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654 so beurtheilte er seine Lage al- König von Holland und Gemahl, bis er end lich mit der krampfhaften Anstrengung eines verzweifelten Entschlusses die Bande de- Bruders zerriß und sich in die Freiheit einer einsiedlerischen Zurückgezogen heit , flüchtete. Wie ganz anders seine Gemahlin, Königin Hortense! Mit französischer Lebhaftigkeit des Enthusiasmus, mit südlicher Gluth einer weiblichen Phantasie bewunderte sie ihren kaiserlichen Adoptivvater und Schwager als den Herrscher genius des Zeitalters, dem sie eine unbegrenzte Hingebung entgegentrug und bi- an sein Ende bewahrte. Kraft des Geiste- und des Willens, auch ganz abgesehen von ihrer Anwendung, übt auf Frauen einen unwiderstehlichen Zauber aus; gerade waS Hortense in ihrer übersprudelnden Lebendigkeit, in ihrer leiden schaftlichen Unruhe an dem Gemahl am meisten vermißte, daS sah sie um das Haupt des Schwagers und Stiefvaters in vollem Glanze strahlen: überwälti gende Willenskraft, stolze- Heldengefühl sicherer Ueberlegenheit, dem die Welt zu Füßen ließt. Zn diesem Geiste lehrte sie ihren Sohn zu seinem Onkel auf schauen; kein Gefühl hat sie ihm früher und tiefer eingeflößt, als diese Ver ehrung für die Größe und Einzigkeit des Oheims; man würde sagen: diese Gesinnung sog er mit der Muttermilch ein, wenn man nicht wüßte, daß dieses Wort in Frankreich, dem Lande der Ammen - Ernährung, keinen Sinn hat. (Fortsetzung folgt.) Zerrungen. Sachsen. Einen prächtigen Zuwachs hat am 23. der zoologische Garten in Dresden durch die Ankunft von zwei afrikanischen Löwen erhalten, die bereits dem Publikum zur Schau gestellt sind. Sie kamen Mittags 2^4 Uhr mit der böhmischen Bahn in D. an. Beide, Männchen und Weibchen, sind 3 Jahr alt und von großer Schönheit. Chemnitz, den 25. August. In heutiger Rathssitzung sind zu Geistlichen gewählt worden: 1. an der St. Zohanniskirche als Archikiaconus an Stelle des in Ruhestand tretenden Herrn Ll. Weicker, der zeitherige Diaconus an der St. Zacobikirche, Herr Franke, und zu Diaconen die Herren vr. xtnl. Peter in Pirna und Cand. Trautzsch in Bautzen, 2. an der St. Zacobikirche an Stelle des Herrn Diaconus Franke der Herr Pastor Sülze aus Osnabrück. Oeskerreich. Zn Bregenz vollzog sich am 24. August ein sehr be deutsamer Act für die protestantische Bevölkerung der Gegend mit der Vornahme der feierlichen Grundsteinlegung zu dem bis zur Sockelhöhe vorgeschrittenen Bau der protestantischen Kirche der dasigen Gemeinde. Aus Anlaß der Feierlichkeiten sandten die Pfarrgemeinden der benachbarten schweizerischen, würtembergischen, baierischen und österreichischen Städte weltliche, und geistliche Abgeordnete; das Publikum hatte sich äußerst zahlreich eingefunden, Blechmusikcorps und Sänger vereine erhöhten die Festfeier. Italien. Turin, 22. Aug. General Cialdini, welcher den General Cugia in seiner Function als außerordentlicher königlicher Commissar in Palermo ersetzen wird, ist, da furchtbar ernste Nachrichten aus Sicilien auf dem Ministerium eingetroffen sind, welche von Znsurrection an verschiedenen Punkten reden, gestern Nacht mit Eilzügen und Extradampfboot nach Palermo abgereist, und heute Morgen 9 Uhr ist Admiral Persano, der, das Portefeuille beibehaltend, das Obercommando der Flotte in den sicilianischen Gewässern übernimmt, nachge folgt. Dem General Lamarmora ist unter der Voraussetzung, daß Garibaldi in Calabrien landen und dort einen Aufstand organisiren wird, die Ermächtigung ertheilt worden, unverzüglich in einigen Theilen oder in der ganzen Provinz den Belagerungszustand erklären zu können. Mau beruhigt sich hier einigermaßen mit der Hoffnung, daß eS den vereinten Anstrengungen Cialdini's, Persano'S und Lamarmora's, der drei Koryphäen der italienischen Armee, gelingen wird, Garibaldi zum Gehorsam und zur Unterwerfung zu zwingen. Leider sollen aber bereits 2500 Freiwillige, in einzelnen Gruppen vertheilt, in Calabrien und den Abruzzen seiner warten. Die Kreuzzeitung schreibt unterm 25. August: „Wir erfahren aus Paris, daß der Marschall Herzog von Magenta zum Oberbefehlshaber der französischen Truppen in Rom, welche sogleich mit 50,000 Mann verstärkt werden, für den Fall bestimmt ist, daß Garibaldi in Neapel landen sollte. Zm Departement deS Var werden bereits die Reservedivisionen organisirt. Das erklärt auch die schleunige Rückberufung der französischen Schiffe nach Toulon, die zum Trup pentransport nach Rom gebraucht werden." Dxr Frankfurter Postzeitung wird auS Paris vom 24. August mitgetheilt: „Eine Compagnie piemontestscher Truppen auf Sicilien hat sich geweigert, auf die Garibaldianer zu schießen." AuS Turin vom 22. August wird der Augsburger Allgemeinen Zeitung geschrieben: „DaS Laud ist in größter Bestürzung. Zu Reggio in Calabrien wurde auf den nahen Bergen Garibaldi'- Fahne von einer starken Colonne Freiwilliger aufgepflanzt. Auf der Flotte nehmen die Desertionen immer zu." ' Mailand, 20. August. Die Werbungen für Garibaldi dauern noch immer fort und besonder- im Laufe der vergangenen Woche sind ihm von hier, - sowie von den WerbebureauS m BreScia, Cremona, Lodi und Pavia, Rekruten .zugeschickt würden. Charakteristisch ist e-, daß diese Freiwilligen jetzt nicht mehr nach Sicilien, sondern nach Genua dirigirt werken, von wo auS sie nach Livorno und von dort nach Neapel befördert werden sollen. — Ueberhaupt sind Mailand, Genua, Brescia und Livorno wohl die Städte, in welchen die Actionspartei am zahlreichsten ist und Mazzini die glühendsten Verehrer zählt. Denke man sich zu dieser politischen Misöre noch die Unsicherheit der Person und des Eigen thums und man wird sich einen Begriff von den hier herrschenden Zuständen machen können. — Heute Morgens wurde in der Contrada del Broletto, einer der belebtesten Straßen, ein vollständig ausgezogener männlicher, mit Dolch stichen bedeckter Leichnam aufgefunden. Der Verunglückte war ein hiesiger Geldwechsler, welcher beim Nachhausegehen von Räubern angefallen und er mordet wurde. Turin, 25. August. Die „Discussione" veröffentlicht ein Telegramm aus Messina vom heutigen Tage, welches meldet: Garibaldi hat Catania ver lassen; er hat sich vorige Nacht in Begleitung einiger Personen aus seinem Generalstabe auf einem englischen Fahrzeuge eingeschifst. Man glaubt, er sei in Calabrien gelandet. Neapel, 25. August. Man sagt, daß Garibaldi in voriger Nacht zu Abelito beim Cap Spartiveuto in Calabrien gelandet sei. Frankreich. Paris, 23. August. Heute gilt es als ausgemacht, daß Marschall Mac-Mahon den Oberbefehl über das römische, man wird wohl bald sagen das italienische OccupationScorps übernehmen wird. Ein Marschall bedingt ein Armeecorps von mindestens 40,000 Mann; man vernimmt in der That, daß die Truppen in Italien successive um 25,000 Mann verstärkt wer den sollen. An die Militärdivision von Toulouse und Lyon sind die desfallsigen Weisungen bereits abgegangen. Paris, den 24. August. Man bietet hier alles auf, um die italienische Regierung abwärts „zum Bruche mit der Revolution" zu treiben ; der Kaiser hat sogar Victor Emanuel aufgefordert, persönlich die Unterdrückung der Gari- baldiamschen Bewegung zu unternehmen. Als Lohn verheißt man einen Fort schritt in der römischen Frage, doch läßt man es unklar, was man hier unter „Lösung der römischen Frage" versteht. England. London, 22. August. Die Times schreibt über den Stand des Krieges in Virginien: „Es ist durchaus nicht klar, ob Mac Clellan seine Stellung behaupten oder auch sein Heer vor der Vernichtung retten kann. Wenn ihm auch beides gelingen sollte, so kann er doch nur seinen Antheil an den durch die neuen Aushebungen etwa gelieferten Zuzügen erhalten. Andere rufen eben so laut nach Beistand, wie er, und außer New-OrleanS und den übrigen Küsten-Garnisonen erfordern offenbar einige der inländischen Staaten große Heere, wenn sie von der Secession ferngchalten werden sollen. Das virginische Heer hat stets den Löwenautheil an Truppensendungen erhalten und war dadurch nach einer im Ccngreß aufgestellten Behauptung auf die Stärke von 158,000 Mann gebracht worden. Von diesen sollen nach den Schlachten am Chickahominy nicht mehr als 70 bis 80,000 Mann kampffähig geblieben sein, und an diesen Ueberbleibseln haben seitdem Hitze und Seuchen ihre un heilvolle Arbeit verrichtet. Werden die jetzt zu dem Heere Mac ClellauS geschickten, zum Dienste gepreßten Mannschaften, die widerstrebenden Conscribir- ten und die wieder eingefangenen Ausreißer ihm eine bessere Hilfe sein und ein besseres Heer liefern, als das vorige? und wenn das nicht der Fall ist, wird ein schlechteres Heer da siegen, wo'ein besseres gescheitert ist? Es sind das Fragen, welche zu beantworten keinem Menschen diesseits des atlantischen Meeres schwer fallen wird, deren Wahrheit aber noch erst, wenn auch nicht dem Volke, so doch jedenfalls der Regierung der Vereinigten Staaten auf dämmern muß." Rußland. Warschau, 26. August. Die auf Todesstrafe durch den Strang lautenden kriegsgerichtlichen Urtheile gegen Rzonca und Ryll sind vom Großfürsten-Statthalter bestätigt und ist die Execution heute Vormittag 9 Uhr vollzogen worden. ZeLtungs-Allerlei. Der Schriftsteller HanS Wachenhusen hat am l7. August in Berlin mit dem auch hier bekannten Luftschiffer Regent! und dem vr. Pitschner eine „Reise ins Blaue" unternommen, worüber er folgenden, höchst interessanten Bericht erstattet: „Wir trieben über Spandau und Potsdam. Zn der ersten halben Stunde erreichten wir nach Pitschners Messungen eine Höhe von etwa 9500 Fuß bei 9*/r Grad Reaumur. Die erste Wolkenschicht lag unter un-, die erste Flasche Wein ebenfalls. Wir vernahmen in dieser Höhe ein seltsame- Rasseln. „ES ist die Eisenbahn!" erklärte uns Regenti, und wirklich sahen wir unter uns einen Bahnzug, aber träge und langsam, so schien eS, daß ihn eine Schnecke hätte einholen können. Pitschner hatte eine Taube mitgenommen, sie wurde auS ihrem Käfig geholt und auf den niedrigen Rand unsere- Korbe gesetzt. Zitternd saß da- arme Thier da und wollte sich nicht von unS tren nen. Ändeß, wozu hätte die Taube die Flügel, wenn sie nicht fliegen sollte? Hinaus mit ihr! Aengstlich flatterte da- Thier an Unserm Korb zurück, höher und höher stiegen wir, die'Taube gab den Versuch auf, bei unS zu bleiben, und hinab schoß sie pfeilschnell in kurzen Kreisen, bis wir sie auS dem Gesichte