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Frankreich- Man vernimmt, daß der Kaiser in Betreff Mexico'S ganz besondere und bei ihm vollständig zum Abschlusse gelangte Pläne hege. Er will aus Mexico eine Monarchie machen und hält jetzt schon einen Eankidaten in Bereitschaft, der kein Franzose, kein Engländer, kein Spanier, wohl aber vielleicht ein Italiener wäre. Tie Schlesische Zeitung entnimmt Folgendes einem Privatbriefe aus Biarritz, wo die kaiserliche Familie von Frankreich bekanntlich im September dieses Jah res wieder das Seebad gebraucht hat: „ES ist 5 Uhr Nachmittags, die größte Hitze ist vorüber. Setzen wir uns auf diese Bank, denn noch brennt der Sand an den Füßen. Dort kommt schon die Militärmusik. Sie versammelt um sich alles, waS es an Aristokratie, Kindern und Bonnen in Biarritz giebt. Ich habe Ihnen eine Ueberraschung bereitet, dort naht sie; d. h. es naht „der Mann dieses Jahrhunderts," Napoleon III. Bleiben sie nur ruhig sitzen ; er kommt schon hier vorbei und wir können ihn dann mit Muße betrachten, denn sein Gesicht ist nicht schön, um es mit Einem Blick zu sehen und zu genießen: es ist tief, es will fiudirt sein. Da naht er, und wie ich werden Sie aus- rufcn: Wie ganz anders als ich dachte! Ein blauer Ueberrock, graue PantalonS, hoher schwarzer Hut und gelbe Handschuhe. Das sind die Aeußerlichkeiten. Er kann nicht gut marschiren und reicht seinem einzigen Begleiter den Arm. Er ist fast klein, aber der Kopf war für einen großen Körper bestimmt. In der Kleinheit wenigstens gleicht er seinem großen Onkel. Anstatt des dunkeln Mannes finde ich ihn fast blond, die Augen kleiner, aber durchdringender als ich dachte. Grüßen wir, er nimmt dankend mit aufmerksamem Blick den Hut ab. Weiter geht er, kein Ruf, kein Vivat ertönt. Die Bevölkerung soll ihn lieben, aber sie ist nicht enthusiastisch. Er tritt durch die enge Gitterthür wieder in seinen Garten; wir können ihm immer noch beobachten, denn nichts als ein leichtes Gitter trennt die kaiserlichen Besitzungen von uns. Vor dem Schloß angelangt, trifft er mit der eben herabsteigenden Kaiserin zusammen; er reicht ihr den Arm und steigt noch einmal herab. Jetzt läuft alles und bald ist eine enge Gaffe gebildet, wo das Kaiserpaar gehen wird. Alle Hüte werden schweigend gezogen. Sie ist wirklich schön. Sie würden sie nicht erkannt haben? Das glaube ich wohl; denn ein lila- und weißwollener Rock, der nur bis zum Stiefelrande reicht, darüber eine einfache, graue Robe mit loser Jacke geschürzt, einen Ama zonenhut mit schwarzer Feder, einen Sonnenschirm in der einen, den Spazier stock in der andern Hand: so schreitet die Beherrscherin der Moden einher. Die Dame in tiefer Trauer ist ihre Mutter, die Gräfin Montijo. Beide trauern noch um die Herzogin v. Alba, in wenigen Tagen aber ist das Trauerjahr um. Tie Kaiserin ist meiner Ansicht nach etwas leidend, wenigstens sehr blaß; ihr blondes Haar ist lose in ein feines Netz gesteckt, ihr Auge groß und blau; sie lächelt — und nun ist sie wirklich reizend. Ihre Figur ist prachtvoll; sie ist fast ebenso groß als der Kaiser. Und nun treten Sie noch mit mir an jenen dicht gedrängten Kreis. Da ist der kaiserliche Prinz; er hat gebeten, tanzen oder spielen zu dürfen. Die Musik muß Tänze spielen. Schnell werden alle um stehenden ordentlichen Kinder herbeigeholt und die Kleinen spielen, daß es eine Lust ist. Man muß dem kleinen Prinzen gut sein; er ist für sein Alter ziem lich groß, zierlich und schlank gebaut, hat ein rundes frisches Gesicht mit den großen blauen Augen und blonden Haaren seiner Mutter; er springt umher, der wildesten einer, aber ohne alle Vorrechte. Er ist einfach gekleidet; ein schottischer Rock nnd eine feine weiße Chemisette mit loser schwarzer Kravatte, ein Matrosenhut mit blauem Bande auf die blonden Locken gedrückt: so habe ich ihn bis jetzt noch alle Tage gesehen; die schottischen Strümpfe sind statt mit Strumpfbändern mit einem langen Elastique an den Gürtel gebunden; es sieht drollig aus; aber nichts soll die Symmetrie der kleinen Formen stören.! So ist das Kind von Frankreich. Wird Ihnen nicht auch das Herz weich,/ wenn Sie ihn so fröhlich spielen sehen? Wo, was wird sein Ende sein?.?^ England. Berichten aus Lancashire zufolge wird die Arbeitsstockung in den dortigen Fabriken immer fühlbarer. Von 842 Fabriken arbeiten 295 volle Zeit, während in 75 nur noch 5, in 305 vier,' in 118 drei Tage und in 49 gar nicht mehr gearbeitet wird. Von 172,257 in diesen Etablissements sonst voll beschäftigten Arbeitern sind gegenwärtig nur noch 64,393 voll beschäf tigt, 15,572 arbeiten fünf, 55,397 vier und 28,832 blos drei Tage in der Woche, während 8063 Arbeiter ganz ohne Verdienst sind. Die Zahl der feiern den Arbeiter ist eher zu niedrig als zu hoch gegriffen, da die vielen kleinen Etablissements, denen der Athem früher ausgegangen ist, nicht mitgezählt sind und von den 400 bis 500 Fabrikanten Lancashires werden vielleicht nicht 100 im Staude sein, die nächsten vier Monate auch nur Halbzeit arbeiten zu lasten. Sie fabriciren jetzt schon mit augenscheinlichem Verluste, und darum ist es nicht zu verwundern, daß viele entschlossen sind (und ihren Arbeitern den Entschluß bereits mitgetheilt haben), ihre Arbeit gänzlich einzustellen, so wie ihr gegen wärtiger Baumwollvorrath aufgezehrt sein wird. kulturgeschichtliches Die Baumwolle. Das eigentliche Vaterland der Baumwolle ist Indien, wo zu HerodotS Zeit (geb. 484 vor Christi) Baumwollenzeuge die allgemeine Kleidung der Einwohner waren. Sie besitzen, sagt er, eine Pflanze, die statt der Frucht eine Wolle hervorbringt, die der Schafwolle ähnlich, aber nock feiner und bester als diese ist. Auch Arrian als späterer Schriftsteller (150 nach Christi) erzählt, daß die Indier ihre Kleider aus einer Art Flachs verfertigen, der überaus fein und weich sei und auf den Bäumen wachse. Man verfertigte in Indien baumwollene Stoffe von verschiedener Art und Feinheit, gestreifte Zeucht, Shawls, Gürtel, feine Mousseline, grobe, mittelfcine und einfarbige Zeuche und zu allen Zeiten behaupteten diese Zeuche den Ruf fast unglaublicher Vollendung und Feinheit. Von Indien verbreitete sich der Anbau der Baumwolle nach Verderasien, Persien, Medien, Babylonien, nach Aegypten und durch die Phöuizier uach Griechenland, Malta, Sicilien und Spanien, älter aber ist hier die Verarbeitung des Flachses. Columbus fand in Amerika die Baumwollenstaude. Die Baum- wollenpftanzen, welche zwischen dem 43" n. und 43" südlich fortkommen, sind verschiedener Art. In Ost- und Westindien wächst der Baumwollenbaum, von dem eS 5 Arten giebt, nämlich einen mit röthlicher, einen mit rothgelber, mit schmutzig weißer, mit grauer und endlich brauner Wolle. Letztere ist kur; und fast nur zu Matratzen und groben Zeuchcn tauglich und wird nicht ausgeführt. Von der Baumwollenstaude giebt es ebenfalls 5 Arten, sie hat Ostindien zum Vaterlande und kam von da nach Afrika, Amerika, auf die griechischen Inseln, auf Malta, Sicilien, nach Italien und versuchsweise nach Südfrankreick. Als Columbus auf seiner dritten Reise nach Südamerika kam, saud er, was früher nicht gewesen, die Einwohner mit einem bunten baumwollenen Tuche um den Kopf und einer baumwollenen Schürze bekleidet. Bei den Mexikanern war die Baumwolle fast das einzige Kleidungsmaterial und die Stoffe zeichneten sich wegen ihrer Feinheit durch Schönheit der Färbung aus, welche ihnen die Mexikaner mit Hülfe des Indigo und der Cochenille zu geben wußten. Alle Frauen woben in ihren Wohnungen Wolle von Lama und Baumwolle und verfertigten daraus Kleidungsstücke. Die Cultur der Baumwollenstaude war nebst der Verarbeitung den Be wohnern der Inseln und deS amerikanischen Festlandes bekannt, und man fand eine große Masse Baumwolle bei ihnen angehäuft, welche die Europäer durch Tausch und Kauf später an sich brachten. Der Sohn des Columbus erzählt, daß ein Indianer für 3 Kupfermünzen in St. Salvator 4 Centner Baumwolle verkauft habe. Die Cultur dieser Staude erhielt erst, obgleich lange durch die Spanier in ihrem Interesse zurückgehalten, 1680 in Karolina und 1737 in Surinam ihren Anfang und wurde durch die Europäer sehr vervollkommnet. Als Ausfuhrartikel kam aus Amerika, und zwar aus Carolina 7 Ballen, 1747 und 1781 die erste aus Brasilien in den Handel; die Engländer kannten jedoch die Baumwolle schon längst als Handelsartikel und ein amerikanisches Schiff wurde 1784 mit 8 Ballen amerik. Baumwolle aus den Vereinigten Staaten in England weggenommen, da die Zollbeamten amerikanische Baum wolle nicht kannten, so neu und unbekannt war in den achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts die Ausfuhr aus Amerika. Tie Inseln Westindiens er zeugen jetzt schon viel Baumwolle und in Aegypten ist die vernachlässigte Cultur wieder in große Aufnahme gekommen, so daß in dem Jahre 1822 erst 940, im zweiten Jahre darauf schon 15000 Centner von daher in den Hanoel kamen. In Italien hat sich der Anbau durch die Concurrenz von Amerika und Aegypten zur Zeit sehr vermindert, obgleich Sicilien und die römischen Staaten Baum wolle mit dem glücklichsten Erfolge erzeugt haben. Die brasilianische Baum wolle wurde seit 1831 auch in Algier eingeführt und die Engländer haben die amerikanische Baumwollenstaude seit 1842 in Ostindien angepflanzt, deren Er trag schon 1845 eine Million Pfund zu geben versprach. Da Europa die ägyptische, levantische und amerikanische Wolle viel näher beziehen kann, so bleibt fast die ganze ostindische Ernte in Asien. Im Jahre 1840 —41 wurde erzeugt: durch die Vereinigten Staaten von Nordamerika 1,799,000, Brasilien 105,000, Peru 35,000, Surinam 45,000, Westindien 36,000, Britisch Ostindien 260,000, Aegypten 90,000, Kleinasien 60,000 Ballen; hierzu lieferte noch Europa als Selbsterzeugniß 25,000 Ballen. Die Ernte betrug im Ganzen 2,470,000 Ballen L 440 Pfund. Davon wurde verbraucht: in England 1,200,000, Frankreich 370,000, Vereinigte Staaten 287,000, Oesterreich 115,000, Deutschland 90,000, Belgien 58,000, die Schweiz 32,000, Holland 25,000 Ballen. Wie wir schon oben bemerkt haben, ist Ostindien die Heimath der Baum wolle und auch dasjenige Land, wo sie zuerst in unerreichbarer Feinheit verar beitet wurde. Manche Gewebe werden so fein geschildert, daß sie eher von Feen oder Insekten als von Menschenhänden gefertigt schienen. Zwei Araber, die im 9. Jahrhundert Indien besuchten, erzählen uns, daß Kleidungsstücke dort gefertigt werden, die beinahe völlig durchsichtig seien, und so fein, daß ein ganzer Rock durch einen mäßigen Fingerring gezogen werden könne. Ein venetianischer Kaufmann, der 1563 Indien besuchte, bescheinigt, daß sich auch dieser Ruhm in späterer Zeit erhalten habe, obgleich die unvollkommenen Webstühle zu jener Zeit den europäischen jetzt vorhandenen Webmaschinen bedeutend nachstehen. Im Schatten eines Baumes schlägt der Hindu seinen aus Bambusrohr gefertigten Webstuhl auf und beginnt das langsam fortschreitende Tagewerk, wo er Stoffe fertigt, die man kaum in der Hand fühlt und deren Fäden mit blosem Auge