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Voiglländ i scher Anzeiger. Amtsblatt für das Königliche Bezirksgericht zu Plauen, sowie für die Königlichen Gerichtsämter und Stadträthe zu Plauen, Pausa, Elsterberg, Schöneck und Mühltroff. ZmeinfWebenzigster Jahrgang. Verantwortliche Redaction, Druck und Verlag von Moritz Wieprecht in Plauen. Diese- Blatt erscheint wöchentlich dreimal, und zwar Dienstags, Donnerstags und Sonnabends. Jährlicher Abonnement-Preis, welcher prüllumsrIaclo zu entrichte» ist, auch bei Beziehung durch die Post, 1 Thlr. 10 Ngr. — Annoncen, die vis BormittagS 11 Uhr eingehen, werden in die Tag« darauf erscheinende Nummer ausgenommen, später eingehende Annoncen finden in der nächstfolgenden Nummer Aufnahme. — Inserate werden mit 1 Ngr. für die gespaltene Lorpus-Zeile berechnet. Einzeilige mit 2 Ngr.— Für die ausivärligen Ztönigl. Gerichtsämter und Stadträthe, für welche der Voigtländische Anzeiger Amtsblatt ist, bestehen die Geschäftsstelle» in Pausa bei Herrn Bürgermeister Letz mann, in Elsterberg bei Herrn E. A. Diezel, in Schöneck bei Herrn Eduard Meyer, in Mühltroff bei Herrn Ehauffeegelder-Tinnehmer Holzmüller. Donnerstag. 83. 18. Juli 1861 Plauen, 17. Juli. Obwohl wahrscheinlich heute schon die Entscheidungs schlacht in Eisenbahnangelegenheiten in der 2. K. zu Dresden geschlagen ist, wir also schon aus diesem Grunde die Wassen ruhen und des Krieges Stürme schweigen zu lassen uns vorgenommen hatten, so zwingt uns doch die Auslassung des geehrten Herrn Abg. Seiler in Nr. 82 d. Bl. unsern Lesern gegenüber zur Entgegnung und Berichtigung. Wir haben zwar nur ein sehr zweifelhaftes Recht, uns über die Ansichten und die Abstimmung eines „ ständischen " Ab geordneten, der im Grunde nur seinen Stand vertritt, auszusprechen, glauben indessen gern, daß der geehrte Herr Abgeordnete, seiner Pflichten als Landes vertreter eingedenk, den eigenen Vortheil und den Sondergewinn seines Standes rc. dem Gemeinwohl unterzuordnen und sich daher auch der ganzen Provinz — wenn auch irrthümlich — durch sein Votum und seine Unterschrift unter das wundersame Deputationsgutachten in Eisenbahnsachen nützlich zu machen ver meinte. Dadurch aber fällt er mit der gcsammtcn Deputation dem öffentlichen Urtheile anheim. Welcher verständige Mensch in Sachsen beklagte nicht mit dem geehrten Herrn Abgeordneten das Sturmlaufen an den Landtag um Eisenbahnen. Um so leichter war die Aufgabe der Deputation nnd eines voigtländischen Abge ordneten, aus diesem Wettrennen nach voraussichtlich unrentablen Lokalbahnen, die bis jetzt auf Regiments- d. h. auf Staatsunkosten gebaut wurden und die Schuldenlast des Staates so bedeutend gesteigert haben, ein unparteiisches, dem Staate, der Gesammtheit nützliches Gutachten zu finden, zumal unsere Regie rung in dem Dekrete vom 24. Juni selbst den Weg dazu recht deutlich gewiesen hatte. Die Gründe, „daß die voigtl.-böhmische Bahn nicht ausschließlich lokalem Interesse dienen, sondern bestimmt sein sollte, unsere Staatsbahnen mit dem großen Eisenbahnshsteme Süddeutschlands in Verbindung und unsere Staats- bahnen ertragsfähig zu erhalten und mit neuem Verkehrszugange zu beleben, und zu verhüten, daß ein Stück Welwerkehr nicht Sachsen ganz umgehe, daß mit dieser Bahn möglicher Weise Gefahr im Verzüge sei", — diese Gründe und Grundsätze, welche Herr Seiler in Nr. 82 als maßgebend für die Depu tation anführt, sind auch die unsrigen und hätten doch auch die Anträge der Deputation bestimmen sollen! Aber behüte! Die Dep. beantragt zwar Zustimmung zum eventuellen Bau dieser Bahn aus Staatsmitteln, will aber nur bis zur Landesgrenze bei Grün, d. h. gar nicht bauen, obwohl sie so gut, wie wir, wußte, daß für die Fortsetzung von Grün bis Eger kein Bauherr vorhanden, eine Sackbahn bis Grün eine halbe, mithin gar keine Maßregel, eine Unmöglichkeit sein müsse. Nicht genug, nachdem sie den Grundsatz ausge stellt, daß es sich bei Plauen-Eger nicht um eine neue unrentable Lokalbahn zu den vielen bereits vorhandenen, sondern um eine — kurz ausgedrückt — inter nationale Bahn handele, verläßt sie diesen Grundsatz auf der Stelle wieder und martert sich ab, eine solche internationale Bahn zu einer Lokalbahn über Treuen, Falkenstein rc., oder gar über Lottengrün zu machen, weil diese Linie im Bezug auf den Lokalverkehr eine der vorzüglichsten in Sachsen zu werden verspreche! Und doch hatte das königl. Dekret ausdrücklich be merkt, daß durch die doppelte und verlorene Steigerung der Linie Herlasgrün, wie durch die 3 Meilen Verlängerung derselben Bau und Betrieb wesentlich vertheuert werden müßten. Hatte demnach die Dep. die Wichtigkeit der Linie Plauen-Eger als einer internationalen, wie aus Herrn S. Auslassungen hervor zugehen scheint, erfaßt, so durfte sie nicht eine Sackbahn bis Grün Vorschlägen, noch weniger aber „ein Stück Weltverkehr" über den polnischen Michel oder Lottengrün oder Waschleithe zwingen und drängen, einen englischen Vollblut- Renner nicht nebenbei zu Karrengauldiensten ausnützen, das ganze große Projekt, von dem sich jeder Sachkundige eine, die jammervollen Erträgnisse der seit Jahren von unsern Kammern auf Staatskosten genehmigten Unterstützungs- Sackbahnen ausgleichende Rente verspricht, nicht durch ein solches Gutachten gefährden wollen. Und der Grund, der die Dep. bewog? Der Lokal- und Zwischenverkehr, auf der Linie Plauen-Oelsnitz (eilws der wohlhabendsten Striche des Voigt- landes) gleich Null, auf der Linie Herlasgrün-Oelsnitz (eines der ärmsten Land striche der Provinz) einer großen Entwickelung fähig! Den 70,000 Centnern zu Gefallen, die nach den kühnsten Berechnungen auf der letzteren Strecke werden bewegt werden und kaum einige Hundert Thaler abwerfen, will die Dep. „ein Stück Weltbahn" drei Meilen länger über verlorene Höhen auf schiefe Ebenen weisen. Da ihr selbst aber diese Steigerungsverhältnisse denn doch zu ungünstig erscheinen, will sie günstigere über Lottengrün! gewinnen, weil „das Stück Welt bahn" nur dann Aussicht auf eine gute Rentabilität gewährt, wenn es gelingt, die Bahnlinie so zu legen, daß jene Städtchen (Treuen, Auerbach, Falkenstein) sie mit zu benutzen vermögen! Die Rentabilität des Stückes Weltbahn hängt also von dem Import und Export dieser drei Städtchen ab! Wir gestehen ehr lich, daß solche Logik uns unerfaßlich ist, und daß wir die hohe Bedeutung dieser drei Städtchen für ein Stück Weltbahn bisher schmählich verkannt haben. Znm Schluß noch ein Wort über die Gefahr, die nach Herrn S. Ansicht den Grundbesitzern des Voigtlandes aus einer neuen Schienenverbindung mit den gesegnetsten Fluren Deutschlands drohen soll, indem sich der Druck auf die Körner- und Holzpreise bald nach Ausführung der neuen Bahn fühlbar machen werde. Wir halten die Furcht vor dieser Gefahr gänzlich ungegründet. War der Druck, den bisher Schweinfurt, Halle, Schlesien auf die voigtl. Getreide preise übten, zu ertragen, so würde er durch Pilsen und Regensburg auch nicht unerträglich werden. Was aber die Holzpreise betrifft, so würde das wenige Holz, das im Veigtlande noch vorhanden, durch die Urwälder des böhmischen und bairischen Waldes, soweit — und dieß ist eben nicht bedeutend — durch Plauen-Eger der Schienenverbindung zugänglich würden, — in seinem Preise schon deshalb nicht gedrückt werden, weil die Fracht zur und auf der Bahn auf so lange Strecken vollkommen ausgleichend wirken, uns und Norddeutschland aber außer dem immer seltener werdenden Nutzholze viel ausgiebigeres Frachtgut zuführen müßte, als es die gesammten Auerbacher Staats- und Privatforsten im Stande sind. Doch dieß sind mehr als unnütze Sorgen, da das Depu tationsgutachten um- und vorsichtig genug dafür gesorgt hat, daß das Voigtland höchst wahrscheinlich gar keine Bahn nach Böhmen, Regensburg rc. bekommt. Zeitungen. Karlsruhe, 14. Juli. Ein au- Odessa gebürtiger Leipziger Student, Jurist, Namens O. W. Becker, Sohn eine- StaatsrathS, 21 Jahr alt, hat heute Morgen 9 Uhr auf der Lichtenthaler Allee ein Terzerol auf Se. Majestät den König von Preußen abgeseuert. Der König erhielt eine leichte Conwflon; derselbe setzte mit der Königin seinen Spaziergang in ruhiger Fassung fort. Der Verbrecher ist in Haft, die Untersuchung eingeleitet.