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VsigllimWer Anzeiger. Amtsblatt für das Königliche Bezirksgericht zu Plauen, sowie für die Königlichen Gericht-ämter und Stadträthe zu Plauen, Pausa, Elsterberg, Schöneck und Mühltroff. DreilmdstebenzigflerJahrgang. Verantwortliche Redaction, Druck und Verlag von Moritz Wieprecht tu Plauen. Diese» Blatt erscheint wöchentlich viermal, und zwar Dienstag«, Mittwoch«, Donnerstag« und Sonnabend«. Jährlicher Ab»uuemeut«prei«, welcher präuumo^ raust» zu entrichten ist, auch bei Beziehung durch die Post, 1 Thlr. 26 Ngr. — Annoncen, die bi« Vormittag« 11 Uhr etugeheu, werdeu tu die Tag« darauf erscheinende Nummer ausgenommen, spater eingehende Annoncen finden in der nächstfolgenden Nummer Aufnahme. — Inserate werdeu mit 1 Nar. für die gespaltene Lorpu«-Aeile berechnet. Einzeilige um 2 Ngr. — Für die auswärtigen König!. Gerichtsämter und Stadträthe, für welche der Boigtländische Anzeiger Amtsblatt »st, bestehen tue Geschäftsstelle» in Bausa bei Herrn Bürgermeister Lehmann, in Elsterberg bei Herrn F. W. Feustel, in Schöneck bei Herrn Eduard Meyer, in Mühltroff bei Herru Lhauffeegelder-Etuuehmer Holzmüller. Mittwoch. »8. W. Juni IM. Gin Wort über Vorschuß- oder Creditvereine oder Bolksbanken. Vom Geldmärkte hat Jever gehört. Ein eigenthümlicher Markt! Er ist überall und doch nirgends; eS werden auf demselben Umsätze, Käufe und Verkäufe gemacht, größer und bedeutender als auf den Leipziger Messen. Der Einfluß deS Geldmarktes wird gespürt bis in die kleinste Dorfhütte und in den Beuteln der größten Staaten, und ein gewöhnliches Menschen kind kann dessen Geschäftsverkehr nicht im Mindesten wahrnehmen, ge schweige denn übersehen. Auf dem Geldmärkte gehtS zu, wie auf dem Krammarkte. Geld ist feil, man kauft und verkauft Geldzeichen, Werthpapiere, Creditscheine, und in großen Handelsstädten haben sie auch eigene Häuser für den Geldmarkt, Börsen genannt. Und gleich wie Butter und Getreide wohlfeil ist und billig zu haben, sobald der Butter- und Getreidemarkt reichlich versorgt ist, eben so kann man Geld zu billigen Zinsen an den Börsen, bei den Geldhändlern oder Bankiers, oder auch bei Leuten, die über baareS Ver mögen verfügen, zu kaufen, zu leihen bekommen, sobald Gelvüberfluß herrscht; umgekehrt aber, wenn'S Geld knapp ist, verlangen die Geldleute und Geld händler hohe Zinsen, das Geld wird theuer. Wie nun der Landmann seine Butter, sein Getreide und Vieh, der Fabrikant und Kaufmann seine Waare, so sucht auch der Besitzer von Geld dieses unter allen Umständen, cS mag mehr oder minder gesucht sein, so vortheilhaft als möglich anzulegen, zu verborgen, zu verkaufen. Ze höhere Zinsen bei möglichst sicherer Anlage, desto besser, desto lieber. Wer magS ihm verargen? Der kleine Mann, der besoldete Beamte, der wohl habende Bürger und Bauer zwar, der nur geringe Kapitalien zu erwerben, zu ersparen im Stande ist, z»eht eS vor, diese gegen Unterpfand oder Hypothek auf Häuser in den Städten, auf Landgrundstücke zu landesüb lichen Zinsen, höchstens zu 5 vom Hundert auSzuleihen, anzulegen, zu verkaufen, und thut wohl daran. Er ist mit den Verhältnissen und Zu ständen deS Geldmarktes zu wenig vertraut, von den großen Geldhandels plätzen zu entlegen, mithin nicht wohl im Stande, sich in GeldhandelS- speculationen einzulassen, bei denen ost der Augenblick, wenigstens die Stunde oder ein Tag große Verluste und Gewinne bringt, wie Mancher erfahren hat. Rein, nein, wenn die kleinen Leute ihre wenigen Ersparnisse auf den großen Geldmarkt tragen und dort wagen und speculiren wollen, so gleichen fie thörichten Schiffern, die in einem kleinen Fahrzeuge von Europa nach Amerika über das atlantische Meer fahren wollen. Der erste Windstoß, die erste MeereSwelle wirft daS elende Fahrzeug um. Anders die großen Geldleute, die über Zehn- und Hunderttausende, wohl gar über Millionen befehligen. Diese leihen wohl auch auf Rüter- und Bauer güter, auf große Häuser in großen Städten größere Summen zu landüb lichen Zinsen; aber mit kleineren Posten lassen sie sich nicht gern ein, und eS bleiben ihnen, trotz deS AuSleihenö auf Grundstücke, immer noch große Summen übrig, die fie nicht müßig liegen lassen, sondern mit denen sie handthiren und gewinnen und zwar mehr gewinnen wollen, als ihnen die mäßigen Zinsen auf verpfändete Grundstücke etnbrtngen. Dazu gtebt der heutige Geldmarkt vielfache, lockende Gelegenheit. Bald muß dieser -der jener Staat borgen, große Summen, Millionen. Steht der Credit eines StaateS gut, wie z. B. der von Sachsen, so bekommt dieser Staat daS Geld eben so billig geborgt, wie ein Grundstücksbesitzer auf Hypothek. Der Staat stellt dann Staatsschuldscheine oder StaatSobligationen auf 100, 500 oder 1000 Thlr. aus und bekommt dafür auch 100 , 500 oder 1000 Thlr. geborgt, zahlt auch nur 4, höchstens 5 Prozent Zinsen dafür. Aber die Geldleute oder Geldhändler gewinnen dabei doch; denn eben, weil Jeder die Schuldscheine eines gut verwalteten StaateS gerne kauft, lassen sie sich dann von Jedem, der solche Scheine haben will, 2—3 Proc. mehr bezahlen, als sie dafür gegeben haben. Ist ein Staat stark ver schuldet, wie z. B. Oesterreich, so borgen ihm wohl auch die Geldleute Geld; aber er muß wenigstens 5 Proc. Zinsen zahlen und — waS die Hauptsache ist — sie borgen ihm höchstens 50 — 60 Thlr. statt 100 und lassen sich doch einen Schuldschein auf 100 Thlr. auSstellen. Dann rech nen sie so: Hundert werden verzinst — denn die Zinsen muß selbst der verschuldetste Staat noch auftreiben, wenn er nicht bankerott sein will — und 50 oder 60 habe ich nur dafür bezahlt, folglich verzinst sich mein auSgelieheneS Kapital immer auf 9 — 10 Procent. Aehnlich istS mit Actien-Unternehmungen, an denen sich auch die Geldleute betheiligen, weil sie höhere Zinsen zu gewinnen hoffen, als landesüblich. Manchmal glückt- und daS lockt; manchmal schlägt- auch fehl; wagen gewinnt, wagen ver liert. Wer's aushält, gut, wer dabei zu Grunde geht, zu viel an einen Nagel hängt, und dieser reißt — hat sich's selbst zuzuschreiben. Dieß in kurzen Umrissen der heutige Stand deS Geldmärkte-. Aber waS hat dieser mit Credit- und Vorschußvereinen zu thun? Viel, sehr viel. ES mußte dieß vorau-geschickt werden, um die Rothwendigkeit und den Nutzen der Credit- oder Borschußvereine zu zeigen. Credit und Kapital, sei eS auch klein, muß jeder Geschäftsmann haben. Dem Grundbesitzer wird dieß leichter, er bietet ein Unterpfand und bekommt Geld zu mäßigen Zinsen. Dem Kaufmanne und Fabrikanten von gutem Rufe fällt eS auch nicht schwer, Geld zu erlangen, und muß er auch dem Geldhändler höhere Zinsen zahlen, so gewinnt er auch in seinem Geschäfte mehr, und muß mehr gewinnen, al- der Nutznießer eine- Grundstücke-. Aber der Handwerksmann, der kleinere Geschäftsmann, woher nimmt denn der Credit und Geld, daS Beides er ost ebenso nöthig zu seinem Geschäftsbetrieb bedarf, als der Kaufmann. Ei, meint man da, wenn er ein solider Mann ist, wird ihm Credit nicht fehlen. Ja wohl, es leiht ihm vielleicht rin Verwandter, ein guter Freund, dem eS nicht darauf ankommt, ein kleines Kapital einige Zeit unbenutzt zu lassen, ein mal 10 bis 50 Thlr ; aber oft und jederzeit wagt Jener nicht zu kommen, weil er lästig und abgewiesen werden würde. So geht er zum Geldhändler oder Bankier! Gut; aber wie soll der kleine GewerbSmann die hohen Bankierzinsen erschwingen? Und in kleineren Städten giebtS ost gar keine Geldhändler. So geht er zu einem reichen Privatmann! ES kann sein, daß dieser ihm einmal hälfe, aber öfter schwerlich; denn Niemand zer splittert gern große Kapitalien in kleine Darlehne zu geringen, vielleicht unsicheren Zinsen ohne Hypothek. Und doch giebtS tausend Fälle, in denen eine« kleine« Gewerb-manne mit einem geringen Darleh» gegen billige Zinsen unendlich viel geholfen sein würde. Wozu weitläufige Au-einandersetzung dieser Wahrheit? Mit