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574 Nalionalzeitung allerlei anziehende Bergleiche zwischen den, seir der Macdonalk- Affaire auf etwas gespanntem Fuße stehenden Stammverwandten in Deutschland und England an, die wir bezüglich deS Essens und Trinkens unseren Lesern nickt vorenthalten wollen. Kommt das Frühstück, in Deutschland Kaffee und Semmel, in England Fleiscb, Fisch oder Eier, Brod und Thee; in Deutschland auf irgeud einer freien Ecke irgend eines freien Möbels irgend einer Stube aufgetragcn, in England auf einem gedeckten Tische, in beschränkter Haushaltung dem Eßtlsch, in einer normal gegliederten Wohnung auf dem Frühstückstisch, der in der Frühstücks stube steht, die in einem freistehenden Hause nach Morgen stehen muß. In England ist das Frühstück eine Mahlzeit, die von der Familie gemeinschaftlich eingenommen und über der die Pläne für den Tag festgestellt werden; in Deutschland ist's ein einsamer Imbiß, stehenden Fußes oder neben der Arbeit genossen. In England ißt man Fleisch und Brod und trinkt Thee dazu; in Deutschland trinkt man Kasfee und ißt eine Semmel dazu, oder raucht eine Ci- . garre. Kaffee giebt das Gefühl der Sättigung, man kann dazu nicht essen mit dem herzhaften Appetit der Engländer; Thee zehrt. Kaffee erregt Verlangen nach Tabak, denn der Thee widersteht. Welches der beiden Getränke ist das gesündere? Wahrscheinlich hat mit dieser Frage auch das Klima etwas zu thun; denn es ist Thatsache, daß in England der Thee nicht nur den Durst löscht, sondern an einem schwülen Sommerabend nach einer heftigen Anstrengung das beste Mittel ist, den Durst und die innere Hitze los zu werden. Diese Frage: Ob Thee oder Kaffee? mag viel wichtiger sein, als wir ahnen. Man sagt mir hier, ich sei in England frischer, gesunder geworden; welcher Ursache ist der Erfolg zuzuschreiben? Nicht vielleicht den 8030 Portionen Thee, die ich, die Schaltjahre ungerechnet, zu mir genommen, und den 8030 Portionen Kaffee Morgens und nach Tische, die ich nicht genoffen habe? Mit den Thiercn machen wir die sorgfältigsten Fütterungsversuche; auf dem Londoner,Weihnachts markte giebts, lebendig und zerlegt, Ochsen, die mit Wurzeln, und Ochsen, die mit Oelkräutern gemästet sind, Hammel, die auf Kalkboden, und Hammel, die auf Moorland gegrast haben; sollten wir für uns selber nicht dieselbe Sorge tragen? Mit ihrem englischen Frühstücke gehen Viele bis 5 oder 6 Uhr Abends; Andere helfen um 2 Uhr mit einem Imbiß nach, den der Geschäftsmann in fünf Minuten neben der Arbeit abmacht, und der dem Körper eine schwere Verdauungsarbeit nicht zumuthet. Wenn wir des Morgens in das Geschirr gehen, so bedürfen wir längerer Zeit, ehe wir ordentlich ziehen und anziehen, in den Trab kommen; allmählich wie die Sonne steigt, steigt die Spannung unserer Kräfte, die Leichtigkeit der Arbeit; wenn die Sonne gipfelt, sind sie am größesten. In diesem Zustande trabt der Engländer noch vier oder fünf Stun den weiter ; der Wagen, einmal im Schüsse, rollt von selbst. Der Deutsche spannt ungefähr in der Mitte des Tages aus, füttert, muß verdauen, ein wenig duseln und dämmern, um nicht zu schlafen, und hat, wenn er nach einigen Stunden wieder an die Arbeit geht, einen neuen Anlauf zu nehmen. Alles dieß gilt vorzugsweise für Personen, die mit dem Kopfe arbeiten, also der Ein falt und den Sozialisten nicht „als Arbeiter" gelten. Der Handarbeiter speist auch in England früh. Ich will nicht sagen, daß in Deutschland weniger Kopfarbeit gethan werde, als in England, ich glaube, mehr; aber ein zu großer Theil davon fällt auf die Nacht, und darunter leidet, wenn nicht die Arbeit, so doch gewiß der Arbeiter. Was wir am Tage thun und denken, ist wirk licher, sachlicher, realistischer; und der Schlaf ohne Zweifel gesünder und er quickender, wenn wir durch Erholung oder leichtere Arbeit zu ihm übergehen. Die Nachtluft in England ist anders. Mit Aengstlichkeit und Vorsicht befolgten wir den Rath englischer Aerzte, bei offenen Fenstern zu schlafen; allmählich schritten wir versuchsweise weiter, bis wir endlich dahin gelangten, auch im Winter das Fenster eine Hand breit auf zu haben. Die deutschen Aerzte sa gen, das sei Rheumatismus, Gicht, Blindheit, Tod. Liegt es vielleicht an der Nachtluft, daß in England der Leib frischer bleibt? Oder liegts an der Küche? Oder liegts daran, daß man in England nicht „kneipt?" Und welche Wirkungen und Ursachen hat das Kneipen? Vor einigen Tagen wurde die Einwohnerschaft des Dorfes Heilizenkreuz bei Naumburg Nachts 12 Uhr durch Feuersignale alamirt. Es brannte aber weiter Niemand, als der Nachtwächter, nämlich vor Zorn, den ihm ein bisher unbekanntes Ungethüm durch Verfolgung eingejagt. Man vernahm die seltsame Geschichte. Der Nachtwächter hörte von dumpfen gewaltigen Tritten in der Mitte des Dorfes die Erde erdröhnen. Er suchte die Ursache zu enträthseln uud wird plötzlich in der Nähe der Dörflinde von einem riesigen Thicre mit langem, racheschnaubendem Rüffel verfolgt. Der Geängstete bläst in s Horn und läßt den Feuerruf erschallen. Im Nu war die ganze Einwohnerschaft im Nachthabit auf den Beinen, und siehe da, es ergab sich, daß das Ungethüm nichts weniger war, als ein riesiger Elephant, welcher herrenlos umherirrte. Es wurde zu allerhand Waffen gegriffen, gelärmt, geschrieen und gepfiffen und beinahe Sturm geläutet. Mittlerweile waren die Führer des Elephanten, welche im nahen Walde den Lärm gehört, herbeigeeilt und fesselten den Ent flohenen. Der Reißaus des Elephanten hatte auf der Straße von Naumburg nach Kamburg stattgefunden. Einige Metzgerburschen, welü e rem Renz'scken Elephanten-Transport begegneten, hatten ihre Hunde auf den seltenen Fremdling gehetzt, worauf dieser scheu und wüthend wurde. Die Führer konnten des Riesenthieres nicht mehr Herr werden und hatten bald das Nachsehen; denn Miß Baba war in dunkler Nacht querfeldein durchgegangen und kam auf ihrer Flucht in das oben bezeichnete Dorf, während die Führer ein in der Nähe liegendes Wäldchen durchsuchten. Der entsetzliche Lärm im nahen Dorfe leitete sie auf die Spur des Flüchtlings, und mit dem Einfangen desselben endete der Feuerlärm, indem er sich in allgemeine Heiterkeit auflöste. Ueber einen in Kohlfurth vorgekommenen Tvdtschlag gehen der „Breslauer Ztg." nachstehende authentische Nachrichten zu. Der 16jährige Sohu des Wind müllers Jackisch bemerkte am 5. Sept. Abends, als er zu Bette gehen wollte, einen Mann, welcher durch das Fenster in die Schlafstube hineinsah. Er weckte seine Mutter und beide verfolgten mit den Augen durch das Kammer fenster die betreffende Person, welche nach der Thür des Kuhstalles zuging. Die Mutter sagte zu dem Knaben: „Das ist ein Spitzbube, der uns die Kuh stehlen will, geh' rasch und sage es dem Vater." Der Knabe holte den Vater aus der Windmühle und die Frau ging ihm mir der Laterne entgegen. Alle drei gingen nach der bezeichneten Stelle und die Frau rief in den Stall hinein: „Was ist hier drin für ein Kerl?" — Hierauf sprang der Mann mit einer Misthacke heraus, packte den Jackisch bei der Brust und warf gleichzeitig die Frau nieder, der dabei die Laterne verlöschte. Beide Männer ringen mit ei nander und die Frau schickt den Knaben nach Hilfe zu den Nachbarn Hirche und Käsche. Der Knabe fand Niemand zu Hause und die Mutter schickt ihn nach anderer Hilfe aus. Beim Ringen war der Müller oben zu liegen gekommen und hält den Dieb am Halse fest. Da der Dieb sich ganz ruhig verhalten, glaubt Jackisch, es sei von ihm nur eine List, um entrinnen zu kön nen. Nach einer halben Stunde endlich kommt Hilfe und da sich der Dieb immer noch nicht rühren will, wird er in die Stube getragen, wo man zum doppelten Erstaunen bemerkt, daß es der Nachbar Käsche, ein alter intimer Freund des Müllers ist, und daß er gleichzeitig sein Leben unter den Händen des Müllers ausgehaucht hat. Es wurden sofort Wiederbelebungsversuche an gestellt, die indeß fruchtlos blieben. Käsche war Eisenbahnarbeiter. Die Rückkunft des von Liverpool nach New-4)ork abgegangenen Rieseu- dampfers „ Great-East ern" liefert einmal wieder einen recht schlagenden Beweis dafür, daß selbst das größte Schiff auf dem vom Sturm gepeitschten Meere nur einem Spielball zu vergleichen, ja, daß, je weiter ein Schiff eine gewisse Größe überschreitet, je gefährlicher und umfangreicher auch der durch Sturm angerichtete Schaden ist. Der Great-Eastern, welcher seinen Ankerplatz am Mittwoch, den 11. d. verließ, hatte ca. 280 Seemeilen in westlicher Rich tung zurückgelegt, als er von einem äußerst heftigen Sturme übe.fallen wurde, welcher beide Schaufelräder gänzlich zertrümmerte. Der obere Theil des Steuer ruders — eine Eisenstange von 10 Zoll im Durchmesser — brach, so daß das Schiff nicht mehr gesteuert werden konnte. Einer unförmlichen Masse gleich, lag das Riesenschiff auf dem Wasser, von den quer auf dasselbe einstnrzenden Wellen hin- und hergeschleudert, und von einer Seite nach der andern schlin gernd, so daß die Verschanzungen fast das Wasser berührten. Die Ausstattung der Kajüten und Salons, einschließlich aller Möbeln, wurden zertrümmert und der größte Theil der Passagieresfecten zerstört. Ein Kuhstall wurde in die Da menkajüte gespült und die Kühe getödtet. Passagiere und Mannschaft glaubten jeden Augenblick das Schiss sinken zu sehen und erfüllten die Luft mit ihren Klagen und Gebeten. Zwanzig bis dreißig Personen, worunter mehrere Da men, wurden gefährlich beschädigt und erlitten Beinbrüche rc. und mehr oder weniger ist jeder der am Bord Befindlichen verwundet worden. Am Sonnabend erst war es möglich, nothdürftig das Steuerruder wieder zu repariren, um ver mittelst der noch unbeschädigten Schraube nach Cork zurückzukehren. Die Volks-Zeitung schreibt: „Ter nachstehende, vor einiger Zeit bei der Criminalabtheilung des Berliner Kriegsgerichts verhandelte Fall verdient die allgemeinste Beachtung, da er aufs neue einen schlagenden Beweis dafür liefert, ein wie geringer Werth in Criminalproceffen auf außergerichtliche und namentlich vor der Polizei abgelegte Geständnisse zu legen ist. In Britz, einem Dorf in der Nähe Berlins, wurde durch Einbruch eine Uhr gestohlen. Ein in dem Hause, wo der Diebstahl verübt worden, dienendes Frauenzimmer lenkte den Verdacht auf einen im Dorfe wohnenden Knaben, den sie unter verdächtigen Umständen zur Zeit der That am Orte derselben gesehen haben wollte. Dieser zwölf Jahre alte Knabe, von dem außerdem noch erzählt wurde, daß er eine den Verdacht unterstützende Aeußerung gemacht habe, wurde festgenommen und legte alsdann vor dem Gutsinspector des Dorfes sowie vor einem berittenen