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Voiglländ i scher Anzeiger. Amtsblatt für das Königliche Bezirksgericht zu Plauen, sowie für die Königlichen Gerichtsämter und Stadträthe zu Plauen, Pausa, Elsterberg, Schöneck und Mühltroff. Zmeirmdsiebenzigster Jahrgang. Verantwortliche Redaction, Druck und Verlag von Moritz Wieprecht in Plauen. Dieses Blatt erscheint wöchentlich dreimal, und zwar Dienstags, Donnerstag- und Sonnabends. Jährlicher Abonnement-Preis, welcher xnäuumeraaäo zu entrichte» ist, auch bei Beziehung durch die Post, 1 Thlr. 10 Ngr. — Annoncen, die vis Vormittags II Uhr eingehen, werden in die TagS darauf erscheinende Nummer ausgenommen, später eingehende Annoncen finden in der nächstfolgenden Nummer Aufnahme. — Inserate tvcrden mit I Ngr. für die gespaltene LorpuS-Zeile berechnet. Einzeilige mit 2 Ngr.— Für die auswärtigen Königl. Gerichtsämter und Stadträthe, für welche der Voigtländische Anzeiger Amtsblatt ist, bestehen die Geschäftsstellen in Pausa bei Herrn Bürgermeister Leh mann, in Elsterberg bei Herrn E. A. Diezel, in Schöneck bei Herrn Eduard Meyer, in Mühltroff bei Herrn Ehausseegelder-Einnehmer Holzmüller. Donnerstag. «54» 27. 3uni 1861. Wie erstaunlich rasch sich heute zu Tage Atles ändert! Vor Jahresfrist erklärte der Bundestag, Oesterreich voran, sich gegen die alte kurhessische Ver fassung von 1831, für welche Preußen stimmte und schlüßlich gegen den dieß- fallsigen, ihm nicht behagenden Bundesbeschluß protestirte; Heuer rühmt der österr. Minister Schmerling die kurhessische Verfassung als sehr freisinnig, und weil dieß ein vieldeutig Räthsel schien, da man ja auch die Verfassung von 1850 und 60 darunter verstehen konnte, erklärte Schmerling's College, der österr. Justizminister Protovera, Schmerling habe wirklich die kurhefs. Verfassung von 1831 gemeint, deren Wiederherstellung allseitig sehnlichst gewünscht werde. So bekennen also die heurigen österr. Minister desselben Ministeriums Rechberg, das vor einem Jahre durchaus nichts davon wissen wollte, Heuer als Regie rung, zugleich mit für ihren Monarchen ihre Schwärmerei für die kurhessische Verfassung von 1831 und erklären, diese Verfassung der österreichischen zu Grunde gelegt zu haben. Wundersam! wundersam! Item: Kürzlich ging eine kirchliche Prozession durch die Straßen von Rom, und unter all den Leuten ein Männlein in der großen Uniform des österr. Gesandten, eine mächtige Wachs kerze in der Hand, barfuß und ohne Strümpfe und Schuhe. Die Figur war wie aus Kaulbachs Bilderbuch zu Göthes Reinecke Fuchs herausgeschnitten. Wer war es? Bach war es, 1848 liberaler Advokat in Wien, dann Con- cordatsminister, jetzt österr. Gesandter in Rom! — Wenn dem Muselmann Etwas über die Hutschnur geht, spricht er: Allah ist groß! Es geht uns fast eben so; doch lernen wir daraus, daß unter der Sonne Alles dem Wechsel unterworfen ist. Vielleicht ändern sich auch noch manche Ansichten über die Bundesober- feldherrnfrage, sonst bekommen wir am Ende gar keinen Bundesoberfeldherrn, wenn das Herüber- und Hinübervorschlagen und das Zurückweisen aller Vor schläge, sie mögen von Diesseits oder Jenseits kommen, so fortgeht, wie seit zwei Jahren. Oder wir bekommen am Ende zu viele Bundesoberfeldherren, und dieß wäre eben so mißlich, wenn der alte Napoleon Recht hat, der gesagt haben soll, ein schlechter Oberbefehlshaber sei ihm lieber, als zwei gute. Den neuesten Vorschlag, um diese brennende Frage zu lösen, hat Baden gethan. Hiernach soll, wenn nur eine deutsche Großmacht (Preußen oder Oesterreich) mit ihrem ganzen Heere an einem Bundeskriege Theil nimmt, dieser Groß macht »der Oberbefehl übertragen sein; wenn aber alle beide deutschen Groß mächte (Oesterreich und Preußen) mit allen ihren Heeren an einem Bundeskriege betheiligt sind, so sollen diese beiden Großmächte über den Oberbefehl mit einander einig werden. Die Mittelstaaten aber wollen für den Fall, daß an einem Bundeskriege Oesterreich gar nicht, Preußen aber mit seinem ganzen Heere Theil nimmt, die Truppen des 7. (Baiern), 8. (Würtemberg, Baden, Darmstadt), 9. (Sachsen, Kurhessen, Nassau und Luxemburg) und 10. Bundes armeecorps (Hannover, Mecklenburg rc.) von der Preuß. Armee getrennt und unter einen eigenen Oberbefehlshaber gestellt wißen. Wie sich die verschiedenen Ansichten noch ausgleichen und vereinigen werden, muß abgewartet werden; recht sehr wünschenswerth ist es, daß dieß je eher desto lieber geschehe! Preußen hat unterdessen sein Heer auf eine halbe Million Streiter gebracht, der Landtag dazu die Gelder bewilligt und der Preuß. Kriegsminister in der Kammer gesagt: „Wenn 500,000 Preußen im Felde stehen, so wird der Feind gesucht werden müssen, den sie zu fürchten haben." Viel stolzes Selbstgefühl; aber es gehen uns denn doch einige Bedenken darüber bei, wenn gleich wir, wie Jedermann, alle Hochachtung vor dem Preuß. Heere haben. Preußen hat höchstens 18 Mill. Einwohner. Es steht also dann der 36. Kopf im Felde. Im tiefsten Frieden kostet jetzt das Preuß. Heer jährlich 40 Mill. Thaler, die wohl oder übel auf gebracht werden müssen und jedem Kopfe in Preußen — vom Säugling bis zur Greisin, vom Bettler bis zum Fürsten gerechnet — 2^ Thlr. jährlich kosten. Wie lange soll denn da die Kraft des Staates im Kriege nachhalten? Ausheben, aufstellen, einexerziren, bewaffnen, ausmarschiren läßt man sie wohl — aber die Unterhaltung, Bezahlung im Kriege! — Es hätte uns besser ge fallen, wenn stall dieser Selbstgenügsamkeit und wohl auch Selbstüberschätzung des besonderen Preußenthums, die nicht geeignet sein dürfte, anderwärts sich Freunde zu machen, der Preuß. Kriegsminister gesagt hätte, die deutschen Heere brauchten in Verbindung mit einer halben Million Preußen keinen Feind zu fürchten, oder die halbe Million Preußen in Vereinigung mit den übrigen deut schen Heeren habe nicht nöthig, einen Feind zu fürchten — das hätte besser gelautet, als jene Rede, die so viel heißt, als: Deutschland braucht uns, wir aber brauchen Deutschland nicht. Es ist richtig genug, daß Deutschland nicht zum Staate Preußens bedarf, aber Preußen braucht auch Deutschland. Es wird wahrlich alle Hände voll zu thun haben, wenn es früher oder später zum blutigen Austrage mit dem Erbfeinde kommt und dann werden die 150,000 Mann deutscher Bundestruppen auS den Mittel- und Kleinstaaten ebenso wacker für Deutschland kämpfen, wie die Krieger der Großstaaten. Wehe uns, wenn uns der Entscheidungskampf zerfahren und uneinig treffen, oder darin die Noth nicht zur Einigkeit bringen sollte! Aber wir verzagen nicht; die Noth hat schon oft geeinigt und wird uns verkommenden Falls wieder einigen, wenn sie uns nicht schon einig findet. Zeitungen. Sachsen. Plauen, 25. Juni. Acht Tage nach dem großen deutschen Sängerfeste in Nürnberg wird in unserer Nachbarstadt Schleiz am 29. und 30. Juli ein voigtländisches Sänger fest gehalten werden, worauf wir unsere Leser im Voraus aufmerksam machen wollen. Es haben sich dazu 42 Sangvereine, nicht blos aus dem Reußischen, sondern auch aus dem Weimar- schen, Altenburg'schen, Meiningen'schen, aus Coburg, Schwarzburg-Rudolstadt, Preußen, Baiern und Sachsen angemeldet. Das sächs. Voigtland wird durch die Gesangvereine von Reichenbach, Lengenfeld, Elsterberg, Mühltroff, Mark neukirchen und Plauen (durch unseren Verein Ressource) vertreten sein. Mon tag, den 29. Juli, Vormittags 11*/, Uhr, wird das Kirch enco ncert, be stehend in den Vorträgen: „Harmonie" von Tschirch, der Hymne: „Friede, Freude, Freiheit" von E. H. z. S., einer Motette von Fr. Solle, des Fest- . gcsanges an die Künstler von Mendelssohn-Bartholdy, und endlich einer Hymne ' von Graner, stattfinden. Nachmittags folgt ein Fest zug nach der Heinrichs- ruhe, woselbst nur zwei Lieder, nämlich Arndts: „Was ist deS deutschen Ba- ' terland?" und das ausgewählte voigtländische PreiS-Bolkslied gemeinsam , gesungen werden. Von Abends 8 Uhr an Wettgesänge in der eigens für das Fest erbauten Festhalle in der Stadt, worauf die erwählten Preisrichter (Directoren von 12 Vereinen) die Preise, bestehend zunächst in einem von dem , Erbprinzen Reuß j. L. bestimmten werthvollen silbernen Gegenstände, dann in drei Ehrenzcugnissen, bestimmen werden. Am 30. Juli wird VornüttagS eine Sängerfahrt nach dem reizenden Schlosse Burgk, nach Tische allgemeine