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768 kann, ohne die blutigsten Consequenzen in Aussicht zu stellen. Der Verfastungs- bruch in Norbamercka dünkt uns einer von der schlimmsten Sorte." London, 4. Oct. Mit dem „Australiasan" eingetrosfene Berichte aus Neuyork vom 23. v. M. melden, daß das Gerücht, die Nordarmee hatte den Potomac bei William-Port eilig überschritten, die Generale Heinzelmann und Sigel seien in Virginien geblieben, um den Rückzug der Südlichen zu verhindern, sich nicht ganz bestätigt habe. — Der General der Südlichen, Bragg, hat Louisville (an der Grenze von Kentucky nach Ohio) eingeschlosien und man er wartete kessen Angriff. Der Commandirende in der Stadt glaubte dem Angriffe widerstehen zu können. Eine Proclamation Lincoln's erklärt, daß, wenn der Krieg fcrtdauere, er dem Eongresse Maßregeln Vorschlägen werde, durch die den Staaten, welche die Sclaverei abschaffen wollen, eine Geldhilfe geleistet werden solle. Die Anstrengungen zur Colonisation der Neger werden fort dauern. Lincoln Hal sich überdies dahin entschieden, daß mit dem nächsten 1. Januar die Sclaven in den insurgirten Staaten für immer frei sein sollen. Aus Neu York vom 24. v. Mts. wird berichtet, daß es den Südlichen bis jetzt noch nicht geglückt sei, den Potomac bei Shephardstown in Virginien zu überschreiten, daß sie vielmehr bei jedem Versuche zurückgeworfen worden seien. — Das Congreßmitglied Foote hat im Congreffe der Südstaaten den Antrag gestellt, daß, da die von den Südlichen erlangten Vortheile es gestatten, die Regierung Commissare nach Washington senden möge, um unter ehrenhaften Bedingungen den Frieden anzubieten. —- Der Gouverneur von Ncwyork hat in einer Proclamation eine Conscription von 4000 Mann für den 10. Decbr. angeordnet. Aus Newyork vom 25. v. M. wird gemeldet, daß der Präsident Lincoln die Habeascorpusacte aufgehoben, und in allen Vereinsstaaten die An wendung des Kriegsgesetzes gegen solche Personen angeordnet habe, die der Rebellion Vorschub leisten oder bei Verhinderung der Conscription betroffen werden. Nach Berichten aus Neuyork vom 26. v. Mts. haben die Nördlichen Virginien noch nicht Pasfirt und glaubt man, daß ein Versuch Mac Clellan's, den Potomac zu überschreiten, einen Kampf herbeiführen werde. Die Südlichen behaupten die Linie am obern Potomac und haben die Eisenbahn nach Harpers- ferry zerstört. Die Armee des Generals Buell ist vor Louisville eingetroffen (d. h. sie hat sich bis dahin zurückgezogen); man glaubt dessenungeachtet, daß die Stadt dem Angriffe der Südlichen widerstehen werde. Schicksale des Predigers Putsche in Wenigen-Jena bei Jena im Oktober 18V6. ) Vorwort der Redaction. In wenigen Tagen werden es 56 Jahre, seit die Schlacht bei Jena geschlagen worden ist. Das sächs. Voigtland und Plauen gedenken noch heute des Soult'schen Corps, das damals seinen Weg durch Stadt und Provinz nach Gera und Jena nahm. Die Zeitschrift „Garten laube" hat auch in ihrer Nr. 15 vom Jahre 1861 die Erinnerung an jene Unglückstage recht lebhaft wieder aufgefrischt durch eine Erzählung: „Nur ein Schafhirt," die gewiß vielen unserer Leser noch im Gedächtnisse, und worin die Handlung des Predigers Putsche, der damals die Franzosen durch das Rauthal hinauf auf die Closewitzer Höhe führte, dem Heldenmuthe eines Schä fers gegenüber gestellt ist, der sich lieber von den Franzosen todt schießen ließ, weil er, der Ungebildete aus Liebe zum Vaterlande das zu thun sich weigerte, was dann der gebildete Prediger nachher gleichwohl that. Angeblich sollte die Erzählung in der Gartenlaube auf Thatsachen beruhen. Neuerlich nun hat v. Klo.pfleisch in Jena eine Schrift über die Schlacht von Jena heraus gegeben, in welcher der Unglückstag des 14. Oct. 1806 gründlich und aus führlich dargestellt und schlagend nachgewiesen wird, daß wohl das vom Prediger Putsche, nicht aber das vom Schafhirten Erzählte auf einer Thatsache beruht. Es werden aus den Kirchenbüchern der Gegend von Jena alle ein zelnen Personen in der Stadt und auf den Dörfern mit Tauf- und Geschlechts namen aufgeführt, welche kurz zuvor und während der Schlacht erschossen wurden. Allerdings ist unter diesen auch ein Schäfer, Johann Heinrich Red lich aus W enigen-Jena, allein dieser ist nicht 1806, sondern am 6. October 1813 von einem französischen Vorposten, dem er auf Anrufen nicht antwortete, am Hausberge erschossen worden. Dem Novellenschreiber kam es auf die geschichtliche Wahrheit nicht an, er verlegte das Erschießen 7 Jahr rückwärts, machte auS dem Schäfer einen Patrioten, aus dem Prediger einen feigen Verräther, und die scharmante Erzählung war fertig. Es wird Nie manden in den Sinn kommen, Putsche's That vom sittlichen Standpunkte aus rechtfertigen zu wollen. Es war und bleibt eine That gegen das Vater- j land. Sein Landesherr stand den Franzosen gegenüber, die der Prediger ' führte. Die Truppen, gegen die er führte, waren deutsche Truppen; daß ' eine entscheidende Schlacht bevorstand, hatte ihm der Marschall selbst gesagt, l Wäre wahre Vaterlandsliebe, Begeisterung für sein deutsches Volk in ihm ge wesen, er hätte nun und nimmer die Franzosen geführt, sondern sein Schicksal Wir setzcn die „Politischen Zeit betrach tun gen," welche unsere gebildeten Leser so sehr angesprochcn haben, eine Zeit lang aus, um nachstehende in ihrer Art cben- salls anziehende Mitthcilung an ihrem 56jährigen Eeburtöseste geben zu können. D. R. als eine von Gott chm auferlegte Prüfung seiner sittlichen Kraft angesehen und sie als Mann bestanden, ohne sich Lurch die Aussicht auf Ersatz besten, was ihn: der Krieg geraubt, locken, noch durch kie knackenden Flintenhähnc der Fran zosen schrecken zu lassen. Rechtfertigen läßt sich also seine That durchaus nicht, aber entschuldigen. Wo war 1806 die deutsche Vaterlandsliebe? Nur wenige deutsche Fürsten hatten deutsches Bewußtsein; daß ebenso nur we nige Heerführer ihr deutsches Vaterland liebten, beweist der fabelhaft rasche Fall fast aller prcuß. Festungen. In den Heeren beim gemeinen Mann kennte bei dem Zopf- und Steckthum damaliger Zeit, da der Solkat nur Maschine sein sollte, noch weniger Patriotismus zu finden sein. Wenn die Preuß. Soldaten sangen: Für s Vaterland zu sterben, Wünscht Mancher sich, Zehntausend Thaler erben, Das wünsch' ich mich! Das Vaterland ist undankbar, Und dafür sterben? O du Narr! Wie sollte da Begeisterung fürs Vaterland zu finden sein? 1813 wurden solche Lieder nicht mehr gehört. Im Volke selbst, einzelne Männer abge rechnet, kannte man damals den Begriff: „vaterländische Gesinnung" kaum. Die Wenigsten im Volke wußten, um was es sich 1806 handelte und wofür die Leute sich todtschosfen. Vielen erschien Napolecn als ein Held, dem sie vom vorn herein den Sieg zusprachen. Erst die schmachvollste Erniedrigung Deutsch lands hat eine deutsche Gesinnung im deutschen Volke entwickelt, damals war sie nur äußerst vereinzelt vorhanden. Wie sollte man nun zu einer solchen Zeit von einem von Feinden gänzlich ansgeplünderten, gemißhandelten und durch gewaltsame Drohungen auf's Aeußerste gebrachten Prediger von Wenigen- Jena erwarten, daß er haben und beweisen sollte, was der großen Mehrzahl im Volke und in allen Ständen des Volkes fehlte? Tausend Andere an seiner Stelle hätten es damals ebenso gemacht. Und selbst jetzt, 1862, wäre es zweifelhaft, ob alle die, welche ihre Vaterlandsliebe so sehr gern bei jedem An laste zur Schau tragen, in ähnlicher Versuchung bester bestehen würden, als der Prediger Putsche. — Der „angesehene Offizier," dessen Putsche in seinem Be richte erwähnt, war höchst wahrscheinlich Marschall Soult. Was die Niederlage von Jena herbeiführte, ist gegenwärtig durch die Schriften von Höpfner, Mcutbö rc. vollkommen aufgeklärt. Außer der noto rischen Unfähigkeit, Uneinigkeit, Eitelkeit, zum Theil Feigheit und Unbotmäßig keit vieler Führer einem Napoleon gegenüber, in dessen straffer Hand die ein heitliche, elektrisirende Leitung des Ganzen zusammenlief, war es der gänzliche Mangel nationaler Begeisterung. Das Preußenthum jener Zeit konnte dem Franzosenthum, das Napoleon in seinem Heere zum Bewußtsein gebracht hatte, das Zopfthum nicht dem militärischen Fortschritte der französischen Heere wider stehen. War es doch ein sächsisches Grenadierbataillon „aus dem Win kel, "'eines der vier Bataillone der Brigade Cerrini, das an jenem hlutigen Tage die sächsische, die deutsche Kriegerehre aufrecht hielt, indem es mitten unter Tausenden von Flüchtlingen, die nach allen Seiten hin das Feld bedeck ten und verzweifelt die Waffen wegwarfen, in der grauenvollsten Verwirrung unerschütterlich zusammenhielt und in voller Ordnung in mäßigem Schritt und mit klingendem Spiele ruhig und fest zurückging. So oft der Feind ihm nahe kam, bot es im offenen Quarrö ihm die Spitze. Die mehr mals gegen dasselbe ansprengende franz. Reiterei vermochte es eben so wenig zu erschüttern, als die feindlichen Tirailleure, die fortwährend gegen dasselbe feuerten. Sobald es Luft bekam, ward Trupp geschlagen, eS zog mit Musik, wie auf dem Exerzierplätze, weiter; kam der Feind heran, ein Wirbel, und Alles stand schlagfertig. Ganz Deutschland ist diesem Bataillon zu Dank verpflichtet. Nachdem wir dieß vorausgeschickt, lassen wir nun den Prediger Putsche seine Schicksale selbst erzählen. Sie sind niedergelegt in einem Briefe an sei nen Freund und werden hoffentlich unseren Lesern an sich und in Verbindung mit den Erinnerungen an jene Zeit nicht ohne Interesse sein. (Fortsetzung folgt.) Theater. Am 28. September sahen wir zum zweiten Male bei vollem Hause „der Goldonkel," und auch an diesem Abende merkte man, wie sämmtliche Spieler wetteiferten, das zahlreich versammelte Publikum in heiterer Stimmung zu erhalten, und war eS namentlich Hr. Faust als Florian Böhlke, der die Lachmuskeln in steter Bewegung zu versetzen wußte, seine extemporir en Verse wurden mit rauschendem Applaus ausgenommen und riefen das Verlangen zu immer neuen Dacapo-Strophen wach, welchem Hr. Faust auch in verschwen derischer Weise nachzukommen sich bemühte. Frl. Khayda gab die Laura Kiek bach mit nicht minderem Erfolge. Ihr Couplet zündete ebenfalls derartig, daß sie mit Beifall überschüttet wurde und auf stürmischen Ruf Dacapo singen mußte. Ihr pikanter Vortrag, ihr gefälliges Spiel und der Zauber ihrer an- muthigen und liebenswürdigen Persönlichkeit übten gleichmäßig einen gewinnenden Reiz auS, dem sich da- Auditorium auch nicht zu entziehen vermochte, weshalb'