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VsilDnWtr Anztigtr. Amtsblatt für dus Königliche Bezirksgericht zu Plauen, sowie für die Königlichen Gerichtsämter und Sradträthe zu Plauen, Pausa, Elsterberg, Schöneck und Mühltroff. DreimWekellzigfler Jahrgang. Verantwortliche Reoaction, Druck und Verlag von Moritz Wieprecht iu Planer». Tielc» Blatt erscheint wöchentlich viermal, und zwar Dienstag-, Mittwoch-, Donnerstags und Sonnabends. Jährlicher Lbounemr utSpreiS, welcher präaam»- rLlläo zu eumchieu ist, auch del Beziehung durch die Post, 1 Lhlr. 26 Ngr. — Annoncen, die bis Vormittags 11 Uhr eingetzen, werden in die Tew« darauf erscheinende Nummer ausgenommen, spater eingehende Aunorc>.en finden in der nächstfolgenden Nummer Aufnahme. — Inserate werden mit 1 Ngr. für dir gespaltene «orpuS-Znte berechnet. Einzeilige rnitLNgr. — Für die auswärtigen Xon!gl. Gerichtsamtcr und Sradträthe, für weiche der Voigtläudische Anzeiger Amtsblatt ist, bestehen dre Geschäftsstellen in Pausa bei Herrn Bürgermeister Lehmann, iu Elsterberg de: Herrn F. W. Feustel, m Scbönect bei Herrn Eduard Mener, in Mühltroff bei Herrn Lhauffeegelder-Elnuehmer Holzmüller. Mittwoch. KOE». S- Juli I8SS. Werde» wir denn bald wirklichen Sommer bekommen? Der bisherige stand blos im Kalender, in der Natur war wenig oder nichts davon zu ver spüren. Wenn die Somre zu weilen einen Hellen und warmen Strahl herab schickte, augenvliMch umzog sich der Himmel, Regenschauer folgten und zogen hinter sich her empfindlich kühle Lüfte, daß der Doppelrock kaum zu entbehren war. Die Folge dieser plötzlichen und unaufhörlichen Temperaturwechsel waren zahlreiche Erkältungen, gaßdnsche Fieber und Nervenfieber, die sich rasch zum bösartigsten Typhus steigerten und viele Menschen dahinrafften. Ja unserem voigtländischeu LLma ist gerade während des Sommers doppelte Vorsicht in der Kleidung uöchig, und namentlich gilt es, an den Abenden Acht auf sich zu haben. DaS Gras auf dm Wiesen ist überreif und harrt der Sense und des Rechens; das gehauene wird höchstens trocken, aber nicht dürr, da- Getreide steht prächtig, aber schon klagt man aus Würtemberg, Frankreich und Ober- baiern über die endlose Nässe; die schon Schaden angerichtet habe, so daß der Erzbischof von München Gebete augeordnet hat, wenn gleich zum Glück in der Hauptsache noch gar nichts verdorben ist. In der niederbairischen Kornkammer wartet man sehnsüchtig auf warmes Wetter, das überreife Getreide einzuheimsen. AuS Petersburg und Kopenhagen Klagen über unendlichen Regen; aus Paris ein kleiner Aufschlag der Brodpreise. In den bairischen Hopfenstrichen hat die Kälte die Dolden geschwärzt, und Spekulanten kaufen schon den vorjährigen Hopfen auf. Ist nun auch, wie gesagt, noch gar nichts verdorben und in die sem Ankäufen und dem augenblicklichen theilweisen Höhcrgehen der Getreidepreise ohne ZweifA viel Spekulation, so steht doch so viel fest, daß der Sommer bisher nicht schön war. UnS wenigstens hat er nicht gefallen. Auch die Welthandel gefallen uns nicht. Drüben in Amerika wüthet der Bürgerkrieg gräulicher, als je, der Haß zwischen dem Nord- und Südbunde steigert sich, wo möglich, täglich mehr, das gegenseitige Sichruiniren wird immer rasender betriebe».' Binnen Jahresfrist hat der Nordbund 1200 Mill. Dollars (1700 Mill. Thlr.) Schulden gemacht, gegenwärtig giebt er wieder 150 Mill. Dollars Papiergeld aus, ruft noch größere Menschenmafsen zu den Waffen, siegt heute, erleidet morgen eine Schlappe, will aber kein Wort von Versöhnung hören. Der Südbund hat sich ebenfalls während dieser Zeit etwa 500 Mill. Dollars Schulden aufgeladen und seine massenhaften Baumwollen- und TabakS- vorräthe lieber verbrannt, als dem Nordbunde in die Hände fallen lassm. Dazu leidet er Mangel an Lebensmitteln, seine Truppen sind entmuthigt, eine Baumwollenernte steht für Heuer kaum in Aussicht — und doch kein Gedarcke an Unterwerfung! Hat der Südbund kein Heer mehr, so will er den Guerilla- oder Bandenkrieg, d. h. das Morden und Rauben im Kleinen fortführen, so lange er ein Messer hat. Wmn nur nicht Europa unter diesen jammervollen Zuständen so furchtbar mit leiden müßte! Die Noth um Baumwolle macht in England Hunderttansende hungern. Die Baumwolleupreise steigen täglich, stehe« gegenwärtig gegen vorige» Iah, mehr als noch einmal so hoch im Preis«, di« Spinnereien habe» fast überall und fast ganz aufgesponnen, und e- »st keine Aussicht, daß bald Besserung eintreten könne. Dieser Baumwoüeemwmgel macht sich aber nicht blo- in England, wo das Volk vernünftig genug ist, emzufehen, daß da keine Regierung und kein Fabrikant helfen kann, fühlbar; sondern auch in Frankreich, wo freilich keine Zeitung ein Wörtche« von der Noth im Bvllv verlauten lassen darf, und m Deutschland. Gebe GM, daß Lei zntO die RvH nicht so groß werde» tritt sie aber doch ein, die Einsicht und der Verstand derer, die darunter leiden, eben so groß sei, wie in England! Daß aber durch diese Baumwollennoth der heurige Sommer nicht verschönert wird, muß zugegeben werden. Die Zustände in Rußland und Polen wollen un- erst recht nicht ge fallen. Es ist nicht recht daraus klug zu werden, wer Alles hinter dem end losen Brandstiften, Wühlen und Meuchelmorden steckt. Wohl läßt sich muth- maßen, daß viel theilungslustiges Gesindel, namentlich in den großen Städten, auf eigene Faust brennt, um dabei zu stehlen; auch mögen politische Wühler und Phantasten die unwissenden Schichten des Volke- aufwühlen, weil ihnen ein Gedanke von dieser oder jener StaatSverfafsung das Hirn verdreht hat. Wenigstens scheint die wegen aufrührerischer Bestrebung der Lehrer erfolgte Schließung sämmtlicher Sonntagsschulen iu Rußland, die der wohlwollende Kaiser hatte einrichten lassen, um dem Mangel an Volksschulen doch etwas ab zuhelfen, dafür zu sprechen. Aber es kann auch in den höher» Klassen in Ruß land — in dem Adel und im Militär, kein guter Geist sein. Beweis dafür sind Verhaftungen und Bestrafungen vieler Adeligen und Offiziere. Was wollen denn diese? Etwa die Aufhebung der Bauernleibeigenschaft rückgängig machen? Das kann und wird der Kaiser nie thun, denn von dieser Bauern-Emanzipation hangt die zukünftige Macht und Blüthe Rußland- ab. Genug, man sieht, daß in Rußland gegenwärtig wohl unglückliche Zustande sind, den Grund davon aber vermag man nicht ganz zu erkennen. In Polen sind es die Nationali- tätsträume, geschürt von Außen und von der Geistlichkeit, welche die Aufregung des unglücklichen Volkes bis zum Meuchelmorde steigern. Gefallen aber will uns der Stand der Dinge in Rußland auch nicht. Die Südslaven und ihre Bestrebungen und Thaten an der untern Donau tragen auch nicht dazu bei, sich des heurigen Sommers zu freuen. Diese kriegerischen Völker sind fertig zum Gesammtaufstaude gegen die Türkei und werden nur mühsam noch vom Losschlagen zurückgehatten. Die Actionsparthei in Italien, d. h. die große Parthei unter den Italienern, die heute lieber al- morgen gegen Oesterreich Krieg und Revolution loSlafsen möchte, kann von der Regierung kaum noch gebändigt werden. Der Schutz- und Trutz-Bund zwischen Rußland und Frankreich ist fertig und harrt nur des gün stigen Augenblicks, um sich durch Thaten kund zu geben. Es leidet keinen Zweifel, daß Italien nur unter der Bedingung von Rußland anerkannt worden ist, der dritte im Bunde mit Frankreich und Rußland zu sein, d. h. Alles zu thun, was diese Zwei ihm zumuthen werden. Sag' Einer, daß so Etwas deu Sommer nicht zu verleiden vermöge! Ueberhaupt gefällt uns daS ganz« Gesicht der heutigen Weltlage nicht. Wir wollen nicht schwarz sehen, auch nicht unsere politische Nase für besonder- scharf riechend auSgeben; aber eS scheint uns aus Anlaß der italienischen und morgerlländischen Teufeleien, wenn auch noch nicht nach Pulver zu riechen, doch ein politische» Gewitter im nicht zu fernen Anzuge zu sei«. Wenn nur erst in Deutschland Alle» wäre, wie es sei» sollte, dann brauchten wir uns blutwenig «n die Zukmrst zu kümmern! Aber da liegt eben der Hase im Pfeffer! Summa Summarum, Sommer von 1862, bessere Dich! Du gefällst un» nicht.