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kann, wohl durch Anordnungen der bürgerlichen Gewalt geregelt werden können, nicht aber ins Gebiet der Religion und noch weniger unter die Herrschaft der Geistlichkeit gehören; 5) daß die Lebre vom Teufel, von dösen Geistern, von einer zürnenden Erniedrigung, Rache, Mord fordern den Gottheit und von einer durch und durch verdorbene» Menschennatur ebensowenig für unsere Zeit paßt, als so manche gedankenarme, einseitige, in barbarischer Wortsetzung gegebene Lieder und Sprüche vergangener Jahr hunderte; 6) daß jeder Autoritätsglaube zu verwerfen ist, da cS keinen Menschen giebt, der sein Siegel einem Jahrhundert, viel weniger kommen den Jahrhunderten aufzudrücken berechtigt ist, da andere Zeiten andere Sitten und Einsichten bringen und eS für uns nicht maßgebend sein kann, waS Dcr oder Jener dachte, sondern was wir, gemäß unsern jetzigen Er fahrungen und Kenntnissen zu denken vermögen. Nürnberg, 31. Oct. 1855. (Folgen die Unterschriften.) Die A. Z. theilt noch eine andere an Se. Maj. den König von den angesehensten evangelischen Einwohnern Nürnbergs ergangene Vorstellung wegen Wahrung ihrer verfassungsmäßigen und kirchlichen Rechte mit, an deren Schluß eS heißt: „Im unbegrenzten Vertrauen aus die allerhöchsten landeöväterlichen Gesinnungen stellen wir die allerunterthänigste Bitte: Ew. Majestät wollen Allergnädigst zu verfügen geruhen, daß vor allem zur Beruhigung der ausgercgtcn Gcmütber der Vollzug der jüngsten Anord nungen des königl. protestantischen OberconsistoriumS sistirt, zum Schutz unserer bedrohten verfassungsmäßigen und kirchlichen Rechte aber die seit Einführung dcr Kirchcuvorständc in Betreff der Liturgie, des Agendenkerns, der Ordnung des Beichtstuhles, der Wiederherstellung der Kirchcnzucht, dcr Sicherstellung des geistlichen Amtes gegen ungebührliche Zumuthungen, endlich der persönlichen Anmeldung bei Proklamationen, erlassenen kirch lichen Anordnungen, soweit sie bekannt oder noch nicht bekannt geworden sind, ausgehobcn werden." München, 5. Nov. Die Aufregung über die bekannten Erlasse des Obcrconsiftoriums nimmt überhand, und die Opposition dagegen vermehrt sich in extensiver und intensiver Hinsicht. Bereits unsere vorsichtigsten Blätter bethciligcn sich an einer Polemik, die anfangs nur auf die Lokal presse sich zu beschränken schien. — Aus Nürnberg meldet man, daß gegen die neue Liturgie bereits ein passiver W verstand sich entwickelt, ein Theil der Kirchcnbcsucher verläßt die heiligen Räume, sobald dieselbe beginnt und kehrt erst mit dem Beginn der Predigt zurück. Andere bleiben ganz weg. Das sind die Früchte unserer Orthodoxen. Frankfurt a. M., 8. Nov. Die Bundesversammlung hat am Don nerstag den Neuenburg betreffenden Antrag PrenßenS einstimmig ange nommen. Indem sie dem Londoner Protokoll beitritt, befürwortet sie Freilassung dcr Gefangenen und will die preußischen Schritte mit allem Nachdrucke unterstützen. Italien. Von dcr Grenze der Romagna, 29. Oct., wird dcr Judependance bclge gcschriebcn: Hcutc haben eine Batterie und ein Jägcr- bataillon Bologna verlassen, um sich jcnseit deS Po auf venetianisches Ge biet zu bcgcbcn. Trotzdem verbleiben die Oesterreicher noch immer in einer Stellung, von weicher aus sie die Legationen bis zu den Marken beherrschen können, indem sie die bedeutendsten Punkte dieser Provinzen, Bologna, Ancona und Ferrara, besetzt halten. Brüssel, 6. Oct. Rede des Vorstehers der Universität zu Brüssel für die Freiheit verwissenschaftlichen Forschung auf von Gebiete des Glau bens. Die Wahrheit entspringt immer aus dcr Diskussion; (Rede und Gegenrede) nicht die Zahl, die Logik bringt sie hervor. TiScutircu wir also, dislutiren wir friedlich in unsern Hörsälen! Da, wo die Diskussion geschlossen ist, trägt die Gewalt den Sieg davon, und es ist besser discu- tiren, als zur physischen Gewalt zu greifen. Die Diskussion ist der Blitz ableiter dcr brutalen Revolution; sie entfernt, beschwert, leitet das Ge witter, sie beschützt das Gebäude, ich will sagen die Gesellschaft. Ein Volk, das frei discutirt, ist cin Volk, das lebt und sortschreitet; ein Volk, daS nicht discutirt, ist cin Volk, das stirbt, oder das sich im Dunkeln verbirgt und nur auf eine Gelegenheit lauert, um zu treffen. (Energischer Beifall.) Wir bestreiten Niemandem das Recht, unsern Unterricht zu cri- tisircn; aber wir fragen die Andern, mit welchem Recht sie sich im Al lein besitz der Wahrheit glauben. Ihr besitzt nur die Wahrheit einer Kirche, und wir hindern Euch nicht, sie zu lehren. Ihr besitzt nur DaS, waS Ihr für wahr haltet, und Ihr habt die Anmaßung, von universeller Wahrheit zu reden. Nein, die universelle Wahrheit gehört Euch nicht. (LanganhaltendcS Bravo und Zuruf.) Ihr besitzt i^cht die histo- rifche Wahrheit, und Ihr lehrt sie nicht, denn Ihr feid gezwungen, die Geschichte zu verfälschen, um die Verbrechen Derer zu entschuldigen, welche der Ehrsucht Roms dienten. Ihr besitzt nicht die moralische Wahrheit und Ihr lehrt sie nicht; denn daS erste Moralgesetz ist die Liebe und Duldung, und das Concil des dritten Jnnoccnz verkündigt: daß eS nicht nur ein Recht, sondern auch eine Pflicht ist, die Ketzcr zu ver folgen, und daß man uumöglich ein guter Katholik sein kann, ohne diesen Grundsatz der römischen Kirche anzunehmen und zu befolgen. Ihr besitzt nicht die wi sse nsch aft li che Wahrheit, und Ihr lehrt sic nicht; denn die Fürsten der Kirche haben das Svstem deS KopernicuS verdammt, und Galilei verfolgt, der cS lehrte. Ihr besitzt nicht die politische Wahr heit, und Ihr lehrt sie nicht; denn daö Rundschreiben Gregors XVI. hat die belgische Constitution verdammt, welche Europa bewundert und beneidet, als die weiseste und die wahrste aller bekannten Constitutionen. Ihr wollt oberster Schiedsrichter sein über Gutes und BöscS, Ihr verachtet selbst die Befugnisse der Regierung, dcnn Ihr bildet nicht nur eine religiöse, sondern eine politische Partei, eine Partei, die Sturm auf deu Staar läuft und das Ideal menschlicher Gesellschaft im theokratifchen Absolutis mus Roms erblickt. Ihr wollt die Freiheit, wie cin Recht für Alle, wenn Ihr besiegt seid; aber sobald Ihr sie habt, wollt Ihr sic, wic cin Pri vileg i u m. Mannichfaltiges. Jakob Fugger, der Leinweber. (Schluß.) In der Zeit deS für sich bestehenden schwäbischen Bundes lebte in dem unfern von Augsburg belegenen Dorfe Graben Johannes Fugger, ein wenig bemittelter Leinweber. Von dessen Söhnen, Johannes und Ulrich, verkaufte der Erstere nach des VaterS Tode daS ihm zugefallene schmale Erbtheil an Wiesenland, zog mit seinem Webstuhl in die Stadt und hei- rathcte im Jahre 1370 eine Augsburger BürgerStochter, mit der er zugleich daS Bürgerrecht gewann. Nachdem seine erste Gattin gestorben, verehe lichte er sich von Neuem mit Elisabeth Gsattcrmann, der Tochter eines Rathsherrn. Er wurde einer der Zwölfer seiner Zunft und saß als solcher in der Eigenschaft eines Freischöffen mit zu Gericht. Fleiß und Glück erwarben ihm cin Vermögen von dreitausend Goldgulden, das er bei seinem Ableben (1409) seinen beiden Söhnen Andreas und Jakob hinterließ. Unter die sen brachte cs Andreas im Handel und Wandel schon dahin, daß man ihn den reichen Fugger nannte, seine Nachkommen starben aber aus. Als eigentlicher Begründer von Ruhm und Macht deS HauseS ist deS ersten Johannes Urenkel, des Andreas Neffe Jakob zn betrachten. Jakob Fugger wurde 1459 zu Augsburg geboren. Die Eltern be stimmten ihn für den geistlichen Stand und sandten ihn deshalb nach Italien, wo er in deu geistlichen Kollegien eine hervorragende Geiftesdtlvung gewann. Nach dem Tode seiner Eltern verließ er die eingeschlagene Lauf bahn, an die keine Neigung ihn fesselte, und trat neben seinen Brüdern Ulrich und Georg in das Geschäft zurück. Durch mehrfährigen Aufenthalt in Venedig t.rug er wesentlich dazu bei, den levanNnischen Handel nach Deutschland und dem europäischen Norden immer fester an das Fuggersche Hans zu knüpfen, und dehnte den Umkreis dcr Geschäfte im »er umfassen der aus. Eine neue Quelle des Reichthums, Vie zugleich wichtige Folgen für Deutschlanvs Wohlstand mit sich führte, öffnete er sich in Ungarn, dessen Ergiebigkeit an Metallen cr zu einer Zeit entdeckte, wo die geringe Betriebsamkeit der dortigen Bevölkerung die Schätze ihrer Berge noch nicht zu heben verstanden. Mit der angesehenen ungarischen Familie der Turzo von BetlemSdorf verwandt, ward er von dieser wirksam unterstützt, setzte den ungarischen Bergbau in Betrieb und leitete die gewonnenen Metalle, namentlich den bedeutenden Kupfer-Ertrag, in die Bahnen des Verkehrs. Die Bergwerke zu Alt- und Neu-Sol legte cr an, und als durch diese Untcrnchmungcn sein Reichthum in stetem Wachsen blieb, pachtete er end lich die Goldgruben zu Schwatz in Tyrol. Aus diesem einzigen Werke zog cr cine jährliche Einnahme von 200,000 Gulden, bei einem reinen Metall-Ertrag desselben von 700,000 Gulden, und baute im Tyroler Ge birge cin prächtiges Schloß, das er mit dem Namen der Kuggerau taufte. Während auf diese Weise sei» rastloser Unteruehmungsgctst nach allen Seiten sich ausbrcitcte, vergaß cr doch niemals den heimischen Grund und Boden, auf welchem sein Haus beruhte. Die Weberei Augsburgs, die ihn und sein Geschlecht cmporgetragcn hatte, trug nuu sein Relchthum. Zahlreiche Meister beschäft'gte er und vertrieb die Erzeugnisse der Augs burger Webstühle nach allen Gegenden dcr Welt. Nie hatte die Stadt cine glänzendere Zeit gesehen. Mit seinen übrigen Geschäften verband Jakob auch die Wechselhandlung und trat in beiderseits vorthellhafte Ver bindungen mit dem Kaiserhofe und den Fürstenhofen. Im Jahre 1488 schoß cr den Erzherzogen von Oesterreich 150,000 Gulden vor, 1509 dem Kaiser Maximilian dem Ersten 170,000 Dukaten, für jene Zeit ganz un geheure Summen. Der Kaiser gab ihm die Grafschaft Kirchberg mit Stadt und Herrschaft Weissenborn auf zehn Jahre zum Pfände; das Pfand wurde niemals eingelöst und ging später in den Besitz des HauseS Fugger über. Der Umfang des Geschäftes wuchs inS Unerhörte. Einmal nahm die von den mitteldeutschen Städten überflügelte, im Sinken be griffene Hansa zwanzig Fugger'sche Schiffe, die mit ungarischem Kupfer