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VsigllimWer Anzeiger. Amtsblatt für daS Königliche Bezirksgericht zu Plauen, sowie für die Königlichen Gerichtsämter und Stadträtbe zu Plauen, Pausa, Elsterberg, Schöneck und Mühltroff. ZweiMdstebenzigstel Jahrgang. Verantwortliche Redaction, Druck und Verlag von Moritz Wieprecht in Plauen. Dieses Blatt erscheint wöchentlich dreimal, und zwar Dienstags, Donnerstags und Sonnabends. Jährlicher AbonnementspreiS, welcher prLouMsrLnäo zu entrichten ist, auch bei Beziehung durch die Post, 1 Thlr. 10 Ngr. Annoncen, die bis Bormittags 11 Uhr eingehen, werden in die TagS darauf erscheinende Stummer ausgenommen, später eingehend^ Annoncen finden in der nächstfolgenden Nnmmer Aufnahme. — Inserate werden mit 1 Ngr. für die gespaltene Lorpus-Zeile berechnet. Einzeilige mit 2 Ngr. — Für die auswärtigen Äönigl. Gerichtsämrer und Stadrräthe, für welche der Boigtländische Anzeiger Amtsblatt ist, bestehen die Geschäftsstellen in Pausa bei Herrn Bürgermeister Leh mann, in Elsterberg bei Herrn L. A. Diezel, in Schöneck bei Herrn Eduard Pleyer, in Mühltroff bei Herrn Lhauffeegelder-Einnehmer Holzmüller. Donnerstag. MMA, 26. September 18K1. Einer der schönsten Sommer, die wir je erlebten, ist vorüber. Die Tage werden zuweilen ranh, trübe und naßlühl, und Stürme, welche die Zeit der Tag- und Nachtgleiche zu begleiten pflegen, melden den Eintritt des Kalender herbstes, während der wirkliche schon um den Egidiustag in Gesellschaft des Jägers über die kahlen Stoppelfelder schritt. Als bis zum letzten Dritttheil des Monats Mai die todte und lebendige Natur den Kopf hängen ließ ob des abscheulichen, naßkalten FrostwetterS, das keinen Pflanzenwuchs gestattete und die Wintersaaten ärger, zehntete, als Cialdini die bourbonischen Banden, wie wenige waren damals geneigt, mit uns Trost zu finden in der wunderbar wirkenden Kraft der Natur? Und doch hat diese sich während der darauf folgen den Prachtmonate bewährt! Die damals kläglich aussehenden Wintersaaten er holten sich dergestalt, daß, wenn auch nicht im Stroh, doch in den Körnern die Ernte recht gesegnet aussiel. Sahen wir doch in der Ausstellung des voigt- ländischen Gartenbauvereins einen Winterrogen-Stock aus Syrauer Flur, der nicht weniger als 67 Halme und Aehren getrieben hatte. Rechnet man im Durchschnitt die Aehre nur zu 30 Körnern, so gab dieser Stock allein 2010 Roggenkörner. Die Sommerfrüchte übertrafen die kühnsten Erwartungen, und es dürfte selbst einem sehr bejahrten Manne nicht leicht werden, sich vieler Jahre zu erinnern, in denen Gerste und Hafer, ob früher oder später, ob in mehr oder minder guten Boden gesäet, gleicher gewachsen sind und gleichzei tiger gereift haben, als Heuer. Wie voll des Lobes aber die Hausfrauen sind über das neue Mehl, das sich so schön bäckt, kann man täglich hören. Und unsere Leib- und Nationalfrucht, die Kartoffel! Man gehe auf die Wochenmärkte, um seine Freude zu haben, wie gerne sie gekauft wird, und werfe einen Blick auf den Fanlilientisch, um sich an den vergnügten Gesichtern der Jungen und Alten zu laben, die begierig nach den uniformirten Knollen langen. Wie sind sie Heuer so mehlreich, wie platzen sie leicht auf, wie munden sie trefflicher, als seit 1842, da die heillose Fäule bei uns einzog, während Heuer das Kraut noch in fast frischem Grün prangt! So wäre denn, trotz des mißrathenen Obstes, das wir unter solchen Um ständen leichter misten können, eine leidlich tröstliche Aussicht auf wohlfeiles Brod für den Winter eröffnet, nur dürfen wir den Maßstab der zwanziger Jahre, in denen der Scheffel Korn zuweilen 2 Thlr. und darunter kostete, jetzt und Wohl in alle Zukunft nicht mehr an die Wohlfeilheit des Getreides legen. Der Geldwerth ist seitdem um fast die Hälfte gesunken, und da das Getreide der sicherste Geldwerthmester ist, so müssen wir jetzt den Scheffel Roggen zu 4 Thlr. für eben so wohlfeil halten, als damals für die Hälfte. Es gehört dieser Preis gegenwärtig zu einer der Bedingungen, unter welchen unsere Landwirthe, deren Arbeitskosten in demselben Verhältnisse gestiegen sind, bestehen und die entlaufen müßten, wenn sie mehrere Jahre hindurch den Scheffel Roggen für 2 Thlr. zu verkaufen genöthigt wären. Allein dieß ist nicht zu befürchten, einmal, weil in Folge der ungeheuren Ausbeute an edlen Metallen und der massenhaften Papiergeldfabrikation der Geldwerth, wie gesagt, mächtig gefallen ist, sodann aber auch, weil die vortrefflichen Verkehrsmittel unserer Zeit, namentlich Dampfschiffe und Eisenbahnen, stets und überall ausgleichend wirken, d. h. der Theuerung der Brodfrüchte irgendwo eben so hindernd entgegentreten, wie sie das allzutiefe Sinken der Getreidepreise aufhalten. So hat außer Italien dieses Jahr auch Frankreich keine gute Ernte gemacht und bedarf für rund 100 Mill. Thaler Getreidezufuhr aus dem Auslande. Und so gehen denn bereits jetzt schon aus Deutschland, aus Ungarn auf dem breiten Rücken der Donau herauf, aus Amerika massenhafte Zufuhren an Getreide nach Frankreich. Amerika liefert jetzt allein wöchentlich 270 tausend sächsische Scheffel Getreide nach Europa, größtentheils nach Frankreich. Eine Theuerung, wie 181.7 in Deutschland, da Rußland Ueberfluß an Getreide hatte, der sächs. Scheffel Roggen aber durch die Fracht auf der Achse von Stettin bis Plauen auf 14 Thlr. vertheuert wurde, erscheint bei den Verkehrsmitteln unserer Zeit deshalb eben so unmög lich, als ein zu tiefes Sinken des Werthes, es müßte denn, was Gott verhüte! ein allgemeiner Mißwachs ganz Europa, mit Einschluß der in neuester Zeit so bedeutend gewordenen Getreideländer Ungarn und Amerika, heimsuchen, oder eine ausgezeichnet gute Ernte in allen Welttheilen statt finden, was nicht wohl an zunehmen ist. Für die Biertrinker eröffnen sich ebenfalls bessere Aussichten, als voriges Jahr. Wird auch der Preis der Gerste, trotz der reichen Ernte, nicht unmäßig herabziehen, weil'der Bedarf dieser Frucht in Folge der ungeheuer steigenden Bierconsumtion alljährlich steigt, so lauten doch die Hopfenberichte höchst er freulich. Hopfen, gut und viel, überall und allenthalben, der Preis noch nicht die Hälfte des vorjährigen. Es sind nicht Hände genug aufzutreiben zum Blatten desselben. Im Erlanger Wochenblatte suchte ohnlängst der Stadtrath des Hopfen städtchens Spalt auf einmal 2000 Arbeiter in die Hopfengärten zu gutem Lohne! Dagegen hat der Tabak durch die Sonnenhitze stark gelitten. Wird darum eine Cigarre weniger gedampft werden? — So wären, wie gesagt, leidliche tröstliche Aussicht für den Winter, wenn — die Baumwolle nicht wäre. Diese spielt in zwei Welttheilen, und in der alten europäischen Welt in England, Frankreich, Belgien, der Schweiz und in Deutschland, und in diesem in Sachsen, und in Sachsen im Voigtlande eine höchst bedeutende Rolle. Europa verarbeitet jährlich 4*/z Million Ballen, den Ballen zu 3—4 Centnern, das thut wöchentlich 82000 Ballen Baumwolle. Davon liefert Nordamerika vier Fünftheil. Nordamerika bezog bisher für 400 Mill. Thaler europäischer Fabrikate und bezahlte diese mit Baumwolle. Balti more, Boston und vor allen Neuyork vermittelten bisher den Verkehr zwischen den nordamerikanischen südlichen Sclaven- und Baumwollenstaaten einer- und Europa anderseits. Diese Vermittelung ist durch den von den politischen Schufte» und religiösen Glaubenswüthigen des Nordens mit den Haaren herbeigezogene Bürgerkrieg in Nordamerika so gestört, daß das Elend für Amerika und Europa nicht abzusehen ist, das da kommen muß, wenn nicht da drüben bald wieder die Vernunft oben auf kommt. Liverpool ist in Europa der Hauptmarkt für Baumwolle. Der Vorrath nimmt dort mit Schrecken ab. In der ersten Sep temberwoche waren dort nur noch 588000 Ballen Vorrath; bleibt die Zufuhr auS, so ist dieser Vorrath Ende November aufgeräumt. Was dann? England allein erzeugt jährlich für 450 Mill. Thlr. baumwollene Waaren; wie will es seine Schiffe, seine Spinnereien, Webereien, Färbereien rc. mit Millionen Ar beitern beschäftigen, ernähren ohne Baumwolle? Und in ähnliche Noth können wir ebenfalls gerathen. Daher die ängstlichen Blicke, die jeder Verständige gegenwärtig nach Amerika wirft. An Baumwolle fehlts den amerikan. Süd staaten nicht, die Ernte war vortrefflich; aber die Südstaaten wollen um jeden Preis vom Norden los und verkaufen deshalb kein Loth an den Norden, um die Fabriken desselben zu gänzlichem Stillstände und dadurch die Fabrikanten und Arbeiter des Norden- zur Verzweiflung und die Regierung des Nordens