Volltext Seite (XML)
VoigtliiMchtr AnMgcr. Siekenunüsechszigster Jahrgang. Verantwortliche Redaction, Druck und Verlag von Moritz Wieprecht in Plaue«. Diese» Blatt erscheint wöchentlich dreimal, und zwar Dienstag-, Donnerstag- u:.d Sonnabend-. IäbrUcher A d sn n e m e n t-p r e l , auch e die Poft, 1 Thlr. IS N-r. — Annoncen, die di- Mittag- 12 Ubr eingehen, werden in die Tags darauf erscheinende Nummer ausgenommen, sp ter e ageyen e finden in der nächstfolgenden Nummer Aufnahme. — Inserate werden mit 1 Ngr. für die gespaltene Korpus-Zeile berechnet. Dienstag. .» IS«. - - - . . - .7. . " ' 21. Octoier 185«. Dir dreihundertjährige Jubelfeier der Tauptkirche zu Plauen. So haben wir denn heute, den 19. Octobcr 1856, das Fest begangen, nach dem wir so lange unö sehnten, für welches seit Monden eifrig ge rüstet wurde — daö dreihundertjährige Jubiläum unserer Hauptkirche in Planen, zu St. Johannes benannt. Schon gestern, nachdem daS hohe Fest mit unserem vollen, herrlichen Glockengeläute eingeläutet worden war und von den Thürmen §er Stadtkirche die Fahnen in vaterländischen und städtischen Farben herabweheNn, war ein wahrhaft rüsttäglicheS Leben und Treiben in und um die Kirche sichtbar, selbige mit Kränzen und Guir- landen von Innen und Austen festlich zu schmücken. Der Hauptfestschmuck freilich, die neue, äußerst kunstreiche, geschmack- und prachtvolle Bekleidung deS AltarS, der Kanzel und deS Lesepultes war schon am 16. d. M. der Kirche übergeben worden*). Am Frühmorgen des Festtages strömten zahlreiche Andächtige (eö waren weit über 590 Cvmmnnicanten) in das hell erleuchtete Gotteshaus zur Beichte und Kommunion zum würdigen Beginn dcs festlichen TageS. Um 9 Uhr setzte sich, vom schönsten Herbstwctter begünstigt, unter Glocken- geläute, Musik und dem Gesänge deS LiedeS: „Eine feste Burg ist unser Gott", der Festzug vom Bürgerschulhause auS in Bewegung, eröffnet und geschlossen von Abtheilungcn der Communalgarde. Unter Vortritt von je zwei Marschällen, die Geistlichkeit voran, zogen die königlichen und städti schen Behörden, die Stadtverordneten, eingepfarrten Rittergutsbesitzer, Advokaten, Aerzte, Kaufleute und Fabrikanten, dann dem Musikchore und den Sängern folgend, die Lehrer-Kollegien und Zöglinge der hiesigen höheren Bildungsanstalten, die Innungen, (erfreulicher Weise dießmal mit *) Diese Kirchentecoration besteht auS Langsticbstickercicn auf dunklem, braunvieletten, echten Sammet und zwar grau in grau mit Gold vermischt. Zur grauen Stickerei wurde graue Zepbir-Wvlle in 6 Schultirungen genommen und da-höchste Licht in weißer corkonnlrter Seide au-geführt, die der Stickerei, vorausgesetzt, daß dieselbe gute Be leuchtung erbält (was freilich bei dem Altar in der Kirche nicht der Fall ist) einen lieblichen Glanz verleihet, während dagegen da- Gold sie prächtig macht. Die Kan- zelbekleidung besteht aus einer Sammetfläche von circa 6 Ellen Länge und 2'/» Ellen Höbe. Dieselbe erhielt Elle vom obern Rande herein einen gestickten blinden Nebenvurt, in die untern Ecken 2 große Blumenpalmen, welche durch ein Blumengchänge mit einander verbunden sind, über welche-, und zwar als Mittclstück ein über ein Kreuz quer liegender Palmenzweig gestickl ist. Durch eine breite Goldtresse erhielt die ganze Arbeit die passende Einfassung. Die Altarbekleidung ist gleichfalls ohn gesähr 6 Ellcn lang und etwa 1'/« Elle hoch. Es wurde auch dieselbe untenhin und zwar in der Mitte eine Garbe mit daraus liegender Weintraube gestickt, um Brod- und Wrinspcnde zu bezeichnen, in die Ecken gleichfalls unten eine Blumen- und Blätter- »errierung. Nach oben wurde der Sammet sreigelassen, da der Altar, als besonderes Geschenk vom Herrn Ritter G. F. Schmidt und Gattin eine weiß gestickte Decke erhielt, deren prachtvolle'Guipure - Stickerei etwa Elle über den Sammet herunter- bängt, der durch den Spitzengrund der Stickerei durchschimmerl und die Hochstickcrei darauf um so mehr hebt. Die eisernen Arnigeländer am Altar erhielten gleichfalls Sammetbckleidung, jedoch obne Stickerei und nur mit Golktr-fsen - Einlassung. Für dieselben schenkte gleichfalls Hr. Ritter w. F. Schmidt und Gattin weißgestickte tteberwürfe im Geschmacke der Altardecke auSgesührt. Das Lesepult erhielt gleichfalls eine Sammetdccke, deren nach vorn herabhängendcr Theil mit einer aufgcschlagenen Bibel bestickt wurde, auf welcher die Worte stehen: Herr, Dein Wort bleibet ewiglich! (Für Unkundige noch die Bemerkung, daß der echte Sammet einer Stickerei bedeutende Schwierigkeiten bietet, die ein anderer Stoff nicht entgegensetzt». — Wir meinen, daß diese reichen Festgaben, wahre Meisterstücken Plauenschen Kunst- und Ge- werbfleißeS, an denen so Biele in unserer Kirchengemeinde mit Kopf und Hand geschickt arbeiteten, für welche noch Mehrere Opfer an Bemühung und Geld brachten, al- ein recht erfreuliches Zeugniß für den kirchlichen Sinn unserer Gemeinde zu betrachten feien, tzs dürste nicht leicht eine evangelisch-protestantische Gemeinde so prachtvollen Kirchen- schmuck besitzen. mehr Fahnen, als bei früheren ähnlichen festlichen Gelegenheiten) und die Gemeindcrälhc und Mitglieder der eingepfarrten Dorfschaften in langem Fostznge die Schulgasse und den obern Steinweg herauf, über den Markt durch die Kirchgasse und den Haupteingang zur Kirche. Auf dem Markte und dem erst in diesem Sommer neu gepflasterten, erweiterten und auf diese Weise verschönerten Kirchplatze paradilte die Communalgarde. Nach Gesang, Intonation rc. und dem Gesänge des Ambrosianischen LobgesangeS betrat unser hochwürdiger Herr Superintendent Beyer die Kanzel und legte nach dem Gebete des 84. Psalms, die hohe Bedeutung des Festtages, eines Tages, „den die Aeltcften in der Gemeinde nicht er lebt haben und die Jüngsten wohl nicht erleben werden", der ungemein zahlreich versammelten Gemeinde (wir schätzen die Zahl der Zuhörer auf mindestens Dreitausend) ans Herz und die sinnbildliche Bedeutung deS neuen herrlichen KirchenschmuckS aus, indem er denselben für die Gemeinde annahm, dafür dankte und ihn weihete. Anknüpfend an den Feftpsalm, die Grundlage seiner Festbctrachtung, schilderte der hochw. Redner hierauf in feurigen, ergreifenden Zügen „das Lied deS Frommen von seinem Gotteshause I) daS Zeugniß seiner Sehnsucht nach diesem Hause; 2) der Ruhm seines Segens von diesem Hause; 3) die Fürbitte seines Herzenö für dieses HauS." Andächtig lauschten die Tausende der Gemeinde diesen Worten; möchten sie Frucht bringen dreißig-, sechzig- und hundertfältig?) In der Mittagsstunde wallte ein neuer Zug von demselben Ausgangs punkte auf demselben Wege demselben Ziele, wie Vormittags, zu, begleitet von dem heiligen Dreiklange der Glocken. ES war ein Theil der kom menden Geschlechter, die Oberklassen der kirchcngemeindlichen Schuljugend aus Stadt und Land, mit Fahnen und Kränzen, geführt von ihren Lehrern und unter Begleitung der Musik des LiedeS: „Sei Lob und Ehr' rc." Herr Stadtdiaeonus Martin predigte in diesem Kindergottesdienste in gewohnter ansprechender Weise über Luc. 2, 41—52. „Wisset ihr nicht, baß ihr heute sein müßt in dem, das eures VaterS ist?" Hier sollt auch ihr heute — dicß war die Ausführung — ihm danken für die große Gnade, die er an diesem Hause gethan, ihn loben für den reichen Segen, den er in diesem Hause bereitet und euch erheben zu frommen Gelübden, mit denen ihr auS diesem Hause hcimkehrt. — Auf diesen Nachmittags- und Kindergotteödienst folgte das stark von Stadt und Land, Nähe und Ferne besuchte Kirchcnconcert, bezüglich dessen wir auf daS Programm ver weisen und nur noch bemerken, daß die Musikaufführung nach dem Nrtheile Sachkundiger eine glücklich gelungene zu nennen war. Abends 9 Uhr schloß daS Lied: „Null danket alle Gott", von einem Männcrchor bei bunter Latcrncnbcleuchtung vom Thurmc herab kunstfertig gesungen, und daS Geläute aller Glocken auf würdige Weise den festlichen Tag. Die Stadtgtmeinde hatte die Summe von 50 Thlr. auSgeworfen, um gegen 1000 Speisemarken für den heutigen und zwei darauf folgende Tage zum Besten der hiesigen Armen zu vertheilen, auch die Bürger-ä^oSpitaliten waren zu Ehren deS Festtages besonders gespeist worden. Co schloß ein Fest, dessen wohlthuendcr Eindruck auf alle Klassen der Klrchengcmctnde unverkennbar hcrvortrat. Möge rr ein recht nachhaltiger sein für Alle! * nur dein allgewtintn Wunsch« Au«Lruck. wenn wir den Drvck tiefer Predigt besurworten.