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01-Frühausgabe Dresdner Nachrichten : 07.06.1926
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1926-06-07
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id501434038-19260607011
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id501434038-1926060701
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-501434038-1926060701
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Nachrichten
-
Jahr
1926
-
Monat
1926-06
- Tag 1926-06-07
-
Monat
1926-06
-
Jahr
1926
- Titel
- 01-Frühausgabe Dresdner Nachrichten : 07.06.1926
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Montag. 7. Zun! 1S26 — Dresdner Itachrlchkea — Ikr. LSI SeNe Z ' Westarps Antwott an Sttesemann. Die Grundsätze nakionaler Opposition. Auf dem LandeSpartettag ln Osnabrück am 5. Juni 1920 äußerte sich Graf Westarp ,« der Rede, tu der Dr. Gtresemann in Rostock am 29. Mat die von Graf Westarp in Schwerin aemachten Ausführungen <28. Mat) kritisiert hatte. Graf Westarp hielt eS nicht für zweckmäßtg, wenn der Außenminister und der Führer der Opposition ihre Unterhaltung durch öffentliche Rebe» führen. Die fetzige Diskussion sei von Herrn Dr. Gtresemann in Stuttgart er- öffnet worden, während Graf Westarp sowohl im Reichstag am lS. Mat wie in Schwerin eS vermieden habe, darauf ein- »»gehen. Jetzt scheine ihm eine Stellungnahme »u dem. waS Dr. Stresemann in Rostock gesagt, unumgänglich ,u sein. Herr Dr. Gtresemann stelle in seinen Aeußernngen »um DaweS.Abkomme», wie er eS schon tm Reichstage gegenüber Dr. Ouaatz getan, in den Vordergrund, daß dieses den früheren Zustand wesentlich gebessert habe, und -atz ohne da« Abkommen der wirtschaftliche Zusammenbruch ein viel schlimmerer sein würde. Er verteidige damit seine Außen- Politik gegen Angriffe, die Graf Westarp gar nicht »«r Dts- kusston stelle und auf die eS nach seiner Ansicht auch jetzt nicht in erster Linie ankomme. Znr Erörtern«» siehe vielmehr, was weiter »« geschehen habe. Selbst wenn ich — so fuhr Graf Westarp fort —, wie der Jurist sagt, unterstelle, baß das Dawcs-Abkommen eine zweckmäßige, die Verhältnisse wesentlich bessernde Regelung darstelle, so bleibt bestehen, datz auch nach diese« Abkomme« die Deutschland anserlegteu Laste« «»möglich erfüllt werde« könne« und den Ruin der deutschen Wirtschaft mit der ungeheuren Erwerbslosigkeit herbclsühren. ES sei nur daran erinnert, dass die Reichsbahn mehr als ein Viertel ihres Roh. ertrageS an Herrn Parker Gilbert absühren mutz, und datz die Steuern, deren Druck unter dem Zusammenbruch der Wirtschaft tm Vordergründe steht, in den nächsten zwei bis drei Jahren von NNO auf 1750 Millionen erhöht werden müssen, wenn das Abkommen -urchgesührt werden soll, ganz abgesehen davon, datz der Verlust der Souveränität Über die Eisenbahnen, das Geld und WährungSwesen um so «nerträg- sicher ist, als der Endtermin für die Eisenbahn- und In- dustrlczahlungcn auf 37 Jahre hinausgeschoben und für die durch die Steuern aufznbringcnden NeparationSlasten ein Ende bekanntlich überhaupt noch nicht vorgesehen ist. Mag der Parteiführer der Deutschen VolkSpartet daS Bedürfnis empfinden, seine Autzenpolitik, die zu diesem Ab kommen geführt hat, zu rechtfertigen. Aufgabe de» Außen- Ministers scheint es mir nicht zu sein, die Auswirkungen der DaweS-Last zu verschleiern. Wir können unS jedenfalls der Verpflichtung nicht entziehen, das Inland «ud Ansland über den wahren Sachverhalt, das heißt über die Unmöglichkeit nicht mrr beS Transfers, sonder« auch der Aufbringung der Last rück» haltlos anfzukläre«. Mutz vielleicht der Zeitpunkt, zu dem die deutsch« Regie rung in Verhandlung mit dem Auslande ctnzutrete« hat, besonderen Erwägungen Vorbehalten bleiben, so wird man doch nicht unterlassen dürfen, diesen Verhandlungen durch klares Aussprechen dessen, was ist, den Voden zu ebnen. Ge schieht Las in Deutschland nicht, so werden die an sich immer lauter erklingenden Stimmen des Auslandes, bte eine Re vision des Dawes-Abkommens für unerlätzllch halten, «n- gehört verhallen und verstummen. Redner wandte sich dann der von Herrn Dr. Stresemann I» Stuttgart ausgestellten, in das Abkommen zwischen Zentrum»»!» Volkspartet vom 16. Mai aufgenom- mencn und setzt in Rostock wiederholten Formulierung zu. Eiue Beteiligung der Debtschnatiouale« a» bte Regte, rung könne nur in Frage komme«, wen« diese für bie Fortführnng der bisherigen Autzenpolitik ««d für An» erke»»»«g der bestehende» internari»««le» vertrüge Gara«tie böte». L» bleibt zunächst abzuwarten, so meinte Graf Westarp, ob bie Loearnoverträge durch Erfüllung der aufschtebenden Be- dingung de» EintnttS Deutschlands in den Völkerbund, unter der sie abgeschlossen sind, bindende» internationale» Recht werben. Im übrigen könne e» Dr. Stresemann wirklich nicht überraschen, wenn bie den Drutschnationalen gestellte Ve- dingung, sich zur Fortführung der bisherigen Autzenpolitik zu bekennen, als rin Wegweiser «ach link» angesehen würde. Diese Formel hat ihre Vorgeschichte. Sie hat wesentlich dazu beigetragen, die von Herrn Marx tm Herbst 1921 geführten Verhandlungen über die Regierungsbildung scheitern zu lassen, und ist von un», alb wir Anfang 1925 in die Regie- rvng eintraten, nicht angenommen worden. Bei ihrer Auf. Kritik «nb Opposition z« veranlassen, zu der w «ach de« bisherigen Ergebnis der Loearno» «nb Völker« bunbspolitik keine Möglichkeit sehen. Was soll eS überhaupt für einen Zweck haben, tm gegenwärtigen Augenblick, in welchem das Kabinett Marx und die hinter ihm stehenden Regierungsparteien der Demokratie und des Zentrums jedes Zusammengehen mit den Deutschnattonalen schroff und ent schieden ablehnen, solche Formel für etwa kommende Ver handlungen über die Regierungsbildung aufzustellen? Es kann diese Verhandlungen, wenn sie wirklich gewünscht wer- den sollten, nur von vornherein erschweren. In der Sache kann nur wiederholt werben, was ich am 18. Mai im Reichs tage gesagt habe: »An sich scheint mir weder mit dem Bekenntnis der bis» hörige« Autzenpolitik noch mit dem Streit darüber hinsicht lich dessen, waS weiter zu geschehen hat. etwas Entscheidendes gesagt z« sein. Wir find nach wie vor gewillt, ans der Lage anch da, wo sie gegen unseren Widerstand geschaffen worden ist «nd wo wir unsere Kritik und Opposition dagegen ans» recht erhalten müsse«, dasjenige für den Nutze« Deutschlands beranSznhole«, was irge,U>wie heranSznholen ist. Das ist die nationale Opposition, die wir stets betriebe« haben, und aus der ein entschlossener «nd geschickter Leiter der Außenpolitik wohl Nutze« ziehe« könnte." AlS befriedigend erkannte Graf Westarp die Entschieden heit an, mit der Dr. Stresemann sich gegen die Beteilig»«» an der Abstimmung vom 2«. Juni ansgesprochen habe. Leider fehle es noch immer an einer wirkungsvollen Parole des Kabinetts Marx. Die matte Erklärung des Reichs- kanzlerS vom 18. Mai, die Regierung halte an dem Rechts- standpunkt der Regierung Luther fest, sei keine wirksame Parole. DaS Kabinett würbe sein« Pflicht versänmen. men« eS sich nicht endlich z» einem entschiedenen Kampf gegen de« revolutionären Vorstoß beS kommunistisch»sozialdemo« kratischen Volksentscheides entschließt, der auch nach ihrer Auffassung gegen die Grundlage beS Rechtsstaates verstößt. Freilich scheine dabei neben der zwei- deutigen Haltung der Demokratischen Partei die Tendenz znr Linksentwicklung eine verhängnisvolle Nolle zu spielen. Allgemein macht man die weitere Entwicklung von dem Er- gcbnis des 20. Juni abhängig. Dazu behauptet die „Ger- manta", ich hätte in Schwerin gesagt, wenn das Fürstenraub gesetz die erforderlichen 20 Millionen Stimmen nicht erhalte, so sei damit der Anschluß der Regierung an die Deutschnatio nalen gesichert. Damit ist meine Auffassung in jedem Punkte mißverstanden. Es kommt nicht bloß darauf an, das Gesetz des Volksentscheides zu Fall zu bringen, sondern das Ziel mutz sein, die 12)4 Millionen deS Volksbegehrens wesentlich herabzumindern und so den Parteien des revolutionären Vorstoßes eine deutlich erkennbare Niederlage beizubringen. Gelingt daS, so wird eS allerdings wesentlich dazu beitrage«, daS Zentrum »nd mit ihm bie Parteien der Mitte ebenso wie breitere Massen beS Volkes davon z« überzeuge«, baß endlich die Zelt gekommen ist, der Vorherrschaft der vom Zentrnm gestützten Sozialdemokratie ei« Ende z« mache«. Deulsche Marine beim FiSnig von Spanien. Madrid, 5. Juni. König AlfonS hat heute zu Ehren de» Kommandanten und des Ossizierkorps des deutschen Linien schiffes .Schleswig-Holstein", das in Barcelona eingetrvffen ist, ein Frühstück im königlichen Palast gegeben, an dem der dciitsche Botschafter Graf Welczek mit seiner Gemahlin teil nahm. Ter Botschafter wird heute abend zugleich mit den Offizieren der „Schleswig-Holstein" nach Barcelona abreisen, um die zurzeit dort liegenden deutschen Kriegsschiffe zu be- sichiigen und der deutschen Kolonie in Barcelona einen Besuch abzustatten. Admiral Scheer schwer erbrank». VvcSla«, 6. Juni. Anlästlich einer Skagerrakfrier sollte hier am Sonntagvormittag der ehemalige Chef der deutsche« Hochseeflotte, Admiral Schwer, einen Vortrag halte«. Er sagte sedoch telegraphisch ab mit der Begründung, daß er schwer erkrankt fei. An seiner Stelle sprach dann Kapitän Scheibe. «Mer als Mahlredner ln Mecklenburg. Schwerin, 6. Juni. Adolf Hitler sprach am Sonnabend- abend in einem überfüllten Saale. Die Eingänge mutzten zuletzt durch Sipobeamte vor dem Andrange des Publikums abgefpcrrt werden. Auch im Saale selbst war starker Polizei schutz ausgestellt. Adolf Hitler entwickelte in zweistündiger Rede daS nationalfozialistifche Programm. Eingehend de- säiäftigte er sich mit -er Kritik deS Marxismus, der Natio nalisierung des sozialen Problems und der staatlichen Ent- Wicklung Deutschlands bis zum AuSbruch der Revolution von 1018. In der Diskussion träte» keine Gegenredner auf. Die Versammlung verlief ohne Znstschenfall. Der Femeausschlch. Netzer dt« Sonnabendfltzuna de» Keme-AuSschusse» gibt der „Lokalanz." folgende« Bericht: „Der Herr ». Pnttkamer. der da al» Zeuge vor dem Feme-AuSschuß steht, heißt Kranz. Er gibt eine sehr «uSsührltche Darstellung seiner Münchner Tätigkeit al» Korrespondent de» „Vorwärts". Als solcher macht er Hebungen der Vaterländischen Verbände mit. al» solcher sucht er. indem er seinen guten Namen vor- schiebt, den Umgang mit nattonalgesinnten Männern, Schleicht sich in da» Vertrauen beS Führers. Dem Studenten Baur, der später ermordet wurde, bezahlt er das Abend brot und hört von den Plänen, Scheidemann zu ermorde«. DaS heißt, e» ist nicht ganz sicher, ob er von diesen Pläne« hört ober ob er ansängt, von diese« Plänen zu sprechen. Al ber deutschnationale Abgeordnete Schäfer diese Existenz deS Herrn Pstttkamer etwas näher beleuchten will — wird die Sitzung für vertraulich erklärt. Schäfer fragt nämlich: .Hatten Sie einen Auftrag des sozialistischen Staatssekretär- Mühlheim für München?" Der Zeuge verweigert die Ant wort. Nachdem der Ausschuß darauf in recht erregter Stim mung eine Stunde unter sich ,»gebracht hat, wird beschlossen, daß man die Frage des Leutschnationalen Abgeordneten Schäfer zulassen wolle. Also wieder öffentliche Sitzung. »Haben Sie die Vater ländischen und die bayrische Negierung bespitzelt?" fragt Schäfer jetzt ganz ausdrücklich. Puttkamer antwortet mit einer langen Umschreibung dessen, was er unter einem Spitzel verstehe. AlS er merkt, daß er so nicht recht weiter kommt, wird er aggressiv und erklärt, daß er die bayrischen Regie rungsstellen nicht ausgekundschaftct habe. .Haben Sie für einen Brief des Herrn v. Kahr 1000 bis 1500 Mk. geboten?" fragt Schäfer. Die Angelegenheit war peinlich für die linke Seite diese- Ausschusses. Immer deutlicher erkennt man, daß Puttkamer gegenüber dem ermordeten Baur bei dem Attentatsplan gegen Scheidemann eine höchst, höchst eindeutige Nolle ge- spielt hat. Als Schäfer mit seinen Fragen so weit ist, diese Zusammenhänge eindeutig auszuklären, spielt Puttkamer den wilden Mann und schreit in den Saal: „Sie haben die Mörder gegen unsere Führer geschickt und wollen das setzt verschleiernl" Der Vorsitzende hat milden Tadel für diese Ungeheuerlichkeiten. Aber der Abgeordnete Schäfer packt seine Sachen zusammen und erklärt, wenn nicht Ncmedur geschaffen werde, könne er in diesem Ausschuss nicht Weiter arbeiten. — Also es wird geheime Sitzung beschlossen." Einweihung -es Internationalen Arbeiks- amles in Genf. Gens, 6. Juni. Heute fand hier in Anwesenheit d^S schweizerischen Vunbcspräsibenten, mehrerer Avbeitsminister und Vertreter sonstiger Behörden die feierliche Einweihung des neuen Gebäudes des Internationalen Arbeit s - amtes statt. Der Präsident der Arbcitskonfcrcnz. No lens, gedachte der zahlreichen Vorarbeiten, die seit Jahrzehnten den Grundstein gelegt hätten zu dem Gebäude, das nun ein- gewciht würde, und nannte besonders den tn diesen Tagen verstorbenen Freiherrn v. Berlepsch. Der ArbeitS- minister Frankreichs. Durafour, und der Deutsch» Dr. Brauns knüpften ihre Reden an die Parole „ArbeK und Frieden" an Dr. Brauns hob in seiner Ansprache be sonders hervor, datz das Deutsche Reich seit jeher der inter nationalen Sozialpolitik größte Bedeutung beigemefle» hatte «nd anf diese« Wege vorangeschritten sei. Neue Verhandlungen über -en Dawes-Plan. Berli», 6. Juni. Wie die A. Z." versitzet, werde« der Staatssekretär im amerikanischen Schatzamt, Win sto«, «nd Mr. Stro « g» der Gouverneur der Nenyorker Nundes- reserveba»k, Mitte J«li «ach Berlin kommen, «m mit matz- g«be«de« Persönlichkeiten Besprechungen über eine so, sortis« Revtsio» des Da«es-Abkomme«s z» pflegen. Die SNernbeirajswahlen tn Berlin. Berlin. 6. Juni. Unter großer Beteiligung ans alle» Lagern haben am Sonntag die Wahlen für den Elternbeirat stattgefunden. Ms 10 Uhr lagen ans 329 von insgesamt 581 konfessionellen Schulen folgende Ergebnisse vor: Christ liche «nd politische Liste 2822 Sitze. Sozialistische List« (Schulaufbau) 166, kommunistische Lifte (Kind in Not 138. Dazu müssen noch etwa 350 weltliche Sitze in den weltlichen Schulen gerechnet werden, so datz also den 2822 Sitzen der christlichen und politischen insgesamt 919 Sitze der weltlichen gegenüberstehen. Die Wahlbeteiligung wird anf 55 Prozent geschätzt. <WTB.) Der neue „Freischütz". DresdnerOpernhaus, am 5. Juni. Man hat zum Weber-Gedenktag den „Freischütz" erneuert. Daß gerade die Dresdner Oper bei dieser Gelegenheit nicht auch die beiden anderen Hauptwerke des Meisters wieder her» oorgeholt hat, mag vielfach enttäuscht haben. Aus historischen Gründen wäre bas ja auch wirklich dankenswert gewesen. Rein künstlerisch verkörpert sich der Sinn -es Gedenktages aber ja tatsächlich in einer „Freischütz" - Aufführung am unmittel barsten. Diese fcstgemätze „Freischtltz"°Aufsührung ist offenbar mit »roher Liebe vorbereitet worden, musikalisch sowohl wie auch szenisch. Die musikalische Sette der Aufgabe war ziemlich problemlos. Den „Freischütz" aut zu musizieren, ist für jeden deutschen Musiker, der das Herz auf dem rechten Fleck und ein bißchen Liebe zur Sache hat. leicht. Datz Fritz Rusch solcherart Weber gerecht zu werden weiß, wissen wir auch schon, denn er hat seit Januar 1921 das Werk wiederholt dirigiert. Er drängt dabei seine Persönlichkeit nicht tn den Vorder grund.- höchstens die sehr breitlinigen Temvi sind individuell. Sie wirken abklärend, aber sie schmälern unzweifelhaft manch mal auch — so etiva in der großen Agathen-Szene — den ronmntischcn Ucbcrschwaug der Musik- Gleichsam alS ob unter strichen werden sollte, datz uns -er „Freischütz" längst ein „klassisches" Werk geworden ist. Romantisch wirkt freilich anderseits die lebendige Abtönung der Orchestersarbcn. und bierin, wie in der sauberen Ansfeiluna der von Pembaur studierten Chöre l— der Jägcrchor war freilich in der Dynamik seiner jähen Forte-Akzente überspitzt! —) lag die ganz besondere musikalische Stärke der Aufführung. Schade, -ah in der Melodik nicht anch die empfindsamen Vorhalte ge- macht wurden, die zivar nicht geschrieben -«sieben, aber dnrch Len VortragSstil der Zeit gefordert werden. Ein Prachtstück für sich wurde natürlich die Ouvertüre, die mehr als die Oper selbst auf „Temperament" gestimmt war. Auf der Bühn« war reifste Sttlknnst am Werk«: voran Vogelstrom. dessen Max man auch die Bayreuth» Schule des Künstler» anmerkt. Wenn „Freischütz" in Bayreuth gegeben würde wüßte der Max so gesungen und gespielt werden, wie ihn Vogelstrom gibt: so völlig unvpernhaft. durch und durch erlebt, mit stilvollster Verschmelzung von Gebärde, Ton imd Wort. Auch Elisa StünznerS Agathe ist von dieser Art als rein« und über- »engende Verkörperung deutscher Innigkeit. Auch Ne „spielt" nicht, sondern „ist" Agathe, und jeder ihrer Tön« Kat Seele. Ein prächtiges Gegenstück dazu der schier übermenschlich dämonische Kaspar Scho«z»flin», mit mächtigem Batzton untermalt, ein bestechender „Theaterbösewicht" alter Schule — aber daS mutz er ia sein. Dazu Ermolbj» kernige Ge stalt — ein braver Mann, der Herr Erbförsier. — Bader- Eremit mit seiner wundervoll warmen, tief and Herz greisen- den Kantilene, SchmalnauerS würdig leutseliger Fürst Ottokar, sind nicht minder altbewährte Stützen der „Freifchtttz"-Abende. Neu: AngelaKolniakal- Aennchcn, ganz allerliebst, frisch, inna, lebhaft, gesanaltch schön kultiviert, wie man sich's nnr wünschen kann — Dann Teßmer alS Schützenkönig Kilian, recht beweglich und charakteristisch, im Spottlted vielleicht aber doch zu buffomäßig karikiert. — endlich Erna Berger als süß singende Führerin der Braut jungfern. Mutz man noch Puttlitz, Hermanns, Meyerolbersleben nennen? Es war jedenfalls jeder auf seinem Platze. So sehr unS nun die Musik zum „Freischütz" Hauptsache ist — allein auf sich gestellt darf sie doch nicht bletben. Meister Carl Maria ist der erste gewesen, der immer wieder daS Theatermätzige seiner Kunst betont hat. Webers Musik braucht, um sich ausleben zu können, ihre Bühnenetnkleidung — wir müssen den „Freischütz" nicht nur musizieren, sondern auch in szenieren. Und hier beginnt nun recht eigentlich das Problem jeder heutigen „Freischütz"-Auffithrnng. Man möchte sagen: was man macht, nm dieses Problem zu lösen — man macht'S immer falsch. Macht man die Sache, namentlich den Wolfs schluchtspuk, realistisch, so verstößt man gegen das Gegenwarts empfinden. dem solche szenische Märchcnnaivität meilcnfern liegt. „Stilisiert" man aber, läßt sich's an Andeutungen ge- nügen, dann fühlt sich wieder das historische Stilgefühl ver letzt, »nd vieles Detail von Webers bildhaft entworfener Musik bleibt unverständlich. Ohne Kompromisse so oder so geht eS also ntcht. Unsere jetzige Aufführung hat sich wieder auf den Standpunkt der JllusionStechnik gestellt, und eS ist bewun dernswert, waS Ha satt in diesem Sinne in seiner WolfS- schlucht macht, angefangen von dem lichtbtldnerisch die Felsen heruntergleitenden Wasserfall bis zum kinomätzig vorüber jagenden wilden Heer. Datz dabei die gestaltende Kraft des Lichte» vielfach auögenntzt wird, ist ein Ausweg, der noch am ehesten auf eine moderne Lösung deS Wolfsschluchtproblems zu» führt. Anderseits bedarf doch gerade auch die Ltchtwtrkung Inder neuen Wolfsschlucht noch der weiteren AuSfeilung. Neben der spukhaften mutz insbesondere doch auch der natürlichen Verteilung von Licht und Schatten Rechnung getragen werben, wenn schon einmal eine realistisch gemalte, vom Mond burch- schienrne Felscnschlncht gezeigt wird. Gut war an der neuen Wolfsschlucht auch, daß sich dem optischen der akustische Eindruck gesellte t» Form etner daS Orchester unterstützende» Ge räuschmusik der Windmaschine und ähnlicher Apparate. Nnr das in Generalpauseu ausfallende völlig geräuschlose Gleiten des Wasserfalls wirkte wiederum etwas wunderlich, so gern man auf daS unleidliche Plätschern wirklichen Wassers vcr- Sichtete. Von den sonstigen Dekorationen, die Hasatt gemein sam mit Pältz gestellt hat. ist die erste, mit dem Schenkgicbel auf einer Ebenheit, die malerischste. Nnr ist die Waldstimmung zu wenig betont; man steht zu viel Nundhorizont. Auch die Samielerschetnung an der WirtshauSwand ist ein Mißgriff; der wilde Jäger darf nur tn Busch und Baum sich zeigen. DaS Schlutzbild mit dem Blick ins Elbtal <?) und der Burgruine schmeckt etwas nach Gartcnlaubensttl; auch der grobe herbstische joder verdorrte?) Baum bringt mit seinem knalligen Gelb einen zu scharf dissonierenden Ton in die Landschaft. Der Ge danke. den Samicl zuletzt noch tn diesem hohlen Baum er scheinen zu lassen, ist gut. Verfehlt hinwiederum bie jähe Ge- wttterstimmung, die bet Maxens Unglücksschutz kommt, um beim Auftritt beS Eremiten wieder zu verschwinden: solche Stimmungsmache mit dem Zaunpfahl reizt zum Lächeln. Von den beiden Jnnenräumen ist das Wohnzimmer angemessen schlötzchenhaft, winkelig, das Agathenzimmcr aber zu groß un- nüchtern. Auch das Fehlen des HauSaltarS wirkt störend. Die Freischühlegend« ist katholisch durch und durch und spielt in katholischen Landen. Da kniet keine Agathe auf einem nüch ternen Betschemel vor der leeren Wand. Ein Wcihwasser- kesselchen, ein Kruzifix, Madonnen- oder Heiligenbild müssen tnS Zimmer, am besten auch noch ein ewiges Licht. Doch sind daS alles ja auch schon Negicfragen, und man känn alS Außenstehender in solchen Fällen nicht wissen, auf welches Ressort jede Anregung »urücksällt. Beim „Freischütz^ ist das diesmal noch besonders schwierig, weil er zwei Regisseure hatte. Mora hat die Arbeit daran anaefangen, Staegemann hat sie vollendet: der eine war durch die Marschroute des andern vermutlich gebunden, versuchte aber dann doch wohl auch wieder eigene Wege zu gehen. Jeden- ällS Ist anch an -er Regie die sorgfältige Durcharbeitung anzuerkennen gewesen. Aber ohne Bedenken ging cs auch hier ntcht ab: Wo war zum Beispiel der Jnngfcrnkranz, daS Symbol einer der volkstümlichsten Melodien deS Werkes? Warum ein so sehr trauermarschmästigcr Abgang der Braut- ungfern und -er beiden Förstermädchcn, statt schnell den Vor hang sollen zu lassen und die viel zu lange Verwandlungs pause möglichst abzukürzen? Warum auch nicht eine etwas rcndigere Aufmachung -er Jägcrgruppe Im Schlußbild? Wrst Ottokar redet von den „Freuden des Mahles" s— „und des Bechers" ward überflüfsigcrwcise noch hinzngedlchtet — aber zu sehen war wenig davon. Warum verschwindet
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