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VollMMlhkr Anzeiger « Amtsblatt s»r die GerMsamter und Stcidträthe zu Plauen, Pausa, Elsterberg, Schöneck und Mühltroff. NeummdselHszigfler Jahrgang. Verantwortliche Redaction, Druck und Verlag von Moritz Wieprecht in Plauen. Dienstag 6. Juli 18S8. dreimal. unL zwar Dienstag«. Donnerstag« und Sonnabend«. Jährlicher Ab-nnement-prti-, auch bet Veztehun, durch «e r-st, l Lhlr. ,0 Ngr. — Annoncen, die bi« Mittag« ,2 Ubr eingehen. werden in die Lag« darauf erscheinende Nummer ausgenommen, später ein-ehmde Annoncen finden in der n'ächstsolgenden Nummer Ausnahme. — Inserate werden mit 1 Ngr. sür die gespaltene Eorpu«-Zeile berechnet.. Rundschau. * Die Bauernregel: „Vor Johannis bitt' um Regcu, nach Johannis kommt er ungelegen," enthält ohne Zweifel viel Wahrheit, und es wäre uns nicht bloS um der Wiesen Willen sehr erwünscht gewesen, wenn wir vor Zohanms statt der afrikanischen Hitze einige erfrischende Regen gehabt hatten. Indessen imd wir im Voigllande immer noch besser daran, als Vie Leute im Flachlande, namentlich in Schlesien, wo man hie und da, wie uns au- sichern Quellen berichtet wird, wegen Futtermangel den «lehstand verringern mußte, und selbst der Roggen, der bei uns vortreff lich steht, eine sehr kümmerliche Ernte verspricht. Auch haben die Regen nach Johannis, deren wir noch mehrere gewünscht hätten und noch wün schen, unS nur genützt und sind unS schwerlich ungelegen gekommen. — Der .Stand der Feldfrüchte ist, allen Berichten zufolge, m den starken Ver- zehrländern England und Frankreich, in welchem letzteren Lande die Ernte bereits begonnen hat, hie und da sogar schon vollendet ist, ein ausgczeich- treter, eben so in Rußland, dem starken Erzeugungslande. Dagegen wird aus Spanien, Polen und Ungarn über Trockenheit geklagt, und waS Deutschland betrifft, so scheinen die Aussichten für dieses Jahr im Süden günstiger, als im Norden, In den nächsten Tagen wird in den vorzüg- Uchsten Erzeugungsstrichen Deutschlands in Niederbaiern, Franken, Mähren, Böhmen rc. die Ernte beginnen, und später erst dürfte eS sich zeigen, in welcher Weise die heurige Ernte zu bezeichnen sein werde. Gut lst'S im mer, wenn England und Frankreich viel bauen und daher weniger bedür fen; denn dieß sind die Hauptverzehrländer. Wenn der Wochenblattschreiber angcben soll, wie es mit den Welt- Händeln, in der großen Politik auSsieht, so muß er ehrlich gestehen, daß er cs selbst nicht weiß. Im Innern Frankreichs — denn auf dieses Land blickt Jeder zuerst — hat die furchtbare Strenge, welche seit dem verruchten Mordversuche vom 14. Jan. für nöthig gehalten wurde, nach gelassen, und der General Espinasse, welcher zeilher als Minister dcS Innern die Franzosen auf Trense, Kandare und alle mögliche Kappzäume ritt, mußte dem gemäßigteren Dclangle den Platz räumen. Auch ist für den Prinzen Napoleon, der für liberal gilt, ein eigenes Ministerium für Algier errichtet worden, und man glaubt, daß dieser Prinz, wie man wünscht und hofft, einen erstaunlich freisinnigen Geist in die Regierung bringen werde! Wenn dieß unsere Leser auch glauben wollen, kann eS unS recht sein. Nach Außen aber macht Louis Napoleon ein desto grim migeres Gesicht, zumal gegen England und Oesterreich. Die französischen Zeitungen dürfen bekanntlich kein Wort ohne Allerhöchste Genehmigung schreiben; wenn nun diese Zeitungen giftiger als jemals täglich auf Eng land loSziehen, an ihren englischen angeblichen Freunden und Bundesge nossen kein gutes Haar lassen, ja sogar ihre Regierung auffordcrn, den rebellischen Ostindiern gegen die Engländer beizustchen, und wenn dann die englischen Zeitungen die ihrem'Lande und Volke ins Gesicht geworfe nen Wahrheiten und Bosheiten mit Wucher znrückgcbcn — so sollte man meinen, cs stehe zwischen beiden Staaten nicht gut. Noch mehr! Frank reich rüstet tharsachlich zu Wasser und zu Lande; die an sich schon große Landarmee wird uygemcin vermehrt, ohne daß man sagen könnte, tue ly- n ern Zustände des Landes machten diese Vermehrung nöthig. Eine neue große Dampfflotte wird gebaut, die Häfen und Küsten werden furchtbar befestigt. Diese Rüstungen aber kosten ein Heidengeld, und die französi schen Staatsfinanzen find in keiner so blühenden Verfassung, wie die sächsischen. Wem gelten denn diese Rüstungen? Werden denn solche un geheure Summen ohne große Zwecke aufgewendet? Das errathe Einers Die Engländer trauen dem Bundesgenossen auch nicht viel Gute- zu,. wie eS scheint, denn sie rufen eine große Kriegsflotte — ihren Haupt schutz, da sie gegenwärtig nur wenige Soldaten in England haben — ans China zurück, beobachten auch die Verbündeten diesseits deS Canal- sehr aufmerksam. Und doch spottet der englische Schatzkanzler DiSraeli im Parlament über die ängstlichen Gemüther, welche den Ausbruch etü^S Krieges mit Frankreich fürchteten, da die französische Regierung im Herz« lichsten Eiuverständniß mit der englischen für den Frieden Europa'S thätig sei. Wer mag nun sagen, wie eS auSsieht? Auch die Oefterreicher verfolgen die französischen Rüstungen mit Span nung und Mißtrauen und fürchten ein französisch-russisches Bändniß, auf das man wenigstens von Paris auS loS arbeitet. Wenn freilich die rus sischen Zeitungen sagen, ein Bund mit Frankreich würde eine E h.e auf dem Todlenbetle sein, so zeigt dieß eben keine große Lust Seiten Rußlands, mit Frankreich sich zu verloben. LouiS Napoleon soll zu seinen Getreuen gesagt haben: „Ich werde entweder in den Straßen von London oder imVaticanzu Rom sterben." Wenn dieß Wort wahr wäre — es hat aber viel Unwahrscheinliches, da L. Napoleon be kanntlich sehr schweigsam ist und seine Absichten nicht auSplaudert, — so gäbe es eine Andeutung für reifende oder auch ungereifte Pläne, so würfe es ein Streiflicht auf den Zweck der großen KriegSrüftungen in Frankreich, so wären England oder Italien" die Zielpunkte. Eben so schreibt die AugSb. AUg. Ztg. auS Paris: „Unsere Lage verdüstert sich, das Ver trauen schwindet; ein Krieg ist möglich, er ist wahrscheinlich, Napoleon würde Unrecht haben, ihn nicht zu führen, weil der Krieg der natnr- llche Beruf der franz. Ration ist." (!!) Wie stimmt denn dieß wieder mit dem bekannten Worte deS Kaisers: „DaS Kaiserreich ist der Friede?" Der geneigte Leser möge es sich nun selbst zu enträthseln suchen, wie- es in der großen Politik auSsieht; denn nur von Frankreich kann eiü Krieg ausgehen, die andern Potentaten denken nicht daran. Die Pariser Conferenz hat bis jetzt weder über daS Raubncst Montenegro noch über die Donausürstenthümer etwas zu Tage gefördert; es stehen da England, Oesterreich und die Türkei schroff gegenüber Frankreich, Rußland und —- Sardinien, und wenn auch Preußen als unbetheiligte Macht einer Partei seine Stimme giebt, so wird die andere der Stimmenmehrheit nicht ge horchen; eS wird nicht sonderlich viel herausspringen. Wie alles, was in Europa vorgeht, so möchte Frankreich auch den delttsch-dänischen Streit zu einer europäischen „Frage" machen, vor die Conferenz in Paris bringen und natürlich Frankreich die entscheidende Richtersttmme darüber zurrenden. Aber glücklicher Weise sind Oesterreich und Preußen — von den übrigen deutschen Staaten versteht eS sich von selbst — einig, jede Einmischung dcS Auslandes in diese rein deutsche Angelegenheit zurnrkzuweifen, ja selbst Rußland steht hierin auf deutscher Sette, und so wir- denn jetzt schon über die Execution gegen Däne-