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Voigtländilcher Anzeiger. Amtsblatt für die Gerichtsämter und Stadträthe zu Plauen, Pausa, Elsterberg, Schöneck und Mühltroff. Neummdsechszigfler Jahrgang. Verantwortliche Rebactton, Druck und Verlag von Moritz Wieprecht in Plauen. . 2«. Octobrr 1838 chetnl wöchentlich brrisal, und zwar Dienstag«. Donnerstag« und Sonnabend«. Jährlicher A b o n n e «e nt«p r e i«. auch bei veziehuug durch Vxsee '2^' Nar — Annoncen, die bi« Mittag« 12 Udr eingeben. werden in die Tag« darauf erscheinende Nummer ausgenommen, später eingehende Annoncen ' r finden in der nächstfolgenden Nummer Aufnahme. — Inserate werden mit 1 Ngr. für die gespaltene LorpuS-Zeile berechnet. Dienstag. » ' r. iss .. . .. »>!»'» » Rundschau. Der vorjährige Herbst und der heur.ge September waren schön; aber beuriae derbst und October sind eS nicht minder, jedesfallS noch war mes AÜ^f d^n Fluren pflückte Jung und Alt noch -u „Galle" (GalluS, 18 Oct der bekanntlich recht häufig „labt Schnee falle," -um zweiten Male aereifle Walderdbeeren, Himbeeren rc. und ganze Strauße von Feld- und Waldblumen, während die Blumenbeete in den Gärten ihren Früh- UnaSschmuck wieder anlegcn zu wollen schienen. Lenz und Herbst, Bluthe und Flucht vereinigte sich sogar oft auf el nem Zweige, und ein ununter brochen blauer Himmel im Bunde mit der mildesten Herbstlust kleidete die Erde noch einmal in daS reizendste Gewand, ehe der Winter sein weißes Grabtuch über sie breiten soll. Wahrhaftig, eS scheint, als sollte, wie in Amerika der Herbst oder dort sogenannte „indianische" Sommer die schönste Jahreszeit ist, auch bei uns der „Alteweiber-Sommer" den Frühling an Schönheit ond Lieblichkeit übertreffen! Zn den letzteren Jahren wenigstens bat sich der „holde" Lenz bei unS ziemlich unhold aufgcfühn und fast den Credit verloren. , Das wichtigste politische Vorkommnis; im ganzen vorigen Monate ist die Übertragung der vollen Negierung in Prcußen an den Prinzen von Preußen, Bruder des immer noch kranken Königs und die, ebcngenannler Regierungsübertragung unmittelbar vorausgehende Entlastung deS zeU- herigen Ministers deS Innern, des Herrn von Westphalen. Die demokra tische Partei in Preußen, welche „gleiche Rechte und gleiche Pflichten für alle Staatsbürger" haben will, glebt dem abgegaugenen Minister und sei nen Amtsgcnvffcn Schuld, er habe an die Stelle deS Rechts die Polizei- Willkür gesetzt, die Wahlen zum Landtage schmählich beeinflußt, und freut sich sehr über seine Entlastung, spricht aber auch ziemlich unverhohlen den Wunsch aus, daß die andern alten Minister ihm bald Nachfolgen möchten. Nun, wir werden ja sehen! In dem Streite mit Portugal wegen des von den Portugiesen abgc- faßten Sklavenschiffes „Karl Georg" hat Frankreich Niemanden für sich, im Gegcutheile sagt alle Welt, eS habe Unrecht und zeige sich überhaupt neuerdings sehr anmaßend. UnS will der ganze Streit über die Einfüh rung sogenannter „freier Arbeiter" in die Colonien, die doch nichts als Slaven sind, pure Heuchelei scheinen. Weder Frankreich noch England, noch irgend, ein Staat, der im heißen Klima Colonien hat, kann die Sclavenarbeit entbehren. Der Weiße geht dort ohne Rettupg zu Grunde, der Schwarze arbeitet nicht, wenn er nicht muß. Will man also Baum wolle, Zucker und Kaffee, Gewürze, Guano und Farben von dorther haben, dahin gewinnreichen Handel treiben rc-, so muß man dort Sclaven haben. Wozu nun dieses Sand in die Augen Streuen, und die Welt glauben Machenwollcn, die schwarzen und Gelben, die man dorthin bringt, seien „freie Arbeiter," da eS doch nichts, auch gar nichts weiter sind, als Scla- »tn f Pure Heuchelei! . 3n Italien ist eine bodenböse Geschichte voracsallen. In Bologna « Kirchenstaate diente ein katholisches Mädchen bei der jüdischen Familie .... Eltern sind eines TageS nicht daheim, während ihr Kind, s Un s"?c'-^ plötzlich schwer erkrankt. Die Magd, welche daS Kind f y itevt, befurchtet, eS werde sterben, und in dem Glauben, wenigstens seine Seele retten zu wollen, tauft sie eS. Allein daS Kind wird wieder gesund und weil eS getauft, folglich nun ein Christ sei, nehmen es die katholischen Priester den jüdischen Aeltern weg und wollen eS christlich erziehen lasten. Der Vater bietet Attes auf, sein Kind wieder zu erhal ten, allein cs wird ihm verweigert. Die Mutter wird darüber wahnsinnig. Die Juden aller Länder verwenden sich für die trostlosen Aeltern, alle Blätter in Europa mit wenigen Ausnahmen mißbilligen dieses Verfahren — bis jetzt hat aber Alles nichts geholfen, der Jude hat sein Kind noch nicht wieder. Ob er'S wieder bekommen wird? Man sagt, der Papst behaupte, die Kirchengesetze verböten, eS ihm wiederzugeben. Die Pariser Conferenz hat für die Moldau und Wallachei endlich eine Verfassung zusammengcstoppelt, die uns curios vorkommt. Der Sultan sott der Souverain dieser Länder sein und bleiben und dafür von ihnen jährlich 4 Millionen Piaster bekommen (ein Piaster ist 15 Pfennige). Jedes dieser Länder wählt sich einen Hospodar oder Regenten. Der Sultan soll die Pflicht haben, für seine 4 Mitt. daS Land zu vertheidigen, wenn cs angegriffen wird. Wird aber im Lande selbst Unruhe, so soll er die Ruhe nur im Einverständniß mit den Großmächten Herstellen dürfen. Die Militärmacht deS Landes bilden Milizen, deren General die Hospo dare ernennen. — Der Souverain soll also das Land im Kriege verthei- digen, aber dem Landcsmilitär hat nicht der Sultan zu befehlen, sondern zwei HoSpodare. Diese können einig sein, wenn sie wollen, können es aber auch bleiben lasten. Und wenn die Moldauer oder Wallachen sich balgen, soll der Souverän erst in Paris, London rc. anfragen, ob und wie er sie zur Ruhe bringen soll? Curiose Verfassung! Jndeß wir verstehen vielleicht die Weisheit dieser Einrichtung nicht. Zeitungen. Sachsen. Am 17. October fand in Adorf die kirchliche Weihe der rcstaurirlen GotlcSackerkirche zu St. Johannis statt. Die Feier begann mit einem Fcstzugc von der Stadtkirche nach der einzuweihenden, an deren Pforten nach Ankunft des Zugs der Bürgermeister Schmidt die Anwesen den in kurzer Rede ansprach. Bei dem darauf folgenden Festgottesdienste mit Musik hielt Superintendent vr Grimm aus Markneukirchen die Weih rede vor dem Altar und nach Beendigung des Weiheactes Pastor Lohse die von Begeisterung durchwehte Festpredigt. Annaberg, 21. Oct. Am heutigen Morgen wurde das neucnvor- bcne hiesige k. Schullehrerfeminargebäude, dessen Ausbau kürzlich vollendet worden ist, feierlich eingeweiht. Chemnitz, 21. Oct. Nach dem Vorgänge anderer Städte soll nun mehr auch hier die zum Verkauf kommende Milch einer polizeilichen Prüfung unterworfen werden. — Elnem längst gefühlten Bedürfnisse ist durch die Einführung von Leichenwagen abgeholfen worden. Preußen. Berlin, 22. Oct. Heute um 2 Uhr trat daS Herren haus zu eitler kurzen Sitzung zusammen, um über den Antrag des Grafen Arnim-Boytzenburg und Genoffen in Betreff deS Erlasses von Adressen an S. M. den König und den Prinz-Regenten Beschluß zu fassen. Scho» bei der Vorfrage entschied sich daS HauS mit 80 gegen 76 Stimmen da hin, von solchen Adressen überhaupt Abstand zu nehmen (Niederlage der