Volltext Seite (XML)
1S8 G)OE»GeN. Berlin, 16. März. Dit Leip). Ztg. schreckt über die MinisteiKriflS: Die hier obschwebeude Cabinet-krist- ist nunmehr aus dm Puukt der EnDcheidmg aelangt. In der am Freitag vom Prinzen von Hohenlohe ahaehalßenen Mimsterconfereuz handelte e- sich um die innere Einigung des CabinetS, sowie um die Aufstellung eines festen, gemeinsamen Regicrungspro- grammS. Statt der Verständigung ist aber eine scharfe Scheidung der Gegen sätze eingetreten. Wie verlautet, hat namentlich die Krage wegen des Verhal tens der Regierung zu den Wahlen und zum nächsten Landtag zwischen dm beiden Richtungen des Ministerium- die wesentlichsten Meinungsverschiedenheiten herau-gestrllt. Seiten- der liberalen CabinetSmitglieder soll dabei besonders eine Aenderung de- Herrenhauses, eine Beschränkung des Militairbudgets, die Aufhebung des Steuerzuschlags von 25 Procent und eine Umarbeitung mehrerer in der letzten Session eingebrachter Gesetzvorlagen gefordert worden sein. Hier mit warm die Vertreter der conservativen Richtung nicht einverstanden, und da alle Ausgleichungsversuche mißlangen, so blieb die Freitagssitzung für ihren eigentlichen Zweck ergebnißloS. Um so mehr hat dieselbe aber die Entschei dungsfrage in den Vordergrund gedrängt: ob bei der allseitig anerkannten Noth wendigkeit einer einheitlichen Cabinetspolitik und bei dem Mangel an Aussicht auf ein dauernde-, einmüthigeS Zusammenwirken der innerlich getrennten Ele mente de- jetzigen Ministerium-, die Herstellung der Gleichartigkeit nach links oder »ach rechts erfolgen solle. Diese Frage liegt jetzt dem König zur Be- schlußnahme vor. Verschiedene Berichte hiesiger Blätter über den gegenwärti gen Stand der Krisis können leicht Mißverständnisse erzeugen. Dahin gehört namentlich die Angabe: es seien von den Ministern Graf von Schwerin, von Patow und von Bernuth Entlafsungsgesuche eingereicht worden. In Wahrheit handelt eS sich nicht um einzelne directe Entlafsungsgesuche, sondern um genossen schaftliche bedingte Ankündigungen des Ausscheidens. Beide Theile des Mini steriums haben nehmlich infolge des am Freitag zum offnen Ausbruch gekomme nen Zwiespalts höchsten Orts in gesonderten Programmen ihre Regierungsgrundsätze dargelegt und von deren Annahme ihr Verbleiben im Amt abhängig gemacht DaS Programm der Liberalen ist nicht blos von den Herren von Patow, Graf von Schwerin und von Bernuth, sondern auch von Herrn von Auerswald und dem Grafen von Pückler unterzeichnet. Dasselbe soll sich auf die königliche Kundgebung vom 8. November 1858 stützen, diese aber im Sinne der liberalen Parteianschauung auslegen. Wie es heißt, sind dabei von den betheiligten Mi nistern insbesondere die oben angedeuteten Zugeständnisse nochmals empfohlen und ausdrücklich als Vorbedingung für ihre weitere Amtsführung geltend ge macht worden. DaS Programm der conservativen CabinetSmitglieder bewegt fick im Geiste einer freisinnigen conservativen Politik, ohne bedenkliche Vorbe dingungen zu stellen. Bis jetzt hat der König über die Wahl zwischen den beiden Richtungen noch keine Entscheidung getroffen. Auch dürfte eine solche erst nach dem Mißlingen nochmaliger Ansgleichungsversuche zu erwarten stehen. Nach welcher Seite dann der Ausschlag erfolgen werde, läßt sich für jetzt mit irgend einer Bestimmtheit noch nicht abftben. Berlin, 16. März. Bei der vorgestrigen ersten Aufführung des neuen Salingrö'schen Stückes „Coeur-Dame" im Victoria-Theater fand, wie die „N.-Z." berichtet, Seitens des zahlreich versammelten Publikums eine politische Demon stration statt, wie sie in solcher Stärke hier in Berlin seit langer Zeit nicht vorgetommen ist. Herr Grobecker sang im zweiten Act einige Couplets, welche den Gegensatz vom reichen Mann, der dennoch geistig und moralisch arm und vom armen Manne, der reich zu nennen sei, zum Inhalt hatten. Im letzten Verse schilderte der Schauspieler zuerst das Herrenhaus mit seinen wohlsituirten Mitgliedern und reichen Grundbesitzern: „Du armes reiches Haus!" Hierauf aber das Abgeordnetenhaus, in welchem schlichte, aus dem Volke hervorgegangene Männer gesessen, die nun unverrichteter Sache nach Hause geschickt seien, denen aber die Sympathie des ganzen Landes folge: „Du reiches armes Haus!" Das Haus erbebte unter donnernden Beifallsrufen, die minutenlang anhielten und immer wieder von Neuem ertönten. Ueberhaupt wurde jede leise Anspielung auf das aufgelöste Abgeordnetenhaus während der ganzen Vorstellung mit den lebhaftesten Ovations-Bezeugungen begrüßt. Nach dem Berliner Adreßkalender ist der unter uns ausgiebigste Name Schulz oder Schulze, deren der Adreßkalender, welcher überhaupt ungefähr 100,00V Menschen namentlich aufführt, 1017 verzeichnet, worunter allein 64 Schneider Schulz und 56 Schuhmacher Schulz sind. Wenn wir annehmcn, daß jeder dieser Schulz nur ein Kind und eine Frau hat (die Statistik würde uns erlauben, sogar 5 statt 3 Personen auf den Hausstand zu rechnen), so kommen auf 300,000 Menschen drei Mal 1017 oder 3051 Schulz. Da nun Berlin 500,000 Einwohner hat, so haben wir noch diejenigen Schulz, welche auf die 200,000 kommen, die nicht im Adreßbuch stehen, hinzu zu addiren. E- ist klar, daß sie keinen Hausstand besitzen- gewöhnlich weder Frau noch Kind haben und zum großen Theile auS Dienstmädchen, Soldaten, Gesellen, Lehrburschen, Arbeitern bestehen. Wir haben also 1017 nur mit 2 zu multi- pliciren — 2034. Diese zu obigeu hinzuaddirt, ergeben 5085 Schulz; also auf hundert je ein Schulz. DaS ergiebt für die 40 Mill. DeutschlandS 400,000 Schulz, eine Ziffer, die eher viel zu klein als zu groß sein dürfte, aber immer genügend wäre, die Bevölkerung einer deutschen Stadt ersten Rangc oder eines deutschen VaterländchenS letzten Ranges zu bilden. An „Müller-" führt der Adreßkalender 823 auf, die Statistik dieser Familie stellt sich also nur um ein Fünftel geringer al- die der Schulze. AValheck. Arolsen, 11. März. Heute wurde in einer verttaulick en Sitzung des Landtags die Militairconvention zwischen Preußen und Waldeck mit 12 gegen 3 Stimmen angenommen. Baiern. München, 15. März. Die „Neue Münchener Zeitung" bemerkt zu der von mehreren Zeitungen gebrachten Nachricht, Baiern und Wür- temberg hätten sich geeinigt, dem Handelsverträge zwischen Preußen und Frank reich ihre Zustimmung zu versagen, daß der Vertrag der bairischen Regierung noch nicht mitgetheilt (d. h. noch nicht officiell mitgetheilt) worden sei und man hiernach den Werth der obigen Zeitungsnachricht zu beurtheilen habe. (Diese Thatsache ist selbstverständlich nicht geeignet, die obige Nachricht zu alteriren. — Der „Würtemberger StaatSanz." erklärt die obige Nachricht nur für „eine verfrühte.") ^Oefterreich. Wien, 13. März. Lord Palmerston hat sowohl in Paris, wie in Turin in sehr unzweideutiger Weise erkären lasten, das britisch« Cabinet werde eine Lösung der römischen Frage im Sinne der italienischen Einigung jetzt zwar sehr ungern sehen, aber nicht zu verhindern suchen, wohl aber würde dies der Fall sein mit Bezug aus einen Angriff gegen Venetien, und was endlich einen etwaigen Handstreich, gerichtet gegen das österreichische Uferland, betreffe, so würde England einen solchen als eine gegen es selbst ge richtete feindselige Handlung betrachten und behandeln. Lord Palmerston erklärt, Englands Politik werde fortan den Grundsatz festhalten, daß Oesterreich nicht allein nicht geschwächt, sondern vielmehr möglichst gekräftigt werden müsse; darum sei vor der Hand mit allen Mitteln der statu8 quo zu erhalten. „Das weitere" — bemerkte der alte Staatsmann wörtlich, — „müssen wir Gott und seinem ersten Minister, der Zeit, überlasten." Frankreich. Aus Paris vom 13. März wird der Köln. Z. geschrieben: „Heute brachen über Paris mehrere Gewitter los, das erste mit starkem Hagel. Die Körner waren so groß wie Haselnüsse. Der Blitz schlug mehreremal ein, unter anderm in der Vorstadt Poistonnwre." Paris, 12. März. Der kaiserliche Prinz tritt nächsten Sonntag (16. März) in sein siebentes Lebensjahr. All diesem Tage wird er seine weiblichen Gouvernanten, Kinds- und Wartefrauen verlieren, und einen Gouverneur, einen Lehrer und ein ganzes männliches Dienstpersonal erhalten. Als den zukünftigen Gouverneur des Prinzen nennt man den Marschall Vaillant und als seinen Lehrer Msgr. Landriot, Bischof von Rochelle, der früher dem Unterrichtswcsen angehörte. Er war zur Zeit Direktor des Seminars zu Antun. RuHland. Die „Königsb. H. Z." berichtet von der russischen Grenze, 8. März, über ein Schmugglergefecht, das am Abende des 4. März jenseits der russischen Grenze stattgefunden hat, um mit 22 Schlitten mit Waa- ren, angeblich im Werthe von 15,000 Thlr., die russische Zolllinie zu forciren; jeder Schlitten hatte drei Schmuggler zur Besatzung. Sie hatten drei russische Postenlinien zu durchdringen, deren Wachtmannschast zusammcngezogen und 140 Mann betragen haben soll. Es soll ein bedeutender Theil der Waaren-Collis durchgebracht sein. Die Schmuggler haben ihre sämmtlichcn Verwundeten und Tcdten fortgebracht. Griechenland. Die der „W. C." vorliegenden'Berichte aus Athen, 8. März, entwerfen ein sehr düsteres Bild von den Zuständen in den griechi schen Provinzen ; die in denselben noch obwaltende Ruhe lasse sich bestens mit einer gewißen friedlichen Anarchie vergleichen, weil die machtlosen Behörden die Dinge eben ihren Gang gehen lassen, vor Steuer-Renitenzen die Augen zudrücken und dem Herumstreifen bewaffneter Banden, die leicht Eigenthum und Leben der Bürger gefährden können, nichts in den Weg legen. Die Landleute be waffnen sich zum Selbstschutze, Handel und Wandel stocken, und der Arbeiter findet nirgends lohnenden Erwerb. In Athen sind mehrere Blätter, die auf eine baldige entscheidende Aenderung der Lage dringen, mit Beschlag belegt und viele Verhaftete nach den Inseln transportirt worden. — Ein Privatbrief aus Athen, welcher der „Frankfurter Post-Zeitung" vorliegt und aus der Umgebung des Königs herrnhrt, stellt die dortigen Zustände ebenfalls in einem sehr un günstigen Lichte dar. Nach einer Correspondenz der Pattie soll die griechische Geistlichkeit zum Theil in den Aufstand verwickelt sein. So werde bestimmt versichert, daß der Bischof von Tripolitza die Fahnen der Empörer eingesegnet habe. — Die griechische Jnsurrection hat noch immer alle ihre Positionen inne. Im Besitze der stärksten Festung und des einzigen Kriegsarsenals des Landes verfügt sie über 48 Küstengeschütze und zwei Batterien gezogener Kanonen, die einzigen, die in Griechenland existiren. Sie sind mit gezogenen Karabinern versehen, haben Leben-mittel für mehrere Monate und scheinen sich wenig um die Blocki- rungSarmee zu kümmern, die nicht auSreicht, um die Approvisionirung der In surgenten von Syra au- zu verhindern. Amerika. New-Aork, 1. März. Die Besetzung von Nashville, der Hauptstadt Tennessee, wird amtlich bestätigt. Die UniouStruppen stoßen