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Voiglliindilchtr Anzciger. Amtsblatt für die Gerichtsämter und Stadträthe zu Plauen, Pausa, Elsterberg, Schöneck und Mühltroff. Hiebenzigster Jahrgang. Verantwortliche Rebactton, Druck und Verlag von Moriy Wieprecht in Plauen. Diese« Blatt erscheint wöchentlich dreimal, und zwar Dienstag-, Donnerstag« und Sonnabends. Jährlicher A b o n n» m e nt - v r e is, auch bei Beziehung durch di» Post, 1 Lhlr. 10 Ngr. — Annoncen, die bis Vormittags 11 Uhr tingeheu, werden in die Lags darauf erscheinende Nummer ausgenommen, später eingehende Annoncen finden in der nächstfolgenden Nummer Ausnahme. — Inserate werden mit 1 Ngr. für die gespaltene CorpuS-Zeile berechnet. Donnerstag. 04» 2. Juni 185S. Plauen, 31. Mai 1859. Ter Stand der Fcldsrüchte ist nach Berichten aus allen Gegenden überall überaus erfreulich, das Wetter wahre Treibbauswitterung. Der Roggen blüht, Weizen und Gerste sind in milderen Pflegen am Schossen, die Kartoffeln stehen fußhoch, die Wiesen und die Kleefelder prangen in Fülle und Ueppigkeit. Wenn der Sommer und der Herbst halt, was der Frühling verspricht, so giebts auch noch ein drittes vortreffliches Weinjabr, und bas wäre ein wahres Weltwunder. Aber leider! nimmt uns der frevelhaft vom Zaune gebrochene Krieg und die mit demselben eingetretene gewerbliche Stockung die rechte frcudig-hoffende Stimmung für den Reich thum, den die Natur verspricht, und für die Pracht, die sie bietet! Ter steinalte Fürst Metternich, heißt es, ist dieser Tage vom Kaiser Franz Joseph mit einem Besuche beehrt worden, wle diese beiden hohen Herren denn in der jüngsten Zeit öfter mit einander vertraulich verhan deln. Bei diesem Besuche fol! der alle Staatskanzler dem jungen Kaiser sein politisches Testament mündlich n berge bin haben. T>eß soll haupt sächlich in zwei Hauplsiücken bestand-, n balnn. Zum Ersten genüge der Bundestag nicht mehr, sondern eine straffere, deutsche (Einheit sei unum gänglich nölhlg, da das ganze deutsche Velksbewußlsein dazu dränge; zum Zweiten müsse Oesterreich aus einer unumschränkten Monarchie ein Staal mit lanbständischen Verfassungen für die einzelnen Kronländer werden. Nun hat aber Niemand mehr, als Metternich, zeitlebens gegen diese schö nen Tinge gekämpft, wle kommt er denn auf einmal zu diesem Testamente? Ist cs ein Zeugniß, daß die Macht deS Gedankens und des Bedürfnisses am Ende selbst für einen Metternich unwiderstehlich wird, oder gesteht eil. Staatsmann sich und andern lieber etwas zu, wenn seine eigene Hand nicht mehr das Steuerruder des Staates fühlt? Uebrigcns möchten wir noch eine Nummer Tret diesem Testamente dringend beigesügt wissen und diese lalltet: Gleichstellung der sieben Millionen nichrkatholischen Oester- reicher tu allen Rechten mit den katholischen, und Aushebung des Druckes, der auf jenen lastet. Tenn nie und nimmer wird im protestantischen Deutschland die rechte innige Brüderschaft mit Oesterleich, ja Oesterreich selbst wild nimmer gedeihen, so lange nicht volle, wirkliche und thal- sächliche Neliglonsfreiheil daselbst die fruchtbaren Gefilde Ungarns mit dem Volköüberschussc protestantlfcher Länder bevölkert und bebaut, und so lange der Glaubensdruck in Oesterreich fortdauert als ein schnurgerader Widerspruch mit dem gegenwärtigen Bewußtsein aller Gebildeten auf Erden. Die Haltung Rußlands wird immer drohender, schreibt man der A. A. Zlg. aus Berlin. Es herrsche dort eine alles Maß übersteigende Erbitterung gegen Oesterreich auch beim Kaiser. (Oesterreich zwang be- kannllich während d<B Krimmkrieges durch Ausstellung eines Heeres von ZOOMO M. ln Ungarn und Galizien die Russen, von der Belagerung voll Silisiria abzulagen und Hutter die Donau zurückzuweichen, und that durch diese bloße Aufstellung den Russen mehr Schaden, als fast durch eine Kriegserklärung; daher der Ingrimm gegen Oesterreich.) Also Ver suche, Rußland wieder zu versöhnen, seien für Oesterreich vergeblich, selbst den sonst in Rußland so gern gesehenen Fürsten Wlndischgraz, den man nach Petersburg schicken wollte, habe Rußland abgelehnt, (Garibaldi scheint jetzt bei Rußland in größerer Gunst zu stehen, als Windischgräz. Der Czar, besten Stiefelabsatz auf dem polnischen Nacken ruht, hilft Nationali täten befreien!) Graf Buols Entlastung habe hierin gar nichts geändert, ja selbst Preußen, das ohnlängst (wie wir erwähnten) einen außerordent lichen Gesandten nach Rußland habe schicken wollen, um Rußland wieder näher an Oesterreich zu bringen, habe die Antwort erhalten, es brauche sich nicht zu bemühen, Rußlands Entschlüsse ständen fest. (Wenn wahr, ziemlich unhöflich!) Ist dieß Alles richtig, so wird die drohende Haltung Rußlands zwar bei allen denen, welche eine eben so unbestimmte und un klare Furcht vor der Macht Rußlands, wie eine phantastische Vorstellung von der Tapferkeit der Franzosen haben, Grausen erregen, uns aber wäre cs ganz lieb, wenn auch Rußland gegen Deutschland marschiren ließe und dadurch letzteres lediglich auf sich selbst anwieS und zur innigsten Einigten zwänge, daß einmal das Diplomäteln aufhörtc. Wir haben schon einmal erwähnt, daß ein einiges Deutschland den Romanen und Slaven zugleich die Spitze mit Erfolg zu bieten vermag. Oesterreich, das bedrängte, trifft auch dazu jetzt schon Anstalt, denn einer seiner Helden, der tapfere Schlick, sammelt tu Galizien bereits eine Armee, um im Falle eines Krieges den Russen den Weg in ihre Steppen zurückweisen zu können. Für dieses Jahr würde übrigens eine russische Armee an der deutschen Grenze schwer lich thälig werden können. Daß auch auf England Deutschland nichts rechnen darf, weist sich immer mehr auS; die englischen Staatsmänner verführen ein wundersamcs Stück Politik, und einer zieht Hot, der andere Wiste; einer will die deutschen Häfen schützen, der andere nicht. Wenn nur erst in der Türkei die russisch-französische Saat ausgebt und Rußlands Absichten dort zu Tage treten, dann werden auch die englischen Baum wollen- und Pfeffcrsäcke mobil werden. In allen Fällen aber — wir wiederholen eö — braucht ein einiges Deutschland nur sich selbst und keine fremde Hilfe. Fräulein Anna Dillon, die sich hochherzig darüber hinwcgsetzte, als sie der sardinischen Prinzeß Elotilbe, der Heirathspolitik geopfert wurde, obgleich sie nach napoleonischer Welse von Verträgen, also auch von Hei- rathSverträgen, nichts hält, ist mit einem zahlreichen Stabe bei dem Eom- mandanten des 5. franz. ArmeecorpS, dem Prinzen Napoleon in Florenz eingetroffen, logirt mit diesem, im Palast Pttti, wahrscheinlich, um dem 5. ArmeecorpS unter die Arme zu»grelfen. lieber die Stimmung in Frank reich vielleicht ein andermal; heute nur soviel, daß die Arbeiter die Mar seillaise wieder flott singen. Nun, am Ende wird Persigny's Wort wahr: „Xou8 nv partirons, (zue ckans un lou ckarttticv"! d. b. wir werden nur mit einem Feuerwerk abgehen. Aechte Seiltänzer! Noch ElnS! Der toskanische Moniteur hat den Benedek erschossen, nicht mir Pulver und Blei, nur mit Dinte, Buchdruckerschwärze w. der tapfere General „lebt und lebt Euch allen (hoffentlich!) zum Verderben." Zeitungen. Sachsen. Dresden, 28. Mai. Gestern Abend hatten wir einmal wieder Gelegenheit, einen österreichischen Militärtransport in Augenschein zu nehmen. Ec bestand auS einer halben Batterie nebst den erforderlichen Pferden. Bei unserer Ankunft im Bahnhofe waren die Mannschaften be-