Volltext Seite (XML)
30 nie die bestehenden Gesangbücher ersetzen, wohl aber ein recht gutes, zweck mäßiges Gesangbuch Herstellen gewollt. DaS wolle eS heute noch. Zur Zeit gebe cS in Sachsen noch 36—40 Gesangbücher. Bei allgemeiner Ein führung eines Gesangbuches werde daS LandeSconsistorium unter allen Umständen gehört werden. Die Diaconisfinnenanftalt sei ein Privatwohl- thätigkeitSverein, keine Gemeinde, die sich den Seelsorger selbst wähl, der Stadtrath zu Dresden sei also nicht Collator. Auch ihm (dem Hrn. Cult- ministcr) sei bei der Einweihung, der er beigcwohnt, der Gebrauch deS neuen GesatigbuchcS ausgefallen, und auS angestellten Erörterungen habe sich ergeben, daß ein Gönner der Anstalt dieser daS sogen. Rollersche Ge sangbuch drucken lassen und sammt den Stercotvpenplatten geschenkt habe. DaS Cultministerium habe dem Directorio der Anstalt auf dessen dringen des Bitten, nach eingeholtem Gutachten des LandeSconsistorii den ferner» Gebrauch dieses Gesangbuches mit Wegfall der Lieder 355 und 356 bis auf Weiteres gestattet, die begangene Eigenmächtigkeit aber gerügt. Rittner meine übrigens ein anderes Gesangbuch mit 900 Liedern, von dem daS Ministerium nichts wisse. Die Diaconissinnenanstalt habe nach angestellten Erörterungen eine neue, vermehrte Auflage ihres Gesangbuchesdrucken lassen, (!) allein dassslbe sollte nach deren Versicherung nur zum Privatge brauch in der Anstalt dienen. („Aha!" von den Tribünen.) DaS Mi nisterium behalte sich die Entschließung vor. Rittner ist durch diese Erklärung nicht befriedigt, obwohl er sich freut über den Anstoß, den das Min. an diesem Gesangbuche genommen, appellirt an den gesunden Sinn der Minister in LvanKelicis, der ge summten Volksvertreter, und wünscht, sie möchten das fragliche Gesangbuch nur lesen. Er spricht sein tiefes Bedauern aus, daß in Dresden ein solches Gesangbuch im Gebrauche sei, und will alle gesetzlichen Mittel anwenden, um ähnlichen Mißbräuchen, wofür er es hält, vorzubcugcn. Auf seine schlüßliche Anfrage wegen der zugcsagtcn Kirchenverfaffung hält der Herr Minister den Zeitpunkt nicht für geeignet, Auskunft zu geben. R. behält sich daS Weitere vor. Sodann wurden 10,000 Thlr. nachträglich für das Museum in Dresden einstimmig bewilligt. Endlich genehmigte die Kammer noch den gegen früher um etwa 10,000 Thlr. niedrigeren PensionS-Etat. Lichtenstein, 16. Zan. Zn den gestrigen Nachmittagsstunden ist in Callnberg ein schauderhafter Doppclmord an den Fleischhauer Günthcr'- schcn Eheleuten verübt worden. Günther selbst ist im Schafstall ermordet gefunden worden, theilweise mit Dünger bedeckt, während die Ehefrau im Bette krank lag, welcher der Schädel eingeschlagen und der Hals theil- weise mit Beilhieben bedeckt ist. Als Thater vermuthet man einen kürz lich auS der Strafanstalt Zwickau entsprungenen Verbrecher. Apolda, 12. Jan. Neben der Handelscalamität, die unsre Industrie hart betroffen, verschafft sich nun auch das strenge Recht seine Geltung. Neber sechs von den ersten Firmen ist der ConcurS der Gläubiger in den letzten Tagen durch Richterspruch erkannt worden, nachdem alle Versuche sich als vergeblich erwiesen hatten, durch außerordentliche Arrangements gerichtliches Einschreiten unnöthig zu machen. Leider ist zu befürchten, daß noch bei andern Firmen, wenn schon von geringerer Bedeutung, gleiche richterliche Maßnahmen ergriffen werten müssen. Preußen. Berlin, 15. Zan. Heute ist hier ein Raub- und Mord- anfall auf offener Straße AbendS zwischen 6 und 7 Uhr verübt worden. Ein Comploirbote ging um die angegebene Stunde, einen leinenen Sack mit Geld tragend, nach dem einen Bericht mit 500 Thlr., nach anderer Quelle mit 1400 Thlr., über den Gendarmenmarkt, als er plötzlich in der Nähe der französischen Kirche einen so heftigen Schlag in den Rücken erhielt, daß er vornüber auf die Erde stürzte. Als er sich aufraffen wollte, erhielt er mit einem halb stumpfen Instrumente, wahrscheinlich einer Schlag waffe, einen Hieb über den Kopf, durch den er lebensgefährlich verwundet wurde, so daß er betäubt wieder zu Boden stürzte. Erst, nachdem mehrere Menschen sich bereits um den auf dem Pflaster Gefundenen gesammelt hatten, kam er wieder zu sich und bemerkte, daß ihm der Sack mit Geld geraubt worden war. Eine Spur deS Thätcrs war, so viel bekannt, nicht auszufinden. Eine amtliche Bekanntmachung der Eriminalpolizci setzt bereits eine Belohnung von 100 Thlr. auf dessen Entdeckung. Frankreich, Paris, 15. Jan. Zn Bezug auf den verabscheuungS- würdigcn Mordversuch auf den Kaiser Napoleon sind die neuesten Zeitungen reich an Einzelheiten, auS denen wir unsern telegraphischen Meldungen noch Folgendes Nachträgen: Nach der Korrespondenz von „Havas" fiel der erste Schuß in dem Augenblicke, wo der Wagen Ihrer Majestäten in der Straße Lepclletier unter daS Vordach einfuhr, welches zu der im vo rigen Sommer erbauten neuen Stiege führt; eines der Pferde wurde gctödtct und der Vordertheil deS Wagens zertrümmert. Fast alle Scheiben der fünf großen Glasthürcn des Opernhauses sind zerbrochen und im Peristyl selbst fand man zahlreiche Geschosse. DaS Bleivordach in der Htraße Ltpellctier ist von 27 Kugeln durchbohrt. Zn den der Oper in genannter Straße gegenüberliegenden Häusern sind fast alle Scheiben zer brochen. Bei der dritten Explosion befanden sich — wie ein Korrespondent der „K. Z." schreibt — der Kaiser und die Kaiserin bereits auf der Straße, welchem Umstande man ihre Rettung zuschreibt, da bei der dritten Explosion der Wagen zertrümmert wurde und zwar durch ein Wurfgeschoß, daS unter den Wagen gefallen war. Die Explosionen erregten im Innern deS Theaters einen Ungeheuern Schrecken. Alle Welt glaubte, eS habe eine Gasexplosion stattgefunden, und daS Gedränge nach den Thürm begann stark zu werden, als glücklicherweise der Kaiser in der Loge erschien und nach allen Seiten hin grüßte. Dies stellte die Ruhe sofort her, wo durch wahrscheinlich großem Unglück vorgcbeugt wurde. Die Wurfgeschosse, deren sich die Missethäter bedienten, hatten eine konische Form, von der Größe einer starken Faust. Sie scheinen mit Kugeln oder gehacktem Blei angefüllt gewesen zu sein. Zm Znnern derselben befindet sich ein Zünd hütchen und die Entzündung findet beim Niederfallen statt. Die Pariser Garden, welche den Dienst an der Oper versahen, haben elf Mann, die Garde-Lanciers neun Mann Verwundete. Paris, 16. Zanuar. Der „Moniteur" meldet Folgendes: DaS Attentat scheint daS Resultat eines im Auslande angesponnenen, weitver zweigten ComplotS zu sein. Die Regierung hatte bereits seit Juni v. I. Kenntniß, daß in Zersey explodirende Wurfgeschosse angefertigt wurden, bestimmt, in den Wagen deS Kaisers geschleudert zu werden. Berichte meldeten daS bevorstehende Eintreffen Pierri'S; derselbe hat sich über Paris nach Brüssel begeben, wo eine Zusammenkunft mit mehrern Flüchtlingen stattfand. Pierri führte eine Metallladung mit sich; derselbe wurde vor dem Attentate, aber unglücklicher Weise zu spät verhaftet, um die Aus führung seines verbrecherischen Planes durch seine Mitschuldigen zu ver hindern. — Die Zahl der Verwundeten beläuft sich auf 102, darunter 50 Civilpersonen. Die Polizcipräfectur zählt 29 verwundete Agenten. Zwanzig Pferde der LancierS der EScorte wurden verletzt, zwei sind todt am Platze geblieben. Die gerichtliche Untersuchung wird mit großem Eifer fortgeführt. Die Zahl der Verhafteten ist groß. Doch erscheinen bis jetzt nur vier derselben als wirklich bei dem Attentate betheiligt. Diese sind Orsini, Picrri, der Bediente des Ersteren und ein Vierter, der sich für einen Portugiesen auS- giebt, aber wahrscheinlich auch ein Italiener ist; er nennt sich Da Silva, sein eigentlicher Name ist, wie man glaubt, Rudio; er soll auS Venedig gebürtig sein. Orsini giebt sich bekanntlich für einen Grafen auS. Paris, 17. Zanuar. Der heutige Moniteur berichtet über den gestrigen Empfang. Der Kaiser habe seinen Dank geäußert und hinzu gefügt, er sei entschlossen, die nöthigen Maßregeln zu treffen, um die Flüchtlinge aus London und Brüssel sortzubringen, er werde jedoch die Bahn der Festigkeit und der Mäßigung, die er vis dahin verfolgt, nicht verlassen. DaS officielle Blatt führt weitere siebenzehn Personen auf, die bei dem Attentate verwundet und bis gestern Abends ermittelt wurden, so daß sich deren Gcsammtzahl nun auf 123 beläuft. Auch ist wieder ein Verwundeter gestorben. Paris, 18. Zan., AbendS. Bei ber heute Mittag stattgefundcnen Eröffnung der legislativen Session hat der Kaiser in seiner Thronrede u. A. Folgendes gesagt: Die franz. Flotte in den chinesischen Meeren werde mit England in Gemeinschaft operircn, um die Abstellung gemeinschaftlicher Beschwerdcpunkte zu erlangen und die grausam ermordeten Missionäre zu rächen. Die Beziehungen Frankreichs zum Auslände seien vortrefflich. Die Zusammenkünfte in Osborne und Stuttgart hätten dasselbe durch neue in time Bande mit England und Rußland verknüpft. Zn die holstein-lauen- burgische Frage wolle sich Frankreich nicht einmischen, soweit dieselbe eine rein deutsche Frage sei und die Integrität Dänemarks nicht bedrohe. Zn der Donaufürstenlhümerfragc werde es so viel als möglich die Wünsche der Bevölkerungen unterstützen. Es sei zu hoffen, daß die Pariser Con- scrcnzen einen versöhnlichen Ausgang nehmen würden. Weiter wird in der Thronrede gesagt: Das Kaiserreich wolle kein reaktionäres RegierungS- system; cs sei der Ausklärung nicht feind, sondern wolle die Entwickelung ber Principien von 1789. Diese hätten ohne Zweifel ihr GuteS, eS müsse aber eine starke Regierungsgewalt bestehen. EincFreiheit ohne Beschränkungen sei unmöglich und eine Partei, die daS Gegentheil behaupte, verkenne die fundamentalen Grundlagen der Staatsleitung. DaS Resultat der letzten Wahlen sei ein befriedigendes. Dieselben hätten indeß an gewissen Orten ein betrübendes Schauspiel dargeboten. Zn Anbetracht Dessen werde man künftig jeden Wählbaren verpflichten, den Eid auf die Constitution zu leisten, ehe er als Kandidat auftrcten dürfe. Man Hosse, daß dies bei der Aufsuchung von Mitteln, um die äußerste Part-iopposition zum Schwei gen zu bringen, sich dienlich erweisen werde. Schließlich gedachte der Kaiser deS jüngsten verbrecherischen Attentats, daS so viele Opfer gefor dert habe, und fügt hinzu: Parteien, die zum Meuchelmord ihre Zuflucht nähmen, bewiesen dadurch ihre Schwäche und Machtlosigkeit. „Solche An-