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VoiglliinWcr Anzeiger. Amtsblatt für die Gerichtsämter und Stadträthe zu Plauen, Pausa, Elsterberg, Schöneck und Mühltroff. Sietzenzigster Jahrgang. Verantwortliche Redaktion, Druck und Verlag von Moritz Wieprecht in Plauen. Dieses Blatt erscheint wöchentlich dreimal, und zwar Dienstags, Donnerstags und Sonnabends. Jährlicher AbonnementSpretS, auch bei Beziehung durch die Post, l Thlr. 10 Ngr. — Annoncen, die bis Vormittags 11 Uhr eingehen, werden in die TagS darauf erscheinende Nummer ausgenommen, später eingehende Annoncen finden in der nächstfolgenden Nummer Aufnahme. — Inserate werden mit 1 Ngr. für die gespaltene CorpuS-Zeile berechnet. Donnerstag. 144. 8. December 1859. Plauen, 6. December 1859. Während die Westmächte im scheinbaren FreundschastSbunde einander daS Leben sauer machen, Oesterreich auS den Wunden deS italienischen Krieges blutet und an der Geldbeutelschwindsucht leidet, Preußen in das constitutionelle Fahrwasser zu kommen sich bemüht, und Deutschland sich windet, einig zu werden, macht Rußland in Asien Riesenfortschritte. Eng land, daS es allein daran hindern könnte, muß Louiö Napoleon bei guter Laune erhalten, denn allein kann das stolze Britannien weder die Schmach rächen, die seinem unverschämten Gesandten von den chinesischen Zöpfen wiedersahren ist, noch mit Aussicht und Erfolg diese „Himmelreichsbewohner" fernerhin zwingen, zu Nutz und Frommen deS englischen HandelS sich mit Opium zu Schanden zu essen. Die Amerikaner dachten, Wunder in Zapan auSgerichtet zu haben, als sie daS Recht erlangten, Handel dahin zu trei ben und Kohlennicderlagen für ihre Dampfschiffe dort errichten zu dürfen; der langbeinige, langweilige und steifleinene Lord, den England nach Za pan gesendet hatte, richtete nicht einmal so viel auS. Siehe, jetzt kommt die Nachricht, daß die Russen sich die ganze südliche Hälfte der großen, kohlenreichen Halbinsel Karafta oder Sachalin von Zapan haben abtreten lassen, weil ein Hallunke von einem japanischen Beamten, der von den Russen verklagt und deshalb von seiner Regierung abgesetzt worden war, auS Rache mit noch andern Japanesen, drei Russen, die von ihrer Flotte entfernt waren, niedergemetzelt hatte. Dies wußten die Russen zu nützen, es half ihnen zur südlichen halben Halbinsel. Die nördliche Halske der selben Halbinsel hatten sie sich schon vor mehreren Zähren von China ge nommen, eben so bekanntlich vor einem Jahre etwa 8000 Geviertmeilen, eine Landstrecke, zwei Dritttheile Deutschland groß, am Amurflussc, die Mandschurei. Nach den neuesten Nachrichten haben jetzt die Zopfchinesen den Russen noch weiter Platz gemacht und ihnen die Küste bis südlich zur Koreahalbinsel eingeräumt, so daß nun die Russen die ganze, ungeheure Landstrecke, beziehentlich Küste von der Amurmündung bis herab nach Korea, bis zur Vietoriabucht, in einer Länge vou 300 deutschen Meilen, besitzen. Natürlich legen sie schleunigst Festungen daselbst an und verbin den diese neuen Gebiete mit ihrer 1800 deutsche Meilen entfernten Haupt stadt Petersburg durch Telegraphen. Der König von Korea, der an China und Japan Tribut zahlen muß, wird cs bald einfacher bekommen und nur einem Oberherrn, dem russischen Kaiser, Schutzgeld zugehcn lassen. Kämpst immerzu für Ideen in Italien und China, für Schmer- zenSschreie der Nationalitäten, -für die Civilisation, für Ruhm oder genau genommen für Befestigung der Herrschaft Eures Kaisers, Ihr Franzosen, laßt Eure Jugend dabei zehntausendweise zur Ader und ladet euch eine Milliarde Schulden nach der andern auf! Wühlt immerhin in Italien, Ihr Engländer, nm einige armselige Ballen Baumwollengcspinste nach Mailand einpaschen zu können! Rußland fischt unterdeß reellere Vortheile, und eines schönen Tages wird Euer Ostindien von den russischen Polypen armen umschlungen, Euer Einfluß in Asien auf Null gebracht, Euer Han del daselbst tödtlich verletzt, Euer Ostindien aufs Höchste gefährdet sein! Die Straße nach Vorderasien ist für die Russen offen und sicher, seit Schamyl besiegt, der Kaukasus unterworfen ist. Der Handel und Verkehr nach Mittelasien ist in vollem, sicherm, ausschließendem Besitze der Russen, seitdem die Tartaren- und Bucharen-Chane zu Chiwa und Bokchara so gut wie Persien unter russischem Einflüsse stehen. So drängt der euro päisch-asiatische Koloß, dessen Füße durch den Krimkrieg vorläufig an wei terer Entwickelung nach dem europäischen Süden gehindert sind oder schei nen, trotz seiner Geldnoth, trotz seinem, dem österreichischen nahe kommenden Papiergelvüberfluß, der das Silber 12 Procent gewinnen läßt, desto kräf tiger mit seinem linken Arme sich auf drei Seiten nach Asien hinein, und England, daS vor 19 Jahren den blutigen und kostspieligen Afghanenkrieg führte, um Kabul, die Vormauer Ostindiens und den Hauptstapelplatz für engl. Waaren nicht unter" russischen Einfluß gerathen zu lassen, vermag gegenwärtig auf keinem der drei Punkte dem mächtigen Vordringen und Umsichgreifen Rußlands Einhalt zu thun. Und doch kann man sich über daS Sinken des stolzen Britanniens nicht freuen; es ist ja die erste pro testantische Macht der Erde und eine Hauptstütze constitutionelleu SlaatS- lcbenS! Zeitungen. Sachsen. Die Stadt Leipzig hatte früher die Hoffnung, Se. Maj. unser König werde auf einem von der Stadt als Huldigungsschenkung angebotenen Bauplatze am AugustuS-Platze eine Residenz sich für zeitwei ligen Aufenthalt in Leipzig bauen lassen. Aber diese Hoffnung blieb un erfüllt. Jetzt soll aber, wie die A. A. Ztg. berichtet, bessere Aussicht sein. Die Universität läßt nämlich am Ritterplatz ein neues, prächtiges Ge bäude ausführen und der König sott das Anerbieten, dieses HauS als zu seinem Befehl stehend zu betrachten, angenommen und die erste und zweite Etage für einige tausend Thaler ermiethen zu wollen erklärt haben. Als geschichtliche Notiz zur Halbsäcularfeier der Universität Leipzig theilen wir nach dem CH. Tgb. mit: „Es war im Jahre 1408, als in Prag zwischen den vier Nationen, aus welchen die Universität bestand, ein heftiger Streit auöbrach. An der Spitze der böhmischen Nation stand Huß, welcher die Vermittelung des Königs Wenzel für seine Partei be anspruchte. Am 18. Jan. 1409 entschied dieser zu Gunsten der Böhmen; am 9. Mai 1409 übergab der letzte deutsche Rector, Henning Boldenhagen, die akademischen Insignien und legte sein Amt nieder. Lehrer und Ler nende, gegen 20,000 Studirende, verließen Prag; Hl. Henning, Hl Hof mann und Hl. Joh. Otto aus Münsterberg geleiteten nebst vielen andern Lehrern gegen 2000 Studenten nach Sachsen, und zwar nach Leipzig. Markgraf Friedrich der Streitbare und sein Bruder Wilhelm nahmen die Eingewandcrten freundlich auf und „vergunten den ausgetriebenen Kün sten Herbrige." Leipzig, 4. Decbr. Wahrend der 450jährigen Jubelfeier der Uni versität Leipzig geruhten Se. Majestät, in Begleitung der k. Prinzen, des Herrn StaatSministerö v. Falkenstein, Geh. Raths vr. Hübel, KreiSdi- rectorS v. BurgSdorff, Rector Magnificus ic., das Convict mit einem Besuche zu beehren. Die Convictoristen, die mit einer Festspeisung be« wirthet wurden, brachten hier Sr. Majestät ein begeistertes dreimaliges Hoch. Eine besondere AufmerksMnkeit erregte bei dieser Festspeisung ein kolossaler Stangcnkuchcn, welchen Herr Stadtrath Wilh. Felsche dieser Festspeisung gewidmet hatte. Dieser Kuchen, zu dessen Fertigung 600