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sir HMlMFuikA, 7. Juli. Gestern Nachmittag gegen 4 Uhr verdunkelte stch der Ermittel durch schwere, von Westen und Südwesten herziehende Wolken ganz ungewöhnlich, hohe undurchstchtige Staubwolken wirbelten empor; plötzlich brach der Orkan loS; furchtbare Windstöße, enorme Regenmasten, vom Winde in eigenthümlicher Weise herumgepeitfcht. Nach einer Biertelstunde war der Himmel wieder hell, um erst später gegen Abend einem tüchtigen Landregen Platz zu machen. Die Schützenhalle erstreckt sich in ansehnlicher Länge von Süd nach Norden; an drei Seiten geschlossen ist sie gegen Westen geöffnet. Von ihr nach Westen steht der Gabentempel. Um 1 Uhr hatten, um daS Kellnerpersoual i.nzuüben, 2000 Menschen in der Festhalle zu Mittag gegessen. Nicht lauge war die Tischgesellschaft aufgestanden, als der Himmel sich verfinsterte. Alsbald fuhr der Wind in die Vorhänge und die vielen flatternden Fahnen, der Regen folgte, die großen gemalten Fenster sammt Rahmen flogen in den innern Raum und nun begann die Angst und Verwirrung. Zuerst floh man nach der Hintern geschützten, der Wettergegend abgekehrten Seite ver Halle. Als aber das Dach mit der Maste von Bretern zu krachen und zu stürzen anfing, als selbst einige der Säulen stöhnend nachgabcn, stürzte alles nach der offenen Seite inS Freie. Doch hier war der Regen so heftig, der Sturm so arg, daß der Boden alsbald morastige Pfützen bildete, Frauen und Kinder zur Erde geschleudert und fortgeweht wurden und sich nur in Koth gebadet wieder erhe ben konnten. Herzzerreißend war das Geschrei der zarten Kinder, das Weh klagen der besorgten Mütter, die thränenerfüllten Augen vieler ihre Familie zusammensucheuden Vater. Der heftigste Windstoß hatte den Hintern Theil deS Daches der Festhalle, südlich von der Mittelhalle, hoch aufgehoben und auf den hinter ihm stehenden Theil der Oekonomiegebäude, namentlich die Spülküche, geschleudert. Augenblicklich war das Dach derselben durchbrochen und die gu Boden stürzenden Balken begruben eine Anzahl Personen unter sich. Zn dieser Spülküche wurden zwei Arbeiterinnen getödtet, eine Sachsenhauser Bürgers frau H., welcher das Genick gebrochen wurde, und ein Mädchen E. aus Nie derrad, welcher nebst einer Kopfwunde der Brustkasten eingedrückt wurde. Drei andere Spülmädchen wurden verwundet, darunter eine mit sehr schwerer Kopf wunde; sie befinden sich im Heiligengeisthospital, ebenso wie zwei Kellner, ein Schweizer leicht, ein Franzose sehr schwer im Rücken verwundet. Hr. V., Buchhalter bei G., erhielt eine große, aber ganz ungefährliche Kopfhautwunde. Einige andere Verwundete wurden zu dem Arzte des benachbarten Bornheim gebracht, doch erregt keiner derselben ernste Besorgnisse. In das Bürgerhospital wr rde kein Verwundeter gebracht. — Die Mittelhalle hat wenig, der nördliche Theil, sowie die Küche und die Schießstände haben fast nicht gelitten. Das um den Gabentempel befindliche Gerüst stürzte gleich anfangs zusammen, der Tempel selbst, sowie die dessen Spitze krönende kolossale Germania trotzten dem Sturm. Zn der nächsten Umgegend des Schützenplatzes war die Verwüstung gleichfalls groß; fast ein Dutzend der Pappeln der Bornheimer Heive sind ent wurzelt ocer unten im Stamm abgebrochen. Fast alle benachbarten Häuser, sowie alle nach dem v. Bethmann'schen Garten zu (in welchem selbst es auch arg genug aussieht) gelegenen neuen Häuser sind an der nach Westen gerich teten Dachseite größtentheils ihrer Ziegeln beraubt. Dasselbe ist übrigens zum Theil auch in und fast um die ganze Stadt der Fall. Die kolossalen Zink platten des Daches deS Rust'schen Hauses in der Langen Straße liegen in dem Bibliotheksgarten. Zn ver Bockenheimer Anlage hat ein Haus fast alle Schiefersteine verloren (das benachbarte dagegen kaum einen einzigen). Auf der Bockenheimer Landstraße ward das Dach desselben Hauses eines alten würdigen Diplomaten, welches vor einem Zahre abbrannte, ganz abgedeckt. Die nicht weit davon entfernt stehende Brönner'sche Fabrik ward des ganzen Daches be raubt, nur die vier kahlen Wände stehen noch. Leichtere Häuser wurden zum Theil selbst zum Zusammensturz gebracht, auch mitten in der Stadt, wo man sie für geschützter hätte halten können, so z. B. die Scheune und das ansto- ßeude Häuschen im Riesen. Die Fruchtfelder liegen darnieder, die Fruchtbäume, namentlich Aprikosen, sind allerwarts furchtbar mitgenommen, auf der Mainzer Landstraße ist fast kein Baum unversehrt geblieben, von den alten Kastanien bäumen auf der Bockenheimer Landstraße ist zwar keiner gänzlich zerstört, größtentheils haben sie aber ihre stolzesten und größten Aeste in die benachbar ten Garten geschleudert. Weiter nach Bockenheim zu sind Massen von Bäumen quer über die Fahrswaße gelegt, welche dadurch an mehreren Stellen unprakti kabel war, ebenso wie an der Untermainanlage. Am obern Ende der Eschen heimer Landstraße sind die hölzernen Scheidewände der einzelnen Gärten voll ständig umgelegt. Und so allerwarts um die ganze Stadt. Die Dielstöße vor dem Obermainthor liegen zu Boden, weit zerstreut. — Zn diesem Jahrhundert har Frankfurt keinen ähnlichen Orkan erlebt; am 14. Zuli 1841 und am 14. Juli 1853 tobten ähnliche Orkane wie gestern, und merkwürdiger Weise ebenfalls an Sonntagen und zu derselben Nachmittagsstunde, doch waren sie lange nicht so heftig. Ueber die beim Schützenfest in Frankfurt ausgesetzten Preise entnehmen wir der ofsieiellen „Festzeitung" Folgende-: Außer den Ehrengaben, welche sich für die einzelnen Scheiben ihre? Anzahl nach und unter Angabe ihre- Gesammt- werthes nachfolgend registrirt finden, kommt auf jede Scheibe noch eine größere Anzahl von Geldpreisen, welche aus der Hälfte der gemachten Einsätze gebildet werden, im Gesammtwerthe von 30,250 Fl. Im Uebrigen kommen auf die Stand-Feflscheiben: „Deutschland" 43 Preise, 4675 Fl. 30 Kr., darmtter 1000 Fl. Schützenverein in Frankfurt a. M., Geld. — 700 Fl. Schützenverein in München, Fahne. — 280 Fl. Deutsche in Zürich, Stutzen ; „Rhein" 24 Preise, 1620 Fl., darunter 400 Fl. Liederkran; in Frankfurt a. M., silberner Pocal. — 125 Fl. deutscher Schützenvereiu in Philadelphia, Fahne; „Donau" 25 Preise, 1611 Fl., darunter 260 Fl. Schützen in Basel, Stutzen. — 140 Fl. deutscher Hilfsverein in Bern, silberner Pocal; „Elbe" 24 Preise, 1618 Fl,, darunter 230 Fl. Bürger in Leipzig, silbernes Trinkhorn. — 150 Fl. Schützen freunde in Hannover, Doppelflinte; „Weser" 24 Preise, 1621 Fl., darunter 225 Fl. Schützengesellschaft in Hanau, ein Paar Pistolen; auf die Feld-Fest scheiben: „Heimath" 40 Preise, 5637 Fl., darunter 1750 Fl. Frankfurt, Geld. — 1050 Fl. deutscher Nationalverein, ein silbernes Trinkhorn. — 600 Fl. Deutsche in Rotterdamm, silberner Pocal. — 300 Fl. Schützengesellschaft in Nürnberg, silberner Pocal. — 240 Fl. Kegelgesellschaft in Frankfurt a. M., Chronometer. — 190 Fl. Canton-Schützen in Aargau, silberner Pocal, silber ner Teller, schweizer Münzen; „Schill" 26 Preise, 1702 Fl., darunter 350 Fl. Herzog Ernst von Koburg - Gotha, silbernes Trinkhorn; „Körner" 26 Preise, 1707 Fl., darunter 220 Fl. Schützenfreunde in Bremen, silberner Pocal; „Hofer" 25 Preise, 1707 Fl., darunter 400 Fl. alter Bürger verein in Frankfurt a. M., silbernes Besteck. — 210 Fl. Schützengesellschaft in Hamburg, silberner Pocal ; „Palm" 26 Preise, 1692 Fl., darunter 400 Fl. bairischer Turnerbund, Oelgemälde; auf die Stand-Festscheibe zum Auflegen: „Oder" 17 Preise, 656 Fl., varunter 100 Fl. Gesellschaft „Germania" in Genf, Stutzen. — Als Ehrenpreis für die meist geschossenen Nummern im Feldkehr 150 Fl. I. Schleßinger in Birmingham, Zündnadelbüchse. Als Ehren preis für die meist geschossenen Nummern im Standkehr 130 Fl. Mitglieder des deutschen Nationalvereins in Liverpool. Unter den ferner angemeldeten und noch nicht eingetheilten Preisen besinnen sich 2000 Fl. von der Stadt Wien. Baiern. Nürnberg, 6. Zuli. (Deutsches Sängerfest.) Der Finanz ausschuß des vom 21. — 23. Zuli v. I. dahier abgehaltenen ersten deutschen Sängerfestes theilte rn den letzten Tagen den Actionären den bezüglichen Rech nungsabschluß mit. Nach demselben sind in Summa 55,949 fl. 53 kr. ein gegangen; darunter namentlich 30,789 fl. für Actiett, deren jede bekanntlich vor dem Feste 50, zur Bestreitung der Passivreste unmittelbar nach dem Feste noch 16, im Ganzen also 66 Procent bezahlte; 1492 fl. 21 kr. an freiwilligen Beiträgen, 21,662 fl. 57 kr. u. s. w. Verausgabt wurden 55,821 fl. 25 kr. und zwar vom Sängerausschusse 6007 fl. 59 kr. (3139 fl. 36 kr. für Mu siken, 1070 fl. für Componisten rc.); vom Empfangsausschusse 771 fl. 8 kr.; vom Wirtschaftsausschüsse 16 fl. 39 kr.; vom EinquartierungsauSschusse 4498 fl. 52 kr.; vom Dekorationsausschusse 7360 fl. 17 kr.; vom Bauausschusse 34,657 fl. 23 kr.; für Dekoration des Dutzendteiches 250 fl.; für allgemeine Unkosten 2259 fl. 7 kr. Ueber den Kassenbestand von 128 fl. 28 kr. wird seiner Zeit verfügt werden. — Zn der gestrigen Schlußsitzung wurde beschlossen, daß die von der Kunstschule angefertigten Gemälde zur Dekoration geschichtlich merkwürdiger Häuser während des Sängerfestes Eigenthum der Stadt bleiben, jedoch dem Germanischen Museum zur Aufbewahrung übergeben werden sollen. Die Festfahne und die von auswärts eingelaufenen Geschenke wurden gleichfalls als städtisches Eigenthum bestimmt, so zwar, daß letztere der Stadtbibliothek einverleibt, erstere den Sängern Nürnbergs bei bestimmten Veranlassungen zur Benutzung überlassen werden soll. Schweiz. Bern, 7. Juli. Die italienische Regierung hat dem Bun- desrath angezeigt, daß die Actionspartei sich wieder sammele; die italienische Regierung ersucht den Bundesrach um Ueberwachung der schweizerischen Grenze, damit das schweizerische Gebiet nicht zu Unternehmungen von Freischaaren ge- mißbraucht werde. Rußland. Petersburg, 2. Zuli. Einem vom Hofe herrührende.. Gerüchte zufolge soll am 26. August, dem Tage der Feier des tausendjährigen Jubiläums des russischen Reiches, ein Manifest über Einberufung eines Reichs raches und Umbilvung des kaiserlichen Raches in einen Bojaren-Senat erlassen werden. Jenem Manifeste soll am 14. August ein Erlaß über Aufhebung der körperlichen Strafen vorangehen. Bon der polnischen Grenze, 7. Juli. Aus Warschau wird gemeldet, daß der Großfürst Konstantin beim Empfange der Geistlichkeit und der Lanoschaftsbehörde geäußert habe: er lege das begangene Verbrechen keineswegs der polnischen Bevölkerung zur Last; dieselbe habe sich niemals solcher Thaten schuldig gemacht. Aber wäre dies selbst der Fall, so würde er dennoch nichts an der Ausführung deS Programms zum Wohle deS Landes ändern. Der Großfürst reichte hierauf dem Landschaftspräsiventen v. Zamoyski die Hand und forderte ihn auf, ihm bei der Ausführung oes Programm- behilflich zu sein. , Au- Warschau, 4. Juli, wird der BreSl. Ztg. Über da» Attentat be richtet : Der Thater ward nach kaum vollbrachter That vom Platzcommandanten, Fürsten Bebutow, ergriffen, im Augenblick, wo er nach vollbrachter That ein