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14» Zeit durch die ihm von dem Grafen Walewöki zugesandten Instructionen durchkreuzt worden seien. Dänemark. Kopenhagen, 21. Mürz. Tie Antwort der dänischen Regierung an den Bundestag ist vorgestern im geheimen Staatöralhe an genommen und gestern an den diesseitigen Bevollmächtigten, Kammerherrn v. Bulow, nach Frankfurt a. M. abgcsandt worden. Rußland. St. Petersburg, 13. März. Eine neue Anleihe von 60 Mill. R. S. wird jetzt beabsichtigt; diese Summe soll zur Ablösung der Leibeigenen der kleinen Gutsbesitzer verwendet werden. Man schätzt die Zahl der Gutsbesitzer auf 54,000, die der Leibeigenen auf 60,000, und denkt etwa 100 R. per Kopf als Ablösungssumme zu zahlen. MannichfaltigeS. Die Unterscheidungs-Zeichen der Sprachen. Kein Scherz ohne Ernst. Die Natur ist daö unvcrderbUche AU, und sie wäre auch die beste Erzieherin der Menschen, wenn man sie nur immer aufmerksam beobachten, ihren Andeutungen sorgsam und treu gehorsam sein möchte. Man ver gaß aber, daß die Natur stets, der Wahn nie genug hat, man wurde ihrer Einfachheit überdrüssig, und doch ist der Ueberdruß eben dadurch weit und breit Herr geworden, weil man Alles »erkünstelte, was sich Alles bewei sen läßt. Beweise wollen ihren Leitfaden haben, und wir knüpfen ihn einmal an die Scheidungs- und Unterscheidungszeichen der Schriftsprachen. „Natur geht vor Lehre!" daS war bei unsern Vorlebenden eine be währte und bewahrte Einsicht der Erfahrung. Sie setzten auch wohl hinzu: „Fragen macht klug!" und wirklich übernimmt die Natur ihre erste Leitung zur Erziehung durch das Fragezeichen (?). „Vater, was ist, woher, wozu ist das?" — „Mutter, wie heißt das, wozu brauchst Du's?" — in solchen und ähnlichen Fragen erweckt die Natur des KindeS Geist und fordert zu dessen Pflege die Eltern auf. Antwortet nur gut, dann bemächtigt sich das Kind allmälig dessen, was ihm zu wissen nöthig ist und womit cS dann das eigene Nachdenken er weitert, die eigene Beobachtungsgabe verstärkt. Was man auS sich selber erkennt und begreift, ist fruchtbarer als Massen des Eingetrichterten, die das Gehirn aufblähen, damit der Dünkel Raum hat und ihn so völlig erfüllt, daß geistige Erhebung und gottselige Läuterung draußen bleiben müssen. Nicht wieviel man weiß, sondern wie man eS weiß, darauf kommt es an, und durch Fragen und Antworten bei Augenscheinlichem werden die Dinge leicht klar zu fortstrebcnder Thätigkcit, während ein nur auf- gespeichertes Wissen die geschmeidige Spannkraft des Denkvermögens ab stumpft. Bei den Fragen des KindeS müssen freilich die Eltern fähig sein, ihm richtig zu antworten, obwohl eS keineswegs schadet, wenn der Vater zuweilen der Wahrheit gemäß zu sagen hat: „Das weiß ich nicht, wir wollen uns aber darüber unterrichten." Bei dem jetzigen Reichthum deS Gesammelten in der Bücherwelt ist ein solcher Selbstunterricht, hat man sich durch Anschaffung der HülfSmiitel vorbereitet, bequem zu erlangen, und wenn das Kind durch die Aufrichtigkeit des Vaters sich gewöhnt, im geeigneten Falle lebenslang auch zu entgegnen: „DaS weiß ich nicht, wollen unS aber darüber unterrichten!" so ist das ein unschätzbarer Vor theil. Zm LcbenSverkehr wird viel Albernes, Irriges und Verderbliches äuögebrcitet, weil gar Viele in falscher Scham nicht sagen wollen: „Das weiß ich nicht!" Wer aber vor diesen vier Wörtchen niemals Scheu hat, der weiß wohl mehr und weiß cS sicherer als Jene, die nach dem Ruf trach ten, Alles zu wissen. Wenn man jedoch mit Beharrlichkeit der Kinder Wlßbegierde, die Uebung ihrer Fähigkeiten unterstützt, wenn man sie lehrt, Gott schon zu danken für die Mittel zur Thätigkeit, damit nicht wartet bis auf einstige Ergebnisse, dann erziehen sich rechte Menschen, rechte Völker, rechtes Bürgerthum und rechter Glaube. Gewiß soll man also deS Kindes Fragezeichen nicht stören, denn mit ihnen kann cs in ei nem Jahre, von der Natur begleitet und im Anschluß an sie, mehr Le bendiges für Geist und Gemüth erwerben, als die Schule, wie nothwen dig sie ist, in dreifacher Zeit minder fc-rtwirksam zu geben vermag. Leider wird jedoch nicht wenigen Vätern und Müttern das Fragen der Kinder bald lästig, und diese sind dann, ist gute Stellvertretung der Eltern nicht möglich, fast ausschließlich an die Schule gewiesen, die zwar auch mit Fragen und Antworten alle Wissenschaft lehrt, doch fragt und antwortet der Leh rer. Er fragt wohl über Gegenstände, zu denen des Kindes Thcilnahme zur Umfassung nicht hinreicht, und antwortet oft so, daß eS dem Kinde unverständlich bleibt. Da wird Offenbarung In Fülle eingclernt, Die sich von Erfahrung, Wie von Natur entfernt — und die Wißbegierde ist gelähmt durch Uebersättigung, nicht gesund erzo gen; nur Oberflächliches und Einseitiges hat sich im Hirn festgerannt, wobei Herz und Gemüth verödeten, denn so Altväterisches zu beachten, dazu fehlt unserer Zeit sie selber. So wachsen Knaben und Mädchen körperlich heran, die natürlichrn Fragezeichen sind zurückgcdrängt, und Jene wissen nun auch wohl Mancherlei, jedoch wenig im rechten Zusammenhang bis zur Deutlichkeit. Grund- und Lehrsätzliches haftete in ihnen nur bruchstücklich, und daö Komma (,), daS unentschiedene Haltezeichen, greift ein. Aeußern sich nun ver schiedenartig Verkehrtheiten, und der Knabe oder daS Mädchen sagt: „Ich habe gedacht" — dann unterbricht daheim die Antwort: „Du sollst nicht denken, sondern nach Vorschrift thun!" ohne beigefügte Entwickelung; in der Schule dagegen sagt bei Aehnlichcm der Lehrer: „Erft denken, dann sprechen und thun!" — hat aber keinen Augenblick übrig, daS Wa rum im Einzelnen hinlänglich darzulcgen. Als natürlichstes Ergcbniß entsteht ein Zwiespalt über Denken und Nichldenkcn; ist indeß das Fragen dort lästig und hier in der Regel unzulässig, so sind das sehr bedenkliche Komma's, eö sind Haltezcichen, bei denen die leichtfertige Jugend willkürlich schließen oder unschlüssig niemals schließen mag. Nun folgt die Zwischenzeit vor der Stufe des Jünglings und der Jungfrau, im Derbdeutschen Flcgeljahre genannt, wohin nach dem Voran gegangenen Knabe und Mädchen nur geistige Halbheiten mitbringen, bei oenen also daS Semikolon (;), daö Zeichen des HalbsatzcS, zur Herr schaft kommt. Hat nicht ein Jahr das andere gehörig belehrt, läßt sich in keiner Thätigkeit aus der Tiefe deS Begriffs schöpfen, ist Stümperei in Allem unvermeidlich. Durch Unzufriedenheit mit sich selbst widert nun jedes Geschäft an, ausgenommen die Windmacherei des Müßiggangs. So werden allerlei nur halb oder gar nicht verständliche Abfälligkeiten bemerklich, die bei der Untersuchung mit dem Vorder- und muthmaßlichen Nachsatz nicht in gediegenem Verhältniß stehen: keck angefangene Thor- heiten, die nicht in wohlthuendes Ende zu bringen, nur kurzweg in Ab gerissenheit zu behandeln und mit dem Schlußzeichen des Semikolon in der Halbheit zu lassen sind. Man hat eS mit leidenschaftlichen Aufwallungen und Wünschen zu thun, bei denen die elterliche oder vor mundschaftliche Macht sich mit einem Strich durch die Rechnung hilft und ohne Weiteres einen willkürlichen Schlußpunkt beifügt. Daö Gähren und Brausen klärt sich noch nicht, wenn Jünglinge und Jungfrauen herangereift sind; das Außersichsein ist vielmehr im Steigen und jetzt kommen die Ausrufzeichen (!) in überwiegenden Gebrauch — je reichlicher vermehrt, je geringer an Wahrheit und Werth. „Meine holde, himmlische Geliebte!" ruft Er: „Mein süßer herzinnigst Geliebter!" ruft Sie; „o welche Wonne, welche Seligkeit!" rufen Beide. DaS dauert heut zu Tage bei der heißen Liebe bis zur kalten nicht gar lange; dann ruft Sie: „O der Abscheuliche!" und Er: „O, die Unwürdige!" und daS dauert bei der ersten Liebe genau bis zur zweiten, auch nicht gar lange. Vereinen sich aber Flackergluthen einmal rasch zur Ehe, dann drängen sich bald andere Ausrufungen ein. „O wie fesselnd und langweilig!" hört man von Ihm; „o hält" ich das ahnen können; o wie traurig ist mein Loos!" vernimmt man von Ihr. „Drum prüfe, wer sich ewig bindet, ob sich das Herz zum Herzen findet, der Wahn ist kurz, die Reu' ist lang!" Dieser unschätzbare Rath Schiller's blieb unbeachtet. ES wurde nicht geprüft, pflichtmäßige Fügsamkeit und das unausbleibliche Mühselige dienten nicht zur Stärkung des Gemüthslebens, sondern zur Last der Ansprüche; dem kurzen Wahn folgt meist keine lange Reue, man braucht aber Divise, Trennungszeichen (-), und weiß sie zu finden, das heißt: man denkt an — Scheidung. Dabei hat sich schon in etwas der Gedankenstrich (—) eingemischt, indem der Eine wie der Andere überlegend zu sich spricht: „Noch sind wir jung! — man könnte ja besser wählen! — Trennung ist vielleicht Beider Glück;" und sie erfolgt. Der Gedankenstrich zieht nun mächtiger ein, denn die Versuche und Anfälle der Erfahrung: das Leben erfordere mehr als im Mangel innerer Begründung zu schaffen ist, werden ausdringlich! doch über ver säumte und unterdrückte Fragen sind jetzt eher Rathsel als Lösungen zu finden. „Eine reiche Frau — ja, die könnte aus der Schwulität helfen" — meint der Herr! — „freilich, sie ist verblüht, doch von Blüthen läßt sich nicht leben — ihr Ruf hat etwas üblen Geruch — ei, der verfliegt! — Gold ist Frucht alles Strebens, Mantel alles UebclS, und Weihrauch dampft ihm überall — ich werde mich entschließen!" — „Der Mann ist nicht liebenswürdig — nein — doch reich, sehr reich -- ich bin jedenfalls glänzend versorgt" — meint Madam. Die beiden neuen Paare versichern sich Liebe, indeß bergen sich Wenn'ö und Aber's bei Denen, die nach Geld trachten, in Paranthesen in geheimen EinschaltungS- und Klam mersätzen, wovon die hauptsächlichsten sind: „Ich liebe Drch" fwenn ich nämlich mit Deinem Vermögen wirthschaften kann, wie'S meinen Neigungen beliebt^. — „Auf meine Treue kannst Du bauen" seS darf mir aber