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VoigÜällWtr Anztiger. Amtsblatt für das Königliche Bezirksgericht zu Plauen, sowie für die Königlichen Gerichtsämter und Stadträthe zu Plauen, Pausa, Elsterberg, Schöneck und Mühltroff. Dreiundsiekenzigfler Jahrgang. Verantwortliche Redaction, Druck und Verlag von Moritz Wieprecht in Plaueu. Dieser Blatt erscheint wöchentlich viermal, und zwar Dienst aas, Mittwochs, Donnerstag- und Sonnabends. Jährlicher Abounemeut-prei-, welcher kr»an»«- raoäo zu entrichten ist, auch bei Beziehung durch die Post, 1 Lhlr. 26 Ngr. — Annoncen, die bis Vormittags 11 Uhr eingehen, werden in die Tag- darauf erscheinend« Nummer ausgenommen, später eingehende Annoncen finden in der nächstfolgenden Nummer Aufnahme. — Inserate werden mit 1 Ngr. für die gespaltene LorpuS-Zeile berechnet. Einzeilige mit 2 Ngr. — Für die auswärtigen Kömgl. Gerichtsämter und Stadträthe, für welche der Voigtländische Anzeiger Amtsblatt rst, bestehen die Geschäftsstellen in Pausa bei Herrn Julius Guido Lorenz, in Elsterberg bei Herrn F. W. Feustel, iu Schöneck bei Herrn Eduard Meyer, in Mühltroff bei Herrn Ebauffeegelder-Einnehmcr Holzmüller. Sonnabend. 8. September 1888. Bekanntmachung des Ministeriums des Innern, die Zulassung von Dachfilzen als Surrogat harter Dachung betreffend. Unter Hinweis auf §. 3 der Verordnung, das Abdecken von Gebäuden mit Dachpappe und Dachfilz betreffend, vom 29. September !859 (Ges.- und Berordn.-Bl. 15tes Stück S. 321.), wird hierdurch bekannt gemacht, daß die sogenannten Asphalt-Dachfilze aus der Fabrik von D. Anderson Kf Sohn in Belfast in Irland auf Grund der angestellten Untersuchung und vorgenommenen Brennversuche bis auf Weiteres als Surrogat der harten Dachung in der in der obigen Verord nung angegebenen Beschränkung anerkannt worden sind. Dresden, am 9. August 1862. Ministerium des Innern. Für den Minister: vr. Weinlig. Schmiedel, S. Der gute Garibaldi hat seine Kräfte über-, die Treue der italienischen Truppen unterschätzt und auf seinem Nömerzuge Schiffbruch gelitten. Die piemontesischen Bersaglieri oder Scharfschützen waren weder Hasen noch bestochene Lumpe, wie vor zwei Jahren die neapolitanischen Soldaten, sondern Kriegs männer mit Ehre und Muth im Leibe. War demnach die Rechnung darauf gestellt, daß diese Truppen unter dem Rufe: „Rom oder Tod!" mit Garibaldi's Freischaaren gemeinschaftliche Sache machen sollten, so hat er sich gewaltig ver rechnet. Und wahrscheinlich zu seinem und Italiens Glücke! Der ehrliche und muthige, aber etwas phantasievolle Umstürzler hatte sich ein Ziel gesetzt, das für seine und Italiens Kräfte ohne allen Zweifel zu hoch und unerreichbar war. Er wollte Rom erobern, worin etwa dreißigtausend Franzosen liegen. Wäre selbst sein Römerzug eine mit der italienischen Regierung, mit Ratazzi oder Victor Emanuel oder beiden im Stillen abgekartete Sache gewesen, und es ihm gelungen, mit vielleicht hunderttausend Freischärlern, mit oder ohne Unterstützung italienischer Truppen, in den Kirchenstaatsrest einzufallen, das Häuflein päpst licher Soldaten zu verjagen oder niederzumetzeln, ja selbst mit oder ohne Revo lution in Rom, in die ewige Stadt einzudringen, so hatte er noch gar nichts erreicht; denn im Guten, das liegt jetzt klar am Tage, ließen ihn die Noth hosen nicht hinein, und mit Gewalt, selbst wenn jeder Garibaldi'scher Freischärler so muthig und tapfer gewesen wäre, wie ihr Führer, konnte er nicht ein dringen. Die Franzosen in Rom zu überwältigen, dazu hatte Garibaldi mit Einschluß seiner Freischärler das Zeug nicht. Und gesetzt den fast unmöglichen Fall, daß ihm selbst dieß gelungen wäre, so mußte Louis Napoleon Hundert tausend und falls es nöthig gewesen wäre, noch mehr Rothhosen nach Rom schicken und Garibaldi und dessen Freischaaren und nöthigenfalls die ganze italienische Armee wieder aus Rom hinauswerfen — das hätte unbedingt das soldatische Ehrgefühl der ganzen französischen Armee gar nicht anders verlangt. Was? Französische Truppen schlagen, zurückwerfen lassen, ohne solch eine Scharte augenblicklich doppelt blutig und siegreich auszuwetzen? Und noch dazu von Italienern? Oder gar von Freischaaren? Ohne blutiges und entscheidendes Wettmachen eines solchen Schimpfes wäre die ganze französische Armee Louis Napoleon aufsässig geworden! Gute- würde auS einem solchen Kampfe für Jtalten in keinem Falle er wachsen sein. Es ist richtig, daß Louis Napoleon die wirkliche Einheit Italiens, sowie die Unabhängigkeit der ganzen Halbinsel nicht will, nicht wollen kann; enn würde Italien, mit Einschluß von Rom und Venedig, wirklich ein Reich und befestigte es sich, so hörte dessen Abhängigkeit von Frankreich auf, ja es wäre möglich, daß Italien selbst einmal feindlich gegen Frankreich auftreten könnte. So lange aber die Franzosen Rom und Civita Vecchia inne haben, so lange ein Kirchenstaatsrest besteht, und Venetien zu Oesterreich gehört, ist und bleibt das neue Königreich Italien ein Stück- und Flickwerk, von Frank reich gänzlich abhängig und die Freundschaft und der Schutz des Franzosen kaisers ihm so nöthig, wie das tägliche Brod. Es ist daher wohl sehr erklärlich, daß die Italiener auf eigene Füße zu stehen und von dem unbequemen franzö sischen Schutze loskommen wollen. Wer mag's ihnen verargen? Natürlich daher auch, daß ganz Italien dem Garibaldi zujauchzte und ihm „Rom oder Tod!" nachschrie; aber eben so erklärlich ist, daß die Franzosen das Les-ü xossiäou- te3, d. h. die Vortheile des Besitzes nicht aufgeben wollen, und wenn die heiß blütigen Leutlein, indem sie ohne Louis Napoleon's Hilfe oder noch spaßiger gegen seinen Willen und gegen seine Macht Herren von ganz Italien werde» wol len, ihre Kräfte, Frankreichs Vortheil und die ganze politische Weltlage ver kennen und mit dem Kopfe gegen Mauern rennen wollen, so müssen sie diesen sich einstoßen. Auf Englands Unterstützung zu rechnen, wäre ein falscher Cal- cul; es liegt jenen Insulanern wohl blutwmig daran, daß LouiS Napoleon in Rom wie festgebannt steht, und durch Hinaustreiben der Rothhosen aus dem Citronenlande geschähe ihnen der größte Gefallen; zu diesem Zwecke etliche britische Pfunde Sterling dem Garibaldi schicken, das thut man auch, denn solchen Bettel kann man entbehren, da man dessen im Ueberfluß hat; aber deshalb es auf einen Kampf mit dem zu Lande übermächtigen Franzosenkaiser ankommen lassen, wäre zu kostspielig und gefährlich; daher fortwährend blos papierene Wünsche und Thaten für Italien in Zeitungen und diplomatischen Noten. Für Diejenigen übrigens, denen das Mißgeschick Garibaldi's sehr zu Herzen geht und die für das Leben des italienischen Lieblings fürchten, glaubm wir mit Bestimmtheit den Trost geben zu dürfen, daß ihm, da seine Wunden nicht gefährlich sind, kein Haar gekrümmt werden wird. Man wird Gericht Über ihn halten, ihn vielleicht verurtheilen und einige Zeit in leidlichem Ge wahrsam halten; aber einem Manne, der vor zwei Jahren zur Eroberung und Annexirung eines prächtigen Königreiches von 8 Millionen Menschen behilflich gewesen und heute noch der gepriesene Held und Abgott von ganz Italien ist, legt man nicht den Kopf vor die Füße, sperrt ihn auch nicht lebenslänglich eia, wenn gleich er rebellirt hat.