffen, dast auch der weitere Verlauf des Marokko-Prozesses sich ohne ernste Störungen vollziehen werde. Zur marokkanischen Frage ergreift jetzt auch der Erz- bischosvon Rouen, Msgr. Fnzet, das Wort, uird zwar in seinem amtlichen „Bulletin de Rouen". Natürlich kann er als Kirchensürst nicht umhin, bei dieser Gelegenheit die angebliche Verfolgung der Religion in Frankreich zu beklagen und zu be haupten, daß sie Frankreich verhindere, seine Rolle in der Welt zu spielen. Dann geht der Erzbischof auf die Betrachtung der Weltlage über und läßt sich dahin vernehmen, daß der Konflikt zwischen den drei großen Weltgruppen, den ostasiatischen, den angelsächsischen nnd den europäischen Kontinentalnationen, unan fechtbar geworden sei; hierauf fährt er fort: „Ich glaube nicht, daß das Ereignis von Tanger (der Besuch des Kaisers), das unsere politische Welt in eine nur zu berechtigte Aufregung oer- setzt bat, nur ein Zweck ist: nein, es ist auch ein Mittel. Deutsch land sucht uns in seine Pläne hineinzuziehen. Es hat die Folgen des Triumphes Ostasiens und des angelsächsischen Ehrgeizes erkannt. Es möchte ihnen eine Liga entgegenstellen, die mit Oesterreich und Italien auck Rußland und Frankreich umfassen könnte. Wenn man nur die „Fatalitäten" der politischen Lage ins Auge saßt, so scheint es fast unzweifelhaft, daß das Inter esse Frankreichs erfordert, seinem Verbündeten Rußland in diese Liga Zcntraleurovaszu folgen. Wenn Frank- reich das tue, so wird es das mit Würde tun, wie es vor einigen Jahren seine Armeen zu den deutschen und russischen in Ostasten stoßen ließ." Von einem französischen Erzbischof gewiß eine de- merkenswerte Kundgebung. — General de Gallifet gibt gleichfalls in der gewohnten originellen Kurze seine Meinung zu der Tagesfraae zu erkennen, und zwar eine sehr beruhigende Meinung. Er läßt nämlich einem Mitarbeiter des „Gaulois" felgende Zeilen zugehen: „Ich beharre dabei, nicht an den Krieg zu glauben. Man müßte denn so verblendet sein, wie es der Herzog von Grmmnont war. Nicht mehr als wir wünscht Deutsch land den -krieg. Aber das ist nicht der Augenblick, das zu unterdrücken, was zur Sammlung und zum Angriffe ruft. (An spielung auf den Plan, die Trommler abzuschasfen. A. d. Red.) Wie unvorsichtig! Nur England wünschte den Krieg zu seinem Nutzen und ans unsere Kosten. Schlagen Sic in Ihrer Zeitung den Wirbel zur Vernunft und zur Ruhe. Ergebenst General Gallifet." Den von der Konferenz auszuschaltenden Punkten widmete, dem Regierungsblatts „Soir" zufolge, Rouvier bei seiner letzten Besprechung in i t R a d o l i n , die über eine Stunde dauerte, große Aufmerksamkeit. Einige Sätze der Bülowschen Antwort boten hierzu direkte Veranlassung. Rouvier werde, sagt „Soir", in den allernächsten Tagen eine neueNotc nach Berlin gelangen lassen, worin Frankreich seine erworbenen Rechte zur Vermeidung künftiger Mißverständnisse zu fixieren willens ist. Bezüglich der Errichtung eines internationalen Kontrollorgans für die Reform der marokkanischen Armee und der Finanzen zeigte Rouvier auch jetzt noch keinerlei Begeiste- rung. Dieser Punkt stand aber keineswegs im Vordergründe des einen durchaus angenehmen Charakter tragenden, sich in allgemeinen Linien bewegenden Gespräches, so daß „Soir" an- zukündigen in der Lage ist: „Voraussichtlich wird die Zeit bis zum Zusammentritt der Konferenz benutzt werden, um eine allgemeine deutsch.französische Verständi gung anzubahnen." Oll ioier, Eonscilchef von 1870, äußerte sich wie folgt zur Tagesfraae: Wir hatten schwer unrecht, unsere auswärtige Politik mit Marokko, diesem Seitenstiick von Mexiko unseligen Andenkens zu belasten. Diesen Mißgriff in einem lato-L-tste mit Deutschland einzugestchen, wäre der größere Fehler; aber vor der Konferenz können wir von unseren allzu kühnen Plänen zurückziehen was wir wollen, ohne uns zu demütigen. Darum erscheint die Konferenz vom französischen Standpunkte als einzig richtiger Ausweg. Prinz Franz Ludwig von Urenberg, einer der Führer des Zentrums im Deutschen Reichstag und im Landtag, der dem Reichskanzler Fürsten Bülow persönlich sehr nahe steht, hat, einem Berichterstatter der „N. Fr. Pr." zufolge, seine Mei- nung über den gegenwärtigen Stand der Marokko-Frage ge- äußert. Prinz Arcnbcrg betonte mit allem Nachdruck, er sehe keinerlei Anlaß zur Beunruhigung und zu der jetzt herrschenden Nervosität wegen der Marokko-Angelegenheit. Der Prinz ist entschieden der Ansicht, daß Frankreich die Adarokko-Konferenz schließlich beschicken werde. Deutschland verlangt nichts weiter, als seine Interessen in Marokko in derselben Weise wie bisher wahren zu können. Ter Prinz wies darauf hin, daß er erst vor kurzem von einer Reise zurückgekehrt sei und seine Ansichten in der parlamentslosen Zeit vornehmlich auf das Studium der in- und ausländischen Zeitungen stütze, das er allerdings sehr eifrig betreibe. Unter anderem erzählte er, als von der letzt in den Hauptstädten immer mehr überhandnehmenden Beun ruhigung die Rede war, er sei dieser Tage bei dem mit ihm be- sreundelcn Reichskanzler in gemütlichem Kreise zu Gaste gewesen, und Fürst Bülow habe auch nicht eine Spur von Nervosität gezeigt. Man habe von allem möglichen ge sprochen, aber säst gar nicht von Politik und kein Wort von Marokko. Fürst Büiow, der überhaupt Nerven aus Stahl habe, stehe auch dieser Angelegenheit mit Seelenriche gegenüber. In der „N. Fr. Pr." entwickelt ein Pariser Mitarbeiter die Genesis der Kriegssurcht in Paris und schreibt: ,Gs wird jetzt bekannt, daß D e l ca s s ö ein D ef e n s i v - u n d O f f e n - sivbündnismitEngland abschließen wollte. J-m letzten Ministerrat hat er dieses bereits mit dem englischen Minister des Aeußern, Lord Lansdowne, vereinbarte Uebcrcinkommen der, Kollegen, welche unter Vorsitz Loubets versammelt waren, vor- gelegt. Er unterstützte de» Vertragsentwurf durch ein Exposs seiner Politik und durch Verlesung von Dokumenten, unter welchen sich ein Bericht des Botschafters Barrtzre in Rom befand. Dverdne* Nachrichten. 1T8. Seite L. Donnerstag. SV. J««i LVVS
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