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70 IrMrkrriH. Pari-, 27. Januar. Die Thronrede, mit welcher der Kaiser die Legislative eröffnete, lautet: „Meine Herren Senatoren! Meine Herren Deputirten! Da- abgelaufene Jahr hat, ungeachtet gewisser Beunruhi gungen, den Frieden sich befestigen sehen. Alle absichtlich verbreiteten Gerüchte über PrLtensionen, die nur in der Einbildung existiren, sind von selbst zusam mengefallen vor der einfachen Realität der Thatsachen. Meine Beziehungen zu den fremden Mächten gereichen Mir zur vollkommensten Befriedigung, und der Besuch mehrerer Souveräne hat überdies dazu beigetragen, unsere Freundschafts bande enger zu knüpfen. Der König von Preußen hat, indem er nach Frank reich gekommen, sich selbst von unserm Berlangen überzeugen können, uns noch naher anzuschließen (unir ä'avantaße) an eine Regierung und ein Volk, die ruhigen und festen Schrittes auf den Fortschritt losgehen. Ich habe das Königreich Italien anerkannt in der festen Absicht, durch Rathschläge voll Theil- nahme und ohne Interesse die Versöhnung zweier Principien (cau868) zu beför dern, deren Gegensatz überall die Gemüther und die Gewissen beunruhigt. Der Bürgerkrieg, von dem Amerika heimgesucht ist, hat soeben unsre Handelsinteressen bedenklich berührt. So lange indessen die Rechte der Neutralen respectirt wer den, müssen wir uns auf sehnliche Wünsche beschränken, daß diese Entzweiungen bald ein Ende finden mögen. Unsre Niederlassung in Cochinchina hat sich, Dank der Tapferkeit unsrer Land- und Seetruppen, befestigt. Die Spanier, die sich unserm Unternehmen angeschloffen, werden hoffentlich in jenen Ländern den Lohn ihrer muthigen Mitwirkung finden. Die Anamiten setzen unsrer Herr schaft einen schwachen Widerstand entgegen, und wir würden mit Niemandem im Kampfe sein, wenn nicht eine gewissenlose Regierung in Mexico uns ge- nöthigt hätte, uns mit Spanien und England zu verbinden, um unsre Lands leute zu schützen und gewisse Attentate gegen die Humanität und das Völkerrecht zurückzuweisen. Es kann aus diesem Conflicte Nichts hervorgehen, das geeignet wäre, das Vertrauen in die Zukunft zu erschüttern. Nach außen hin durch nichts in Anspruch genommen, habe Ich Meine Aufmerksamkeit specieller dem Zustande unsrer Finanzen zuwenden können. Eine offenherzige Darlegung hat die wahre Lage zur Kenntniß gebracht. Ich werde über diesen Gegenstand nur einige Worte sagen. Das Publikum ist in Aufregung gerathen über die Ziffer 963 Millionen, bis zu welcher die schwebende Schuld gestiegen ist; aber diese Schuld, die für die Zukunft auf diesem Punkte stehen bleiben wird, hat nichts Beunruhigendes, denn sie hatte diesen Betrag schon vor dem Jahre 1848 er reicht, zu einer Zeit, da die Einkünfte Frankreichs weit von der Höhe entfernt waren, die sie heute erreicht haben. Ueberdies sind von dieser Summe zunächst die 652 Millionen abzuziehen, die auf dem Staate lasteten zu einer Zeit, die vor dem Kaiserreiche liegt; sodann die 78 Millionen, die bei Gelegenheit der Rentenconversion den Staatsgläubigern als Entschädigung gezahlt wurden; endlich die ungedeckten Credite zum Belauf von 233 Millionen, die im Laufe der beiden letzten Rechnungsjahre verursacht worden sind durch Expeditionen nach entfernten Ländern, und für die es möglich gewesen wäre, eine Anleihe zu machen. Man wird erkennen, daß seit Errichtung des Kaiserreiches die offenen Credite, allerdings Dank den nach und nach bewirkten Consolikirungen, nicht in demselben Verhältniß gestiegen sind, wie die notwendigen Bedürfnisse, die zu befriedigen waren und wie die Vortheile, die seit 20 Jahren erreicht sind. In der That, meine Herren, es würde nicht gerecht sein, wenn man vergessen wollte, das Anwachsen der Ausgaben, welche das Iahresbudget erforderte für die Anleihen, welche um zweier nicht rühmloser Kriege willen contrahirt sind; die 622 Millionen, welche der Schatz auf große gemeinnützige Arbeiten ver wandt hat, abgesehen von den 2 Milliarden, welche in Anspruch genommen sind durch die mit der Vollendung von 6553 Kilometer Eisenbahnen beschäftigten Ge sellschaften; die Ausführung des Telegraphennetzes; die Verbesserung des Looses fast aller Staatsdiener; das vermehrte Wohlsein des Soldaten, wobei die Cadres der Armee dergestalt eingerichtet sind, wie es in Friedenszeiten die Würde Frank reichs erfordert; die Umwandlung der Flotte und unsers gesammten Artillerie materials; die Wiederherstellung unsrer gottesdienstlicken Gebäude und unsrer öffentlichen Denkmäler. Diese Ausgaben haben allen gemeinnützigen Arbeiten auf dem ganzen Gebiete des Kaiserreichs einen befrucktenden Impuls gegeben. Haben wir nicht die Städte sich verwandeln, das platte Land durch den Fort schritt des Ackerbaues sich bereichern und den auswärtigen Handel von 2 Milliarden 600 Millionen auf 5 Milliarden 800 Millionen sich erheben sehen? Endlich sind allein durch die Zunahme des allgemeinen Wohlstandes die Einkünfte des Staates um mehrere hundert Millionen gewachsen. Diese Aufzählung läßt UNS den ganzen Umfang der Finanzquellen Frankreichs übersehen ; und doch, welches immer die Entstehung der offenen Credite, wie berechtigt immer die Ausgaben gewesen sein mögen, die Klugheit gebot, dieselben nicht zu vermehren. Zu diesem Ende habe Ich dem Senate ein Radicalmittel vorgeschlagen, welches dem gesetzgebenden Körper eine größere Fähigkeit der Controle giebt und den selben mehr tüld mehr zum Genossek Meiner Politik macht. Aber diese Maßregel war nicht, wie man sich leicht überzeugen wird, ein Auskunftsmittel, um Meine Verantwortlichkeit zu erleichtern, sondern eine spontane und ernste Reform, um uns zur Sparsamkeit zu nöthigen. Bei dem Verzicht auf das Recht, in der Zeit zwischen den Sessionsperioden ergänzende und außerordentliche Credite zu eröffnen, war eS jedoch wesentlich, sich die Fähigkeit vorzubehalten, unvorher gesehene dringende Bedürfnisse zu bestreiten. Dazu hat da- System der Ueber- tragung (viremento) die Mittel geboten; und dasselbe hat den Vortheil, jene Fähigkeit auf die wirklich dringenden und unerläßlichen Bedürfnisse zu beschrän ken. Die strenge Anwendung dieses neuen System- wird uns dazu verhelfen, unsre Finanzvcrwalkung auf unerschütterliche Grundlagen zu stellen. Ich rechne darauf, daß Ihr Patriotismus und Ihre Einsicht Meine Bemühungen durch eine angelegentliche Mitwirkung unterstützen werden. Ein Budget wird Ihnen beim Beginn der Sitzung vorgelegt werden. Nicht ohne Bedauern habe Ich Mich entschlossen, Ihnen eine Umarbeitung mehrer Steuern vorzulegen; aber bei der Zunahme unsrer Einnahmen wird, Ich bin dessen überzeugt, die Ver mehrung der Steuerlast nur eine zeitweilige sein. Ich stelle Ihnen anheim, sich zuvörderst mit dem Gesetzentwurf über den Umtausch der 4*/z Renten briefe zu beschäftigen, der die Interessen des Schatzes und der Gläubiger der Billigkeit gemäß gleich berücksichtigen und die Vereinheitlichung der Rente vor bereiten soll. Ich habe Ihnen, Meine Herren, eine loyale Auseinandersetzung der Sachlage gegeben. Sie wissen, so oft sich die Gelegenheit zu einer nütz lichen Reform darbot, habe Ich sie entschlossen in die Hand genommen. Nichts destoweniger werde Ich die fundamentalen Grundlagen der Constitution unversehrt erhalten, die dem Lande bereits zehn Jahre der Ordnung und des Gedeihens eingetragen hat. Es ist das Schicksal Aller, die an der Regierung sind, Ich weiß es wohl, ihre reinsten Absichten verkannt, ihre löblichsten Handlungen ent stellt zu sehen durch den Parteigeist. Aber sein Geschrei ist ohnmächtig, wenn man das Vertrauen des Volkes besitzt und nichts versäumt, dasselbe zu ver dienen. Die Stimmung, die sich bei jeder Gelegenheit verräth, ist Meine kost barste Belohnung, in ihr liegt Meine größte Kraft. Stellt sich der eine oder andere unvorhergesehene Umstand ein, wie eine Theuerung der Lebensmittel, eine geringe Nachfrage nach Arbeit, so leidet das Volk, aber in seinem Ge rechtigkeitsgefühl macht es Mich nicht für seine Leiden verantwortlich, weil es weiß, daß alle Meine Handlungen unablässig darauf gerichtet sind, sein Loos zu verbessern und das Gedeihen Frankreichs zu fördern. Machen wir uns keine Täuschung über Das, was uns noch zu leisten bleibt; aber wünschen wir uns zu gleicher Zeit Glück dazu, daß wir zehn Jahre verlebt haben inmitten einer befriedigten Bevölkerung und in Eintracht der großen Staatskörper. Verharren wir in unserm Werke mit Energie und setzen wir unser Vertrauen in die Vor sehung, die uns zu allen Zeiten sichtbare Zeichen ihres Schutzes gegeben hat!" Paris, 26. Ian. Der Plan, Mexico zu einer Monarchie umzugestalten, tritt jetzt offen hervor. Constitutionnel und Patrie sprechen davon, trotz der Seward'schen Note, wie von einer Sache, die sich ganz von selbst versteht. Bereits schreibt man dem Kaiser die Absicht zu, auch einen Theil der Süd staaten, so wie die Scheidung vollbracht ist, monargisch zu reconstituiren. Die Candidatur des Erzherzogs Maximilian soll jedoch, wegen des Widerstandes, den ihr der Wiener Hof selber entgegengesetzt, wieder an Chancen verloren haben. Die vereinigten Mächte, heißt es, hätten deßhalb bereits ihr Augen merk auf den Grafen von Flandern, den zweiten Sohn des Königs der Bel gier gerichtet. Betgien. Brüssel, 28. Ian. Die „Indep. belge" meldet: Der spanische Gesandte in Paris, Herr Mon, habe den Minister des Auswärtigen in Madrid, Herrn Calveron Collantes, mittelst einer Depesche benachrichtigt, daß Frankreich entschieden die Candidatur des Infanten Don Sebastian um den mexikanischen Thron zurückweise und die des Erzherzogs Ferdinand Maximilian unterstütze. Dritte öffentliche Stadtverordnetenfitzung. b'. Plauen, 26. Januar 1862. In der am 21. d. M. stattgefundenen Stadtverordnetensitzung wurden zunächst zwei Gesuche um Belassung des Bürger rechts beim Wegzuge von hier, sowie das Aufnahmegesuch eines Ausländers in den Plauenschen Heimathsverband bei erfolgter Abstimmung genehmigt. Hier- nächst kam ein Rathsbeschluß in Vortrag, welcher unter Bezugnahme auf eine dem Lehrer Sachse bewilligte Gehaltszulage dahin ging, daß den Lehrern Döring und Hunger, welche der Altersklasse nach über dem Lehrer Sachse ständen, eben falls treuverdiente, seit langen Jahren an der hiesigen Bürgerschule angestellte Lehrer wären, und sich zurückgesetzt fühlen müßten, wenn der jüngere Lehrer Sachse einen höheren Gehalt als sie bezögen, eine persönliche Gehaltzulage von je 6V Thlr. gewährt und hierdurch der Gehalt Vieser Lehrer dem Gehalte Sachse's gleichgestellt werde. Mit diesem Beschlusse in Verbindung wurde ein später eingegangenrs hierauf bezügliches Schreiben des Lehrer Döring vorge tragen, in welchem derselbe dem Rathe durch das durch die beabsichtigte Ge haltserhöhung bewiesene Wohlwollen dankt, aber bittet, daß das Stadtverordne- tencollegium bei der Beschlußfassung über die Gehaltserhöhung von seiner Person jetzt noch absehen möge, da er seinen College» gegenüber durchaus nicht al- Bevorzugter erscheinen wolle. Das Stadtverordnetencollegium hatte sonach nur über die für den Lehrer Hunger beantragte Gehaltserhöhung Entschließung zu fassen und trat dem in dieser Hinsicht gefaßten RathSbeschlusse, nachdem derselbe von einem Mitgliede der Schuldeputatton warm befürwortet worden war, mit