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VoüMnd isci>tr Anzeigtr. Amtsblatt für -as Königliche Bezirksgericht zu Plauen, sowie für die Königlichen Gerichtsäinter und Stadträtde zu Plauen, Pausa, Elsterberg, Schöneck und Mühltroff. DrmnMMlMMr Jahrgang. BeranlwortliLe Redactiou, Druck and Verlag von Moritz Wieprecht in Plauen. Dieses Blrtl erscheint wöchentlich vcermal, und zwar Dienstag-, Mittwochs, Donnerstags und Sonnabends. Jährlicher Abonnement-Preis, welcher ranäo zu entrichten ist, auch bei Beziehung durch die Post, 1 Lhlr. 26 Ngr. — Annoncen, die bis Vormittags 11 Uhr eingehen, werden in die Tag- darauf erscheinend« Rammer ausgenommen, später eingehende Annoncen finden in der nächstfolgenden Nummer Aufnahme. — Inserate werden mit 1 Nar. für die gespaltene TsrpnS-Zeile berechnet. Einzeilige mit 2 Ngr. — Für die auswärtigen Ksnigl. Gerichtsämter und Stadträthe, für welche der Voigtländische Anzeiger Amtsblatt ist, bestehen die Geschäftsstellen in Pausa bei Herrn Julius Guido Lorenz, in Elsterberg bei Herrn F. W. Feustel, in Schöneck bei Herrn Eduard Meyer, in Mühltroff bei Herrn Tdaufseegelder-Einnehmer Holzmüller. Mittwoch. ISS. 3. September 1862 Politische Zeitbetrachtungen. 4. LouiS Napoleon in der Verbannung. Nun beginnt im Leben Lonis Napoleons die zweite Periode, eine fünfund zwanzigjährige Verbannung (1815 — 1840), worin der 7jährige Knabe an der Seite der Mutter zum Jünglinge heranwuchs und zwischen verun glückten, theuer bezahlten Versuchen eines waghalsigen Eingreifens in die Zeit bewegung zum Manne heranreifte. „An der Seite der Mutter," sagten wir, und hier ist der Ort, noch ein mal auf den Einfluß dieser merkwürdigen Frau hinzuweisen. In unserem Jahr hunderte voll großer, unaufhaltsamer Umgestaltungen giebt es für das Wohl der europäischen Völker wohl wenige Angelegenheiten von so folgenreicher Wich tigkeit, als die Erziehung ihrer Fürsten oder — um die Frage in ihrem ganzen Umfange zu überblicken — als die reformirende Erziehung der höheren Klassen der Gesellschaft. Wenn das Urtheil eines der geistreichsten Beobachter (Fallmerayer) unserer sozialpolitischen Zustände sich bestätigen sollte, daß fast durch ganz Europa die obern Klassen geistig und körperlich im Sinken begriffen seien, so würde dieß nur ein Grund mehr für die dringende Aufforderung, noch rechtzeitig die Hand an das Werk zu legen, um durch eine tief eingreifende Reform der Erziehung das jüngere Geschlecht für die mächtig andringenden Aufgaben unserer Zeit lebenskräftig auszurüsten. Königin Hortense fühlte dieß mit dem feinen weiblichen Jnstincte für die Anschauungen und Bedürfnisse ihrer Zeit. Sie wollte ihren Sohn für das thätige Leben erziehen und ihn tüchtig machen, in der freien Luft der großen öffentlichen Interessen des Jahrhunderts zu athmen und zu wirken, statt ihn in irgend ein Treibhaus verlebter Kastenvorurtheile oder in die kränklichen geist- tödtenden Umgangsformen eines abgeschlossenen Gesellschaftslebens zu bannen. Weil sie wußte, wie leicht man in den obern Kreisen durch künstlich gefärbte Gläser Welt und Menschen betrachtet, suchte sie jede Gelegenheit auf, um ihren Sohn mit Menschen aus allen Klaffen der Gesellschaft und mit allen lebendigen Richtungen des Jahrhunderts in nahe Berührung zu bringen. DaS aber ist das G.eheimniß aller belebenden Erziehung und das einzige Mittel, um von Einzelnen so gut als von ganzen Klaffen die gefährliche Stockung der geistigen Säfte und somit die sittliche und körperliche Verrottung abzuhalten. Es wird hiermit nicht behauptet, daß ihre Erziehung nun in Allem ge lungen sei ; nur dem großartigen Style ihrer Absichten und dem Hellen Ver stände, der daraus hervorleuchtet, soll sein Recht wiederfahren. Auch den trefflichsten Absichten kann das Naturell des zu Erziehenden schwer besiegbare Hindernisse entgegenstellen. Das sollte auch Hortense an ihrem Sohne erfahren, so wie die Lehrer, die sich in Constanz, Augsburg, Arenenberg und Thun in die Aufgabe seiner Erziehung und seines Unterrichts theilten. Die Licht- und Schattenseiten seines Wesens, die er in wesentlichen Punkten mit der Mutter theilte, traten früh und in starken Zügen hervor; doch gewannen ihm eine an- geborne Gutmüthigkeit und eine Freigebigkeit, die keine Schranken kannte, leicht die Herzen, und wer ihm nahe genug stand, um, wie z. B. sein militärischer Lehrer, General Dufour, auch seine geistigen Anlagen genau zu erforschen, der erkannte hinter dem trüben Schleier einer unbändigen Zerstreuung-- und Ge nußsucht den starken inner» Kern eines eisernen Willens (seine Mutter nannte ihn einen sanften Starrkopf) und einer seltenen, wenn auch langsamen Auffassungsgabe. Da- Geniale war bei ihm überwiegend auf der Seite de» Willens, in der Fähigkeit, seine ganze Kraft immer wieder auf ein Ziel zu sammeln und in allen Wechseln des Geschickes das Ziel nicht aus den Augen zu verlieren. Guizot, der gewiß weder zu seinen Anhängern noch zu seinen Bewunderern gehört, hebt mit richtigem Blicke diesen Zug als wesent lich für Louis Napoleons innere Bedeutung hervor. Wo er in seinen Denk würdigkeiten näher auf ihn eingeht, aus Anlaß des Straßburger Attentats, sagt er von ihm: „Er hatte seinen berühmten Namen ; aber dieser Name wäre unfruchtbar geblieben, ohne eine andere, und zwar ganz persönliche Kraft: er glaubte an sich und an seine Bestimmung. Während er seinen Dienst als Artillerie-Hauptmann in Thun versah und Flugschriften schrieb, betrachtete er sich doch stets als den Erben und Vertreter einer Dynastie und der beiden Ideen, welche die Stärke dieser Dynastie gewesen waren: Der Revolution ohne Anarchie und des Kriegs ruh ms. Unter sanften und bescheidenen For men vereinigte er etwas verworren eine lebhafte Sympathie für die revolutionären Neuerungen mit dem Geschmack und den Ueberlieferungen der unbeschränkten Gewalt; der Stolz eines regierenden Geschlechts mischte sich in die ehrgeizige Hoffnung einer großen Zukunft. Er fühlte sich als Prinz und glaubte mit unbezwingbarer Zuversicht an seine Vorherbestimmung zum Kaiserthron." Welchen Antheil an der Unerschütterlichkeit dieses Glaubens der geistige Einfluß seiner Mutter hatte, wurde schon früher betont. Wie ste selbst hierüber dachte, mögen uns ihre eigenen Worte sagen, die jetzt, da wir wieder an einen Wendepunkt im Leben Napoleons kommen, an der rechten Stelle stehen. Dem Kaiser Napoleon I. weist sie ganz dieselbe Stelle eines Vermittlers zweier Zeit alter, eines Begründers der modernen Freiheit an, wie ihr Sohn dies in den „Napoleonischen Ideen" später zu einer politischen ausbildete. „Er, der mit so hohen Fähigkeiten und einer so großen Seele begabt war, der sein Genie nur der Wohlfahrt der Völker widmete und sie nur in Ketten zu legen schien, um ihre Ketten auf immer zu zerbrechen; er, der das Jahrhundert der Freiheit vorbereitete, indem er die Nationen aufklärte und das Reich der Gleichheit in unsere Sitten wie in unsere Gesetze einführte; er ging unter auf einer öden Insel, verkannt von Frankreich, das er mächtig und blühend gemacht, verkannt von Europa, wo seine Eroberungen überall wohlthätige Institutionen einführten, deren Verlust man jetzt beklagt. In seiner Einsamkeit konnte nur sein künftiger Ruhm ihm Trost geben, den er voraussah; denn er allein wußte, wie viel Gutes er gethan, und wie viel er noch hatte thun wollen." Ueber die Aussichten, die ihren Söhnen übrig blieben, hatte sie sich die Theorie ausgedacht, die auch Louis Napoleon sich aneiguete und ausführte. „Um meinen Kindern die Liebe zum Vaterlande ohne Haß gegen irgend Jemande« einzuflößen, erklärte ich ihnen schon in ihrer Jugend den Charakter ihrer Stel lung und die Rechte eines freien Volkes. Vermöge seiner großen Verdienste hatte der Kaiser alle Stimmen zu seiner Erhebung geeinigt. DaS Volk, welche» giebt, hat auch das Recht, zu nehmen. Die Bourbonen betrachten sich als Eigenthümer und meinen, sie dürfen Frankreich als ihr Besitzthum ansehen. Die Bonaparte dagegen müssen immer eingedenk bleiben, daß sie alle Macht von dem Volkswillen empfangen haben; ste müssen den Ausspruch des selben abwarteu, und selbst wenn er zu ihren Ungunsten ausfiele, sich darein fügen." .. Und wie sicher sie sich in ihren Erwartungen auf die Zukunft ihre- Sohne» fikhlte, beweist ein Brief, den ste ihm beim Au-bruch der italienischen Unruhm