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VoiglliinWtr Anzcigtr. Siebemlndsechszigfler 3ahrgaug. Verantwortliche Redaction, Druck und Verlag von Moritz Wieprecht in Plauen. Dieses Vlitt erscheint wichentlich dreimal, und zwar Dienstag-, Donnerstags und Sonnabend-. Jährlicher AbonnementSpreis, auch bei Beziebunz durch die Post, 1 Lhlr. 1» Ngr. — Annoncen, die bi- Mittag- 12 Ubr eingehen, »erden in die Tag- darauf erscheinende Nummer ausgenommen, später eingehende Annonce» finden in der nächstfolgenden Nummer Aufnahme. — Inserate werden mit 1 Ngr. für die gespaltene (LorpuS-Zeile berechnet. Dienstag. KA4. September I8S6. Rundschau. Der dicßjährige Herbst ist nicht schön eingetretcn. Empfindliche Kühle, häufige Regenschauer, nur seltene Sonnenblicke — daS ist bis jetzt der heurige Herbstcharakter gewesen, unter welchem die Grummeternte empfind lich litt. Dcssenohngeachtet herrscht auf veu Fluren regeS Leben, um die Herbstsaat zu bestellen und die Kartoffeln einzubringen. Gab eS schon im vorigen Herbste freundliche Gesichter in Bezug auf die Kartoffeln, so trifft man sie dieses Jahr noch freundlicher. Die Fäule ist fast so gut, als verschwunden; die Knollen sind reichlich vorhanden, mehlreich und von vor trefflichem Geschmacke, so das; die Ernte derselben an die gesegneten zwan ziger Zahre erinnert. Kein Wunder daher, daß der Dresdner Scheffel dieser Gebirgssrucht in Schlesien mit 20 Silbergroschen und im nahen Böhmen der Strich (ein knapper Dresdner Scheffel) mit einem Gulden Münze (20 Ngr.) zu haben ist. Nun, vielleicht folgen auf die sieben dünnen und mageren Aehren sieben dicke und volle -lehren, damit die ver zehrende Bevölkerung auch wieder einmal zu Athen; komme! Die sieben fetten Kühe freilich, d. h. billigere Fleischpreise, werden aber wohl erst wieder nach den dicken und vollen Aehren kommen. Zn der Politik ist auch wieder etwas Leben geworden. Der Krakehl der Westmächte mit Neapel ist vom diplomatischen Felde, vom Schreibtische wcggekommen und hat sich in werkthätige Drohungen verwandelt. Eine englisch-französische Flotte ist unterwegs, um — ja, wer da wüßte, was sic in Neapel soll! Der Wochenblattschreiber oesteht ehrlich, daß er nicht weiß, was die Westmächte eigentlich vom Könige von Neapel wollen. Tenn wenn die Engländer und Franzosen sagen, cs geschehe deshalb, um den König Ferdinand zu freisinnigerer Regierung zu zwingen, so muß fides Kind über solchen Vorwand geradeaus lachen. Louis Napoleon und frei sinnige Regierung! England, das stets und immerdar nur seinen Nntzen, nichts als seinen Nutzen im Auge hat, der Beschützer unterdrückter Völker! Wer das glauben kann, der ist mehr als glaubcnswüthig! Witt der Westen Italien nicht zur Ruhe kommen lassen, um Oesterreich im Athen zu er halten? Witt man die Revolution in Italien schüren, um Stellten für England, Neapel für einen Murat zu erschnappen, oder doch Schutzhcrr- schaft, HandelSvorthcile rc. dort zu gewinnen, Land und Volk auSzubeu- ten, wie Portugal? Wie gesagt, wir wissen es nicht; cs wird sich aber noch auswciscn, was die zärtliche Theilnahme dcS Westens für die Nea politaner so sehr rege gemacht hat. lieber Frankreich gehen finstere Gerüchte in den Zeitungen. Louis Napoleon sott krank sein und deswegen nicht vom Bade Biaritz Weggehen, der Prinz Napoleon, der eine Reise nach dem Nordpol hin machen — mußte, deshalb dieselbe abgekürzt haben und zurückbcrufen sein. Eine neue Verschwörung gegen daö Leben deö Kaisers ist entdeckt, die Geldnoth im Lande und Staatsschätze so groß, daß manche Leute sogar schon prophezeit haben, an den Finanzen werde noch das ganze Kaiserthum Louis Napo leons zerschellen. Nun, es muß ruhig abgcwartct werden, wie weit diese Gerüchte Wahrheit enthalten; daß aber die Sittlichkeit weit nieder ist in Frankreich, lehrt uns dcr ricsenmaßige Diebstahl an der Nordbahn, von reichen Leuten begangen; lehrt unS die „Marianne," eilte über 65 Kreise verbreitete, eigens zum Umsturz dcS Thrones und der gesummten gesell schaftlichen Ordnung organisirte Gesellschaft; lehrt uns die eiserne Polizei- und Militärzucht, welche das Ganze dort Zusammenhalten muß. Zn Nordamerika ist voller Bürgerkrieg. Ob in dem neuen, westlich vom Missisippi gelegenen Landstriche KansaS die Selavcrei cingeführt werden soll, wie die südlichen, sclavcnhaltendcn Staaten wollen, oder nicht, wie die nördlichen begehren, darüber ist'S zu förmlichen Kämpfen gekom men, und man kann noch nicht abschen, wer als Sieger hervorgehen werde. DaS dortige Staatsoberhaupt, Präsident Pierce, unterstützte anfänglich die Sklavenhalter, um die Stimmen der südlichen Staaten für sich zur näch sten Präsidentenwahl zu gewinnen. Da er aber jetzt sieht, daß er nicht wiedergewählt werden wird, steht noch in Frage, ob er nicht andere Saiten aufzicht. Trübe Zustande, die der Entwickelung der großen Union nur schaden können! Zn Rußland ist die Krönung des Kaisers Alexander H. mit me da- gewcsener Pracht in Moskau vollzogen worden. Wenn der Kaiser bei dieser Gelegenheit Steuerrückstande erlassen und Verurtheilte begnadigt hat, so sind dieß bloö die Russen angehende Ent- und Beschlüsse; wichtig aber für ganz Europa ist, daß vier Zahre keine Rekrutirung ftattfin- den soll, daß also Rußland Frieden halten, sich innerlich entwickeln, in der nächsten Zeit auf seine Eroberungspolitik verzichten, die angemaßte Schicdsrichtcrrolle in Europa wenigstens vorläufig nicht mehr fortführen, in die allgemeine europäische Politik sich nur im äußersten Nothfatte ein- misch-n und so durch Werke des Friedens allmählig die ungeheure Lücke in den Reihen seiner Bevölkerung, die der Krieg nach einer russischen An gabe in der Höhe von 950,000 Mann verursacht hat, auSfüllen will. Zwar schreit über solche Entschlüsse dcr russischen Regierung das preußische Zuukerblatt, die Kreuzzeitung, Ach und Weh; für Rußland und Europa wird cs indeß wohllhätigcr sein, wenn Kaiser Alexander H. daS bessere Theil erwählt und Heere von Arbeitern ins Feld führt, um Denkmäler des Gewcrbfleißes zu gründen, statt in Eroberungskriegen die Kraft feiner Völker zuzusetzen und wohl gar die Zdeen der preußischen Junker verwirk lichen zu helfen, die noch russischer sind oder doch sich gebehrden, als die russische Regierung selbst ist. Zn Berlin war am 20. Septbr. Hochzeit, und die Zeitungen wollen wissen, daß dcr neue preußische Einfluß sich schon in Baden auf die Re gierung geltend mache, daß Baden nunmehr in dem Streite mit dem Papste nachgebcn werde rc. Zn Hannover ist, da mit den Landständen nicht einig zu werden war, aufs Neue octroyirt, d. h. von der Regierung einseitig Befehl erlassen worden, wie es künftig nach den Bundesgesetzen in Hannover mit Verfassung, Volksvertretung rc. gehalten werden soll. In Oesterreich hat der Kaiser einige Alpenlanver bereist, überall viel Liebe zum Kaiserhaus und Ordnung in dcr Verwaltung gefunden. Zn der Schweiz geht ocr Prozeß gegen die Männer des Neuenburger Putsches seinen Gang. Zn Wien haben die Naturforscher, 1900 an der Zahl, in Prag d;e Landwirthe, etwa halb so stark an Zahl, anderwärts andere Vereine getagt. In Sachsen soll sich die Leipziger Messe recht gut an- lassen. Ei, so wollten wir doch, daß kein einziges Stück Waare unver kauft blieb! Zeitungen. Sachsen Plauen, 27. Septbr. Wir hören, daß Seilen unserer Staatsrcgierung an die betreffenden Gemeinden Verordnung ergangen ist, der Vermessung der Eisenbahnlinie Greiz-Neumarkt, zum Anschluß an die sachmch-baieische Bahn, welche demnächst bewerkstelligt werden wird, keinerlei Schwierigkeiten in den Weg zu legen. Plauen, 27. Dept. Außer den nun amtlichen Ernennungen deS — ber-Appellationsrathcs Schwarze zum Obcr-Staatsanwalte im König-