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7S6 umschränkte Herrschergewalt übel zu sprechen, Louis Napoleon aber ist klug genug, dem über den Mangel aller politischen Freiheit wurmigen gebildeten französischen Publikum auch noch das, namentlich in den untern von der hohen Geistlichkeit geleitete» Volksschichten papstgläubige Publikum mit der hohen Geistlichkeit, die ohnedieß den Bittern auf ihn hat, noch Hinzuzuthun. Daher geht er piano in der römischen Frage, da er als halber Italiener das italienische Sprüchwort recht gut kennt: Odi va piano, vn sono, d. h. wer auf Filzschuhen geht, fällt nicht leicht. Nun hat allerdings Victor Emanuel einer städtischen Deputation versichert, die römische Frage werde Heuer noch gelöst werden, und Lästerzungen behaupten, Louis Napoleon werde und wolle den Italienern erst dann ihre Hauptstadt lassen, wenn diese sich zu einem Geschäftchen, einer Grenzregulirung, wie vor 2 Jahren mit Savoyen und Nizza, verstehen wollten, da ja.keine Henne um sonst scharre. Aber schon bei einem solchen Gedanken macht die englische Bull dogge ein grimmiges Gesicht, fletscht die Zähne und setzt sich knurrend in Beißverfafsung. Dann aber entstände eine Generalverwirrung in verschiedenen Staatsgemächern der steinalten Jungfrau Europa, wenn die Bulldogge, wie sie droht, Sicilien für sich packte, gegen welche das Drunter und Drüber, was gegenwärtig in Süditalien spielt, sächsische Ordnung wäre. Zu den uralt her gebrachten Räuber- und Banditenbanden und den bourbonischen Banden sind da unten neuerlich noch Banden aus den aufgelösten und zersprengten Garibaldi'schen Freischaaren gekommen, und wenn Franz 2. seinen Getreuen in Rom gegenüber ohnlängst feierlich die Hoffnung aussprach, ihnen seinen Dank sehr bald in der Hauptstadt Neapel aussprechen zu können, so möchten wir sowohl beiden Königen, Victor und Franz, die nie einerlei Meinung waren und die sich in ihren Hoff nungen verhalten, wie die zwei Eimer eines Ziehbrunnens, als auch unsern Lesern rathen, vorsichtig zu sein und weder auf den Gewinn von Rom noch auf den Wiedergewinn von Neapel Schulden zu machen. Zeitungen. wuchsen. In Plauen hat am 25. Sept, eine sehr bejahrte Dame eine Wiese verkauft, welche sie seit dem 5. Sept. 1724 in Besitz hatte. Die Dame ist — die hiesige Bäckerinnung. Plauen, 3. Oktbr. Der hohe Genuß, welchen uns die erste Vorlesung des Mr. W. Finn aus London gestern Abend bereitete, hat gewiß in allen Anwesenden die Uebcrzeugung begründet, daß die vielen und außerordentlichen Lobpreisungen, welche demselben von allen Seiten, sowohl von anerkannt tüch tigen Fachmännern, als auch von Laien rücksichtlich des klaren, populären und doch wissenschaftlich gehaltenen Vortrages, der höchst sauber und solid gearbei teten Apparate, sowie der großen Sicherheit und Gewandtheit im Experimentiren gespendet worden, keinesweges übertrieben, sondern vollkommen in der Wahrheit begründet sind. Man muß die Experimente selbst sehen, und man wird nament lich bei der Pracht der wunderbaren, bis jetzt noch unerklärten Lichterscheinungen der Geißlerschen Röhren unwillkürlich mit dem vr Meyer aus Bonn zu dem AuSrufe hingerissen: „Solche Erscheinungen sind bezaubernd schön." Ein österreichischer Wetterprophet, der in diesem Jahre fast für jeden Mo nat die Witterung ziemlich genau vorausgesagt, verkündet einen herrlichen, war men October, aber einen frostigen, regen- und schneereichen November, über haupt einen frühen und kalten Winter. Auf der gegenwärtigen Leipziger Messe scheinen es die Langfinger vorzugs weise -auf Schuhmacher abgesehen zu haben. In den ersten drei Meßtagen sind nicht weniger als 7 Geldbrieftaschen, darunter fünf fremden Schuhmachern, zwei Kaufleuten abgefingert worden. 1807 wurden in Wien 306,000 Klaftern Brennholz verbraucht; 1861 aber 190,980 Kl. Holz und 5,460,000 Centner Kohlen. Ein muthmaßliches, verabscheuungswürdiges Verbrechen erfüllt Dresden mit allgemeinem Entsetzen. Am Sonnabend, den 28., Nachmittag- schickte der Herr Kaufmann Stiehler, Ammonstraßen-Ecke, seinen Lehrling, Namens Blechschmidt, im Auftrage eines Bauunternehmer-, welcher zur Auszahlung der Arbeitsleute Kleingeld brauchte, mit 150 Thalern in Zehnthalerscheinen zum Umwechseln nach dem Feldschlößchen aus. Der Lehrling,, ein ordentlicher und fleißiger Mensch, hatte schon öfter solche Aufträge und zwar pünktlichst besorgt. Um so auffallender war eS, daß das Geld an jenem Abende nicht an seine Adresse kam und Blechschmidt selbst nicht wiederkehrte. Da seine gute Aufführung und sein musterhafter Lebenswandel den Gedanken an einen schlechten Streich und eine Veruntreuung des Geldes nicht aufkommen ließ, fing mau am Sonntag an, dem Verschwundenen nachzuspüren und fand denselben auch richtig nur zu bald, freilich als Leiche, an der Chemnitzer Straße, dicht unter Herrn DawisonS Billa, an einem Kirschbaume erhängt. Die gerichtliche Aufhebung geschah so fort, und es ergab sich dabei, daß seine Taschen bis auf eine Weintraube leer waren. Bon dem Gelbe zeigte sic', »eine Spur; nur eine Strecke von dem Tobten entfernt lag die Brieftasche, in der eS sich befunden. An einen Selbst mord konnte nicht gedacht werden. Wer hat aber die Unthat, den scheuSlichen Mord so nah der Stadt, mitten auf einer belebten Straße verübt? Die Schnur, mir der der Emseclie erdrosselt worden, gwbt eine Spur, denn man erkennt dieselbe al- zu der gehörig, die kürzlich ein Hausbesitzer dieser Gegend seinem Gärtner überwiesen, der seltsamer Weise am Sonntage Zehnthalerscheine gewechselt. Derselbe ist natürlich sofort gefänglich eingezogen, hat indeß, so viel unS bekannt, bis zur Stunde noch kein Geständniß gemacht. Lastet der Mord des armen, redlichen Jungen aber wirklich auf seiner Seele, so wird das Ge wißen wohl auch an diesem Verstockten seine Schuldigkeit zu thun nicht versäumen. Nichts ward so fein gesponnen, Es kommt an s Licht der Sonnen, besonders wenn es mit Menschenblut besudelt ist. Weimnr, den 29. Septbr. 1862. Es kann wohl Niemand leugnen, daß durch ganz Deutschland ein mächtiges, frisches Nationalgefühl erwacht, daß der Wunsch nach festerer Einigung der deutschen Stämme und Staaten ein nicht unberechtigter, die Bestrebungen für dieselbe dankenswerth und die Hoff nung festzuhalten ist, daß es auf friedlichem Wege gelingen werde, eine Lösung für diese schwierige Aufgabe zu finden. Dieses Streben nach Einigung war das Motiv zu dem Aufrufe, welcher frühere und dermalige deutsche Volksvertreter ro8p. Kammermitglieder zur Be- rathung über Fragen von gemeinsamem deutschen Interesse nach Weimar für den 28. Septbr. a. e. zusammenrief, an welchem Tage und zwar Nachmittags die erste Sitzung stattfinden sollte. Auch vier Mitglieder des Centrums der sächs. zweiten Kammer reisten nach Weimar und traten am 28. in die Versammlung ein, nachdem dieselben folgende Erklärung schriftlich an das Präsidium abgegeben hatten: „Die zur Versammlung deutscher Volksvertreter in Weimar ergangene Ein ladung ist sächsischerseits von Männern ausgegangen, deren politische Meinung die Unterzeichneten mehrfach nicht theilen." „Dieselben sind gleichwohl der ergangenen öffentlichen Einladung gefolgl. Sie sind dabei von der Uebcrzeugung geleitet worden, daß es bei einer Ver sammlung, die fick mit wichtigen, das gesammte deutsche Vaterland betreffenden Angelegenheiten beschäftigt, sowohl im allgemeinen deutschen, wie im Interesse ihres engeren Vaterlandes zweckmäßig sei, daß auch Vertreter gemäßigter Rich tung, gleichwohl aber nicht minder deutscher Gesinnung an den Verhandlungen Theil nehmen. Reiche-Eisenstuck. Oehmichen. Seiler. Günther." Sie vernahmen daselbst und zwar noch ehe sie Gelegenheit gefunden, sich an der Debatte oder einer Abstimmung zu betheiligen, zu ihrem Erstaunen und großem Bedauern, daß man für nöthig gefunden, schon früh eine Sitzung zu halten und in dieser folengden Antrag der Herren Joseph und Lang anzunehmen: „Da in mehreren deutschen Staaten auf gesetzmäßigem Wege vereinbarte und in Wirksamkeit getretene Verfassungen von den Regierungen einseitig theils aufgehoben, theils abgeändert und an die Stelle der gesetzmäßigen Volksvertre tungen Ständeversammlungen einseitig wieder hergestellt oder neu geschaffen worden sind, und da die unheilvollen Folgen dieser Rechtsbrüche in verschiedenen Ländern noch heute fort bestehen, so beschließt die Versammlung: 1) In der Zulassung der Mitglieder solcher thatsächlich bestehenden Stände versammlungen ist ein Anerkenntniß jener rechtswidrig erlassenen Bestim mungen keineswegs enthalten, vielmehr ist 2) die Wiederaufrichtung des RechtSzustandes in jenen Lärdern ein allge meines deutsches Interesse." Darauf erklärten besagte vier sächsische Mitglieder sofort ihren Austritt in folgender Zuschrift an den Vorsitzenden der Versammlung, Hrn. Adv. vr. Fries: „Die ergebens! Unterzeichneten hatten sich, beseelt von dem Wunsche, auch von ihrem politischen Standpunkte auS zur Förderung der deutschen Einheit nach Kräften beizutragen, zur Theilnahme an Verhandlungen der hier anwesen den deutschen Volksvertreter angemeldet." „Nachdem uns indessen bekannt geworden, daß bereits vor unserer Ankunft ein Antrag der Herren vv. Joseph und Lang zur Annahme gelangt ist, welcher, anstatt den Weg zur deutschen Einheit zu ebnen, uns vielmehr geeignet scheint, den innern Frieden auch solcher deutschen Staaten zu bedrohen, wo Stände versammlungen gegenwärtig in geordneter Wirksamkeit bestehen, vermögen wir es mit unserer Stellung als Mitglieder der sächsischen Ständeversammlung nicht zu vereinbaren, an den Verhandlungen der hier tagenden Versammlung ferner hin Theil zu nehmen. Reiche-Eisenstuck. Oehmichen. Seiler. Günther." Es ist sehr zu beklagen, daß durch solches Vorgehen der Abgeordneten-Tag zu Weimar, welcher mit Freude und Hoffnung auch von den deutschen Patrioten gemäßigter Richtung begrüßt wurde, sich zum einseitigen Vertreter einer extremen Partei erklärt hat. Durch rücksichtslose, schroffe Parteistellung und daraus folgender Spaltung werden dem gemeinsamen Feinde Waffen in die Hand gegeben, wird die eigene Kraft gelähmt. Die extremen Parteien, das lehrt die Geschichte, sind die mäch tigsten im Angriff, haben oft gesiegt, sie sind jedoch die schwächsten im Orga- nisiren, und ohne das Eingreifen, ohne den Beistand mäßigender Faktoren haben dieselben nie etwas bleibend festzuhalten vermocht.