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Wglliindischer Anzeiger. Reunundsechszigster Jahrgang. Verantwortliche Redaction, Druck und Verlag von Moritz Wieprecht in Plauen. Dieses Blatt erscheint wöchentlich dreimal, und zwar Dienstags, Donnerstags und Sonnabend-. Jährlicher Abonnement-prei-, auch bei Beziehung durch die PoS, 1 Thlr. tO Ngr. — Annoncen, die bis Mittags 12 Uhr eingehen, werden in die Lag« darauf erscheinende Nummer ausgenommen, später eingehende Annoncen finden in der nächstfolgenden Nummer Aufnahme. — Inserate werden mit 1 Ngr. für die gespaltene Corpus-Zeile berechnet. Donnerstag. jM, 21. Januar 1858. Das Verkehrswesen in Deutschland vor hundert Jahren. Zu Wasser. ES ist gar Vieles gebessert worden, wenn auch Mancher nicht sehen will oder kann, daß cS besser geworden. Für dieses Mal wollen wir es an dem Verkehr zu Wasser nachweisen. Vor hundert Jahren gab cS be kanntlich in Deutschland keine Eisenbahnen, nicht einmal Kunststraßen. Damals waren ohne Zweifel die natürlichsten und hauptsächlichsten Ver kehrswege die Flüsse. Aber die Benutzung derselben war gewaltig er schwert. Wahrend heute die Regierungen für die Erleichterung der Ströme, die mehreren Landern gemeinsam sind, alles Mögliche thun, war man da mals eifrig darauf bedacht, so viel als möglich Zölle aus der Stromschiff fahrt zu gewinnen. Jeder kleine Staat hatte an dem schiffbaren Flusse seine Zollstätte, der größere mehrere. Auf dem Rheine gab cS von Straßburg bis zur niederländischen Grenze 30 Zollstätten; von Bingen bis Koblenz, fünf Meilen lang — 9, fast in jeder Stunde eine. Oft lagen diese Zollstätten, je nach dem Wechsel der LandeSgrenze, ziemlich nahe an einander, aber an den entgegen gesetzten Ufern, so daß die Schiffer häufig mit ihren Fahrzeugen herüber und hinüber kreuzen, auch bei der Fahrt stromaufwärts die Zugpferde von einem Ufer aufs andere übersetzen mußten. Jede dieser Zollstätten nahm durchschnittlich jährlich 20,000 Gulden rheinisch ein, die zu Mainz 60,000 Gulden. Dieß gab für die Strecke von Straßburg biö zur holländischen Grenze jährlich 600,000 Thaler, also noch 100,000 Thaler mehr, alö heute zu Tage die leider noch immer bestehenden Rhcinzölle abwerfen. Nur ist heute der Schiffsverkehr auf dem Rheine unendlich bedeutender, als er vor hundert Jahren war.— Am'Ma in war cS eben so arg. Hier zählte man von Bamberg bis Frankfurt 33 Zollstätten. Auf der Donau war eS besser. Da zahlte man blos an 3 Zollstätten, in Regensburg, Passau, Wien und zwar im Ganzen 1 Gulden 24 Kreuzer für den Ccntner oder etwa 25 Ngr. auf eine Strecke von 60 Meilen. An der Weser gab es 19 Zollstätten, 4 preußische, 11 hannoversche, 3 hessische, 1 braunschweigische. Auf der Elbe passirte man 35 Zollstätten, darunter zwischen Dresden und Magdeburg 16. Ein Engländer meinte schon damals, die übermäßige Belastung deS Stromvcrkchrs durch Zölle sei ein „wunderbarer deutscher Wahnsinn." Außer dieser Brandschatzung durch Zölle lasteten damals noch andere Erschwerungen auf der deutschen Stromschifffahrt. Da waren z. B. die Stapelrechte, durch welche man den Verkehr gewaltsam an verschiedene Länder und Staaten zu fesseln suchte. Ein Regensburger Schiff konnte nach Wien jede Waare bringen, von Wien aber zurück durfte eS nur österreichische Weine laden. Der Wiener Schiffer durfte stromauf nur bis Regensburg, der Regensburger nur bis Ulm fahren; stromab mußten beide leer zurückkchren. Aehnliche Beschränkungen bestanden auf dem Rheine, der Elbe rc. Die Frachtschiffe auf der Donau waren damals noch plump, unvollkommen gebaut, ungetheert, ohne Masten und Segel, zum Rudern stromab, zum Ziehen stromauf eingerichtet. An eine Besei tigung der Hindernisse, welche Stromschnellcn und spitzige Felsen mitten im Fluß der Schifffahrt entgegenstellten, dachte Niemand. Pferde bekam man unterwegs schwer zu miethcn, daher mußten sie die Schiffer für die Bergfahrt von Wien nach Regensburg schon von Regensburg nach Wien mitnehmcn! Welch' ungeheuere Vertheucrung der Fracht! Um dem auS- znwcichen, verkauften die Schiffer in Wien lieber ihre Schiffe und wan derten zu Fuße heim! Und nun das Reisen zu Wasser vor hundert Jahren! Etwas Langweiligeres und Unbequemeres ließ sich kaum denken. Langsam und bedächtig schwamm das Marktschiff, ein plumpes Fahrzeug, während deS Sommers von Mainz nach Köln hinunter, und schnell nannte man die Reise, wenn man damals diese Strecke in dreißig Stunden zurücklegte, wozu man jetzt, seit Anwendung deS Dampfes auf die Schifffahrt, in den elegantesten Schiffen kaum acht Stunden braucht. Der Rückweg dauerte zu Wasser drei Tage. Und die Preise waren nicht etwa billiger, als jetzt. Von Mainz bis Köln zahlte man 3 Thlr., bis Koblenz 1^/z Thlr. Wer etwas bequemer reisen wollte, als auf dem Marktschiffe möglich war, miethete einen bedeckten Kahn mit Fenster und zahlte dafür von Mainz bis Koblenz 16—27 Thlr. Natürlich war damals der Schifffahrtsver kehr auf dem Rheine ungleich geringer als jetzt. Es fuhren jährlich 1300 bis 1400 Schiffe stromauf und ab, darunter 200 mit Reisenden. Die Zahl 200 auf die gute Jahreszeit vertheilt, giebt durchschnittlich eine Fahrt auf den Tag. Gegenwärtig fahren täglich fünfzehn Dampfschiffe in der guten, acht in der mißlichen Jahreszeit regelmäßig! Am Nieder rhein, im Clcve'schen hörte die Reise zu Wasser auf; denn dort bestand eine von Friedrich dem Großen erlassene Verordnung, nach welcher der Reisende auSsteigen und zu Lande Weiterreisen mußte, „um der königlichen Post einen Verdienst zuzuwenden." So verstand damals selbst der geist volle Friedrich die Interessen des Verkehrs! Auf der Donau fuhr man von Regensburg mit gewöhnlicher Gele genheit nach Wien 6 Tage, (jetzt 2). Dafür zahlten „gemeine" Perso nen 1 Thlr., „gepuderte" einen Dukaten, ohne daß letztere die mindeste Bequemlichkeit voraus gehabt hätten. Mit eigenem Fahrzeuge kam man in 3*/z Tagen dahin, zahlte aber dafür 11 Dueaten. Die schiffe wurden gewöhnlich von Handwerksburschen gerudert, welche dafür die Reise um sonst mitmachten. — Ucberseeische Reisegclegenheiten in regelmäßiger Zeit frist gab cs damals auch schon, natürlich seltener, langsamer, kostspiellger. Von Kiel bis Kopenhagen brauchte man acht Tage, jetzt 24 Stunden; von Cuxhaven nach England acht Tage, jetzt 2 Tage. — Wir wiederho len: Es ist um Vieles besser geworden! — Zeitungen. Sachsen. Landtag. 2. K. 18. Jan. Heute können wir unsern Lesern eine höchst erfreuliche Nachricht vom Landtage bringen. DaS pro visorische Steuerausschreiben für 1858 erledigt sich, eS ist unserer Regie rung und unserem Landtage möglich geworden, alle außerordentlichen Steuerzuschläge in Wegfall zu bringen. Wir werden daher, nut Ausnahme der Zuschläge zur Stempelsteuer, die nächstens revidirt werden wird, künftig nicht mehr Steuern bezahlen, als wir bis 1848 zahlten. Die glänzende Lage unserer Finanzen, die größeren Einnahmen von Zöllen, Eisenbahnen, Forsten rc. auch in drn letzten Monaten deS verflossene» Jahrcö hat dieß gestattet. Dieß war die frohe Botschaft, die ein voigtl. Abgeordneter, Hr. Staatsminister a. D. Georgi, Vorstand der Finanz deputation, heute der Kammer und dem Lande mittheilte. Hieraufgab der Hr. Cultminister v. Falkenstein Antwort auf die neu lich gesellte Anfrage des Abg. Rittner, (Siehe Nr. 4deS Voigt!. Anz.) die Einführung eines neuen Gesangbuches in der Diaconissinnenanstalt l» Dresden bctr. — Die Tribünen waren überaus gefüllt. DerHr. Minister sagte ungefähr Folgendes: Das Ministerium habe durch die sogenannten Kernlieder