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Neuß Fürstenthümer. Gera, 4. März. Die Regierung hat die Aufhebung deS privilegirten Gerichtsstandes beschlossen. Ein eben ergan gener Erlaß deS Ministeriums verordnet in dieser Hinsicht, daß in allen Civiljustizsachcn die Militärs vor den gewöhnlichen Justizftellcn Recht zu nehmen haben, und läßt nur noch in Strafsachen die Kompetenz deS Militärgerichts in Gera bestehen. Oesterreich. Wien, 6. März. Ein Theil deS SilberdarlebenS, welches die Nationalbank der Stadt Hamburg gemacht hat, ist bereits wieder zurückgczahlt. Der Ertrazug, mit 1000 Centncrn Silber beladen, hat gestern hier im Berliner Bahnhöfe Halt gemacht. Dieser Ertrazug, welcher in der Nacht vom 4. zum 5. März Dresden passirt hat, bestand auS 10 Waggons, von denen 9 versiegelt waren und 938'/z Centncr feines Silber in Barren, also einen Werth von etwa 3 Millionen Tha tern enthielten. Hannover. In Osnabrück begrub man am 1. März wiederum eine junge Nonne auS dem „Kloster zur ewigen Anbetung." Daö ist nun binnen Jahresfrist vielleicht der fünfte oder sechste Todesfall unter einer so kleinen Anzahl von Personen. Nassau. Langenschwalbach, 2. März. Der katholische Pfarrer KriegSmann ist noch immer hier. Derselbe hat dieser Tage eine alte, kranke und zugleich geistesschwache Frau zu bestimmen gewußt, ihm zu bereits gegebenen 30 fl., um ihren verstorbenen Mann auS dem Fegefeuer zu beten, noch weitere 30 fl. zu verabfolgen, indem er ihr begreiflich zu machen suchte, daß erstere Summe nicht zureichend gewesen wäre, um ihren Ehemann auS dem Fegefeuer vollständig zu erlösen. Bei seinem Weg gang von der Wittwe war der Pf. KriegSmann so unglücklich, einige Geldstücke deS errungenen Schatzes zu verlieren, wodurch der Schwieger sohn der Frau auf daS Vorgefallene aufmerksam wurde. Als die kranke Wittwe sich wieder etwas von der Angst deS Fegefeuers erholt hatte, er» zählte sie auf die Anfrage ihres Schwiegersohnes: ob daS gefundene Geld wohl ihr angchört habe? den eben bemerkten Sachverhalt. Bemerken müssen wir noch, daß die Angehörigen der Frau keineswegs in der Lage sind, solche Spenden von ihrem Erbe mit Gleichgültigkeit anzusehen. Frankreich. Paris, 5. März. Die ihrem Inhalt nach schon be kannte Malmcsbury'schc Depesche ist immer noch nicht im auswärtigen Amte eingctroffen; ja, man will wissen, dieselbe sei von Lord Cowley wieder nach London zurück geschickt worden, damit vor Ucberreichung der selben noch mancherlei Veränderungen in der Fassung vorgenommen wer ben möchten. Wenn sich dieser Gang der Dinge bestätigt, so ist derselbe kein Beweis von außerordentlichem diplomatischem Tact und strenger Wahrung englischer Ehre und Selbstbestimmung Frankreich gegenüber. Die Situation ist übrigens der Art, daß der Kaiser seine Resse nach Algier, die zu Anfang des Frühjahrs beabsichtigt war, sowie seine Som- »erteise nach mehreren deutschen Höfen auf unbestimmte Zeit vertagt hat. Griechenland. Athen, 27. Februar. Das Erdbeben, welches ver flossenen Sonntag gegen 11 Uhr Vormittags auch hier verspürt wurde, hat die Stadt Korinth zu Grunde gerichtet; kaum stehen noch einige Häuser, und auch diese haben sehr stark gelitten. So viel bis jetzt bekannt, find beiläufig 50 Menschen unter den Trümmern umgekommen; 80 sind schwer verwundet. Glücklicherweise stürzte die Kirche einige Minute» nach dem Ende deS Gottesdienstes ein, als die Menge schon etwa zwanzig Schritte von ihr entfernt war. Auch in den rechts und links von Korinth eine halbe Stunde entfernten Ortschaften Kalamaki und Lutraki, so wie in drei nahe liegenden Dörfern hat daS Erdbeben Verwüstungen angc- richtet. Die Regierung hat sogleich die nöthigen Maßregeln ergriffen, um den Unglücklichen zu Hilfe zu kommen. Die Forstbeamtcn wurden angewiesen, Brennholz in größter Eile nach Korinth zu schaffen, da der Winter noch immer herrscht und daS Thermometer 14 Grad Kälte zeigt. Oeffentliche Gerichtsverhandlung. Die am 9. und 22. Februar a. e. beim hiesigen Königs. Bezirks gerichte unter dem Vorsitze deS Herrn BczirkSgcrichtsdirector Marggraf stattgefundenen beiden Hanptvcrhandlungen betrafen EigenthumSverbrechen, deren der Webermeister Johann Karl Franz Malz auö Elsterberg und der Handarbeiter Karl sMAssch Leistner von Thierbach angeschnldigt waren. Beide wegen schon mehrfach mit Freiheitsstrafen belegte Jn- eulpaten, vertheidigt durch Herrn Finanzprocurator Advocat Stimmel von hier, hatten in ihrer fatalen Lage zum Leugnen ihre Zuflucht genommen. DieS half ihnen jedoch nichts, da solche UeberführungSmomente gegen sie Vorlagen, daß bez. was Leistnern betrifft, wenigstens thcilwcise, eine Ver- »rthellung erfolgen mußte, rc. Malz hatte Elsterberg, rc. Leistner Plauen zum Orte seiner Thätigkeit gewählt. Die verbrecherische Thätigkcit der beidrn Angeklagten selbst anlangend, so hatte rc. Malz, der bereits in der Nacht des 25. Decembcr 1857 eines ausgezeichneten Diebstahlsversuchs mittelst Erbrechen- und EinsteigenS gegen die verehelichte Wilhelmine Frie derike Neudcck in Elsterberg sich schuldig gemacht, daS neue Jahr mit nlcht- Besserem beginnen zu können geglaubt, als damit, daß er am frühe» Morgen deS 1. Januar 1858 auS der untern Wohnstube deS ihm al- Nachdar befreundeten Webermeisters Franz Joseph Dietzel in Elsterberg mittelst gewaltsamer Erbrechung eines Fensters und EinsteigenS in dir Stube zwei Stuck weiße Waare im Gesammtwerthe von fünf Thaler» entwendete. — Leistner dagegen hatte, wie erwähnt, in Plauen, und zwar in der unweit des sogenannten SalzwegeS hier gelegenen Scheune de- Herrn Sladtrath Wagner seine Rolle als Dieb zu spielen für gut befun- den. Genanntem Herrn Stadtrath Wagner waren in der Zeit vom 2. bis 4. Januar 1858 ans seiner verschlossenen Scheune nach deren Eröff nung mittelst Diebesinstrumente, und zwar a. auS der Tenne daS auf 4 Thlr. gcwnrderte Hintergcstell ciueö kleinen WagcnS, b. auS der Panse nach Absprengung zweier Latten Theile eines Kuhgclchirrs im Werthe von 2 Thlrn. und eln auf 8 Ngr. geschätzter Drischelstab, e. auS einer auf dem Scheuncnboden gestandenen unverschlossenen Kiste gegen */, Scheffel Gerste im Werlhsbetrage von 1 Thlr. 22 Ngr. 5 Pf. und ck. nach Er brechung der verschlossenen Kammcrthür auS der Bodenkammer 5 Viertel Gerste im Wcrthöbctrage von 4 Thlr. 11 Ngr. 4 Pf., 2 gezeichnete Säcke, 1 Thlr. werth und 1 Hemmkctte, 2 Thlr. wcrth, entwendet worden. Da nun rc. Leistner, welcher als früherer Tagelöhner deS Verletzten mit de» Lokalitäten der Wagncrschen Scheune genau bekannt gewesen, am 2. Ja nuar 1858 in den späteren Nachmittagsstunden einen halben Scheffel Gerste um 1 Thlr. 15 Ngr. an einen gewissen Johann Gottlieb Heinrich allhier verkauft hatte, hiernächst die von ihm über den Erwerb dieser Gerste g- machten Angaben ihrer Widersprüche halber Glauben nicht verdienen konn ten, und endlich die verkaufte Gerste von dem Verletzten sowohl, als auch von dem zugczogenen landwirthschaftlichcn Sachverständigen als solche, wie in der erbrochenen Wagncrschen Scheuncnbodenkammcr aufbewahrt zu be finden gewesen, ausdrücklich anerkannt worden war, so wurde rc. Leistnee der Entwendung der fraglichen, von ihm verkauften Quantität Gerste an der Wagnerscheu Scheune seines Leugnens ungeachtet für überführt erach tet, hinsichtlich der übrigen in der zuletzt gedachten Scheune abhanden gekommenen Gegenstände aber im Mangel ausreichenden Beweises der Schuld klagfrei gesprochen. — Die über rc. Leistner, insoweit er de- Wagnerschen Diebstahls für überführt erachtet worden, sowie über obge nannten rc. Malz vom Gerichtshöfe verhängten Strafen bestanden nach Vorschrift deS Art. 278 und deS für die Sicherheit der menschlichen Ge sellschaft höchst wohlthätigcn Art. 300 Abs. 1 deS Strafgesetzbuch- je i» einem Jahre Zuchthaus. Mannichfaltiges. Abenteuer eines Wandergesellen. Der General von R., der, wie man zu sagen pflegt, von der Pike an gedient und mit der feine» Bildung sich niemals befaßt hatte, war im Jahr 1762 für kurze Zeit Befehlshaber in einer Grcnzfestung. Er ordnete in Hinsicht auf Reisende und Thoreingänger die strengsten Maßregeln an, wonach Jeder, der sich nicht als unverdächtig mit klarster Bestimmtheit auSweis.n konnte, unver züglich zu ihm gebracht werden mußte. Eines TageS, als eben der General sich von der Tafel, das heißt von einer noch nachträglich geleerten Flasche trennte, führten ein Corpora! und zwei Soldaten einen jungen Mann zu ihm, dem angeblich sein Paß verloren gegangen und der laut seiner Aus sage ein Handschuhmacher-Gesell war. Der etwas mehr als gewöhnlich erhitzte General hatte kaum von dem Corpora! erfahren, um was cS sich handle, da stürzte er in fürchterlicher Wuth auf den zitternd vor ihm stehenden Verhafteten zu. „Wie, Spitzbube," fuhr er ihn an, „Du willst Deinen Paß verloren haben und wagst eS, mir mit dergleichen Finten zu kommen, hältst mich für so dumm, daß ich nicht auf den ersten Blick den Spion in Dir wittern sollte? Dich trifft ein polnisches Donnerwetter! — Adjutant! fort mit dem Schuft! Der nächste Pfaff sott ihm Absolution ertheilen, dann mit ihm nach dem Glacis und ohne weitere Umstände aufgeknüpft!" — Mit einem Zeterschrei sank der unglückliche Handschuh- Vermehrer dem General zu Füßen. „Herr Gott im Himmel!" schrie er, „Euer Gnaden und Erccllenz wollen einen unglücklichen Menschen, der nichts, gar nichts verbrochen hat, aufknüpfcn lassen? Ich bin unschuldig; Erbarmen, Erbarmen!" — „Unschuldig? Erbarmen?" donnerte der General; „ist Dein Verbrechen nicht deutlich in Deinem Schelmengcsicht zu lesen? Warte, ich will Dir Dein nichtswürdiges Handwerk legen! — Adjutantl in einer Stunde auSgcrückt mit zweihundert Mann, der Schurke soll zehn mal auf, zehnmal ab Gassen laufen, mit dreimal gewechselten Ruthen, da wird ihm die Spioni'lust vertreiben!" — „All ihr Heiligen!" wimmert« der Handschuhmacher am Boden, „daS wäre ja noch schrecklicher als der Galgen; wie soll ich eine so grausame Strafe aushalten, und warum? Ich bin ja so unschuldig wie ein neugeborneS Kind, habe schon das Un glück gehabt, meine Brieftasche mit dem Paffe und meiner Kundschaft z» '