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VoigllänWcr Anztiger. Amtsblatt für daS Königliche BcurlSqericht zu Planen, sowie für die Königlichen Gerichtsämter und Stadträthe ru Planen, Pausa, Elsterderq, Schöneck nnd Mühltroff. Zmeinndstekellzigster Jahrgang. Verantwortliche Redaction, Druck und Verlag von Moritz Wieprecht in Plauen. Dieses Blatt er'chciut wöchentlich dreimal, und zwar Dienst aas, Donnerstags und Sonnabends. Jährlicher AbonnementSprei-, welcher xi-Äoamei-oaäo zu entrichten ist, auch bei Beziehung durch die Post, 1 Thlr. 10 Ngr. — Annoncen, die bi« Vormittag« 11 Uhr eingeben, werden in die Tag« darauf erscheinende Nummer ausgenommen, später eingehende Annoncen finden in der nächstfolgenden Nummer Aufnahme. — Inserate werden mit 1 Ngr. für die gespaltene LorpuS-Zeile berechnet. Einzeilige mit 2 Ngr. — Für die auswärtigen König!. Gerichtsämter und Stadträthe, für welche der Voigtländische Anzeiger Amtsblatt ist, bestehen die Geschäftsstellen in Pausa bei Herrn Bürgermeister Leh» mann, in Elsterberg bei Herrn L. A. Diezel, in Schöneck bei Herrn Eduard Meyer, in Mühltroff bei Herrn Ehaufseegelder-Einnehmer Holzmüller. Sonnabend. 40« 27. April 1861. Zeitungen. Sachsen. Die neue Wahlgesetzvorlage, welche wir nach dem Hauptinhalte und den Motiven aus dem Dr. I. in Nr. 47 deshalb in Artikel form mitgetheilt haben, um sie mehr in die Augen fallen zu machen, hat in der öffentlichen Meinung, so weit uns eine Kenntniß derselben möglich ist, wenn wir der Wahrheit die Ehre nicht versagen wollen, sonderlichen Beifall nicht ge funden. Zwei Punkte sind es, die Anstoß finden. Zunächst das Festhalten am Grundsätze der ständischen Vertretung, wofür man den Grundsatz der In teressenvertretung gewünscht hätte; sodann der Wahlbann, wie man es nennt, an den Wahlbezirk. Die freisinnigen Blätter sind damit natürlich gänz lich unzufrieden und erwarten, daß die Kammern diese Vorlage ohne Weiteres ablehnen und ein neues auf die Interessenvertretung begründetes Wahlgesetz be antragen sollen. Sie sagen, eine ständische Verfassung habe für Sachsen einen Reichthum ausgemacht, so lange viele deutsche Staaten, namentlich auch Preußen und Oesterreich, noch gar keine Verfassungen hatten; gegenwärtig aber sei in beiden deutschen Großstaaten weder von Ständen noch von einer Beschränkung auf den Bezirk die Rede; durch die Vermehrung der Vertreter des Handels und Fabrikstandes in der 2. Kammer von fünf auf zehn werde das Mißver- hältniß der Vertretung des beweglichen Vermögens zu dem unbeweglichen nicht ausgeglichen; wenn nach dem Entwürfe auch Unangesefsene auf dem Lande als Vertreter des kleinen Grundbesitzes wahlberechtigt und wählbar sein sollten (Geist liche, Lehrer, nach Einführung der Gewerbefreiheit Gewerbs- und Handelsleute rc.), wo bleibe der Grundsatz der „ständischen" Vertretung und wie könne da noch von Abgeordneten des „Bauernstandes" die Rede sein? Der ritterschaftliche Stand sei als solcher unangetastet geblieben, der bürgerliche und bäuerliche in Censuswahlen verflüchtigt rc. Genug, der Entwurf findet bei den freisinnigen Blättern keine Gnade. Wie aber unsere Regierung einen Wahlgesetzentwurf, der den Grundsatz der StändeVertretung aufhöbe und dafür den der Jnterefsen- vertretung aufstellte, durch beide Kammern, welche eben kraft des Grundsatzes der Ständevertretung tagen, bringen wollte, leuchtet uns nicht ein, da diese schwerlich einen gesetzgebenden Selbstmord begehen und ohne Weiteres von ihren curulischen Sesseln sich selbst werden wegstimmen wollen. Sollte dennoch dieser Wahlgesetzentwurf angenommen werden, so wäre es immer eine Verbesserung des bisherigen Zustandes. Die 3 neuen Plätze in der 1. Kammer würden wahrscheinlich mit Industriellen besetzt werden, die Städte erhielten durch die 5 neuen Mitglieder aus dem Fabrik- und Handelsstande in der 2. Kammer eine Verstärkung, und den Unangesessenen würde die lange ersehnte Wählbarkeit und ein gleichfalls lange erstrebtes Wahlrecht zu Theil — ohne Zweifel der Schwer punkt des ganzen Gesetzes! — Ebersbach b. Löbau, 2l. April. Zum ersten Mal hat sich Göttin For tuna bewegen gefunden, den Haupttreffer von 150,000 Thld. am gestrigen Tage in die Lausitz zu senden. Derselbe fiel in die Hauptcollection des Herrn Heide mann in Bautzen und 2 Achtel davon sind zu gleichen Theilen im Besitz von 4 Tagearbeitern und unbemittelten Bewohnern unsres OrteS. Das Genoffenschaftswesen hat sich bisher in Deutschland vorzugsweise in der Form von Creditgenoffenschaften, Consumvereinen und Genoffenschaften zum gemeinschaftlichen Bezug von Rohstoffen rc. bewegt. Dagegen ist die Zahl der Productivgenoffenschasten, welche die gemeinschaftliche Production von Fabrikaten rc. zum Zweck haben, noch sehr gering gewesen, während diese Anstalten in England in großer Blüthe sind. Es freut uns, mittheilen zu können, daß derartige Ge noffenschaften indeß auch bei uns in Sachsen mit Erfolg bestehen, wenn schon bisher über die Wirksamkeit derselben wenig in die Oefsentlichkeit getreten ist. So bestehen in Werdau 4 Genossenschaften, von je 16—22 Personen, welche gemeinschaftlich Woll- und Baumwollspinnerei in gut angelegten Fabriken betreiben. PreuHen. Am 23. April wird die Strecke der russischen Eisenbahn von der preußischen Grenze nach Kowno dem öffentlichen Verkehr übergeben. (So ist denn der Schienenweg zwischen Petersburg und Berlin fertig.) Die Fahrzeit von St. Petersburg nach Berlin ist nach dem Fahrplan 64 Stunden 22 Min., wer um 2 Uhr Nachm. St. Petersburg verläßt, trifft am dritten Morgen früh 5 Uhr 15 Min. in Berlin ein. Ein zweiter Zug fährt in 71 St. 52 Min. Für die Fahrt von Berlin nach St. Petersburg sind ebenfalls zwei Züge, der eine mit 66 St. 38 Min., der andere mit 68 St. 18 Min. Fahrzeit bestimmt. Der erstere geht um 10 Uhr 45 Min. Abends aus Ber ¬ lin ab und trifft am dritten Abend um 6 Uhr 30 Min. in St. Petersburg ein. Zöaiern. München geht einer neuen „Bierkrisis" entgegen. Mit 1. Mai soll nämlich der Sommertaris und damit eine Preiserhöhung von 7 auf 9 Kreuzer per Maß ins Leben treten. Ein solcher Preis wurde in München noch nicht erlebt. Um der schon jetzt laut werdenden Mißstimmung vorzu beugen, einigten sich die Brauer zu der Concession, daß sie auf den Schenk preis von 2 Pfennigen per Maß verzichten wollen, jedoch unter der Bedingung, daß der Magistrat ein gleiches Opfer bringe und den Localaufschlag von 2 Pfennigen per Maß Nachlasse, so daß die Maß Sommerbier nicht 9, sondern nur 8 Kreuzer kosten würde. Der Magistrat hat jedoch in öffentlicher Sitzung am 14. d. den Antrag der Brauer emstimmig abgelehnt. BKÜrtemberg. Aus Cannstadt vom 18. April wird dem Schwäb. Merkur geschrieben: „Vorgestern ereignete sich hier ein Fall, der wegen seiner Seltenheit interessant genug ist, um öffentlich erwähnt zu werden. Die Frau eines hier sich aufhaltendeu, den höhern Ständen angehörigen Mannes wurde von vier lebenden Knaben glücklich entbunden." Oesterreich. Wien, 23. April. Auf die drohenden Gerüchte und die ängstigenden Kriegsaussichten der letzten Tage ist wieder ein kleiner Rück schlag erfolgt. Die Nachrichten aus Italien lauten friedlicher. Piemont soll in diesem Jahre keinen Krieg wünschen und auch Garibaldi werde sich ruhig verhalten. Wenn man die bedenkliche Lage Piemonts bedenkt, das weder im Stande ist, die neu annectirten Lande rasch zu affimiliren, noch die andern Verlegenheiten zu überwinden, welche ihm Neapel und Sicilien bereiten, und dessen Finanzlage traurig genug ist, so wird man allerdings zugeben, daß e- alle Ursache hat, keinen Krieg zu wünschen; indessen darf man nicht vergessen, daß nicht Piemont, sondern Frankreich es ist, welches in dieser Beziehung daS entscheidende Wort zn sprechen hat. Die außerordentlichen Rüstungen aber, welche in Frankreich mit einem wahrhaft fieberischen Eifer betrieben werden, deuten keineswegs darauf hin, daß die französische Politik sich durch die Ver legenheiten Piemonts in ihren Plänen beirren lassen werde. Die aus Italien eingetroffenen friedlichen Nachrichten können demnach auch keinen Eindruck machen. Türkei. Eine Privat-Depesche der Patrie meldet aus Cettinje, 21. April: Das Gerücht einer Landung von Garibaldianern unter der Führung MieroSlawski's bei Spizza ist verfrüht. Baklik, Secretär de- Fürsten von Montenegro. (Also nur verfrüht?)