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Voiglländischtr Anzeiger. Amtsblatt für das Königliche Bezirksgericht zu Plauen, sowie für die Königlichen Gerichtsämter und Stadträthe zu Plauen, Pausa, Elsterberg, Schöneck und Mühltroff. Zmeümd siebenzigster Jahrgang. Verantwortliche Redaction, Druck und Verlag von Moritz Wieprecht in Plauen. Dieses Blatt erscheint wöchentlich dreimal, und zwar Dienstags, Donnerstags und Sonnabends. Jährlicher Abonnementspreis, welcher prLumnoralläv zu entrichte» ist, auch bei Beziehung durch die Post, I Thlr. 10 Ngr. — Annoncen, die bis Vormittags 11 Uhr eingehen, werden in die TagS darauf erscheinende Nummer ausgenommen, später eingehende Annoncen finden in der nächstfolgenden Nummer Aufnahme. — Inserate werden mit 1 Ngr. für die gespaltene Lorpus-Zeile berechnet. Einzeilige mit 2 Ngr. — Für die auswärtigen Königl. GcrichtSämter und Stadträthe, sür welche der Voigtländische Anzeiger Amtsblatt ist, bestehen die Geschäftsstellen in Pausa bei Herrn Bürgermeister Leh- mantl, in Elsterberg bei Herrn L. A. Diezel, in Schöneck bei Herrn Eduard Meyer, in Mühltroff bei Herrn Lhausseegelder-Einnehmer Holzmüller. Sonnabend. R2O« 2K- October 1861. Zeitungen. Sachsen. Dresden, 22. October. Das Gewerbegesetz ist pu- blicirt; das heute ausgegebene 10. Stück des Gesetz- und Verordnungsblattes enthält dasselbe. Das Gesetz trägt als Datum den 15. October d. I. und in Gemäßheit seines letzten Paragraphen (§. 127) tritt es mit dem 1. Januar 1862 in Wirksamkeit. Dasselbe Stück des Gesetz- nnd Verordnungsblattes enthält noch drei fernere auf das gedachte Gesetz bezügliche Publicationen von gleichem Datum, nämlich unter Nr. 05: Gesetz, die Entschädigung für Hinweg fall gewisser Verbietungsrechte betreffend; Nr. 96: Gesetz, die Errichtung von Gewerbegerichten betreffend und Nr. 97: allerhöchste Verordnung, die Einfüh rung des Gewerbegesetzes in der Oberlausitz betreffend. — Die zum Theil umfänglichen Ausführungsverordnungen zu der neuen Gewerbegesetzgebung werden, wie wir vernehmen, demnächst zur Veröffentlichung gelangen. (Wenn die Aus führungsverordnung, ohne welche Vieles im Gesetze nicht klar zu machen ist, erschienen sein wirv, wollen wir, will's Gott, in der Hauptsache Auszüge geben.) In Leipzig haben am 20. gegen 2000 Turner aus der Stadt und den umliegenden Dörfern mit 16 Fahnen einen Auszug nach dem großen Denk steine gehalten, dem Abends eine Zusammenkunft in der Restauration des Kuh thurms gefolgt ist. Freiberg, 21. October. Uuweit „Mönchenfrci", einem Gasthofe in dem Walde zwischen Erbisdorf und Großhartmannsdorf, ist in vorvoriger Woche ein auf seinem Wagen die Straße passireuder Mann aus Clausnitz in den Abendstunden von einem Kerl angefallen worden und nur dadurch weiterer Gefahr entgangen, daß er dem mit einem Messer auf ihn Eindringenden seine Baarschaft, nm sein Leben flehend, übergeben hat. Der Räuber ist zur Zeit noch unentdeckt. Nur kurze Zeit zuvor war ein anderer, der dieselbe Straße zog, durch einen ihm sich zugesellenden unbekannten Mann, während des Ruhens resp. Schlafens am Graben, um nicht weniger als 20 Thlr. bestohlen worden. Auerbach, 20. October. Gestern Abend gegen 8 Uhr meldete das Sturmgeläute ein Feuer im Innern der Stadt. Es brannte das Petzold'sche Haus in der Plauenschen Straße. Bei der herrschenden Windstille gelang es der schnell herbeigee'lten Spritzenmannschaft, das Weitergreifen des Feuers zu verhindern und die gegenüber stehenden Scheunen zu erhalten. Seit mehreren Jahren ist dieses Haus nun zum dritten Male abgebrannt. Preußen. Berlin, 22. Octbr. Der Königseinzug. Es ist geradezu unmöglich, den Festschmuck zu beschreiben, in welchem Berlin beim heu tigen feierlichen Einzuge des gekrönten Königs-Paares prangte, und man kann nur sagen, daß selbst Diejenigen, die schon viel Derartiges gesehen, doch etwas Aehnliches noch nie geschaut zu haben versichern. Um einen passenderen Ein gang zur Stadt zu gewinnen, als ihn der gewöhnliche Bahnhof bietet, hatte man vor Nummelsburg eine Zweigbahn nach der Frankfurter Chaussee abge- zweigt und hier einen prachtvollen Pavillon mit hoher Kuppel zum ersten Empfang gebaut. Im Hintergründe desselben befand sich eine Copie der Rauch'schen Victoria. Den Eingang vom Perron bildete ein Bogenthor mit der Inschrift: „Willkommen dem gekrönten Königspaar." Das letztere wurde hier unter unbe schreiblichem Jubel der zahlreichen Volksmassen von einer Deputation der Ge meindebehörden festlich empfangen. Nach einem eingenommenen Gabelfrühstücke bewegte sich nun der Festzug nach dem Schlosse durch ein Spalier von circa 50,000 Gewerken mit ihren Fahnen und Insignien und unter fortwährendem Jubelruf. Alle Straßen dahin glichen einem fortgesetzten, von Guirlanden ge bildeten Triumphbogen, alle Häuser waren buchstäblich mit Kränzen, Teppichen und Blumen bedeckt. Daneben die zahlreichen Tribünen und Schaugerüste, die zum Theil sogar auf den, zu diesem Behufe abgedeckten Dächern angebracht waren. Einen besonders hübschen Anblick boten auch die zwei Reihen reich be wimpelter Masten, welche den ganzen Weg begrenzten und unter einander durch grüne Gewinde verbunden waren. Unter den Frankfurter Linden waren in an gemessenen Entfernungen 16 roth drapirte Tribünen ausgestellt, von denen weiß gekleidete Schülerinnen Blumen streuten. An die Kurfürsten- wie an die Königs brücke waren von beiden Seiten Schiffe herangefahren, ebenfalls bunt bewimpelt und von beiden Seilen durch Guirlanden verbunden, so daß die Brücken ebenfalls reizenden Triumphbögen glichen. Die beiden stumpfen Pyramiden des Frank furter Thores waren in Postamente sür colossale Blumenkörbe umgewandelt, die mit Schilfen und anderen großblättrigen Pflanzen gefüllt waren. Hier hielt der Oberbürgermeister Kxausnick eine längere Ansprache an den König, worauf der selbe Folgendes erwiderte: „Ich sage Ihnen Meinen innigsten, wärmsten und herzlichsten Dank für den Empfang, den Sie Mir bei dem Einzuge in Meine Vaterstadt bereitet. Ich komme soeben von der anderen Residenz mit Gefühlen, welche Ich nicht schildern kann. Ich war dort mit Meinen verewigten Eltern unter ganz anderen und sehr trüben Verhältnissen, und jetzt habe Ich eine Feier dort begangen, die bisher nur einmal stattgefunden hat. So liegen Schmerz und Freude nahe beisammen und dies giebt den Wink, stets nach oben zu schauen und Gott zu danken für die Gnade, die er Mir so sichtlich gewährt hat. Darum habe Ich die Krone von Gott empfangen, sie von Gottes Tisch genommen und auf Mein Haupt gesetzt, auf daß Ich sie in Demuth trage, weil er sie Mir verliehen. Mögen die Gefühle dauernd bleiben, die Sie Mir soeben ausgesprochen. In Mir werden Sie stets den Vater des Volkes finden." Eben so herzlich dankte die Königin, an welche der St.-V.-Vorst. Lüttig eine Ansprache hielt. Der König (zu Pferd) trug die große Generalsuniform; die Königin (im goldenen Krönungswagen, dem voran drei sechsspännige Gala wagen fuhren) ein weißes Spitzenkleid, den Hermelinmantel darüber und einen kostbaren Vrillantschmuck. Und weiter bewegte sich nun der Zug, der von einem Theil der Gewerken (worunter ein starkes Corps berittener Bürger im stattlich sten Schmucke) eröffnet, und von noch zahlreicheren Gewerken (darunter z. B. die Maschinenbauer 10,000 Mann stark) geschlossen wurde, nach dem Alexander- Platze, wo eine imposante Ehrenpforte errichtet war. Sie ist in gar keinem Style, ein Phantasiestück, wie es sich für ein Gebäude schickt, das seine Bestim mung in wenig Minuten erfüllt, leicht und farbenreich, wie ein Traumbild — außen lichtgrün mit Goldleisten und dunklen Tannengewinden, die beiden Bogen fenster neben der Durchfahrt mit violettem Sammet verhängt, das Innere der Durchfahrt mit Weiß, Rosa und Gold ausgeschlagen und mit den Büsten früherer Herrscher geziert. Auf der Zinne steht ein Adler von 20 Fuß Flügel spannung; in den vier Ecken steigen Mastenthürme auf, weiß lackirt, mit Grim umwunden; der Mastkorb ist ein Blumenkorb, aus dem die reich vergoldete Wimpelstange hoch über die höchsten Gebäude hervorragt. Hier harrten des Königspaareö 112 junge Mädchen. Sie waren alle weiß gekleidet, trugen Schulterschärpen von weißem Atlas mit Achselschleifen in den preußischen und