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für die Amtsblatt . Gcrichtsamter und Stadträthe zu Plauen, Pausa, Elsterberg, Schöneck und Muhltroff. Mummdsechszigster Jahrgang. Verantwortliche Redaction, Druck und Verlag von Morry Wieprecht in Plauen. Donnerstag A. September 18M .1- LOL Der erste Telegraph um die Erde und das neue Goldland. (Ls überkommt den Wochcublattschrclber ein fast niederdrückendes Ge fühl, wenn er von seiner deutschen Binnenstation auS die ungeheure Be wegung im Culturstreben und Kulturleben der Menschheit, die riesigen emander jagenden Fortschritte deS menschlichen Geistes, so weit ihm mög lich, betrachtet, und die Uusähigkcit, die üucrmcßlichcn Folgen, die daraus kommen müssen, deutlich zu erkennen, mit der Unmöglichkeit solcher Er- kenntniß vor sich und Andern entschuldigen muß. Am 3. März 1857 waren wir zuerst im Stande, unseren Lesern Nachricht von der beabsichtigten Verbindung der neuen Welt mit der alten durch einen elektrischen unterseeischen Telegraphcndraht zu geben. Das Unternehmen erschien ungeheuer, wo nicht unmöglich; im August vorigen Jahres wurde der erste Versuch gemacht. Er mtßlang. Im Juni dieses Jahres folgte ein zweiter, ebenfalls mißlungener; aber der Ingenieur Field ließ nicht ab, und seit dem 5. August d. I. liegt zwischen Europa und Amerika ein 500 deutsche Meilen langes, in Gutta-Percha eingehülltes Drahtseil. Die alte und neue Welt ist verbunden, die Kosten betragen die Kleinigkeit von 1^ Mill. Thaler. Daß es dabei nicht bleiben werde und könne, liegt auf der Hand. Der Telegraph, befördert täglich höchstens 3000 Worte und verursacht einen täglichen Aufwand von 700 Thalern, daher auch die Telegramme noch sündcntheuer sind. Es kostet eine Nachricht noch weit über 30 Thaler. DaS genügt dem großen Verkehre zwischen den beiden Welten nicht. Be reits sind auch neue atlantische Telegraphcncompagniecn in Bildung be- griffen, in einigen Jahren werden Dutzende von Drähten unter dem atlantischen Ocean die Bedürfnisse Europa's und Amcrika'S zu billigen Preisen vermitteln. Die Engländer werden auch Drahte vom rothcn Meere bis Ostindien legen (zwischen Asrika und Europa liegen sie schon), Ruß land legt sie durch Sibirien, über die Bchringsstraße bis nach Amerika hinein, von Amerika werden sie wieder weiter geführt — in längstens drei Jahren ist die ganze Erde mit Telegraphendrähte-n uysspannt. Dieß sind keine lustigen Plane, sondern nahe Thatsachen. Dieses ungeheure Ergebniß gehört einer deutsch en Erfindung. Deut scher Geist hat den electro-magnetischen Telegraphen erfunden. S ö m m e rlng in München legte 1809 den ersten telegr. Apparat vor, Baron Schilling 1833 den zweiten, Steinheil in München verband Anfang Juli 1837 die Münchener Sternwarte mit seiner Wohnung in der Lerchenilraße durch einen electro-magnetischen Telegraphen. Der Amerikaner Morse, dem man jetzt in Frankreich 400,000 Fr. Belohnung zahlt, machte erst im September 1837 seine ersten, mißlungenen Versuche. Und wenn nun die ganze Erde mit Tclegraphendrähten umspannt ist, wenn in einer Stunde nach jeder Telcgraphenstation der Erde, nach Australien, Ostindien, Ealisornien und Grönland und von jedem dieier Punkte für weniges Geld Nachrichten befördert werden können, wenn Eng land in MmMcn seine Flotten auS China rufen, auf die Eilande der Südsee seine Beschle schneller, als daS Sonnenlicht fliegt, senden, jeder Geschäftsmann dem entferntesten überseeischen Geschäftsfreunde seine Wunsche augcnblickiich kund geben kann, wahrend bis jetzt 3 6 Monate Zeit hierzu erforderlich waren — wie dann? Gleichzeitig sind am Frascrstrom, an der Nordwestgrenze deS briti schen Amerika und der Vereinigten Staaten, neue Goldlager aufgefuuden worden (49. Grad nördlicher Breite) und bereits strömen Tausends und Zehntausende dahin. In wenigen Jahren werden jene endlosen Hügel striche, fast so groß wie Europa, zcithcr Jagdgebiet der kanadischen Pelz- jägcr und Händler, Hundcrttausende, Millionen von Menschen haben und angebaut werden. Welchen Ungeheuern Umschwung wird diese neue Ent deckung in Verbindung mit dem Telegraphen-Netze in den Weltverkehr bringen'. Haben ja doch schon die vor zehn Jahren erfolgten Entdeckungen der kalifornischen und australischen Goldlagcr auf das entfernteste und ab gelegenste Dors Deutschlands ihren Einfluß geübt! Haben sie ja doch den Geldwcrth außerordentlich herabgedrückt,, den Werth des Grundbesitzes reißend erhöht und fast alle Staaten gezwungen, die Gehalte ihrer Beam ten zu erhöhen, ungerechnet den schwindelhaften Aufschwung des Hpndels und der Gewerbthätigkeit, die zum Theil bis zum Schwindel sich verflieg und mit der gegenwärtigen Krise endigte! Die Aufregung, welche durch die neu entdeckten Goldlager am Fraser flusse (Britisch-Columbia werden jene Gegenden genannt) in Ealisornien, Oregougebiet, in den westlich gelegenen Staaten Nordamerika'- diesseits der Felseugebirge, namentlich in Minnesota hervorgerufen morde;, ist, geht in'S Außerordentliche; die Goldgräber in Ealisornien sind nicht.mehr zu frieden mit ihrer immerhin glänzenden Ausbeute, denn am Fraser ist noch mehr zu gewinnen, daher sind aus der Stadt Francisco nach den Registern des dortigen Zollhauses in 11 Wochen allein 10,689 Menschen nach dem neuen Goldlande ausgewandcrt, aus dem Staate Californien in 6 Wochen mehr alö 25,000. Von 30 Polizeidiencrn in Francisco waren 7, von 1050 Spritzenleuten über 200 fortgegangcn. Ein Schiffsknecht bekam monatlich 75 Dollars (zu 1 Thlr. 13 Ngr.), ein Feuermann aus dem Dampfschisse monatlich 150 Dollars Lohn. Die Arbeitslöhne stiegen, die Preise von Grund und Boden sanken. Alles, alles rannte wie besessen nach dem Fraser! Ein Platz zum Goldgruben, der kürzlich noch 2600 Dollars kostete, war für 600 Dollars zu haben. Und allerdings scheint eS fest zu stehen, daß die Goldlager am Fraser viel reichere Ausbeute geben, als die kalifornischen. Bis zum Augustmonat können die Goldgräber im Fraser nicht gut handthiercn, weil sie wegen deS Hochschnellwafserö keine Dämme auswersen könne», daher auch von den vor dieser Zeit dahin ge strömten Goldgräbern für jetzt meist klägliche Berichte eingehcn. (Sie haben eine Art hölzerne, durchlöcherte Wtegen, in die sie den Sand deS Flusses und von den Ufern werfen, mit Wasser durchwaschen und dre Goldkörner hcraussuchen.) Aber trotzdem gewannen Einzelne täglich 16 Dollars, manche 31. Sie rechiren darauf, vom August ab täglich 150 Dollars zu gewinnen. DaS lockt! Zwei Mann hatten in 16 Tagen für 3409 Dollars Gold herausgewaschcn, zwei andere in derselben Zeit für 1900 Dollars, manche freilich täglich auch nur für 3—5 Dollvrs. In Ealisornien hat mau jetzt auch reiche Stlberlager entdeckt. Freilich sind auch am Fraser die Preise der Lebensbedürfnisse fabel hast thcuer. Ein Zollcentner Mehl kostet 30 Dollars (44>Thlr.), eine gewöhnliche Schaufel (Spaten) 2 Dollars (2 Thlr. 26 9Lgr.), ein Pfand Zucker 1^ Dollar. Der Quadratfuß Fichtenbalkcn lostet 1'/, Dollar wöchentlich dreimal, und zwar Dienstag, Donnerstag- und Sonnabends. Jährlicher A b on ne me nt-p r e iS. auch bet Bettung durch tue Po», 1 Thlr. >0 Ngr. — Annoncen, die bis Mittag- 12 Uhr eingebcn, werden in die Lag- darauf erscheinende Nummer ausgenommen, später eingehende Annoncen ünden >.n der nächstfolgenden Nummer Aufnahme. — Inserate werden mit 1 Ngr. für die gespaltene EorpuS-Zeilt berechnet.