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Man meldet aus Wien: Uebcr den Orkan vom 28. Juli liegen jetzt Prag, 1. August. Gestern Nachts fand im Judenviertel eine Straßen- demenstration statt, in Folge eines Gerüchtes, ein Jude habe wegen eines Dieb stahls einen Hausknecht erschlagen. Es rückten Truppen zur Unterstützung der Anordnungen der Behörden renitent und jeder irgendwie beschaffene Anlaß wird benutzt, um eine kleine Demonstration zum Aerger der Russen in Scene zu setzen. Die nationale Strömung ist gegenwärtig im Lande so allgemein ver breitet, daß selbst die Besonnensten dadurch fortgerissen werden, oder wenigstens es nickt mehr wagen, ihr mit Besorgniß entgegen zu treten. Daß zwischen Kalisck und Lowicz eine russische Truppenansammlung bis zur Stärke von 30,000 Mann jetzt stattsindet, ist bereits gemeldet worden. — In unserm Greßherzcgthum ist die Gesinnung dieselbe, wenn sie auch eine andere Form des Ausdrucks annimmt. Die polnischen Blätter bringen absichtlich Artikel, die keinen andern Zweck haben, als ccnsiscirt zu werden und dadurch Aufsehen zu erregen. außer Prag auch Berichte aus Brünn, Olmütz, Preßburg, Pesth, Linz, Salz burg und aus Breslau vor. Ueberall scheint der Sturm gleich firchtbar ge ¬ halten heute folgende Note: „Eine ziemlich ernste Scene hat sich in Nom er eignet. Sie beweist, bis zu welchem Punkte die Gesinnungen gewisser Mitglieder der päpstlichen Regierung von denen verschieben sind, welche den Papst beseelen, der nie von dem Kaiser spricht, ohne von der ihm schuldigen Erkenntlichkeit Zeugniß abzulcgen. In einem kürzlich zwischen einem römischen und einem französischen Soldaten wegen einer Frau vorgekcmmenen Streite wurde letzterer verwundet. Nach den bestehenden Eonvcntionen mußte der päpstliche Soldat unsern! Kriegsgerichte übergeben werden, und General Goyon reclamirte ihn. Widerstand seitens des Herrn de Merode. Ter General wandte sich an den Cardinal Antonelli, welcher die Nichtigkeit der Neclamation anerkannte und die derselben entsprechenden Besehle gab. Neue Weigernng seitens des Herrn de Merode. Tie Frage wurde nun dem Papste vorgelcgt, der Herrn de Merode besaht, den Soldaten auszuliesern. Eigensinniger Widerstand des Herrn de Merode gegen diesen höchsten Beseht! Er begab sich in größter Aufregung und mit drohender Geberde zum General Goyon und stieß in der Unterredung die beleidigendsten Worte gegen den Kaiser Napoleon aus. Ter General legte ihm nun Stillschweigen auf und sagte ihm, daß, da er ihm wegen seiner geist lichen Tracht nicht zwei Ohrfeigen geben könne, er sie ihm in moralischer Weise applicire. Er fügte hinzu, daß, wenn Herr de Merode seine geistliche Tracht Polizei aus; mehrere Personen wurden arretirt. Frankreich. Paris, 30. Juli. „Pays" und Constitutionell" ent- Wien, 1. August. In der heutigen Sitzung des Abgeordnetenhauses wurde das Lehensgesetz in dritter Lesung angenommen. Graf Albert Rostiz und Graf Clam-Martinitz und die tschechische Rechte richteten eine Interpellation an das Gcsammtministerium betreffs der im Abgeordnctenhause vorgekommenen Ausfälle gegen die Krone Böhmens ; die Interpellanten fragen, ob das Mi- i nisterium diese Ausfälle billige oder die Solidarität dafür ablehne. Tas Ge rücht, daß der Präsident des Abgeordnetenhauses, Ur. Hcin, abgedankt habe, ist grundlos. Wien, 2. August. Die von den hiesigen Blättern mit einem gewissen Geheimniß umgebene Reise des Kaisers nach Salzburg hat keinen andern Zweck, als die Begrüßung der erhabenen Tante Sr. kaiserlichen Majest., der verwittw. Königin von Preußen, die bekanntlich jetzt in dem Salzburg benachbarten Rei chenhall verweilt. Auch ist Se. Majest. der Kaiser uicht vom Oberstlieutenant Friedl, sondern von seinem ersten Generaladjutanten, Grafen Crenneville, be gleitet. Eine Privatdepesche ans Wien, welche das „Pays" unter allem Vorbehalt entgegennimmt, zeigt an, daß die Regierung Franz Josephs auf dem Punkte : stehe, sich mit Rom über beträchtliche in dem Concordat vorzunchmende Verän- ' derungen zu verständigen. (Wenn's doch wahr wäre und wahr würde!) welche im Königreich wieder die Oberhand gewonnen zu haben scheint, darauf i auSgeht, eine neue Katastrophe herbeizusühren. Ueberall zeigt sie sich gegen die ! wüthet zu haben. Aus der nächsten Umgebung von Wien erfährt man noch, ; daß der Orkan in Lainz ein Hausthor ausgchoben hat, durch welches zwei ' Kinder, die hinter dem Thore saßen, erschlagen wurden. Aus KarnburH vom 31. Juli berichtet die dortige „Reform": „Ter 1 Lieutenant a. T. St. Nanne ging in Hamburg zum Baron Merck, um einen Beitrag zur Errichtung einer deutschen Flotte zu erbitten. Merck kannte den Besucher nicht und wollte überhaupt nichts von der Herstellung einer deutschen Flotte aus Volksmitteln wissen. Seiner Meinung nach müßten die Fürsten sich ' der Sacke annehmen, sonst würde nichts daraus. Ter Offizier stritt gegen diese Ansicht uno behauptete, das deutsche Volk könne aus eigener Kraft eine - deutsche Flotte schaffen. Ein Wort ergab das andere und Merck äußerte Plötz- z lich: „Ich wette 100,000 Thlr. gegen 3 Pf., daß aus der Geschichte, welche ! Sie angefangcn haben, nichts kommt." „Das nehme ich an", sagte der Ossi- j zier und empfahl sich. Bald darauf erscheint er bei dem Notar Schramm, j deponirt seine 3 Pf. und läßt Merck auffordern, seine 100,000 Thlr. zu de- ponircn, es sei wegen Leben und Sterben. Er hoffe die Wette zu gewinnen z und wolle dann das Geld nicht für sich, sondern sür die deutsche Flotte ver- ' wenden." Bei dem Schützenfest in Bremen kamen an der Scheibe für die deutsche . Flotte etwa 195 Thlr. ein. s ' ' . ' . - nach Weimar, dorthin gegangen, einen befriedigenden Eindruck hinterlassen. Es hatten sich zu diesem Feste über 1000 Sänger aus gegen 40 verschiedenen Ortschaften des VoigtlandeS eingefunden. Die Feier an den beiden Haupttagen — Montag und Dienstag — war in erfreulicher Weise vom Wetter begünstigt, so daß das nasse und stürmische Entree am Sonntage wohl verschmerzt werden mochte. Den Ehrenpreis beim Wettsingen erhielt die hiesige Geraer Lieder tafel. Se. Durchlaucht der Erbprinz j. L. Reuß, welcher dem Feste schon vorher seine Theilnahme zugewendet und namentlich den gedachten Ehrenpreis, einen silbernen Pokal, gespendet hatte, widmete auch der Festfeier selbst die huldvollste Theilnahme, welche sich insbesondere in den, von Hochdemsclben an die in Heinrichsruhe versammelten Sänger gerichteten Worten aussprach. Die Stadt Schleiz endlich hatte alles Mögliche gethan, um ihren Gästen einen an- muthigen Empfang zu bereiten und auch ihrerseits eine dankbare Erinnerung an die Festtage in ihnen zu hinterlassen, die, wenn auch nicht durch hervorragende Kunstgenüsse ausgezeichnet, doch schon um ihres heitern, geselligen und patrioti schen Charakters willen echte Festtage waren. Preusten Berlin, 30. Juli. Der deutsche Juristentag nimmt hier immer mehr die allgemeine Aufmerksamkeit in Anspruch. Man sreut sich, daß die Bestrebungen desselben in den maßgebenden Kreisen eine immer höhere Anerkennung finden. Die Bestrebungen der preußischen Negierung, eine all gemeine deutsche Civilproceßordnung herbeizusühren, sind iu neuester Zeit durch die Absendung des geh. Oberjustizraths vr. Friedberg an mehrere deutsche Justizministerien, insbesondere zu Stuttgart, Karlsruhe und Dresden in ein neues Stadium getreten und werden hier von allen Denen freudig begrüßt, welche hierin ein neues Zeichen dafür erblicken, daß die hiesige Regierung ein so wichtiges Unternehmen nur im Einverständnisse mit den übrigen Landesre gierungen und unter freier Mitwirkung derselben einleiten will. Was insbe sondere noch die Wahl Dresdens zum Juristentagsitze sür dieses Jahr anlangt, so wurde sie bekanntlich ausdrücklich auch durch den Hinweis auf die hohe wissenschaftliche Bildung ihres Königs und dessen lebhaftes Interesse sür die Jurisprudenz motivirt. Diese Huldigung hat hier großen Beifall gefunden, da man hier weiß, wie wahrhaft bedeutend die Leistungen Ihres Königs auch auf dem juristischen Gebiete sind, und wie diese Huldigung so recht eigentlich von der gesammtcn Juristcnwelt Deutschlands getheilt wird. Ebenso hat der Beitritt der Justizminister Sachsens und Würtembergs hier große Anerkennung gefunden. Nicht minder ist in diesen Tagen der österreichische Justizminister v. Pratobevera und der Sectionschef im Justizministerium zu Wien, v. Rizy, (bekanntlich einer der angesehensten Juristen Oesterreichs) beigetreten. Berliner Blätter melden vom 1. August, daß die Reise des Königs nach Chalons nun feststehe, und daß Se. Maj. von Ostende aus am 22. August iu das französische Lager reisen werde. Der Ausenthalt daselbst sei aus drei Tage festgesetzt. Bon Chalons begebe Se. Maj. sich nach Ostende zurück, um dort die Cur bis gegen Mitte September fortzusetzen. Aus dem Großherzogthum Posen, 20 Juli (Fr Pz) Es unterliegt wohl kaum noch einem Zweifel, ^daß die polnische Agitationspartei, Oesterreich W.ien, 30. Juü. Heule endlich hat Graf Reckbcrg die Interpellation Rechbauer's über die kurhessischen BerfasiungSaugetegcnheiten beantwortet. Graf Rechberg gehört zu den Diplomaten der alten Metternich'- fchen Schule, denen der Constitutionalismus eigentlich als eine arge Ketzerei vorkommt, den sie daher auch so viel als thunlich ignoriren. Graf Rcchberg hat sich darum auch nicht beeilt, dem tiroler Abgeordneten Rede und Antwort zu stehen, und erst als dieser entschieden darauf gedrungen, ist er fo liebens würdig gewesen, ihm und dem Hause überhaupt eiue kleine diplomatische Vor lesung zu halten, von der aber leider niemand recht ecbaut wurde. Ter Mi nister des Auswärtigen beginnt damit, zn erklären, daß er eigentlich versafsungS- gemäß nicht verpflichtet gewesen wäre, diese Interpellation zv beantworten. Trotzdem aber gab er die feurigsten Versicherungen seiner Vorliebe für die verfassungsmäßige Freiheit Kurhcssenö, die sehr rührend klangen und die dem Hause gewiß zum großen Vergnügen gereicht hätten, wenn dieselben nicht im Widerspruch mit seinem persönlichen Antheil an den hessischen Vcrsasfungswirren ständen. Tas Haus nahm daher seine Erklärungen mit eisiger Kälte entgegen und bewies ihm durch die Gleichgültigkeit, wie wenig Sympathie seine aus wärtige Politik im Lande findet. Daß übrigens Graf Rechberg deshalb seine Stelle niederlegen werde, ist sehr zu bezweifeln, um so mehr, da der Kaiser persönlich einen großen Werth aus die Dienste des Grafen legt, der im Mi- nisterrathe fast allein die Tradition des alten Oesterreich rcpräsentirt. Wien, 31. Juli. Glaubwürdigem Vernehmen nach hat der Staatsmi- nister die von dem evangelischen Obcrkirchcnrathe genehmigten Statuten zur Gründung eines Zweigvereins der evangelischen Gustav-Adolph-Stiftung zur Kenntuiß genommen, nnd diesen Statuten auch seinerseits die Genehmigung ertheilt.