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47« Der Entbindung unserer Frau Erbprinzessin wird mit Bestimmtheit gegen Anfang November hin entgegen gesehen. Sollte ein Prinz geboren wer den, so dürfte eine Reihe von Festlichkeiten zur Feier dieses Ereignisses zu crwarvn» sei«. . * Preußen. Berlin, 16. Sestt. Der Düsseldorfer Ztg. wird ge schrieben: ,',Wie mir mit Bestirnmtheit erfahren, wird Se. Majestät der König in Begleitung Ihrer Majestät der Königin in nächster Zeit, wahr scheinlich in etwa 14 Tagen, nach dem Comer-See reisen und daselbst in de^ Villa Sommariva, die bekanntlich dem Erbprinzen von Sachsen-Mei- nimzen gehört, den Winter über verweilen. In der Zeit vor der Abreise dorthin «erden daher, aller Wahrscheinlichkeit nach, die weiteren Fest setzungen über die Führung der Regierung erfolgen. Bisher hat eine Entscheidung dieser Frage noch nicht Statt gefunden. Berlin, 19. Sept. DaS königl. Staatsministerium beschäftigte sich in seiner gestrigen Sitzung, wie man hört, mit der Regierungsfragc, welche nunmehr bis zur Entscheidung reif sein soll. Den Eintritt dieser letzter» erwartet man von der heutigen Anwesenheit Sr. k. H. des Prinzen von Preußen in Berlin. Es liegt hiernach auf der Hand, daß außer der Person deS Prinzen und der zunächst bctheiligten Staatsmänner über die wahre Gestaltung der Dinge Niemand unterrichtet^ ist, und eö behalten Dem gegenüber alle Mittheilungen über diese Angelegenheit den Werth der Vermuthungen. Die Bekanntmachung der Entscheidung dürfte nun mehr doch wohl vor dem 1. October zu erwarten sein. — In verhielt-, gen Eisenfabrikbn ist seit einiger Zeit ein Mangel an Aufträgen WhWkrfD geworden, welcher zahlreiche Arbeiter-Entlassungen hervorgerufen hat. So sind von der Borsig'schen Anstalt seit den letzten Wochen an jedem Sonn abend einige zwanzig Mann entlassen worden. Ein Umstand, der beson ders davon herrührte, daß die Ausführung von 80 Locomotivcn für russische Bahnstrecken, welche bereits angemeldet war, wegen Differenzen im Preise, englischen Fabriken übertragen worden ist. Baden. In Gruben bei Karlsruhe wurden am 17. September 6 Soldaten aus Mannheim militärisch beerdigt, welche in Folge der über großen Hitze auf dem Marsche nach Karlsruhe ihr Leben verloren halten. England. London, 14. September. Nachdem hier viel von den vLisseaux üoliers (Schiffe mit Widderköpfen, um beim Anrennen den Gegner in den Grund zu bohren) die Rede ist, die in Cherbourg gebaut werden sollen, tritt heute Viceadmiral Sartorius mit der Erklärung auf, daß er schon zu Anfang deS russischen Kriegs der englischen Admiralität den Barz solcher Kricgsfahrzeuge dringend empfohlen habe. Sie müßten aus den stärksten Eisenplattcn bombenfest gebaut, vorn und hinten gleich geformt, gleich stark mit dem vorragendcn Widdcrkopf versehen sein nnd eine doppelte Schraube führen, um nicht erst wenden zu müssen, weuns zum Angriff geht. Zum Ueberfluß könnten sic mit Geschützen vom schwer sten Caliber versehen werden. Solche Fahrzeuge, meint der genannte Admiral, würden im Stande sein, die gewaltigsten Linienschiffe einzurennen und ihnen gegenüber sei Cherbourg mit allen feinen Forts nicht zu fürchten. Es käme nur darauf an, sic nut Maschinen der besten Gattung auszu statten. — Daß der „Leviathan" einer neugcbildeten Actiengesellschafl verkauft worden ist, bestätigt sich nicht. Es liegt eben nur ein Plan vor, die bcstehende Gesellschaft durch Hinzuziehung neuer Actionäre und Kapi talien in den Stand zu setzen, das Schiff zu vollenden und in See zu bringen. Amerika. Neuyork, Ende August. Als ich diese große Stadt verließ, um ein stilles Seebad in Neuengland zu besuchen, war Alles in wilder Anfrcgung wegen deS atlantischen Telegraphen; ich komme zurück und finde, daß dieselbe sich immer noch nicht gelegt hat, und sehe mich mtttcn in den Vorbereitungen zu einem Feste, von dem man hier sagt, daß es an Großartigkeit Alics übertreffen solle, was man jc gesehen. Es nimmt sich cigenthümlich auS, wenn unsere Aankecs in Begeisterung gerathen, sie können dann von dem Gegenstand, auf welchen sic sich ein mal geworfen haben, gar nicht genug bekommen. Ich habe das Festpro gramm gelesen; dieses läßt auf einen Monsterumzug zu Ehren des Tele graphen schließen, und sicherlich werden am 1. Septbr. eine halbe Million Menschen auf den Beinen sein. Die Sache gewinnt erneu ächt amerika nischen Anstrich. Daß die gesammte Miliz ausrückt, versteht sich von selbst; eben so, daß die Kaufleute sich betheiligen; aber auch sammtliche Behör den verherrlichen den Zug, nicht minder die Turn- und Gesangvereine, die gelehrten und wohlthätigen Gesellschaften, kurz alle Vereine der Stadt. Auch soll ein Theil deS atlantischen Kabels auf einem mächtigen Wagen umhergefahren und nicht nur 'von Seeleuten, sondern auch von einer Reitercompagnie geleitet werden. Ich finde ferner im Programm die „Krakehlia" .verzeichnet, eine wohl zumeist aus Berlinischen Kindern be stehende dramatische Gesellschaft; ferner daS Gewerk der Briefumschläge- verfertige,, die chrbare Genossenschaft der Straßenfeger, den humoristischen Verein „Gambrinia", die Pianofortemacher, die Milchverkäufcr, die Brauer alle zu Pferde, die Spritzenleute, die Treppenbauer, eine BrodverfertigungS- maschme, Kohlenverkäufer, die Camphinedestillateure und die Crino- lineversertiger. Der Zug wird in hnnderte von Abteilungen zerfallen und die Zahl der Redner ist beträchtlich. Allerdings erscheint der Tele graph als eine nationale Sache, welche alle Classen im höchsten Grad lnteressirt und die auch fortwährend den Predigern Anlaß giebt, Iubel- und Dankgebete zu veranstalten. Man ist einigermaßen empfindlich, daß die Engländer die ganze Angelegenheit etwas kühler nehmen und nicht auf den Vorschlag eineö großen internationalen Festes eingegangen sind, wel ches gemeinschaftlich von den beiden Ländern an ein und demselben Tage zu feiern gewesen wäre. Man hatte sich schon ausgedacht, wie interessant das Hutabnehmen auf beiden Erdhälftcn ausgefallen wäre. Hier zu Lande sollte sie in folgender Weise stattfindcn. In ein und dem selben Augenblicke würbe Kanonendonner erdröhnen am Hudson, an des Mississippi rauschender Strömung, an den St. AntonS Wasserfällen in Minnesota bis zur Mündung deS großen Stromes, und dasselbe sollte auch in Teraö, in Kansas, kurz überall statlfinden, wohin die elektischen Drähte reichen. „Und wenn die Königin von England „Friede" telegraphirt, dann erheben sich alle männlichen Bewohner dießer unermeßlichen Strecke, Jeder greift an seinen Hut; und wenn Victoria commandirt „auf der Erde" wird der Hut abgehoben. Und fügt sie dann hinzu: „Wohl wollen gegen die Menschen", dann erfolgt eine allgemeine cis- und transatlantische Verneigung. Beim Punkt, dem Ende der Botschaft, bedeckt dann Jeder sein Haupt." ' / . Ostindien. Aus Kalkutta schreibt man der „Times" vom 7. August: Tie Rebellion scheint allmählich anSzusterben. Die Unthätigkeit der Re bellen ist vielleicht zum Theil der Regenwitterung zuzuschreiden, die ihre Bewegungen noch mehr als die unseren hemmt, aber die Hauptursache ist offenbar ihre Mutlosigkeit. Jeder Sipahi, der uns in die Hände fällt, wiederholt dieselbe Geschichte. Seine Kameraden kämpfen ohne Ziel, Plan oder Motiv weiter, außer der Hoffnung, sich daS Leben und ihre ungeheuere Beute zu retten. Letztere ist vielleicht ihre größte Fessel. Jeder Sipahi ist mit goldenen Mohnrs beladen. Sein Gürtel, sein Tornister, sein Haar sind mit diesen Münzen beschwert, — eine unwiderstehliche Lockung, nicht nur, weil sie so werlhvoll sind, sondern weil sie sich so leicht ver bergen lassen. Jedermanns Hand ist daher gegen diese lebendigen Schatz kammern. Die Bauern lauern auf Nachzügler, geduldig wie die Hunde. Die localen Truppen paffen gierig auf jede Gelegenheit zu einem Schar mützel, worin jeder Todte dem Sieger ein Vermögen hinterläßt. / Mannichfaltiges. Der Rtapperer von Thierbach. Loigtländische Lolkösage. Es war zur Zeit KurfürstS Johann Georgs l. von Sachsen, als zu Thierbach bei Mühltroff ein Schulze lebte, dessen Namen man nicht kennt, da er immer nur der Schulze oder der reiche Schulze genannt und darüber sein Geschlechtsname vergessen ward. Er hatte einen einzigen Sohn und Erben, den er in dankbarer Erinnerung an die Grafen und Herren Reuß zu Planen,' die ihm einst Gutes erwiesen,. Heinrich hatte taufen lassen, wie die Reuße heute noch alle heißen und sich nur durch ihren Namen beige setzte Zahlen unterscheiden. Heinrich ward der schönste Bursch im Orte und der ganzen Umgegend und da ec auch dereinst der reichste werden zu wollen schien, so waren die Augen aller wohlhabenden Mädchen der Dörfer der Umgegend auf ihn gerichtet. Aber Heinrich achtete darauf nicht. Sein Herz hatte schon gewählt, ein Mädchen, bildschön und tugendhaft, aber arm wie eine Kirchenmaus. Lore, des blutarmen Hirten Tochter, war Heinrichs Auserwählte. Mit Unwillen und dem Gefühle verletzten Stolzes hatte dec Schulze seines Sohnes Neigung entstehen und wachsen sehen. Sie paßte nicht zu seiner Rechnung. Seiner Meinung nach mußte sein Einzigir ein reiches Mädchen freien und noch mehr Reichlhum in das ohnehin schon reiche Hanö bringen. Er versuchte bei seinem Sohne erst Vorstellungen, dann Bitten, zuletzt Drohungen mit Enterbung und dergleichen. Alles schien vergebens; Heinrichs Herz war nicht abzuwenden von dem schönen und tugendsamen, aber armen Hirtenkinde. Auch Lore'S Vater mahnte ab von diesem Verhältnisse, verbot ihrem Geliebten sein Haus und erklärte dem stolzen Schulzen, der ihm Geld bot, um seine Tochter zur Vcrzichtleistung auf seines SohncS Hand zu vermö gen, daß er seiner SeitS niemals die Einwilligung geben werde, weil er