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- «o - Frvmmer Gesang schwebte ans Wrihrouchwvlken au» dem geöffneten Hetliatu«, Fahne» »vallten. betende Frauen sanken in die Knie. Und hoch oben in der Luft tönten alle Glocken und jubelten in feierlichen Schlägen, in fröhlichem Klingklang und in hckhe» Trillern zusammen und durcheinander. Dich, neben der Kirche, gleichsam zwischen den Andächtigen, entfaltete sich da» Hahrinarktbgetummel. Man drängte sich da in Hellen Scharen um die Meßbuden, in denen allerlei Dinge möglichst verlockend feilgebuten wurden. So «in ganze» gebratene» Schwein, mit aromatischen Kräutern gefüllt, Seidenstoffe. Zuckerringe, Fächer, Schuh» nägel. Filzhüte, Haaröl, Spiegel und Wachsperlen. Und hauptsächlich Bänder, Bänder. Vre im Winde luftig flatterten, in allen grellen und leuchtenden Farben, die aus die holde Weiblichkeit eine starke Anziehungskraft auSübten. In einem Zelte stand rin Mann und drehte das „Spiel der kleinen Pferdchen". Eine lebhaft gestikulierende Meng« drängte sich darum. So oft der Mann das Rad in Bewegung setzte, schwang er eine ohrenzerreihende Glocke und rief: ,,8ul envallo i solckini!" („Zu Pferd, liebes Geldchenl") Und gewann dann einmal ein Spieler, so fuhr er sich mit den Händen ver zweifelt in die Haare und brach in den Klageruf aus: „O vovoro ms, povsro mol" <„Jch armer, ich ruinierter Mann!") Mittags Tombola auf der Piazza. Wir sahen dem originellen Schauspiel von der Terrasse eines Hauses aus zu, auf die uns der Be sitzer, obschon er uns gar nicht kannte, mit echt italienischer Höflichkeit heraufkompli» mentiert halte, sofort Stühle und Erfrischungen herbeischleppend und uns mit ausge fuchten Artigkeiten überhäufend. , Die Tombola entwickelt sich folgendermaßen: Jeder Mtspjel,r kauft einen Zettel, auf den er sich von einem der Tomoolasekretäre, die an den Pulten in den Straßen sitzen, zehn beliebige Zahlen zwischen eins und hundert schreiben läßt. Mit dem Zettel begibt er sich auf die Piazza: dort hat inzwischen ein Beamter-mit einem Waisenknaben euien allen sichtbaren Balkon bestiegen, wo auch bereit» der Kasten, der die Nummern enthält, Ausstellung gefunden hat. Schmetternde Fanfaren verkündigen den Beginn des Glücksspiels. Atemloses Lauschen. Nun zieht der Waisenknabe die erste Nummer aus dem Kasten. Fieberhafte Erregung. Der Beamte ruft mit Stentorstimme die Nummer aus. Zugleich erscheint sie. weithin sichtbar, an der aufgestellten Kontroll- tafel. Wer sie hat, inacht sich ein Zeichen auf seinen Zettel. Wer sie nicht hat, gibt seiner Mißbilligung durch Zischen, Pfeifen und Dazwischenrufen Ausdruck. So gebt es fort, bis zuletzt ein Spieler alle seine Nummern bezeichnen konnte. Dieser hat dann die Tombola gewonnen. Nun geht der Skandal los. Der Glückliche wird unmrinat und von den Gut gesinnten unter Bravorufen und Händeklatschen im Triumph zum Diunicipio geleitet, wo er seine paar hundert Lire in Empfang nimmt. Die Mißgünstigen jedoch protestieren erregt, pfeifen, schreien und werden durch verstärktes HändeNatschen von der Partei des Gewinners bekämpft. Der Lärm tobt noch weiter, als wir schon längst den Bklkon verlassen haben. Er legt sich erst, als eine Musikkapelle erscheint. Da wird es auch gleich totenstill, und die Leute, die fünf Minuten vorher noch schrieen und tobten und fick am eigenen Lärm berauschten, wagen jetzt kaum mehr zu atmen, so groß ist ihre Achtung vor der Musik. Diesmal spielen die ckiavoli rossi, die „roten Teufel" aus Pianella in den Abruzzen. Die Kapelle ist in Italien sehr populär und feierte sogar schon in groben Städten Triumphe. Entzückend naiv, dieser dämonische Titel, die feuerroten, mit schwarzen und goldenen Verzierungen überladenen Uniformen — aber gespielt haben die ckiavoli rossi. trotz ihres höllischen Beigeschmacks, wirklich himmlisch. Da schwebten in der großen Stille, in der blauen Dämmerung die düster- schwere» Akkorde des Pilgerchors aus „Tannhäuser" ernst und feierlich über den Platz. Niemals, bei keiner noch >o vollendeten Wievergabe im Theater oder Konzertsaal, haben sie uns so gepackt, wie hier in diesem weltfernen Orte, unter dem hohen Abendhimmel und den uralten dunklen Mauern. Nach dem Konzert ein brillantes Feuerwerk, auch zu Ebreu der Madonna von der immerwährenden Hilfe. Es ist ganz interessant, zu beobachten, wie das lebhafte, erdenfreudige und so ganz nach außen gerichtete Volk des Südens immer wieder religiöse Feier mit iveltlicher Lustbarkeit zu verquicken versteht. Bor der Heimfahrt sielen wir noch bei einem „Hörigen" Dr. GrisiS ein und fanden da viel Güte, viel Schmutz und ein bescheidenes Mahl. Im Mondschein setzten wir über die Tenna. Einige Kinder weinten, ein paar Damen faßten verstohlen nach der nächsten männlichen Hand, als der Wagen klatschend in die Fluten holperte. Aus der sicheren Straße wurde jedoch alles wieder gute Dinge, und unter Lachen und Singen rühr man nach Hause. Heute früh fuhr Don Eusebios kleiner Korbwagen vor. Don Eusebio lenkte selbst. Zwischen dem Korbwägelchcn und Dr. Grisis Studierzimmerfenster entspann sich ein fünf Minuten langes Gespräch, das mit einer Einladung von feilen des Korbwäaelchen- Insassen endigte. Tann machte der Wagen wieder Kehrt und jagte über das Pflaster zurück, daß die Funken unter den Pferdehufen sprangen. Don Eusebio ist ein Abbate. Er wohnt in Servigliavo, im Tennatal, etwa zwei Stunden von hier. Don MINI, isekio ist Lieb. - 667 - w/« «t« «vvalier. Sr träat eine Soutane von feinstem Tuch «Nb Set». Feinschmeckers und sein Weinkeller ist berühmt bei den Herren der Gegend. Don Eusebio Herz und dt« losesw Zunge, steht »icht allzu gut mit femen Herren Eon- ^/^.^Ess" "brr, mit allen jungen und cllte« Damen — doch in Ehren, den, ff^Eer der leichten Außenseite birgt sich ein ernsthafter Charakter. Don Eusebio ist der lustig« Freund aller hübschen Signoras und SianorinaS, denen er ost klerne scherzhaft« Büßpredigten halt, er teilt erlesene Schmeicheleien und Bonbon» unter sie au» und verschmäh! es nicht, sie gelegentlich auch alle ein wenig an den niedlichen NäSchea herum -Nlthren. Doch wenn iraend jemand in geistiger Ä>er leiblicher Not in ,st er hilfsberct, bi» -um Exzeß und gkbesroh bi» zur Verschwendung, Do tedenfalls «in sehr guter Mensch. Natürlich zogen wir alle bei ihm ein. Er haust in einem luftigen. Hellen Palazzo, über dessen Tor sein Wappen prangt mit dem Stern in einem Feld« und einem rätselhaften Vogel im anderen. Don Eusebw behauptet, der Vogel sei eine Gans und deutet Stern und Vogel al» sein Glück bei den Damen, welche Deutung ihm einmal von der «ollen kleinen Gemma einen rächenden Biß ui den Finger eintrug.. Hinter Don Eusebio» Palazzo dehnt sich ein Platz, aus dem Boccia gespielt wirb: auch Ställe für seine Pferde hat er da und Leimrut«» für den Vogelfang. Im Hause Zimmer wie Tanzsäle, alte kuriose Bilder, Waffen, Fischerei- serate und eine Haushälterin Flamen» Pia, eine unerhört zungenfertige Dam», jen sich herumzuzankrn de " ' da» sich von Gang, < hs.rb'i. in denen > - - - - drolligen Ltusglletz Anekdoten. Im Stuhl zurückgelehnt, die Serviette um den Hals gebund zwei weißen Zipfel wie Hasenohren hinter dem Kopf vorstehend, mit den sein LiebllnaSstück, den Bersaglierimarsch. trommelnd — so saß er da, ganz ganz satte Zufriedenheit. Natürlich gab es auch wieder Streit mit der Haushälterin, die zu necken und zu «Malen er nicht lassen konnte. Sorv Pia zitterte vor Aerger und die unzähligen Fallen und Runzeln ihres gelben Gesichts verzogen sich zur grotesken Grimasse. Don Emebios gute Laune wuchs dadurch zur lärmenden Freude. „O Gefäß der Weisheit," sprach er salbungsvoll zu ihr, „gieße die Schale Deines heiligen Zornes nicht über mein schuldiges Haupt. Schwebe lieber hinaus. Wonne der Engel, und hole un» den Käse!" „Herr. Ihr seid rin frivoler Heide," knurrte die gallige Alte im Hinausgehen und schlug die Tür krachend hinter sich zu. „Lrava. krava, die Schlacht ist mit Kanonendonner er öffnet!" rief ihr Don Erstebio nach. „Gebt Feuer, Kinder!" Lachend sprang Gemma auf, zündete rasch ein Streichholz an und präsentlerte es mit komisch-feierlicher Ver- beugung und verständnisvollem Augenzwinkern: „Lava!" Don Eusebio brannte schnell die Virginia, die er schon einige Zeit mit fragenden Seitenblicken igrch den Damen hin Wischen den Fingern gerollt hatte, daran an und sagte schmunzelnd: „Also spricht der Philosoph: Hüte Dich vor dem Weibe; denn wo Feuer ist, da wird leicht Rauch ent- stehen." Mitten in die ausgelassene Laune hinein fiel ein Bote, der Ton Eusebio zu einer Sterbenden rief. Ton Eusebio warf feine Virginia fort und sprang auf. „ksrdaaoo!" riss er, „eine Mutter von sechs Kindern! Iliskrrarnat»! Da sängt es schon wieder an mit dem verdammten Fieber." „Ich komme gleich mit." sagte Dr. Grisi und schloß sich dem Davvneilendeii an. In gedrückter Stimmung blieben wir zurück. Sora Claudia trieb zum Aufbruch. „Wir wollen fort! Wenn wirklich die Malaria hier ist, — es ist nicht zu spaßen mit ihr!" Während Serafino anspannle, gingen wir zu Fuß durch die Straßen. Jetzt erst fiel mir auf, welch ein unendlich trübseliger Ort Servialiano eigent lich ist. Ein Städtchen, ans einem regelrechten Quadrat erbaut, von einer hohen Ämuer eingeengt, mit nur zwei Toren, das eine nach den Bergen gerichtet, das andere nach dem Fluß. Die paar Straßen wie ausaestorben, Gras zwischen den Pflastersteinen, die Häuser mit geschlossenen Läden, gleichsam schlafend. Keine Schritte, kein Wagen gerastel. keine Menjchenstimine. Schrecklich öde, trostlos, verlassen . . . Wir kamen auf den Domplatz. Vier große quadratische Rasenflächen, in Granit gefaßt, von der Sonne gelb gebrannt. An drei Seiten langgestreckte, palastähnliche Häuser, die so un wirtlich aussehen in dem leeren Lichte, als seien sie teilte Wohnstätten, sondern nur Deko rationen z» einem Trauerspiel. Und alles so furchtbar still und trostlos unter dem blauen, wolkenlosen Himmel . . . Die Tür des Dome? stand offen, es roch nach Weihrauch, ein feuchter, kühler Hauch wehte aus den sonnenglühenden Platz heraus. Ein« Glocke fing an zu läuten, in kleinen dumpfen Schlägen, beängstigend, unheilverkündend Das paßte in die Stimmung des gezeichneten Ortes. (Fortsetzung Dienstag. SiIimlIIzeliW Imikii rnill UM. Privat-Unterricht für Damen und Kinder (Knaben bis zu 10 Jahren) wird Terrasscuufer, Eingang Rietschclstraste LS, vt., vom 1. Oktober an erteilt. koss. LaedrasLil, flnil. M. Tmlkblkli«». Wt). »WM. Prospekte und Anmeldungen Melanchtkonftr. 14, I. — Sprechzeit daselbst 12—1 Uhr. Uoi86-Irt8eboll Lst.t.Sll-^LSLKSll v. si/,-30 M. LslSS-HSLSLSLlTSL v. 3-75 LM. ULK- llllä kkotoZTLxkis-LIbullTs. ^ÄllTillSll-LLkllTSll. kossis- Ullä I^LZsdkLksr. koltölltOMUtios LLusikllTLppsll. LissÄi'i'Sll-Lt.uis, LriskdLSLksll, 3LkrsibllLLpxsll. Lkt.SllllTLpxsll. ?OSkkLrt.SQ-L.1VU2TS 8pa/>!vr8tüelr« mit scdtöll Silbsrxrisssn sto. k«KVN86litrmv kür Damsu twcl llöllön. 2lvt»Hta86livo, 6lldt Lilbsr, Stadl, ^lj>ada-8ildor. vamtzuZürtsl. km iw U^oittsrisll. Uan86Ü6tt6N-Xn8p5v ill gebt Silbsr, voubls sto. 2l8»rr6I1-L1ul8 in scdt Lilbsr, Stadl, ^.Ipada-Lilbör sto. io xrösstsr ^.usivadl mul Mer Idsislaxs. ^nnsl^seksils 1872 Vreden. Lsöstrasss 1872 §ö§oi>übör „llotsl Lkoiuisodor üok". krülle»-Ii«!li8tne-8e!lli!tz«. löMtzr-kmitM ldestl««, KImMr 4,1. Oktober beginnen neue Kurse: Handnäherei, ^Stickereien aller Art. Wäschenähe». Kleider- anfertigen. feine Handarbeiten. Lnrusarbeiten ic.. Schnilkreichnen für Wäsche nnd Kleider. — Zeichnen und Malen, Literatur. Kunstgeschichte. Geographie, Englisch und Französisch (bei Nattonal- lehrerinnen). Deutsch. Buchführung rc. — Prospekte und spezielle Auskünfte durch die Inhaberinnen HIntliNck« s E ^ 8. Inli»1»vr IkirliniN ^ vliii ILüutxl. Säelis. Ilolspeckttviin. Hauvt-Kontorr OÜvt2j)1at2, KpkE8fz8L, llzmduiM u, empfieblt sich zur d«vo> »telivneloii zur Dedei nakme van Nir Staelt anck Danck, sowie per Llseubat»» oNnv Pn»1n«zi»n^ nach allen Legendem MübsI-l'rgllsport-vvIsLsvbvItSll navle r Berlin, Blankenburg. Breslau, Coburg» Cöln a. Rb.. Frankfurt «. M., (yörlih, Hannover, Hamburg, Karlörube, Leipzig» Ltrgnitz. Maadebnrg. München, Prag. Wiesbaden, Zittau, Zwickau, onr Berlin, Cbemnitz, Cobleuz, Danzig, Darmstadt, Frankfurt a. M.. Hof, Königsberg, Mannheim. Reustrelttz, Plaue»« i. B., Stettin, Stuttggrr. Wien, Würzburg.