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Voigtlimdisä)cr Anzeiger. Amtsblatt für die Gerichtsämter und Stadtrüthe zu Plauen, Pausa, Elsterberg, Schöneck und Mühltroff. 8iebenzijMr Jahrgang. Verantwortliche Redaction, Druck und Verlag von Morry Wieprecht in Plauen. Diese« VlaN erscheint wöchentlich drei» al, und zwar Dienstag-, Donnerstag« und Sonnabend«. Jährlicher Abonnement«pret«, auch bei Veiirhung durch die Post, 1 Lhir. 10 Ngr. — Annoncen, die bi- Vormittag« I t Uhr eingeben, werden in die Laz« daraus erscheinende Nummer ausgenommen, später eingehende Annoncen finden in der nächstfolgenden Nummer Ausnabme. — Inserate werden mit l Ngr. für die gespaltene Lorpu-rZeil» berechnet. .1/ «8 11. Jimi I8SS. Sonnabend. . Plauen, 9. Juni 1859. Wie lange die Menschcnschlächtcrci und das Würgen vom vorigen Sonnabend und Sonntag bei und in Magenta fortgedaucrt habe, wissen wir heute noch nicht, da die uns vorliegenden österreichischen amtlichen Telegramme aus Verona nur bis zum Montag, den 6. Juni Abends zehn Uhr reichen, weil der Telegraph zwischen Mailand und Verona, höchst wahrscheinlich von der ausrührerisch gesinnten Bevölkerung der Lombardei, ruinirt ist, der französ. Moniteur vom Mittwoch den 8. Juni aber, wie unser Dresdner Telegramm berichtet, bedeutsam genug — schweigt. So viel ist gewiß, daß die Kämpfe um und in Magenta äußerst mörderisch waren, beide Theile mit dem ausgezeichnetsten Heldcnmuthe gefochten ha ben, daß cö aber kein Sieg der Franzosen und Sarden, keine Niederlage für die Oesterreicher, sondern eine grimmig erbitterte Rauferei, ein ver zweifeltes Ringen war, das beiden Theilen ungeheure Opfer kostete, aber im Ganzen keln sonderliches Ergebniß brachte. DaS Wiener Privattelc- gramm, welches uns das Zurückwerfen der Verbündeten hinter den Tessin brachte und Plauen und gewiß auch andere Städte und Orte deS Voigt- landcS, die davon Nachricht erhielten, in eine fast fieberhafte Spannung brachte, hat sich bis heute noch nicht bestätigt, eben so wenig weiß der franz. Moniteur vom 8. etwas davon, daß die Verbündeten ihren Einzug in Mailand gehalten haben, wie die Berner Telegramme, die an Unzu verlässigkeit die Turiner und Pariser Nachrichten wo möglich noch über treffen, untcrm 7. schon melden. Aber gesetzt auch, die Franzosen hätten auf einige Zeit daS offene, nicht zu vertheidigcnde und vrellelcht auf Be fehl Gyulai's geräumte Mailand in Besitz genommen, so werden sie ihrer Freude so lange nicht sicher und froh sein, als die östcrr. Armee noch ihre Flank»nstellnng zwischen Abbiategraffo und BinaSco, also seitwärts von der Straße zwischen Magenta und Mailand, inne hat, täglich neue Ver stärkungen an sich zieht und den Kampf jede Minute wieder auszunchmcn bereit rst, ja vielleicht schon seitdem wieder ausgenommen hat. Das Schweigen des Moniteurs deutct den Franzosen schwerlich etwas GuteS; dcnn hätten sie seit dem Bluttage von Magenta Fortschritte gemacht, so würde der Moniteur nicht verfehlt haben, gehörig in die RuhmeSfanfare zu stoßen. Die Monitenr-Lügcn über den Verlust beider Theile ganz un- beachtck — denn so viel wird nun hoffentlich jedem Leser klar sein, daß diesen auch nicht eine Ziffer zu glauben ist — verloren beide Theile ent setzlich viele Menschen. Die Franzosen geben selbst zu, daß die Garden Magenta sechsmal stürmten und nahmen und eben so oft verloren, bis Mac Mahon mit seinem Corps zur Rettung erschien. Dafür ist er in ächt Napoleonischer Weise und getrrulicher Nachäffung des Herrn OhcimS zum Herzog von Magenta gestempelt worden. Die große Zahl auf beiden Seiten getödteter und verwundeter Generale und hoher Offiziere zeugt für das gräuliche Blutbad, für die glänzende Tapferkeit beider Theile. Die Ocsterreichcr geben die Zahl und Namen derselben soweit möglich ehrlich an, bei dem Franzosen kommen sie erst allmählig zum Vorschein ; man will dem französ. Volke die bittern Tropfen nicht auf einmal zu verschlucken geben. UebrigcnS bekennen wir trotz des Mangels aller strategischen Kennt nisse bei allen unsern besten Wünschen für die Oesterreicher ganz offen, daß zwar die österreichischen Truppen biö jetzt sich auf daS Tapferste schlugen, die Zweifel am Glücke und Geschicke der österr. Feldherrn aber immer häufiger und stärker werden, wenn unS auch tausendmal vorgesagt wird, daß die Stärke der Oesterreicher in der Vertheidigung liege und ihre Rückzüge strategisch begründet seien. Im Norden der östcrr. Stellung, am langen und Comer See hatten die östcrr. Feldherren sich so schwach gedeckt, daß sogar Garibaldi mit seinen Banden sich dort einfinden, breit machen, den Aufruhr im Veltlin entwickeln, Vordringen konnte. Dann ließen sich die östcrr. Feldherren in ihrer festen Stellung zwischen Abiate- grasso und Piacenza hinter Tessin und Po nördlich auf ihrem rechten Flügel umgehen, die Franzosen marschirten schnurgerade von Novara her über Magenta auf Mailand loS, so daß die Oestcrreicher ihre Heere so rasch als menschenmöglich auS ihrer guten Stellung herausziehen und vor Mailand bei Magenta aufstellen mußten, um die Hauptstadt zu decken. So machte sich die Schlacht bei Magenta, bei der die Oestcrreicher von vorne herein im Nachtheile waren, weil nicht sie das Schlachtfeld wählen konnten, sondern die Schlacht aus einem vom Feinde gewählten und ihnen aufgezwungenen Plane, vielleicht in einer ungünstigen Stellung annehmen mußten. Dieß hat aber von jeher für einen strategischen Schnitzer ge golten, der dem Gyulai das Commandk kosten kann, wie denn auch schon die Zeitungen berichten, daß er zum Ban von Croaticn befördert sei. Und wenn er daS rechte Zeug zum Feldherrn nicht hat, so ist nur zu wünschen, daß er je eher desto lieber abgehe und dem alten Heß Platz mache, den Radetzky, wie es heißt, noch auf seinem Sterbebette für den kostbarsten Edelstein erklärte, den er Oesterreich hinterlasse. Denn wir sprechen nur im Sinne aller, die eS mit Oesterreich gut meinen, wenn wir das fort währende Zurückgedrängt- und Zurückgcschlagenwcrden der Oesterreicher einmal beendigt wünschen. Wohl begreifen wir, daß die Einnahme von Mailand durch die Fran zosen und Sarden noch lange nicht das Schicksal des Feldzugs oder gar der Lombardei entscheidet; auch ist klar, daß die Oesterreicher mit jedem Schritte rückwärts ihre Hilfsquellen, ihre Kräfte verstärken. Wir glauben gerne, daß nicht die Sesia, nicht der Tessin, nicht die Adda, sondern erst der Mincio und seine furchtbaren Festungen d^r Wall sind, dessen sich die Verbündeten bemächtigen müssen, ehe sie Herren der Lombardei sich nennen dürfen. Mantua und Verona sind Slelne deS Hindernisses, an denen tausende der härtesten Franzosenschädel zerschellen müssen. Lag ja der erste Napoleon 1797 sieben Monate vor Mantua! Aber 'trotz alledem ist der moralische Eindruck, den daS fortwährende Zurückgehen und Zurückgeworfen- wcrden der Oestcrreicher in ganz Deutschland macht und machen muß, ein ungünstiger, und schlüßlich verliert daS Volk, außer dem Vertrauen auf die österr. Heerführer, auch noch daS Vertrauen auf den AuSgang deS gerechtesten Krieges, den Oesterreich je geführt hat. DaS Vorrücken der Rothhoscn von ToSkana auS läßt immer noch auf sich warten. ES ist unS dabei nur um die hsstbare Zcit hange, die dem Prinzen Napoleon für seinen zweifelhaften Kriegsruhm verloren geht. Hätte dieser Tapfere losschlagen dürfen, so würde schon lange ein unverwelklichcr Lorbcerkranz auS den zarten Händen von Fräulein Anna Dillon dessen Heldcnstirne umschattet haben, und die Lombardei mit Einschluß deS Be-