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VoitzMnWtr Anzeiger. Amtsblatt für das Königliche Bcyrksgericht ;n Plaue», sowie für die Königlichen Gerichtsämter nnd Stadträtbe ru Plane», Pausa, Elsterberg, Schöneck und Mühltroff. ZmeiMMbenzWer Jahrgang. Verantwortliche Redaction, Druck und Verlag von Moritz Wieprecht in Plauen. Dieses Blatt erscheint wöchentlich dreimal, und zwar Dienstags, Donnerstags und Sonnabends. Jährlicher Abonnementspreis, welcher prrimimel'Sliäa zu entrichte« ist, auch bei Beziehung dnrch die Post, 1 Thlr. 10 Ngr. — Annoncen, die bis Bormitlags 11 Uhr eingehen, werden in die Tags darauf erscheinende Nummer ausgenommen, später cingcbende Annoncen finden in der nächstfolgenden Nummer Aufnahme. — Inserate werden mit 1 Ngr. für die gespaltene Lorpus-Zeile berechnet. Einzeilige mit 2 Ngr.— Für die auswärtigen König!. Gerichtsämter und Stadträtbe, für welche der Boigtländische Anzeiger Amtsblatt ist, bestehen die Geschäftsstellen in Pausa bei Herrn Bürgermeister Leh mann, in Elsterberg bei Herrn C. A. Diezel, in Schöneck bei Herrn Eduard Meyer, in Mühltroff bei Herrn Chausseegelder-Einnehmer Holzmüller. Dienstag. 41» 0. April 1861. Der heurige März hat sich unter Blitz und Donner abgeführt, und der April ist gleichergestalt ins Land gezogen. Bis 18 Grad R. im Schatten stieg die Hitze; aber die Strafe hinkte dießmal nicht hinterdrein, sondern fast blitz schnell zog cm Gewitter nach dem andern heran, — zuweilen kämpften sie stundenlang mit einander und entluden sich dann Tage lang, an manchen Orten stifteten sie auch durch Hagel, Schlossen und Einschlagen Unheil an. Das waren etwa ein Dutzend prächtige Frühlingstage, darunter die schönen Oster feiertage, während welcher — eine wahre Wohlthat für Zeitungs- und Wochen blattschreiber! — die Zeitungen mit Einschluß des Voigtl. Anz. auch Feiertage hielten, und man doch wenigstens einige Tage unbehelligt und nicht beunruhigt von den heillosen Welthändeln, seines Lebens froh Frühlingsluft schnappen konnte. Aber ach, diese schönen Tage von Aranjuez sind lange, lange vorüber, der unglückselige Zeitungsreichthum stieg und wird täglich größer, der Wirrwarr in der Welt draußen wächst nicht blos den Diplomaten und Ministern, sondern, was noch viel schlimmer ist, auch uns, die wir den Beruf haben, unsere Leser durch kurze Uebersichten über die Zeitereignisse auf dem Laufenden zu erhalten, so über den Kopf, daß wir am Ende, wenn die gräuliche Verwirrung in der alten und neuen Welt im bisherigen Maße fortwächst, aus lauter Ueberfluß an politischer Nahrung, an Zeitungshypertrophic werden ersticken oder uns „Pleite", d. h. politisch-einsichtlich bankerott zur Bewältigung desselben erklären müssen. An einem einzigen Ereignisse, wie sie jetzt massenhaft an uns vorüber gehen, hätten wir früher Monate zu zehren gehabt! Jndeß wäre dieß Unglück zu übersehen, wenn nur der Stand der Welthändel nicht so furchtbar ernst wäre, daß viel Schlimmeres von demselben zu befürchten steht. Da muß es sich bald entscheiden, was ans dem weltlichen Papstreiche wird. Vielleicht wird dabei mit über das Papstthum selbst entschieden — wer kann es wissen? Und wird diese Entscheidung glatt und ruhig vornbergehen? Schwerlich! Da hat der Fran zosenkaiser seinem Landtage die zehn Jahre angelegten Schlösser vom Munee genommen, und dieser hat recht flotten Gebrauch von der Vergünstigung gemacht, wieder einmal über Landesangelegenheiten parliren zu dürfen. Wird's dabei sein Bewenden haben? Da zeigen sich drüben in Amerika die Vorboten eines Kampfes, bei dem es fick um nichts Geringeres, als um Tod und Leben der großen Republik handelt. Wird, kann dieß ohne Einstuß auf uns bleiben? Die Schofeleicn der Europäer in China und Japan, die dortigen Kämpfe für Vergangenheit und Zukunft wollen wir gar nicht erwähnen, weil sie dritthalb- tausend Meilen in gerader Linie von uns entfernt spielen, obwohl heut zu Tage die solidarische Verbindung der Menschheit im Verkehr so eng und fest ist, daß auch der voigtländische Weber es spürt, wenn „hinten in der Türkei (und noch viel weiter entfernt) die Völker auf einander schlagen." Aber die „orientalische Frage", die Frage: „Wie lange wird's der kranke Mann noch treiben? Wie lange wird man es ihn noch treiben lassen?", die schon so oft ganz Europa in Schrecken gesetzt hat und in Brand zu stecken drohte, ist zu allem Unglücke brennender als je wieder aufgetreten, und während wir meinten, Rußland feiere Heuer durch die Befreiung seiner 23 Millionen Bauern aus der Leibeigenschaft ein so herrliches inneres Auferstehungsfest, daß wir dem dankbaren Jubel seiner befreiten Bauern und dem hochherzigen Kaiser Alexander II. vom Herzen zu jauchzten, hat es im Verein mit den Franzosen durch daS Wiederaufwärmen der alten Mucken von der Vereinigung aller Slaven unter russischer Hoheit (PanslavismuS) eine „polnische Frage" aufs Tapet gebracht, die uns Deutschen ein Pfahl im Fleisch, ein Strick um den Hals, ein neues Glied zu der Kette werden soll, die man uns anlegen will. Und rechnet man zu der polnischen Nationalitätsschwindelei, die jetzt von Rußland und Frankreich als „polnische Frage" gehätschelt wird, noch die dänische, ungarische, österreichische, auch in Deutschland selbst noch etliche „Fragen", nun, dann wollen wir den sehen, der darauf Antwort und anzugeben vermag, wie es jetzt in der Welt ausschaut. Wüst, verworren, düster, verdrießlich, finster, drohend rc. — das sieht ein Kind, aber die übersichtliche Angabe des Standes der Dinge müssen wir wenigstens in der Hauptsache schuldig bleiben. Sie geht über unsere Kräfte. Wir sage« unsere „Pleite" an. Zeitungen. Sachsen. Dresden, 4. April. Unter den neu an den Landtag ge langten kgl. Decreten befindet sich auch ein nachträgliches Budget-Postulat des Cultministeriums. Dasselbe verlangt, in Folge der zurückgezogenen Kirchcnord- nung, 2000 Thlr. jährlich für einen Präsiventen des Landesconsistoriums und 15,000 Thlr. zur Besolvung der Superintendenten über die bereits bisher bewilligten 13,354 Thlr. Ferner fordert das Cultministerium 4000 Thlr. zur Einrichtung eines lanvwirthschaftlichen Unterrichts an der Universität zu Leipzig, wogegen die landwirthschaftliche Abtheilung der Akademie in Tharandt eingezo gen werden soll. Auch fordert es 2000 Thlr. jährlich für Uedernahme des Gymnasiums in Bautzen und 33,819 Thlr. zum Ankauf eines Grundstücks für die Tnrnlehrer-Bildungsanstalt in Dresden und zur Erbauung einer Turnhalle für dieselbe. Dresden, 6. April. Den Ständen ist abermals ein nachträgliches Bndgetpostulat zugegangen. Es handelt sich um nicht weniger als 30,000 Thlr., welche das Kriegsministerium zur Herstellung einer längeren Schießbahn zu Hebungen mit den neuen Gußstahikanonen verlangt. Aus Leipzig werden fast täglich, und zwar bisweilen sogar mehrere Selbstmorde gemeldet Preußen. Berlin, 3. April. Die Nachrichten von bedeutenden Desertivnsversuchen österreichischer Soldaten italienischer Herkunft aus der Bun desfestung Rastatt sind seiner Zeit bekanntlich in Abrede gestellt worden. Jetzt berichtet nun der „Cou rier des Alpes" aus Chambery von einem ähnlichen Falle wieder, und zwar nicht bloß von einem solchen, wo es sich nur um einen bloßen Desertionsversuch, sondern um eine thatsächlich ausgeführte Massenvesertivn handelt. Am 25. März seien nämlich in Chambery aus Verona gebürtige österreichische Deserteure aus Rastatt in voller Uniform erschienen, um, von der Straßburger Präfectur mit Armeepässen und Reisegeld versehen, sich nach Mai land zu begeben. Die betreffende Nachricht hat hier einen peinlichen Eindruck gemacht; das Gefühl, welches man über dieselbe in ganz Deutschland empfinden wird, ist ohne Zweifel dasselbe. Wir sind begierig, ob seitens der Rastatter Militärbehörde auch jetzt wieder ein Dementi erfolgen wird. Bei solchen Vor kommnissen ist gewiß alle Veranlassung zu einer offiziellen Behandlung der Frage gegeben: ob es, und namentlich bei den jetzigen Verhältnissen, angemessen uno wohl zu verantworten sei, Soldaten italienischer Herkunft in eine deutsche Bun desfestung am Rhein zu verlegen. Bei kriegerischen Eventualitäten würoe oer deutsche Theil der Garnison zuvörderst den italienischen im Z mm zu halten haben und also dem Feinde draußen das leichteste Spiel bereitet sein. Da<ß