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Voigüändischtr Anztiger. Amtsblatt für das Königliche Bezirksgericht zu Plauen, sowie für die Königliche» Gerichtsämter und Stadträthe zu Planen, Pausa, Elsterberg, Schöneck und Mühltroff. Dreiundsiebenzigfler Jahrgang. Verantwortliche Redaction, Druck und Verlag von Moritz Wieprecht in Plauen. Diese« Blatt erscheint wöchentlich viermal, und zwar Dienstag-, Mittwochs, Donnerstag- und Sonnabends. Jährlicher Abonnement-preiS, welcher prLnaaaa- raucko zu entrichten ist, auch bei Beziehung durch die Post, 1 Thlr. 26 Ngr. — Annonce», die bi- Vormittag- 1t Uhr eingeheu, werden in die Tag- daranf erscheinewhe Rümmer ausgenommen, später eingehende Annoncen finden in der nächstfolgenden Nummer Aufnahme. — Inserate werden mit 1 Ngr. für die gespaltene Eorpu--Zeile berechnet. Einzeilige mit 2 Ngr. — Für die auswärtigen Köuigl. GerichtSämter und Stadträthe, für welche der Boigtländische Anzeiger Amtsblatt ist, bestehen die Geschäftsstellen in Pausa bei Herrn Julius Guido Lorenz, in Elsterberg bei Herrn F. W. Feustel, in Schöneck bei Herrn Eduard Meyer, in Mühltroff bei Herrn Ehauffeegelder-Einnehmer Holzmüller. Donnerstag. aus. 8. November 186L. Da- „edle" Volk der Hellenen, für dessen Befreiung vom Jahre der Türken vor vierzig Jahren die ganze klassisch gebildete Welt schwärmte, dichtete, sammelte und (sehr vereinzelt) fvcht,' hat also in den jüngst verflossenen Tagen binnen dreißig Jahren seine neüttte oder^zehnte Revolution gemacht — durch schnittlich alle drei JHre eine — seinen König verjagt und eine provisorische Regierung eingesetzt. Das ist der würdige Dank dafür, daß König Ludwig von Baiern vor 3V Jahren Millionen bairischer Zwauzigkreuzer und viel edles deutsches Blut — von einem nach Griechenland geschickten bairischen Bataillone kam in Folge des Klima'- kaum ein Biertheil zurück — aufgewendet hat, um dort eine deutsche Dynastie zu gründen und au- dem verwüsteten Lande und verwilderten Volke einen gesitteten Staat zu machen, und nachdem dich au- dem Gröbsten gelungen, benutzen oder veranlassen die edlea hellenischen Prlikareu und Ktephten (auf Deutsch Raufbolde und Räuber) eine BergnüguuSreise ihres Königs Otto, fassen die neueste, wohlvorbereite Revolution loS und — die Zahl der vertriebenen gekrönten Häupter Hi abermals um eins vermehrt. Wir'glau ben nicht nöchig zu haben, uns deit Kopf zu zerbrechen, au- welchem Grunde dich geschehen sttn möge. "' ÄaS man von der Unpopularität der bairischen Dynastie schwätzt, weil diese den Fortschritt (die Vergrößerung?) Griechenlands nicht begünstigt Habe, von dir KinderlosigkeK'des Königspaares rc.— klappt nicht, denn dich sind leere Vorwande. Auch Rußland hat ohne Zweifel dieß- mal nicht gehetzt, denn diese- Reich hat m seiwtin Innern gegenwärtig zu viel zu thun, um die alten Träume auf den Thron von Byzant in verwirklichenden Angriff nehmen zu können ; es liegt vielmehr auf der Hand, daß diesen in der Wiedergeburt begriffenen Staate die neueste Verwickelung im illyrischen Dreieck ,mv so unpassender gekommen sein werbt, als es nicht einmal mehr eine Pontus- flott-hat. Ehru so ist Frankreich zur Zeit in Mexiko zu tief verbissen, iu Italien zu stark verfahren, als daß die neuesten griechischen Handel ihm gelegen kommqz könnten, Aon England ist es endlich bekannt, daß es über den gegen- stärtigen Okzd.-Hn Türkei die Hande hält, wie eine Henne ihre Flügel über dj« KHMtW^ Keich nefu, dje Griechen selbst, vielleicht noch in Compagnie mit iWEMr Wühlhuhexei, haben unserer Ansicht nach allein ihr neuestes Revolutionsstück gespielt. Üeber das ganze Griechenvolk im eigentlichen Griechen- lande, auf den iochschen und alten griechischen Inseln des Archipels, in Thessa lien, Macedonien rc.,. wo nur immer Griechen leben, ist die H^tärie^ d/x geheifne PyAische Frcündschaflsbund verbreitet, der schon laugst Re Wiederaus richtung eines griechisch - byzantinischen Reichs mit der Hauptstadt Constantinopel und die Vertreibung der Türken aus Europa bezweckte. Während de- Krim krieges machten die Griechen, wie bekannt, Versuche, diesen Gedanken zu ver- wirklichen, selbst König Otto war gezwungen, die Vergrößerungsgelüst« seiner Untertanen scheinbar oder wirklich zu theüen, bis franz, und englische Truppen und Schiffe in Kurzem den Griechen das Handwerk legten. Wahrscheinlich er schien der gegenwärtige Zeitpunkt dem alten Erzwühler Grivas und Genossen günstige ihre Plane wieder aufzunehmen. Wie nun weiter? Bei allen gelungenen Revolutionen hängt anfänglich der Himmel voll Geigen, bi- hinterher der hinkende Bote und da- Kratzen hinter den Ohren kommt. König Otto wird proteftiren und an die Großmächte appel- liren, die ihm sein Königreich eben so, wie den Gläubigern von Griechenland da» Anleihen von 60 Mill. Frauken gewährleistet haben. Staatsrechtlich, da- weiß ein Kind, ist der Thron von Griechenland nicht erledigt, wenn auch der König vertrieben ist. Ob aber die Großmächte — hier Frankreich, England und Rußlayb Neigung haben werden, den vertriebenen König mit Gewalt wieder auf seinen Dhron zu setzen, das ist eine andere Frage. Nicht bloS heut z«TW,'sondern schon lange fragerr die Mächtigen der Erde nicht allemal nach dem geschriebenen und verbrieften Rechte (vergleiche Italien), sondern sie richten sich sehr Häufig nach de« krüt aooompll, nach ,Per vollendeten Thatsache" und beantworten sich zuerst dir Flage, ob es in ihrem Nutzen sei und zu ihren sonstigen Zwecken Paffe, wem» sie diesem Gewichte der Thatsache» Rechnung tragen, d. h. tne Dinge nehmen, wie sie sind. Daß englische und französische, österreichische und italienische Kriegsflotten gar bald Griechenland umschwärme» werden, wir die Bienen ihre Körbe, versteht sich von selbst; von da an aber bis zu einer Intervention, bi- zu einem gewaltthätigen Einmengen ist noch ei» weiter Weg. Manch' Ries Papier wird vollgeschrieben werden, an Coufereaze» und Vorschlägen rc. wird's schwerlich fehlen, unserer Ansicht nach aber von der Weltlage überhaupt abhängig sein, ob Etwas für König Otto geschieht und zwar etwa- Ernstliche-. Lassen sich etwa die Griechen in ihrer SiegeStrunke»- heit beigehen, in die nahen türkischen Provinzen einzufallen, oder gar die Ionier aufwühleu zu wollen, so können , sie mit eben solcher Sicherheit auf die Breit seiten der englischen Flotten und auf ein Zurückgeschlagenwerdeu von Omer Pascha, dem jetzt nach Beendigung der montenegrinischen Händel die ganze türkische Armee zur Verfügung steht, rechnen, wie jeder Mensch auf seinen Tod. Die griechische Frage ist ein integrireuder Theil der großen morgenländischen Weltfrage, und diese wieder geradezu eine Lebensfrage für das ganze europäische Staatengebäude, zur Losung derselben aber scheint uns der gegenwärtige Zeit punkt nicht im Interesse der Großmächte, die Griechen dürften sich demnach i» ihren Spekulationen auf die Wiederherstellung ihres geträumten griechisch-byzan tinischen Reichs, ganz abgesehen davon, daß sie dazu das Zeug nicht haben, abermals stark verkalkulirt haben. Wir haben freilich keinen Begriff von der Herrlichkeit einer Krone und unser Uriheil mag daher souverain - unverständlich sein; aber an König Otto'- Stelle sagten wir dem klassischen Hellas ein frei willige- Lebewohl auf Nimmerwiedersehen, schlügen unsere Residenz auf dem böm Vater geschenkt erhaltenen herrlichen Schlöffe Leopoldskron bei Salzburg auf und ließen die tapfern griechischen Palikaren und Klephten, Staatskasse» und Schöpse stehle* und Kehle» abschneide», Land- und Seeraub und Revolu tion und alle mögliche derartige freie Künste treiben, zu denen sie so entschiede nes Talent besitzen. >.M» Stimmen über dir ^oßdeutsehe BersammlunG in Frankfurt. Die freisinnigen Blätter Deutschlands sind in dem Urtheil über die oberwähnte Versammlung einig. Sie hat kein klare- bestimmte-. Programm zu schaffen vermocht und sich statt dessen mit einigen Phrasen beholfen, die jever nach seinem Sinne deuten kann. Daher hebt auch die „Südd. Zeitung" hervor, daß sie nur um de- constatirten „Nicht-" willen von Bedeutung sei. Die „D. A. Z." weist auf die Thatsache hin, daß alle wahrhaft liberalen Elemente — sogar au- Oesterreich — sich fern gehalten hatten. Am Entschiedensten spricht sich die durchaus nicht preußisch gesinnte „Reue Frankfurter Zeitung" au-: „Die Zusammenkunft in Frankfurt ist einfach eine