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Voiglländikher Anzciger. Amtsblatt für das Königliche Bezirksgericht zu Plauen, sowie für die Königlichen Gerlchtsäinter und Stadrrütbe zu Plaueii, Pausa, Elsterberg, Schöneck und Mühltroff. ZmeimMekenziBer Jahrgang. Verantwortliche Redaction, Druck und Verlag von Moritz Wieprecht in Plauen. Dieses Blatt erscheint wöchentlich dreimal, und zwar Dienstags, Donnerstags und Sonnabends. Jährlicher Abonnementspreis, welcher prLnumeeascko zu entrichten ist, auch bei Beziehung durch die Post, 1 Tblr. 10 Ngr. — Annoncen, die bis Vormittags 11 Uhr eingehen, werden in die TagS darauf erscheinende Nummer ausgenommen, später eingehende Annoncen finden in der nächstfolgenden Nummer Aufnahme. — Inserate werden mit 1 Ngr. für die gespaltene Corpus-Zeile berechnet. Einzeilige mit 2 Ngr. — Für die auswärtige"» König!. GerichtSämler und Atadträthe, sür welche der Voigtländische Anzeiger Amtsblatt ist, bestehen die Geschäftsstellen in Pausa bei Herrn Bürgermeister Leh mann, in Elsterberg bei Herrn E. A. Diezel, in Schöneck bei Herrn Eduard Meyer, in Mühltroff bei Herrn Ehanffeegelder-Einnehmer Holzmüller. Sonnabend. AL. LZ. Mär; 18S1. Der Streit, der erbitterte Kampf auf Leben und Tod zwischen Louis Napoleon und dem Papstthume geht seiner Entscheidung entgegen. Beweis da für sind die im französifchen Senat (1. Kammer) gehaltenen Reden der Minister und vor allen des kaiserl. Prinzen Napoleon Bonaparte, Vetters des Kaisers, die alle darauf hinausliefeu, daß die weltliche Regierung des Papstes nicht verträgt:^ sei mit den Grundsätzen, nach denen heut zu Tage die Völker regiert werden wollten und mußten, nicht verträglich mit der Einheit und Selbstständig keit Italiens, aus welchen Reden nun Jedermann ohne Kopfzerbrechen den Schluß ziehen kann, daß die Nothhosen am längsten das „Erbtheil Petri" be schützt haben werden, wenn gleich sie vielleicht die Person des Papstes noch einige Zeit unter die Flügel ihrer Bayonnete nehmen. Daß Prinz Napoleon es nicht gewagt haben würde, eine solche feuerspeiende Rede gegen das Papst- thum rc. zu halten, wenn ihm nicht Vetter Kaiser es erlaubt hätte, liegt auf der Hand; ja, die Nachrickt, daß dieser ihn sogar wegen dieser Rede beglück wünscht habe, ist noch nickt widerlegt. Was half es, daß der Bischof von Poitiers alle Versicherung der Minister, wie sehr sich Frankreich des Papstthums angenommen habe, aber schmählich mit Undank belohnt worden sei, ganz paffend biblisch mit der Rede des Pilatus verglich, der mit Händewaschen seine Nicht- schuld beweisen wollte, der Senat in der Mehrheit nahm sich der weltlichen Papstmacht nicht an, und nnn fängt auch bereits der Pariser Pöbel an, das ihm von oben gegebene' Beispiel nachzuahmeu und an den Priestern seinen Muthwiüen ausznlaffen. Am 5. März hat in der Kirche St. Gervais ein abscheuliches Aergerniß stattgefunden. Einige Bursche hatten Katzen mit in die Kirche eingepascht, und als sie von der Polizei verhaftet werden sollten, rottete sich der Pöbel zusammen und schrie: a da« los ealottins! d. h. Nieder mit den Scheitelkäppchen! (von c-alone, das Sckeitelkäppchen der Priester). Da können wir noch tolle Geschichten hören. Da ist wohl Louis Napoleon ein ganz erstaunlich freisinniger Herrscher, weil er sich nicht blos der Einheit und Selbstständigkeit Italiens so eifrig an nimmt, daß er darüber sich den Papst und dessen Anhänger zu Feinden, zu Todfeinden macht, auch sonst noch, ;. B. in Ungarn, Polen, in der Wallachei rc. den Völkern behilflich ist, selbstständige und freie Völker und Staaten zu wer den? Nun, wer sich einbilden wollte, der Franzosenkaiser habe blos deshalb vor zwei Jahren den italienischen Krieg geführt und die Annexirungen Piemonts bisher zugelassen, um dem vielstaatigen Italien zur Einheit, dessen Völkern zu constitutionellen Regierungsformen rc. zu helfen, dessen Glaube wäre wirklich überaus groß. Es kann sein, daß er denkt: „Italien mag immerhin vereinigt und ein Staat von 24 Millionen Menschen sein, meiner und Frankreichs Macht wird es deshalb noch lange nicht gefährlich, zumal ich die Schlüssel zu seiner Hausthüre, die Alpenstraßen, in Händen habe." Vielleicht will er auch die ansehnlichen Kräfte eines geeinigten Italiens zu weitern Zwecken benutzen. Am aller wahrscheinlichsten ist aber, daß er Alles, was er bis jetzt gethan hat und noch thun wird, hauptsächlich als Mittel angewendet hat, um seine Herr schaft, seine Regierung zu behaupten, zu befestigen. So hat er als Prinz- Präsident der franz. Republik die Geistlichkeit gehätschelt, daß sie ihm mit zum Kaiserthron verhalf; dann den Krimmkrieg geführt, um sich und den Franzosen Ansehen im Rathe der europäischen Mächte zu verschaffen, die vorher nament lich unter Louis Philipp, dem Friedlichen, mit Frankreich und ihm wenig Um stände gemacht hatten; dann den Nationalitätsgrundsatz für Italien aufgesteckt, um Oesterreich zu schwächen und Italien für sich zu gewinnen; endlick im Herbste des vorigen Jahres die freisinnigen Verordnungen Herausgelaffen, die seinem Landtage erlaubten, über seine Regierung zu urtheilen, damit er eine Stütze in seinem Volke haben wollte, wenn er dem Papste dessen weltlichen Besitz nehmen lasse. Er kehrt also jetzt der Geistlichkeit, deren er nicht mehr bedarf, den Rücken, nach dem Grundsätze seines Oheims: Wenn der Mensch erwachsen ist, wirft er die Wiege weg. Seine Macht ist groß, die französische Armee und Flotte hat er hergerichtet, daß sie keiner nachsteht; die Mittel, die er anwendet, um diese seine Macht und Herrschaft aufrecht zu erhallen, nimmt er, wie sie sich eben finden; heute die Unabhängigkeit der Türkei zu schützen, morgen, die italienische Nationalität zu befreien, und nächstens ? Ei nun, die Fäden sind gelegt in Polen, Ungarn, der Türkei rc.! Wenns nöthig ist, stellt man sich offen an die Spitze des Umsturzes von halb oder ganz Europa. Die Behutsamkeit, mit der die russische Regierung die Aufstände in Warschau be handelt, beweisen, daß man Vorsicht für nöthig findet. Selbst in Syrien giebt Rußland Frankreich nach. Die Gefährlichkeit Louis Napoleons besteht darin, daß er Köder hinhält von Selbstständigkeit, Einheit, Freiheit rc., an welche freilich solche Völker begierig beißen, in deren Staatshaushaltungen Unfriede und Mißvergnügen herrscht. Wo es fehlt, wird etwas nachgeholfen. Was hilft es dann, tausendmal über- Unrecht, Raub rc. zu klagen und das eigene Recht zu beweisen. Die franz. Armee ist in einer Hand, stets kriegslustig, stets kriegsfcrtig; das seemächtige England und dessen Volk hat er in Folge der Grundsätze, die er verkündet, und des Handelsvertrages, den er mit diesem Reiche schloß, auf seiner Seite; die andern Großmächte halten nicht zusammen. Wir leben des Glaubens, daß in nickt gar später Zeit Victor Emanuel seine Residenz in Nom aufschlagen werde. — Zeitungen. Sachfen. Dresden, 19. März. (Landtag.) Die erste Kammer hat heute in Uebereinstimmung mit der zweiten Kammer die Abth. .4.. des Ausgabe- budgets, die allgemeinen Staatsbedürfnisse betreffend, erledigt, und ist sodann in Bezug auf eine Petition, die Expropriation von Grundstücken zu Anlegung von Kirchhöfen betreffend, dem Beschlusse der jenseitigen Kammer beigetreten, diese Petition auf sich beruhen zu lassen. In der zweiten Kammer motivirte heute Vicepräsibent Oehmichen seinen Antrag auf eine Abänderung der Landgemeindeordnung. (Die Leitung der Ge meindewahlen soll danach von der Obrigkeit auf den Gemeindevorstand über tragen werden.) Dann wurde die Deputation zur Revision der vorigen stän dischen Anträge gewählt. Ferner wurden die Differenzen mit den Beschlüssen der ersten Kammer beim Gewerbegesetz bis auf wenige, beim Entschädigungs gesetz und dem über Gewerbegerichte sämmtlich erledigt. Weiter wurden die Vorschläge des Abg. Emmrich auf veränderte Einrichtuug der Leipziger Messen berathen und schließlich mit großer Mehrheit abgelehnt, und endlich Berathung der Eingaben über die Verpflichtung der Gemeinden zum Schneeauswerfen be gonnen. Dresden, 20. März. Die zweite Kammer hat heute nach langer Debatte, in deren Verlauf eine Menge Anträge gestellt worden, die Berathung über die Verpflichtung zum Schneeauswerfen beendigt und dabei in der Haupt-