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47L welcher seit Zahrzchnten das gesammte öffentliche Leben verkehrte und nun wird gerade der Mann an die Spitze gerufen, welchen man nach dem Ausscheiden der Herren Vollmar rc. gegenwärtig als den eigentlichen Träger jenes Regime zu betrachten Hal! ES stellt sich immer deutlicher heraus, daß Wiegand und Loßberg dupirt sind. Der bevorstehende hef tige Streit mit den Ständen ist mit Rücksicht auf die Persönlichkeit der Minister bereits mit Gewißheit vorherzusehen. Die preußische Regierung, welche noch in den allerletzten Tagen wie der Befehle zur Marschbereitschaft hatte ergehen lassen, worüber noch heute zahlreiche Nachrichten in den Blättern enthalten sind, ist vor der Hand mit der neuesten Wendung der Dinge in Kurheffen einverstanden. Kassel, 24. Juni. Dem Vernehmen nach ist General v. Bardeleben auSersehen, dem Könige von Preußen zum Zwecke der Wiederanknüpfung deS diplomatischen Verkehrs ein eigenhändiges Schreiben deS Kurfürsten zu überbringen. — Der Gütertransport auf der westphälischen Eisenbahn ist seit gestern Abend frei. Oesterreich. Wien, 20. Zuni. Zn der heutigen Sitzung deS Herrenhauses vertheidigtc Kardinal Rauscher bei Berathung deS Budgets für das Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten die Unabhängigkeit und die weltliche Macht deS Papstes. Graf Rechberg stimmte demselben bei, indem er an die kürzlich gethanen Aeußerungen DiSraeliS im englischen Unterhause über die Nothwendigkeit der Unabhängigkeit deS Papstes er innerte. Graf Rechberg bemerkte bei dieser Gelegenheit, daß das Kon kordat Abänderungen, jedoch nur im Einverständnisse mit dem Papste gestatte. (Schlechte Aussichten für Aufhebung deS heillosen Konkordats!) Wien, 23. Zuni. Wenn daS Gerücht von der bevorstehenden An erkennung deS Königreichs Italien durch Rußland bisher noch in Zweifel zu ziehen war, so ist jetzt allerdings zuzugestehen, daß diese Anerkennung sehr wahrscheinlich ist. Diese Wendung ist aber nicht dadurch eingetreten, daß daS Turiner Cabinct in die Entfernung der in der italienischen Armee oder unter den Freiwilligen dienenden Polen oder in die Auflösung einer polnischen Militairschule in Italien eingewilligt hat, sondern weil dieses Cabinet sich dazu verpflichtete, Rußlands orientalische Politik thatkräftig zu unterstützen. Die Tragweite dieses Zugeständnisses und dessen Wichtig keit für die Pläne, welche das russische Cabinet in den untern Donau ländern verfolgt, liegt auf der Hand. Von den Adriatischen Küsten Italiens auS läßt sich erst eine Offensive gegen die Türkei wirksam auS- führen, wenn dle Diversion zur See mit den Operationen zu Lande com- binirt wird, und ein Blick auf die Karte zeigt, wie effektvoll Rußland, wenn eS über die italienischen Küsten, Häfen und maritimen Kräfte ver fügt, für Montenegro und eventuell für Serbien aufzutreten vermag. Italien. Rom. Wie der „Zndependance belge" geschrieben wird, hat der Papst den Prälaten beim Abschiede Vorsicht empfohlen und ge- rathen, eifrig für die weltliche Gewalt zu wirken, doch alles zu vermeiden, waS einem direkten Auftreten gegen die Regierung deS Kaisers Napoleon ähnlich sehe; Lavalette aber habe geäußert, die römische Curie schicke, wie Simson die Füchse mit Feuerbränden in die Erntefelder der Philister, die Prälaten nach Frankreich heim. Zn Rom hat diese Bemerkung Glück ge macht. Was Franz II. anbetrifft, so geht er nicht nur nicht von Rom fort, sondern daS Banditenwesen soll von Neuem beginnen. Schon ist Crocco mit 40 Berittenen und etwa 20 Mann zu Fuß im Felde erschienen und hat sich mit Ninco-Nanco vereinigt. Vorläufig stehlen diese Ritter der Restauration besonders Pferde, um alle in den Sattel zu kommen. — Cardinal Wlseman, der Verfasser der Adresse der Bischöfe an den Papst, ist zum General-Vicar in Rom ernannt, für den Fall, daß der Papst Rom verlassen würde. Turin, 22. Zuni. Garibaldi'S Rückkehr nach Caprera bestätigt sich. Frankreich. Paris, 24. Zuni. Der heutige „Moniteur" sagt: Die neuesten, biS zum 9. d. M. reichenden Nachrichten auS Washington enthielten keinen nachträglichen Bericht über daS Gefecht von Puebla; eS sei also gestattet, anzunehmen, daß daS Gerücht von einem Rückzüge der Franzosen nach Veracruz ein falsches sei. Türkei. Belgrad, 23. Zuni. Die Mörder der österreichischen Posttataren find standrechtlich erschossen, zwei Mitschuldige derselben zu zwanzigjährigem schweren Kerker verurtheilt und die Nebrigen den gewöhn lichen Gerichten übergeben worden. Eine heute erschienene Proklamation verweist diejenigen Personen, welche sich feindseliger Handlungen gegen fremde Unterthanen schuldig machen oder Andere dazu verleiten, vor da- Standgericht. Zn Belgrad herrscht Ruhe. Rußland. St. Petersburg, 21. Zuni. Der heutige „Russische Invalide" enthält einen kaiserlichen Befehl, welcher die Schließung sämmt- ltcher Militär-Sonntagsschulen wegen Verbreitung falscher Lehren und wegen Versuchs der Verleitung zum Treuduche gebietet. Auch ist die Zu lassung fremder Individuen in die Kasernen verboten. St. Petersburg, den 18. Juni. Wir haben in der That eine schwere Zeit durchlebt und fast sind die Nachwehen noch schwerer, als eS die Stimmung der Gemüther im Augenblicke der Gefahr selbst war. Die Gerüchte und Besorgnisse nehmen wahrhaft riesige Dimensionen an, und man traut fast dem Boden nicht mehr, auf dem man steht, seitdem man die Ueberzeugung gewonnen hat, wie furchtbar unterwühlt er war. Nicht allein sind bereits alle Sonntagsschulen für Handwerker geschloffen, wett von zweien, der WendenSki'schen und Sampsoni'schen, durch die Hand werker selbst zur Anzeige gebracht worden ist, daß dort Aufruhr und Mord brand gepredigt werde, weil dies daS beste Mittel sei, eine Revolution herbeizuführen, wenn man ganz St. Petersburg niederbrenne. Und an solchen Schulen betheiligen sich Gardeoffiziere als Lehrer. Die Lcsecabinrtte und der Schachclub sind geschlossen, mehrere emancipirte Frauenzimmer sind im Gefängniß. Ueberall hört man von Verhaftungen, strengen Maß regeln und sehr ernster Auffassung der Sache von Seiten der Regierung. Die beiden Grafen Rostoffzoff, Söhne deS verstorbenen Generals, den der Kaiser mit dem Vorsitz in der Redactionscommission für daS Werk der Bauernbefreiung betraut, beides Obersten und Flügeladjutanten deS Kai sers, find ihrer Posten entsetzt und werden zu schwerer Rechenschaft gezogen werden. Der ältere Bruder lebt, mit einer Engländerin verheirathet, in London und soll von dort her aufrührerische Schriften nach Rußland ge schickt, der jüngere Bruder sie hier verbreitet und überhaupt ein thätiger Förderer der Umsturzpartei gewesen sein. Die Nachricht ihrer Entkleidung von der Würde eines kaiserlichen Flügeladjutantcn hat eine außerordent liche Wirkung in der Stadt gemacht und Alles ruft nach strengster Be strafung dieser und anderer Schuldigen. Daß die Regierung im Besitze sehr bedrohlicher Nachrichten sein muß, beweist die gestern in der „Nordi schen Post" erschienene Verordnung, daß alle ergriffenen Brandstifter vom Kriegsgericht nach der KriegScriminalordnung abgcurtheilt werden sollen, und daß dem Generalmilitärgouverneur (Fürsten Suwaroff) die Bestäti gung und sofortige Vollstreckung der ergangenen Urtheile übertragen wird. (Die gleiche Verordnung ist bekanntlich seitdem auch für die Provinzen ergangen.) Da wir Todesstrafen nur für Hochverrath haben, so ist ein Henker auS Finnland verschrieben worden, der die TodeSurtheile vollstrecken soll. Scheint eS doch fast, als ob die allgemeine Stimmung den Kaiser zwänge, streng zu sein. Als er bei der unglaublich heftigen Feuersbrunst der beiden Trödelmärkte erschien, drängte sich daS Volk mit Urah! Urah! aber auch mit dem Rufe um ihn: „Strafe Kaiser, strafe! sei strenge, lasse uns nicht unglücklich machen." Warschau, 21. Juni. Der „Dziennik Powsz." enthält den katserl. UkaS über die bürgerliche Gleichstellung der Juden. Amerika. Nach Berichten aus New-Nork vom 10. d. hätte die dänische Regierung den Vorschlag gemacht, alle Neger von ihren Herren zu nehmen und sich erboten, dieselben auf ihre Kosten nach Sancta Kruz, einer dänischen Insel in Westindien, zu tranSportiren. Nach einer Lehr zeit von 3 Jahren sollten die Neger dann frei sein. (Wie wollen die Dänen 4 Mill, nordamerikanischer Neger auf ihren paar wtnzigkletnen westindischen Inseln unterbringen?) Seward, der zur Annahme diese- Vorschlages nicht autorisirt war, wird, wie eS heißt, denselben dem Kon greß unterbreiten. — Einem Gerüchte zufolge wäre eine neue Emission von Schatzscheinen im Betrage von 150 Millionen gefordert worden. — In Memphis ist viel Baumwolle zerstört worden. Bekanntmachung. Nachdem Frau Emilie verwittwet gewesene Schiffmann, jetzt verehelichte Beyer, ihre Anstellung als Hebamme in hiesigem Verwaltungsbezirke aufgegebett hat und als deren Nachfolgerin Frau Gmilie verehel. Hegewald von uns in Pflicht genommen worden ist, so wird Dies andurch zur öffentlichen Kenntniß gebracht. Elsterberg, den 21. Juni L8S2. ' D e r S 1 a d t r a t h v a f. Franz Adolph Steinmütter, Brgrmstr