Volltext Seite (XML)
und der^neu Avichteten Thron« glaube, beim ersten Stoße der Geister werde es zu einer H-ge werden. Muß m<M den am Wiener Congreß herrschenden Geist anklagen, daß er von dem zukunftsreichen Gedanken einer nationalen Wiedergeburt, von dem die Befreiungskriege getragen waren, wieder abfiel, und daß die tiefen sittlichen und politischen Schäden der Restaurationsperiode schon dort sich ankündigten, so darf man sich auch nicht wundern, wenn der Congreß in seinen wichtigsten po litischen Leistungen weit hinter den Erwartungen der Zeit zurückblieb. Der leichtfertigen Gesinnung einer verlebten Selbstsucht wohnt kein schöpferisches Ver mögen inne, keine Fähigkeit, neue Wege für die Bedürfnisse zu bahnen. Der menschliche Wille steht in seinen geheimsten Triebfedern in engem Zusammen hänge mit der geistigen Kraft in uns; die echte Gesinnung und'der schöpferische Gedanke ziehen ihre Nahrung aus denselben geheimnißvollen Quellen in den Tiefen unserer Seele; wie Glauben und Leben, so hat Erkennen und Wollen eine gemeinsame Wurzel; ob diese faul sei, oder gesund, davon hängt Alles ab. Jenem faulen Baume zu Wien fehlten die frischen Säfte, aus denen die rechten Früchte hätten wachsen können, wie das Zeitalter sie bedurfte und noch bedarf. Die ohne allen Vergleich wichtigste und fruchtbarste Aufgabe des Con- gresses lag in der deutschen Frage vor, in dem Bedürfnisse einer zeitgemäßen Neugestaltung des deutschen Reichs als des Mittelpunktes eines starken mittel europäischen Staatensystems. Es galt, eine große politische Schöpfung in dem Herzen Europas zu Stande zu bringen, einen starken germanischen Wall zwischen dem französischen Westen und dem russischen Osten, zwischen den Erben von Rom und Byzanz. Diese Aufgabe war riesengroß, aber unmöglich wäre die Lösung nicht gewesen, denn die Elemente dafür waren vorhanden und im Flusse der gestaltenden Hand gewärtig. Das gedemüthigte Frankreich hätte nicht hin dernd eingreifen können, der russische Herrscher war persönlich damals von der besten Gesinnung für Deutschland beseelt, die deutsche Nation noch gehoben von den eben vollbrachten Thaten; England, Preußen, Oesterreich wären durch ihre höchsten Interessen aufgefordert gewesen, Alles für das Gelingen des Werkes zu wagen. Aber die Stunde für Deutschlands Hoffnungen war noch nicht gekommen. Alles scheiterte an der Blindheit Englands, dem Pitt's großartige, staatsmännische Leitung fehlte; es scheiterte an der folgenschweren italienischen Politik Oesterreichs, an Talleyrand's Schlauheit, an Preußens Vereinzelung, an der gegenseitigen Eifersucht der deutschen Bruchstücke des ehemaligen Reiches. So wurde denn nur ein ganz schwacher, ungenügender Anfang damit ge macht, die wichtigsten Grundlagen einer dauernden Wiederherstellung Europa's zu legen; die Begründung eines großen mitteleuropäischen Bundessystems war versäumt; Deutschland, Italien, Polen blieben ungelöste Fragen an die Zukunft. Diese schweren Versäumnisse büßen wir seit vierzig Jahren, büßen sie am schwersten seit 1848 bis auf diesen Augenblick. Alle die unaufhörlichen Sorgen bald vor innern, bald vor äußern Gefahren, bald vor Revolutionen, bald vor Erobe rungsplänen des westlichen oder des östlichen Nachbars — sie wären ganz ge hoben oder viel geringer, wenn der Wiener Congreß die Europas auf besserem Grunde, vor Allem auf ein starkes Deutschland und ein mit ihm verbündetes oder befreundetes Mitteleuropa aufgebaut hätte. Es erscheint wie ein Werk höherer Gerechtigkeit, die Allem, was auf den Sand des Eigensinnes und der eigennützigen Berechnung gebaut ist, ihren Segen verweigert, das von den Theilen des auf dem Wiener Congreß errichteten Baues, auf welche man da mals den meisten Werth legte und die man mit der größten Vorliebe behan delte, das Meiste schon jetzt in Trümmer zerfallen ist, oder baldigen Einsturz droht, wogegen eine damals mit Ungunst, Gleichgiltigkeit oder Leichrsinn behan delte Frage, wie die deutsche, nun jedem nicht ganz Unmündigen in ihrer un ermeßlichen Bedeutung entgegentritt, wodurch die Anklage der Geschichte gegen jene ungetreuen Haushalter mit jedem Jahre strenger wird. Zu jenen Lieb lingsbestrebungen des Congrefses gehörte z. B. die einseitige, durch Talleyrand betriebene Ausbeutung des Grundsatzes der Legitimität zu Gunsten der Bour bonen in Frankreich, Spanien und Italien; eben so der von Metternich mit einem alles Andere zurücksetzenden Eifer verfolgte Plan, Oesterreichs mittelbare und unmittelbare Herrschaft über Italien zu erweitern, abzurunden, zu befestigen. Wir wissen nun Alle, welche Stürme seitdem über jene kurzlebigen Erfolge er gangen sind! Wa- ist aus den Thronen der Bourbons, was aus der öster reichischen Herrschaft über Italien geworden? Welche stärkere Durchlöcherung der Wiener Verträge — um Belgien nicht einmal zu nennen — läßt sich denken, als die Herrschaft eines Napoleon über ein französisches Kaiserreich und die Entstehung eines von ihm anerkannten Königreichs Italien? Zeitungen. Sachsen. Dresden, 4. Aug. Se. Excellenz der Kriegsminister ist in Begleitung deS Hauptmanns v. Rex heute nach Weimar gereist, um auf Befehl Sr. Majestät deS Königs der den 6. d. M. daselbst stattfindenden Beisetzung der Leiche des Herzogs Bernhard von Sachfen-Weimar, Hoheit, bei- zuwohueu. (Herzog Bernhard stand im Jahre 1809 in sächsisckm Diensten.) Bad Elster. Nr. 46 der Curliste weist bis zum 3. August in 971 Parteien 1614 Personen nach. Präsent: 625 Personen. Leipzig, 4. August. Heute Nttttag sah man auf dem Dache eines zwei Stock hohen Hintergebäudes auf der großen Windmühlenstraße eine austheinend geisteskranke Frauensperson her-umklettern. Nachdem verschiedene Bornehrungen zur Verhütung eines Unglücks getroffen worden waren, gelang es, sie durch Zu reden durch dasselbe Dachfenster wieder in das Haus zu locken, aus dem sie auf das Dach gestiegen war. Die darauf vorgenommene ärztliche Untersuchung constatirte, daß die Unglückliche, in der man schon zuvor ein auf der großen Windmühlenstraße im Dienst stehendes Mädchen erkannt hatte, wirklich geistes krank war, weshalb ihre Unterbringung im Georgenhause erfolgte. Gewisse Schwierigkeiten, die sich ihrer Verheirathung entgegengestellt haben sollen, sind, wie wir hören, die Ursache ihrer Seelenstörung. Mittweida, 3. August. Aus allen Theilen Sachsens kamen heute die vaterländischen Lehrer nach Mittweida zur ll. allgemeinen sächsischen Lehrer versammlung. Mit überaus großer Herzlichkeit wurden die Ankommenden von der Einwohnerschaft der freundlichen Zschopaustadt empfangen, die mit Festons, Kränzen und Fahnen reich geschmückt ist. Nachdem in den Nachmittagsstunden ein Jnstrumentalconcert die Collegen in gemüthlicher Zusammenkunft geeinigt hatte, fand Abends 7 Uhr in dem zum Behufe der Lehrerversammlung sehr passend hergerichteten und decorirten Theatersaale die Vorversammlung statt, welche durch einen gemeinsamen Choral und durch den Gesang einer Motette, sowie durch die herzlichen Ansprachen des Stadtraths Winter (im Namen der Stadt) und des Schuldirectors Schneider (im Namen der Mittweidaer Lehrer schaft) eingeleitet wurde. Herr Kirchenrath vr. Hofmann aus Leipzig, sowie mehrere andere Mitglieder königlicher und städtischer Behörden beehrten die Versammlung mit ihrer Gegenwart. Der Umstand, daß gegen 1200 Lehrer angemeldet sind, konnte für einen Augenblick Verlegenheit bereiten, aber die Gastfreundschaft der Bewohner Mittweida's und der umliegenden Orte hat Rath geschafft und in der That ein großes Wohlwollen für die Lehrer der Her anwachsenden Generation documentirt. Nach Abwickelung mehrerer geschäftlichen Angelegenheiten und nach Feststellung der Tagesordnung für die nächsten Tage wurden die Vorsitzenden für die Hauptversammlungen gewählt: Director Berthelt aus Dresden, Director Seeliger aus Bautzen und Director Schneider von hier. Auf Antrag des Vorstandes des sächsischen Pestalozzivereins beschließt die Ver sammlung, das auf den 5. August fallende Geburtsfest der hohen Protectorin genannten Vereins, I. K. Hoheit der Kronprinzessin, durch besondere Festlichkeit zu begehen. Die Präsenzliste zählt am Schluß der Versammlung 860 Lehrer. PreuHen. Berlin, 4. August. Gestern Nachmittag 2 Uhr er schienen die japanesischen Gesandten in Begleitung des Grafen zu Eulenburg im Ministerium des Auswärtigen, woselbst nach einer kurzen Conferenz die Unterzeichnung des mit Japan abgeschlossenen Handelsvertrags erfolgte. Nach diesem Act vereinigte der Minister Graf von Bernsdorff die Mitglieder der Gesandtschaft und die obersten Räthe des Ministeriums im Garten seines Hotels zu einem Dejeuner. Zu Ehren der Japanesen findet heute Abend im auswärtigen Ministerium noch ein Gesellschaftsfest statt, zu welchem zahlreiche Einladungen ergangen sind. Morgen reist die Gesandtschaft nach Stettin und Petersburg ab. Aus Anlaß der am 2. erfolgten Unterzeichnung des Handels- und Schiff fahrtsvertrages mit Frankreich hat Se. Maj. der König dem Staats- und Finanzminister v. d. Heydt, „als Dank für die umsichnge und energische Mit wirkung bei den langwierigen Unterhandlungen" das Großkreuz des Rothen Adler-Ordens mit Eichenlaub und dem Gen.-Steuer-Director Geh. O.-Finanzr. von Pommer-Esche, dem Geh. Legations - Rache Philippsborn und dem Geh. O.-Reg.-Rathe Delbrück als Commissarien bei den bezüglichen Unterhandlungen den königl. Kronenorden II. Klasse mit dem Stern verliehen. Italien. Neapel, 29. Juli. Gestern Abends fand in der Villa eine lärmende Demonstration statt, wobei die Garibaldihymne mit dem Refrain „Nom oder sterben" begleitet wurde. In einer der letzten Nächte zog im Stadttheil Chiaga ein Volkshaufe herum, der ebenfalls unter den Klängen der (Saribaldihymne die Rufe ertönen ließ: Es lebe der Dictatoc Garibaldi, es lebe Garibaldi, unser König! Die „Monarchia nazionale" läßt sich aus Paris schreiben, die französische Regierung habe von der englischen über die in letzter Zeit aus England Gari baldi zugeschickten Geldsummen Aufklärungen verlangt. Lord Palmerston habe erwidert, es seien allerdings mehr als 3 Mill. Francs aus England nach Italien geschickt worden, er könne aber solche Sendungen nicht verhindern und wisse, daß in den letzten Tagen auch dem Papste anderthalb Millionen zuge sandt worden seien. Auf eine angeblich von römischen Damen an Garibaldi gerichtete Adresse hat derselbe eine Antwort erlassen, die beginnt: „Matronen Noms! — Rom oder den Tod! erscholl es auf dem Boden der Vesper. — Hoffet also!" Frankreich. Es ist zwar noch ungewiß, ob der Gesetzgebende Körper in diesem Jahre aufgelöst werden wird, doch trifft die Regierung unter der Hand ihre Maßregeln gegen mißliebig gewordene Deputirte, deren Wiederwahl verhindert werden soll. Alle Bürgermeister habm Ordre erhalten, trotz des allgemeinen Stimmrechts der Regierung das Wahlresultat zu sichern. Im .