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818 Die Triester Zeirung vom 30. October bringt von einem Begleiter des König- Otto eine Schilderung der griechischen Ereignisse. Der König hatte Althen am 13. October verlaffen, Hydra, Spezia, Ästros auf der Ostküste MoreaS, Gythion am obern Ende der östlichen Maina besucht, am 1V. Octbr. die Reise zu Lande nach Sparta fortgesetzt, wo er zwei Tage ver weilte. Am 19. Octbr. reiste er über das TaygetuSgebirge nach Kalamakd. Am folgenden Tage lief dort em griechischer Dampfer mit Truppen und dem General Mavromichalis ein, welcher die Nachricht von dem Militairaufstande in Bonizza in der Provinz Akarnanien brachte, wohin der König von Kalamata sich begeben wollte. Die dortige Besatzung von kaum 100 Mann empörte sich unter Änführung des Sergeanten GrijaS, band die Offiziere, nahm die Kaffen in Besitz und verübte allerlei Greuel. Die Nachrichten aus'Athen, Patras und Miffolunghi lauteten ebenfalls trübe. Am folgenden Tage kam ein zwei ter Dampfer aus Athen mit dem Cultusminister HadschiskoS. Infolge der Mittheilungen des letzter« verließ der König am 22. Octbr. Kalamata, besuchte noch den mainotischen Hafen Liment und kehrte gegen den Pyräus zurück. Am 23. October morgens auf der Höhe von Phalaräus kam eine Barke mit dem französischen Gesandten, welcher berichtete, daß in der verflossenen Nacht die Revolution in Athen ausgebrochen, der König entsetzt und eine provisorische Regierung errichtet wurde. Soldaten und Volk seien in den Palast gedrungen, hätten alles zerschlagen und geraubt, die Bewohner vertrieben. An die könig lichen Zimmer sei das Staatssiegel angelegt, der Hofgarten verwüstet, mehrere Menschen gelobtet, im Pyräus der Stadtcommandant von den Soldaten er mordet. Noch am selben Tage kamen alle Gesandten an Bord, stellten dem Könige vor, jeder Widerstandsversuch wäre unnütz, indem die ganze Armee in die Revolution verwickelt sei. Abends kehrten die Gesandten, mit Ausnahme des bairischen, nach Athen zurück. Ein französischer und ein englischer Dampfer legten sich zum Schutze des Königs nahe an die Corvette Amalia. Nachts kamen flüchtige Familien aus Athen und wurden auf dem französischen Dampfer uutergebracht. Am folgenden Morgen verließ der König die Corvette und be stieg den englischen Dampfer Scylla, seinem Gefolge die Rückkehr nach Athen freistellend. Blos ein Offizier ging zurück. Hierauf wurde der Pyräus ver laffen und in Salamis geankert. Die Corvette Amalia zog gleich nach des Königs Entfernung die Revolutivnsflagge auf. Eine königliche Proclamation, durch Vermittlung der Gesandten nach Athen gebracht, erinnert an die Be mühungen und Wohlthaten des Königs, welcher nach seinem Geburtslande zu rückkehre. Von Abdication keine Erwähnung. Die Flüchtlinge in Venedig ha ben blos die nothwendigsten Reiseerforderniffe bei sich. Zur bevorstehenden Königswahl in Griechenland werden vorgeschlagen: I) Prinz Luitpold Karl von Baiern, von mütterlicher Seite mit dem österrei chischen Kaiserhause verwandt. Adr. München, Schloßplatz; 2) Prinz Alfred, zweiter Hohn der Königin von England, Insel White, OsboruhauS; 3) Herzog von Leuchtenberg, Petersburg Nr. 1; 4) Prinz Nicolaus von Nassau, Wies baden, Schloßplatz; 5) Prinz Elimar von Oldenburg, Oldenburg; 6) Prinz AmadeuS, zweiter Sohu Victor Emanuel's, Turin, p. Adr. Victor Emanuel; 7) Philipp, Graf von Flandern, zweiter Sohn des Königs der Belgier, Brüssel, Oberstadt; 8) Fürst Gregor Ypsilantis, Athen, unter den Propyläen und 9) Herzog von Aosta, dritter Sohn Victor Emanuel's. (Adr. s. o. Nr. 6.) Schicksale des Predigers Putsche in Wenigen-Jena bei Jena im Öctober 18V«. , (Fortsetzung und Schluß.) Kaum hatten wir die Spitze des Berges erreicht, als ich durch den Nebel in nicht großer Entfernung Menschen gewahr wurde. Da unser Marsch rechts gegen Röthchen zuging, so vermuthete ich hier nichts weniger als Preußen zu finden; aber eben hatte ich den Kapitän aufmerksam auf sie gemacht, als wir auf einmal von einigen Schüssen begrüßt wurden. Die Franzoseki nahmen das Engagement augenblicklich an und es begann ein hartnäckiger aber unordentlicher Kampf. Ich bat nun den Kapitän um meine Entlastung, weil ich hier weder Weg noch Steg wisse; aber meine Worte waren in den Wind geredet. Der Kapitän entschuldigte sich: er habe keine Ordre dazu; ich müsse bleiben, bis wir .wieder zu dem Marschall stießen. — Das Gefecht dauerte ohngefähr eine halbe Stunde, und die Preußen, die anfänglich keinen Schritt-weichen wollten, wurden «tdkch durch die Franzosen zurückgedrückt. Jetzt ging nun unser Marsch auf j KloSwitz zu. Je näher wir dem Dorfe kamen, desto mehr wuchs die Gefahr. Bon eurer preußischen Batterie, die auf der gegenübersteheuden Anhöhe stand, regnete eS Kugeln wie Nüsse. Mehrere Franzosen wurden verwundet, doch gingen die meisten Schüsse viel zu hoch. -,3u KloSwitz herrschte bei unserer Ankunft eine Todteustille. Hie und da faße« vor den Häusern auf Steinen und Ruhebänken blessirte Franzosen, die j da- Vktt,: welche- stromweise aus ihren Wunden auf den Lethsutpn Boden ran«,-zu Mm sich bemühten. Sobald sich der Kapitän überzeugt hatte, daß j baS Dorf bersit-/ in den Händen der Franzosen wäre, kehrte er auch schon wieder um. Ich weigerte mich zwar, ihm zu folg«, weil Klo-witz das bestimmte . Ziel wäre, aber meine Weigerung war vergebens; ich müsse, sagte er, abwarten, bis wenigstens ein General wieder zu uns käme! Gleichgiltig und fühlloS gegen V - n alle Gefahr folgte ich ihm wieder auf das Feld. Nicht weit vom Dorfe trafen V wir außer einem erschossenen Bauer schon mehrere todte Franzosen au, die wäh- I rend unseres Aufenthalts im Dorfe geblieben waren. Jetzt stellte fich alles in > Reihe und Glied und schloß sich an die von Kospeda herlaufende Linie an. V Während dies geschah, hob sich der Nebel, die Sonne trat hervor und man sah I die Preußen in schönster Ordnung aufmarschirt. Der Erdboden zitterte vom I A Kanonendonner und die Kugeln aus dem kleinen Gewehr schlugen hin und wie- V der an die Bäume an. Nachdem ich hier noch eine Weile ansgehalten hatte, I befreitc mich endlich der General Sentilleur vor fernerer Gefahr. Dieser kam I in Begleitung einiger Obristen von Kloswitz herangesprengt, reichte mir freund- I lich die Hand und dankte mir für den ihnen geleisteten Dienst auf das Ver- V , kindlichste. Zugleich wiederholte er die Versicherungen des Marschalls und setzte I , mit Nachdruck hinzu: „Wenden Sie sich nur in jeder Verlegenheit au ihn und I halten sich überzeugt, daß er sie nie verlassen wird!" Er rief hierauf einen v Fourier herbei, der meinen Namen aufzeichnen mußte und entließ mich. Sobald W .. ich den Rücken wandte, bemächtigte sich meiner eine unaussprechbare Todesfurcht, I die mich nicht eher verließ, als bis ich wieder bei dem bekannten Wasserfall angekommen war. Unmittelbar vor dein Holze fand ich die Reservearmee auf dem Löbstädter Felde aufmarschirt. Hier wagte abermals ein Dragoner einen Angriff auf mich, ließ aber sogleich wieder von mir ab, als ihm ein Offizier zurief: Kaiser on paix! Auf dem ganzen Wege lagen Kleidungsstücke, Leinwand, Tücher, gesponnen Garn, Aexte und Beile in Menge, so daß man leicht einen W Wägen damit hätte befrachten können, doch wurde alles von nachfolgenden Mar- I ketendern sorgfältigst aufgesammelt. W * Gegen 12 Uhr Mittags langte ich endlich äußerst erschöpft wieder in Jena an und nahm meinen Weg gerade nach der Behausung des Herrn Geheimen Kirchenraths Griesbach; eine davor stehende Wache verwehrte mir aber den Eingang. Ich setzte also meinen Fuß weiter und kam bis zum Saalthore. Hier rief mich ein wohlbekannter Bürger an, und bezeigte mir seine Verwunde rung über mein Aussehen. Mit wenig Worten theilte ich ihm die Unfälle, die mich betroffen hatten, mit, verhehlte aber auch nicht, daß ich von Hunger ent setzlich gequält würde, indem ich seit Sonntag keine Nahrung hätte zu mir nehmen können. Dieser Mann wurde von Mitleid so durchdrungen, daß er mich augenblicklich in seine Wohnung führte und mit einem Stück Brod zu erquicken suchte. Der Gedanke an meine Frau und Kinder verstattete mir aber keinen Augenblick Ruhe. Ich eilte fort und drängte mich mitten durch die Schaaren, die über die Brücke nach der Stadt strömten, und vor Begierde, an der Schlacht Theil zu nehmen-, brannten. Endlich erreichte ich meine Wohnung; aber mit welchen Empfindungen ich sic betrat, ist nicht auszusprechen. Eine öde Stille herrschte darin, und jeder Fußtritt verursachte einen grausenden Wiederhall. Spiegel und Fenster waren zertrümmert, Kisten und Schränke erbrochen, alles, was nur einigen Werth hatte, geraubt. In meinem Studierzimmer lagen Bücher, Stroh und getrocknetes Obst in buntem Gemisch durcheinander; alle mathema tische und physikalische Instrumente waren zerschlagen, die Tapeten aufgeriffen und sogar die Oefen durchlöchert. Ich suchte die Meinigen in jedem Schlupf winkel, war aber nicht vermögend, eine Spur von ihnen zu entdecken. Endlich siel mir ein, daß sie sich vielleicht in ein Weinbergshaus geflüchtet haben möch ten, und sogleich eilte ich den Bergen zu. Doch auch hier brachte ich einige Stunden mit Suchen vergebens zu. Ich ging also ins Dorf zurück und fand sie zuletzt in einer Bauerhütte. Wir berathschlagten uns nun, was zu thrm wäre? — Die meisten Einwohner hatten sich in den Schluchten der Berge verborgen, und dahin gedachte auch meine Frau sich zu begeben. Sie ließ also augenblicklich Betten dahin schaffen und verließ mit den Kindern bei Einbruch der Nacht das Dorf; ich hingegen, zu sehr ermüdet und abgespannt, wollte erst abwarten, wie es gehen würde. Doch kaum brach die Finsterniß der Nacht ein, als ein Haufe aus der Schlacht zurückkehrender Truppen in mein Haus stürmte und mit Ungestüm Licht und Lebensmittel forderte. Jetzt, da ich nichts mehr zu verlieren hatte, hielt ich eS für rathsamer, ihnen das ganze Haus zu überlassen, suchte also in der Finsterniß die Thüre zu gewinnen, und entrann glücklich ihren Händen. Ich verfügte mich auf Umwegen zu den Meinigen, aber eine schrecklichere Nacht hab' ich nie durchwacht. Hunger und Durst und der brennende Schmerz meiner wunden Füße, das ängstliche Wimmern der Kinder, das Brüllen des Viehes, welches die Einwohner mit sich genommen und hier und da an Bäume gebunden hatten, der wilde Lärm au- dem nahen Lager, und endlich das Stürmen in den benachbarten Dörfern und der Stadt, alles dies tnachte einen so gewaltigen Eindruck auf mich, daß sich gänzlicher Lebensüberdruß meiner Seele bemächtigte. Endlich brach der Tag an und ich verließ, äußerst entkräftet, mein Lager. Ich wußte, daß sich einige Einwohner in eine Sandgrube, deren eS am Fuße des Berges mehrere giebt, versteckt Hatters, und dahm richtete ich nun meinen Weg, in der Hoffnung, ebenfalls für mich und die Meinigen Schutz gegeü rauhe Luft und Witterung darin zu fiudey. Wirklich ward auch meine Hoffnung nicht getäuscht, denn man nahm mich mit aller Freundlichkeit auf. Bor dem Eingange der Höhle saß eine Anzahl Bauerg um ein Feuer, bei dem ste sich Kartoffeln brieten. Dies war eine angenehme