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01-Frühausgabe Dresdner Nachrichten : 05.08.1903
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1903-08-05
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id501434038-19030805010
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id501434038-1903080501
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-501434038-1903080501
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Nachrichten
-
Jahr
1903
-
Monat
1903-08
- Tag 1903-08-05
-
Monat
1903-08
-
Jahr
1903
- Titel
- 01-Frühausgabe Dresdner Nachrichten : 05.08.1903
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Der va» »Kd io dm »Lchsten Ta^n i», 1. OktÄer soll im Seidelsrhen Besitztum in Laube-' aast eine mit Pensionat verbundene Privatschul« mit vöyere» Lebr-iele» in» Leben gerufen werden. Ausge dehnte Spielplätze für die Gchüler sind gleichfalls erworben worden. — Nossen. « August. Ein hier bei seinen Eltem wob nender junger Kontorist verübte Selbstmord durch Erschießen mit einem Revolver — Oschatz, 3. August. Gefesselt wurde heute nachmittag durch den DistriktSgendarm in Dohlen der IS Jahre alte Arbeiter Joppok aus Zabrze an der deulsck»-russischen Grenze, der wegen nichrerrr Sittlichkeitsdelikte steckbrieflich gesucht wird, an das hie siae Amtsgerichtsgefängnis eingelicscrt. Der Bursche hatte am Sonulaa gegen abend zwischen Dahlen und Großböbla ein 20jähr> ges Mädchen aus erslerem Orte, das in Großböhia bedienstet i mrd die Eltern besucht hatte, zunächst angefallen und die Heraus gäbe des Geldes gefordert, sich dann aber auch noch in unsittlicher Weise an demselben zu vergreisen versucht. Das Mädchen wehrte sich verzweifelt und seine Hilferufe lockten einen in der Nahe aroeitenden Mann herbei, woraus der Attentäter entfloh. Nach- dem derselbe in einer Kvrnpuppe übernachtet hatte, wurde er von dem ihn verfolgenden Gendarmen scsigeuomme». — I» de» Teppich- und VelvirrSsabriken in Würze haben vorgestern früh etwa 60 Arbeiterinnen die Arbeit ein gestellt. — Leipzig. 4. August. Wegen umfangreicher Annahme von imverslenerlcii Welten für ausländische Pserdewettrennen wurden ein üliähriger, früherer Bäckermeister Z. auS Kitscher und zwei .32 Jahre alte Zigarrenliündler B. und St. aus Stöttens; bezw Eilenburg in Hast gcno ui ni c ». — I» Taucha beschloß der Stadtgemeindernt, säiiitlichen städtische» Anacslellten de» Erwerb von iLpekulaliviisgrundstücken für die Zukunft zu unteriagen — Ei» schwerer ll» glückSsall ereignete sich in Eoldi . aus dem vor wenig Tagen durch Brand zerstörte» JuughanSicheu Gebäudekomplex, wo einige Feuerwehrleute sich mit de» Ab räumungsarbeiten beschäftigten. Beim "Niederlegen einer Wand und der Esse hatte der Feuerwehrmann Wolke, trotz mehrsacher Aufforderung des Führers, den Brandherd nicht verlassen: Wolle wnide verschüttet und später nuter dem Schritte als Leich zu Tage gefördert. Der Tob schien infolge Erwürgens durch den Helmgurt herbeigcsührt worden z» sein. Ter Bcnrnglückte hinter säht eine Frau und fünf kleine Kinder. — Ein beklagenswerter ll n g l ü cks k a l l ereignete sich am Montag ans dem Exerzierplätze des Jägerbataillons in Frei berg. Gelegentlich einer Hebung der bei dem Bataillon einer Iltägigen Hebung eingezogcrieii Londwehrlente siel auf eine Entfernung von etwa «lM Meter ei» scharfer Schuh. Die Kugel ilreilte »»glückiicherweisc den Arm eines LandwehrnionncS und brachte demielben eine singe,tiefe Fleischwnnde bei Wäre dieselbe etwas tiefer eingedrungen, so wäre dem Bedauernswerte» der Arm durchschlagen «vorder,. Tie Hebung wrrrde sofort abaebrvchcn und eine strenge Durchsicht der Patroneiriascheii und Gcrvelire vor genommen. Wie verlautet, soll auch bereits eine Verhaftung er folgt sei». Der Landwehrniann fand Aiifriahine in, hiesigen Garirisonlazarclt. — Bei dem Gewitter am Sonntag abend hat Berthe! Sdorf bei Neustadt eine Windhose viel Schaden angerichlet. In der Nähe des Rittergutes rvurde eine Smeune vom Erdboden woggefeat, Dächer und Schornsteine beschädigt eine mächtige Linde nebst einer Anzahl anderer Bäume um geknickt. Telegraphen- und Telephoiistaiigcn wurden über den Hausen geworfen, forme Haustüren und Fenster eingedrückt Wagciwerkehr war auf einige ^Zeit durch umgestürzte Bäum und Teleplumstanqcn auf der cslraßc gesperrt. — In Grnm back bei Glauchau schlug der Blitz in das Stallgebäude des Gutsbesitzers Sonntag und tötete sechs Kühe. Acht Stück standen i» einer Reihe neben einander, doch sind merkwürdiger weile die Kühe im zweiten und sünstcn Stande unversehrt "ge bliebe». — I» Reinholdshain schlug der Blitz »r daS Gotteshaus, jedoch ohne zu zünden. 'Dagegen wurde ein Stück Mcrucrwerk mit sortgerisjen. — Oberlandesgcricht. In der Zeitschrift für die Mühlenindiislne „Die Mühle" hatte der Redakteur Krunis x'elpzig-Rcudiritz einen Artikel veröffentlicht, der de» Chemiker Dr. Scllnick in Leipzig veranlagte, der Redaktion eine Berich tigung zuzuschicken. Da dem Redakteur das Begleitschreiben in eurem unpassenden Tone gehalten erschien, verweigerte er die Auf nahme der Berichtigung und schrieb dem Einreudcr derselben zurück: „Briefe in solcher Tonart mögen Sic an Ihre Unter gebenen nchlcn, wir verbieten uns das." Durch diese Bemerkung nihlte sich Dr. Seil nick beleidigt und erhob deshalb gegen den Redakteur Privatklage. Während das Schöffengericht zu einem frei sh rechenden Erkenntnis gelangte, verurteilte die zweite Instanz aus die Berufung des Prrvatklägers K. zu einer entsprechenden Geldstrafe Das Landgericht war der Ansicht, das; der Beklagt wohl in Wahrnehmung berechtigter Interessen gehandelt, nebenbei aber zweifelsohne die Absicht der Beleidigung gehabt habe, denn >r habe dem Prwalkläger ein mangelndes Taktgefühl vsrgeworfen tzkriuns legte nunmehr Revision ein, in der er Verletzung deS § 185 und Nichlaiiioendung des tz 193 des Strafgesetzbuches rügt und behauptet, er habe in dem inkriminierlen Schreibe,, nur d,e Gründe flir die Verweigerung der Ausnahme der Berichtigung darlege» wollen. Der Strafsenat verwarf indessen die Revision als iiitbcgrüiidet. — Landgericht. Von arger Rot getrieben, entwendete die Näherin und Scheuerfrau Anna Marie Lehmann aus Riesa «ner dortigen Dclikatessenhändlerin mehrere Pfund Speck und iinige Büchse» Konserven. 'Der Gerichtshof läßt, so weit als angängig, Mildewalte» und erkennt auf 4 Monate Gefängnis „Ich befinde mich im Zuchthause ganz wohl: sehe dort leine Frauenzimmer und mache auch keine Dummheiten. Geben Sie mir eine lange Zuchthausstrafe!" erklärt der etwa tzöiäbrige Handarbeiter Ernst Julius Heinrich Lcinert a»S Dresden, welcher ,inen großen Teil seiner Lebenszeit schon inWaldheim verbracht hat und wiederum unter Anklage wegen versuchten schweren Dieb stahls steht. Der Angeklagte gab sich Mühe, in der Nacht zum 30 Juni einen im Linckeschen Bade ausgestellten Warenautomaten zu erbrechen, wurde aber vo» einem herbeikommendcu Gendarmen versclMcht. Im Znchthause zu Waldheim, wohin man ihn Wege» anderer Straftaten brachte, gestand er den versuchte» schweren Diebstahl srcillig ein, um recht lange dort behalten zu werde». Die 5. FeriensGaskammer erkennt auf eine Zusatz, strafe von 6 Monaten Zuchthaus und 5 Jahren Ehrverlust. - Der mehrfach vorbestrafte Kaufmann und Reisende Arno Bruno John ans Chemnitz schädigte eine badische Firma durch Aust nähme eines 'Darlehens von 50 Mark und legte zur Erlangung eines ProvisionSbetragcs von -ch50 Mark seinem Ehcs einen gefälschten Auftrag vor. Urteil: 1 Jahr 4 Monate Gefängnis und 3 Jahre Ehrverlust. — Der Prvvisionsreiscndc Emil Christian Friedlich Eskildson aus Flensburg unternahm mit einem be rciis abgeurteilten Genossen eine Droschkcnfahrt nach Königs brück, wofür der Droschkenkutscher 30 Mark zu fordern hatte. Um sich um die Bezahlung herumzudrücken, schwindelten die Fahr gäste dem Kutscher vor, in Kvnigsbrück eine» größeren Geld betrag erheben zu wollen. Heimlich sind dann die beiden Touristen ohne Bezahlung verduftet. E. rvird für den Schwindel mit 4 Monaten -Gefängnis bestraft. — Von den in einem Trachauer Gastlnuste aiiwesenden Gästen rvurde der 20jährige Arbeiter Gustav Adolf Findeise» aus Kaditz irrtümlich als der Sohn eines Nadebeuler Großindustriellen angesehen. Diese Verwechslung machte sich der vorbestrafte F. auch sofort zunutze, indem er, nach Wahnsdort wandernd, i» einem dortigen Gasthose eine Zeche von 10 Mark schuldig blieb, in einer benachbarten Weinstube sich als Besitzer eines Vermögens von 40000 Mark aufspielte und ohne «ich mir eine Mark in der Tasche zu haben, über 50 Mark rn Wein draufgehen ließ. Der Angeklagte hat diese raffiniert angelegten Schwindeleien mit 6 Monaten Gefängnis und 3 Jahren Ehrverlust zu büßen. — Die empfindlich vor- bestrafte Schneiderin Rosa Gertrud Härtig erbrach de» Reisc- koffer einer Wobnungsgenossin und stabl daraus eine Barschaft von 10 Mark. Die Diebin wird zu 5 Monaten Gefängnis ver urteilt Deutsche Zlääleausstellung ru Dresäen -——- Tätlich von 9 bi» 7 Uhr geöffnet ——— rage«g»schtchtv. Deutsches Reich. Reichskanzler Graf Bülow wird Ende September oder Anfang Oktober zu einem längeren Besuch bei seinem Neffen, dem Wirrl. Geb. Legationsrat Dr. Rücker-Jehnisch ans dem Kanzleigut Klein-Flottbcck eintressen. Ter Aufenthalt ist auf etwa 14 Tage berechnet. Der Witwe des Aba. Richard Rös > cke hat der Reichskanzler nach der „Nationalztg. ein Beileidsschreiben gesandt, worin er ous die hohe Achtung hinweist, die in der Ocstcntlichkelt ohne nnterschied der Pnrteistellung den menschlichen Tunende» und aus gezeichneten Eigenschaften des Verstorbenen gezollt werden. Bei der Jubiläumsfeier der hannoverschen Maschinenbau- Aktiengesellschaft vorm. Georg Egestorfs in Lrnden tes liandelle sich um die Fertigstellung der 4000. Lokomotive) hielt der preu ßische Handelsmiriister Möller eine Rede, rn welcher er zunächst leirrcr Freude über die Fortschritte der Ge'ellschnst Ausdruck gab und dann sortfnlu: Der Herr Vorredner hat bnrnut hingewiesen. daß trn Jahre 1816 die erste Lokomotive aus dieser Wcrkffättc hervoraegange» ist. Auch »reine erste» Erinnerungen an Efleii- dahnsahrten knürfle» an das Jahr 1816 an, als rckr als kleiner Knahe vo» .Hannover »ach Celle die erste Cilciiliohusahrt in meiner» Lehen gemacht habe. Wenn ich aber die Lokomotiven von damals vergleiche mit dem, was heilte vor uns fleht, so sehen wir in der Entwicklung der Lokomotive», in ihren Konstruktionen und Timeusioneil auch ein gurcs Teil der Entwicklung der gesamten dculichen Industrie und der gesamte» Wohlfahrt nuferer große» werktätigen Bevölkerung. Die damalige» Lokomotiven iahen aus wie Phgiiräeu gegen die heutigen Riesen, die vor uns stehen. Ich entsinne wich noch. daß. als ich zum erstenmal ans der großen Weltausstellung, die ich zu bcstrchcir hatte, im Jahre >862 in Lon don vor „„„mehr 41 Jahren urnere kleinen kümmerlichen Lvkomv live» stehen iah „ehe» den großen Schnellzugslotomotiven. die England für seine» starken Bcrtehr schon damals Hergestelll hatte, wir uns auch seihst klein vorkainen. Wir halten das Bewußpein. daß aus dem Wege zur Vollkommenheit wir noch viel zu erreichen hatten. Heule hahe» wir ans diesem Wege viel erreicht, wir könne» mit Stolz sagen: Wir können uns jedem an die Seite stelle». Wir trade» dies notwendig gehabt dafür, daß wir uweiem Lande die Millionen von Arbeitern habe» erhallen können, die damals wegen Mangel a» Arbeit in die weite Welt hinansziehe» mußte» uni anderswo sich Brot und Arbeit zu suchen. Diese Zeilen sind glücklich vorüber, wir könne» alles im eigenen Lande hcistellen und können alle Sölinc. die uns geboren weiden, im eigenen Lande beschäftige». Hoffe» wir. daß cS so bleiben möge! Tann wird die Wohlfahrt des ganzen Landes und die Wobllahrt jedes einzelnen unter u»S sich immer mehr heben. Um zu dreiem Schritte zu gelangen, darf weder Fabrilleller »och Arbeiter still stehe» im Fortschritt. Alle Neneinngcn müsse» nicht nur befolgt werden, sondern mau muß bestrebt sei», auch selbst Neuerungen zu erfinden, um stets an der Spitze z» »unlchicrc». anderen ein Vor bild zu sei». Und wen» wir ein Stück davon jetzt erreicht haben, io haben wir das der Tattrast der dentiche» Männer zn verdanken, die in den letzten Jahrzehnten niucre Industrie lo in oie Höhe ge bracht habe», nickt »nr den leitenden, »ein, auch jedem der »r- beitenden. welche die Fortschritte milgemacht haben, ohne die wir nicht da sein lönnten. wo wir beute glückttchermciie sind: ohne sie würde» wir für das Ausland nicht die Millionen von Hände» beschäftige» i» dem, was es uns bestellt, und ohne die Arisfnbr nach dem Auslände würden wir die Millionen, die wir seit >870 im Lniide behalten haben, nicht bei uns bcbalten haben können. Unsere ganze weitere Entwicklung dreht sich darum, daß wii immer an der Spitze bleibe» und uns von niemand überflügeln lassen, daß wir die beste Arbeit zn möglichst billigem Preise Her stellen, damit wir allen anderen Nationen überlegen sind. Wenn wir aus dem Wege sort'chreilen, wenn nicht bei uns ähnliche Dinge, wie sie sich in England breit gemacht haben, dahin Platz grei'en. daß man ineinle. "ArbestSersparoffse durch Maschinen wären ein Schaden für die Arbeiter, nur dann werden wir wirklich an der Spitze bleiben können. Durch Ersparnis von Arbeit werden niaiiche Hände allerdings nicht mehr gebraucht, aber nur, um mit mstere» Händen mehr fertig zu stellen und denselben Hände» eine» sehr viel höheren Lohn zahlen zu können, als es früher möglich war. Heinrich von Polchlnger schreibt dem „B. T.": „Ein Ansiatz des Hvipiedigers a. T. Stöcker hat die Frage, wie sich der erste Reichskanzler zur sozialpolitischen Frage ver halte» habe, wieder anlgerollt. Ich bin in der Lage, ans Grund einer Auszeichnung, welche vo» dem Fürste» Bismarck seiner Zeit burchgeschen und mit mehreren Zusätzen und Abänderungen ver sehen worden ist, hierüber nachstehendes mitziiteilen: An dem -Vorwurf. Bismarck sei ein Feind der Arbeiterlchntzgesetzgebung gc- weien. ist nur soviel wahr, daß er von deine,iigeii Forderungen, welche Eingrisse i» die verlönliche Unabhängigkeit des Arbeiters und i» seine Rechte als Famiiieiioberhauvt bilde», indem sie ihm oder den Seinige» verbieten zu arbeiten, wann er will, nichts wissen wollte. Tie Schaffung eines Noonalarbcitstagcs und eines Normallohnsatzes hielt er für »»durchführbar, aber auch die Verbote der Frauen- und Kinderaibeil nim. zur Zeit nur erfüllbar, wenn alle Kultnislaaten dieselbe» befriedigen würden. Deutschland hat aber keinen seiner Nachbarn zur Zulage oder Nachfolge be wegen können, und eventuell wnide nur Teulichlond das Ab komme» gewissenhaft durchführen und seine Industrie dicKoslen liaaen Ganz von der Hand des rrslrn Reichskanzlers ist eine mit Blei »ist an de» Rand einer ihm gemachte» Vorlage geschriebene Be iiierkuiig zum Alters- und IiivaliditäiSgeietz. welche bringt: „Sein Interesse on der Sache war nicht mehr das ursprüngliche von dem "Augenblick an, wo dem Arbeiter Beiträge zn seiner Alters Versorgung ziigennitet wurden: er holte eine Versicherung nu Staats- und Rcichskoslen i» Aussicht genommen und empfohlen die Mittel da;» eventuell ans dem Tabakiiivnopol zu nehmen. Tie von ihm erstrebte politische Wirkung war nur durch diese Gratis Versorgung zu erreichen. Lohnabzüge im l8. Jahre hehiffs knovpcr Pension »ach einem hall'e» Jahrhundert läge» nicht m dem Plan der ihm bei seiner Initiative vo,schwebte" lieber die Teilnahme am Reich st agspräjrdinm geht der Streit im sozialdemokratischen Lager unter den Füh rern weiter. Jetzt wendet sich wieder Bebel in der „Schwäb Tagwacht" gegen Vollmar und Bernstein in der „Volksmacht" i» BreSlan gegen Bebel. Vollmar halte in einer sozialdcmo kratischen.Vcrsamnllling in München erstarr, daß der Abkanzelung Bernsteins durch Bebel gleichsam die Form eines amtlichen Erlasses gMbcn worden sei. Bebel versichert demgegenüber in der „schwäb. Tagwacht", daß seine Erklärung sich in der Fon» m nichts unterscheide von Erklärungen, wie er sie wüst „zu geben" pflege. Ans die Ausführungen Vollwars über die Besetzung der ersten Pizepräsidcnlensielle will Bebel sich nicht näher cinlassen. Er verspricht aber dem Abg. Vollmar. „cs wird an anderer Stelle auskömmlich geschehen". Vollmar habe seine jetzigen "Anssüh runaen in gleicher Weise schon 1698 in der FraktwnSsitznng ge macht, ohne daß damals die sehr große Mehrheit der Fraktion sich veranlaßt sah. diese zu akzeptieren. Tic dem Abg. Vollmar nah tchendc sozialdemokratische „Münchner Post" ist mit dieser Er lärung Bebels nicht cinverfrandcii, weil er wiederum nicht aus kläre, „warum seine erste Erklärung gegen Bernstein völlig u» berechtigte Vorwürfe erhob". Fast scheine es. „als ob Genosse Bebel bei seiner außerordentlichen Belastung mit Arbeit nicht dazu käme, die Artikel, gegen die er sich wendet, im Original zu lesen". — Nach Vollinars Rede in der Münchner Versammlung wurde behauptet, daß er zn der Frage des Eintritts eines Sozialdeuio. kratcn in das Neichstcigspräsiduim erst Stellung aenommen habe nach Rücksprache mit Kollegen aus der bayrischen Landtags raktion. Tiefe Mitteilung bezeichnet das sozialdemokratische Organ in "Nürnberg, die „Fränk. Tagespost", als unzweifelhaft erfunden. Die bayrische Landtagsftanion habe sich mit dieser Frage überhaupt noch nicht befaßt. Mehrere Abgeordnete hätten ihre von Vollinars Anschauungen abweichenden Ansichten betont. — Das würde aber nicht ansschlicße», daß Vollmar mit andern ozialdemokrntischc» Lanotaasadgcordncte» Rücksprache genommen rat. Die „Fränk. Tagespost" ist übrigens selbst geneigt, dies aus der, wie sie sagt, merkwürdigen Tatsacl-e z» schließen, daß Voll mars Rede in München keine Diskussion ycrvorgerufcn hat Tcr bayrische Landtagsabgeordnete Löwenslei» warnt in der „Fränk. Tagespost" die sozialdemokratische Rcichstagssraklion. bei ueber- »ahme des Bizepräsidinms sich irgendwelche Bedingungen vor- chrciben z» lasse». — Eduard Bernstein erinnert zur Ver teidigung seines Standpunktes in der Präsidialfrage an ein Vor- kommnis aus der Zeit der französischen Revolution. Bernstein schreibt in der sozialdemokratischen „Volksmacht" in Breslau: Ein PMlcigenosse. der nieinen Standpunkt in der vorliegende» Frage nicht teilt, richtete die Frage an mich, ob mir etwa bei meiner Niederschrift das bekannte Vorkommnis beim Besuch Rolands XVI. voracschwebt habe, wo der Zeremomen- Führer der Sansculottes vorlasscu mußte, trotzdem dieser dem höfischen Brauch zuwider mit Bändern aus den Schuhen und in rundem Hut erschienen war. Ich konnte ihm der Wahrheic gemäß nur antworten, daß, so sehr ich mir beim Schreiben des Artikels der Unterschiede in den Umständen und den Enlwicklungs- sarinen zwischen dem damastzen Frankreich und dem heutigen Deutschland bewußt war, ich in der Tat in meinen Gedanken die Parallele gezogen batte. Als Ludwig XVI. un März 1792 seine Minister aus den Reiben der damals noch nicht zerklüfteten Parle: der Sansculottes »aym, folgte er einer durch den "Ausfall der Wahlen zur Legislative unabweisbar gewordenen Notwendigle,:. und der Besuch Rolands im Schloß hieß nicht, daß die Revolution sich vor dem König, sondern, daß dieser sich vor der Rcvvluiiou verbeugte. Wir haben ,n Deutschland zwar keine Revolution, iedeiffolls aber eine Wahl hinter uns,-die an deinonsHatiuer Wuäu der Wahl zur gesetzgebenden "Versammlung 1792 wenig nächstes» Vorgang aus der Bernstein erinnert weiter an einen historischen englischen Geschichte, indem er schreibt: „Wo sind Ihre Voll- inachten?" srcuzle Karl I. von England de,, Fähnrich Joyce, der ih» für gefangen erstarre. Joyce össnele die Tür und wies alt, die draußen stehenden Soldaten, woraus Karl mit schneller Eiäassung der Situation lächelnd bemerkte, a» der Echtheit dieser Bcchau bigung ließe sich nicht zweifeln. Wen die Sozialdemokratie als den Mann ihres Vertrauens ffir irgend ein "Amt designiert, d> > wurde auch vor der höchsla.cslelltcn Person nicht anshören, die Gesinnung der Partei zn vertreten, welche drei Millionen Wähler hinter sich hat." Sodann erinnert Bernstein a» die "Audienz Herrweghs vor Friedrich Wilhelm IV. und an das Wort Johann Iacobis gegenüber oiciem König. Im "Anschluß hieran erklärt Bernstein: „Es ist kaum auziinchmen, daß, falls heule ein Sozial demokrat als Vizebräsidenl des Reichstages mit dem den Titel Kaiser führenden Präsidenten des BundcsralS zusainmeiiträte. ein Versuch gemacht werden würde, den Sozialdemokraten als Parteimann in eine schiefe Lage zn bringen. "Aber ganz aus geschlossen ist, daß im Falle eines solchen Versuchs der Sozial demokrat vergcffc» würde, mit Würde und Entschiedenheit die Empfindungen seiner Pariei zum "Ausdruck zn bringen. Endlich begründet Bernstein sein Einlreten für die Teilnahme eines Sozial demokraten am Reichstcigspräsidinui mit der Erinnerung un eine Szcw' aus den Verhandlungen über den Iolltarff, als der Präsi dent dem "Abg. Singer ans dessen Meldung zur Geschäftsordnung antwortete: „Ich gebe Ihnen das Wort zur Geschäftsordnung nicht" und Bebel aussprang mit den Worten: „Da hört dvch aber alles auf." In den „Preußischen Jahrbüchern" bespricht Professor Hans Delbrück mehrere auffällige Gerichtsurteile der leisten Zeit, wie das wider Gras Pückler und das oberkriegSgerichtliche gegen Hüsscner. und schließt daran solgeirde Beineriuiiaeii ükcr .^llasseiljustiz": Was verstehen wir unter Klassenjustiz? Selbst die Sozialdemokratie behauptet nicht, daß cs bewusste Parteilichkeit und Ungerechtigkeit sei, sie behauptet nur, das: die Inhaber der richtenden Gewalt bei uns unvewnßt besungen sind in gewissen Vorstellungen ihres Standes und ihrer Klasse und aus diesem Vorstellungskreise heraus fortwährend Urteile sprechen, die von den niederen Klassen als schweres Unrecht empfunden werden. Ich glaube, daß tatsächlich hier der eigentlich-- Knote,i- vunkt unserer politischen Verwicklung ist. Worüber haben sich denn die unteren Klassen bei uns eigentlich zu beklagen? Es ist ja eine "Albernheit, zu meinen, daß durch bloße demagogische "Agi tation eine Partei von drei Millionen Wählern zu stände gebracht wird, die in anderen verwandten Knlturstaaten, z. B. England, überhaupt nicht existiert. Es müssen große, überaus drückend cinpsundeiie Beschwerden vorhanden sein: wo sind sie? Materielle Ueberlaslung mit Steuern? Das kann lo schlimm nicht sei», denn im ganzen geht cs unseren niederen Klassen nicht schlechter als anderswo, eher besser. Tic großen Wohltaten der sozialen Ver- sicheriliigsgesetze werden von ihnen selber nicht geleugnet Die beschränkte Teilnahme an der Regierung durch die Klassenwahl wird von den Masten so direkt wenig empfunden: das, was sie empfinden, ist tatsächlich die Behandlung, die ihnen von den Vcr- waltungs-, Polizei- und Justizbehörden zu teil wird. Tie Behör den nehmen in den Lohn- und "Arbeitskämpsen die Partei der Unternehmer. Jin Staate der allgemeinen Wehrpflicht, der allge- »lernen Schulpflicht und des allgemeinen Wa'ylrechis suhlen die "Arbeiter sich nicht als Gleichberechtigte Hier atro muß vor allem eingesetzt werden mit der Besserung. Aber es ist ungeheuer schwer. Es ist viel schwerer, uls Gesetze zu ändern. Es bandelt sich darum, in unserem ganzen Beamtentum einen anderen Geist heran znbilde». Unser Beamtentum ist gut diszipliniert, einige kräftige Worte von oben würden ausklärend und dadurch bessernd wirken, aber nun erscheint erst der verhängnisvolle Zirkel, in den wir eiiigeschlossen sind: diese Worte, die die Wurzel der Sozialdemo kratie abschneiden würden,, können und dune» nicht gesprochen werden — well wir die Sozialdemokratie habe». Tenn das wäre eine sehr leichtfertige Täuschung, wenn man glaube» wollte, diese Partei würde in dem "Augenblick, wo die gerechtfertigten Be schwerden, die sie vertritt, gehoben sind, aiffhörcn zu existiere». O nein, sic hat auch eine ganze Menge sehr ungcrechlserligte. törichte und verderbliche Forderungen, für die sie »ach wie vor agitieren würde. Sie muß also auch nach wie vor bekämpft, und zwar energisch bekämpft werden. Wenn mit bloßem Einaegeii' kommen in solche» Kämpfen zu siegen wäre, dann wäre die -Arbeit leicht. Es handelt sich aber darin», gleichzeitig mit aller Kran die Autorität des Slauics aufrecht zu erhalten und dabei dockt keinen "Anlaß zu gerechtfertigten Beschwerde» z» geben. Tas abcr ist bei den Vorurteile», der Leidenschaftlichkeit und Eiinen-igle!! der Menschen »»endlich schwer. Die große Mehrzahl der Be amten verstellt eS eben nicht anders, die S>aatsa»tor!tät geilend zn machen, als dadurch, daß sie, wo sich auch cinc Gelegenyeit bietet, möglichst schneidig auftreien und eingreifen. Welch uner meßlichen Schade» solche überschncidige Urteile und Maßnahmen der Slaatsautorität zusügen, indem sie in der Menge den leiden schaftlichen Haß erzeugen, der sich dann bei den Reichslagswablen äußert, das »lackren sich diese Präsidenten, Geheimen Räte, Richter und Staatsanwälte nicht klar. Werden sie aber vo» oben daraus hingewiesen, so entsteht die Gefahr, das; sie unsicher werden und Weichheit Platz greift, auch da, wo Strenge walten muß. , , Alle Arbeit gegen die Sozialdemokratie, strenge Unterdrückung oder Wohltat, soziale Gesetzgebung und Belehrung, Vaterlands liebe und Religion, alles wird keine Wirkung haben, so lange nicht ein anderer Geist in unsere Strafkammern eingczvgcn ist, lieber „ S o l d a t e n m i ßb an d I nn g c n" schreiben die „Münchn, N, IN,": Zwei bestmdcres scheußliche Fälle von Miß handlungen der Soldaten dnich unglanblich rohe Gejcllen, die Gott ini Zorne zn Unteroffizieren gemach! hat, sind i» den letzten Tagen zur "Aburteilung gelangt, der eine in "Metz, der zweite in Braimschweig, dieser in zweiter Instanz Es ist ein arger Schand fleck auf dcni blanken Ebrenichilde der deutschen "Armee, daß die Fälle, in denen erbärmliche Subjekte ihre nngliicklichcn milttarffchen Untergebenen bis aufs Blut peinigen, nicht nur nicht verschwinden, sondern wie die beiden vorerwähnten, eine kraße Fori» aiiiicbmen, wie sic abscheulicher, iiichlswürdiger überhaupt nicht mehr gedacht werden kn»». Der Laie begreift es nicht, daß eine "Armcclciliing. die Zeit und Sorgfalt i» Uebcunaß hat. irni das deutsche Heer mit einer Flut von Tresse». Litzen. Kennzeichen, mit Kinkerlitzchen und Urifformjvielercien aller "Art zu überschütten, nicht im stände sein iolltc. die infame Soldatenschinderei aiiszrilotten. Der neue Reichstag wird in diesem Sinne ein sein ernstes und Nachdruck licheS Wort mit der Regierung z» sprechen haben. ES muß auch von den regicriliigssrerrndlichen Abgeordneten verlanat werden, daß sie ihre Unterstützung der Regieriingspolitil vo» Garantie» nb hängig mache», die süe die Abstellung des schinilfflichsten und ein losesten aller Mißbräuche gegeben werden. Allgemein geballene Zulage» genügen lmisowcniger, als cs »i zutage liegt, daß die be lebenden nllgeiiieineii Perlnaiingcn in der "Anssülmiiig versage», osienbor, weil cs an vielen Stelle» an dem guten Willen und an der Energie fehlt, tvmiinitche Unteroffiziere im Zaume zu halten. Wenn in einem Falle über 500 Einzclnlißhandlungc» cmgegeben und über 300 k! !l »achgewicien werden, so kragt ina» sich immer wieder voll ungläubigen Staunens, wie denn Feldwebel, Leutnant, oder ivie der Hauvtmaiin der betreffenden Komvagnic fl, dem Grade taub und blind sein konnten, daß sie scheinbar von der gräulichen Mißwirtschaft, die bei ihnen herrschte, keine Atmung batten? Sind diese Ossiziere denn wirklich nicht verantwortlich für den uncrmcß- liche» Schaden, den sie durch ihr Nichtteheittvollen oder Nichlschen- körinen — beides ist gleich schlimm — weit über den Bereich ihrer Kom pagnie hinaus angerichtet habe» ? Wäre die deutsche "Armee ei» Hause geworbener Söldner, so Mine die Sacke schlimm genug, aber unerträg lich wird sie, wenn man bedenkt, daß cs die Blüte der männlichen Jugend Gclamtdenffchlniids ist. die solchen niederträchtiger, Miß handlungen und Quälereien seitens der rohen Patrone preisgegebe» Dres-irer? Nachrichten. SIS. Seite 3. Mittwoch, a. Sluaust 1V0.1
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